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Ein Cioban kam einmal abends spät in ein fremdes Dorf und klopfte bei einem Rumänen an, um Nachtquartier bittend. Er wurde eingelassen, so gut als möglich bewirtet, dann wies man ihm eine Schlafstelle an. Müde von der Reise schlief er bald ein. Da hörte er, wie im Traum Geisterstimmen durcheinanderschwirrten. Dadurch wurde er ganz munter und aufmerksam, was um ihn vorging.
Im Hause hatte eben ein Knabe das Licht der Welt erblickt, und nun umschwebten die ursitori (unsichtbare Geister), wie sie das bei jedem neugeborenen Kinde tun, seine Wiege, seine Zukunft zu bestimmen. Da hörte er sie sagen: »Dieses Menschenkind wird leben, groß und stark werden, an seinem Hochzeitstage im Brunnen sterben.« Der Tschoban war entsetzt, denn gar zu traurig ist es, im schönsten Lebensalter, im höchsten Glücke sterben zu müssen. Er beschloß, über dies junge Wesen zu wachen, am besten konnte er’s tun als nanas (das ist rumänisch Taufzeuge, der dann auch Trauzeuge wird). Aus diesem Grunde trug er sich am nächsten Tage zum Paten des Kindes an, taufte und ging dann seiner Wege.
Die Jahre vergingen, der Knabe wurde groß, ein stattlicher Bursche. Sein Pate kam jedes Jahr mit seinen Schafen in das Dorf, besuchte ihn und hatte jedesmal Freude an dem munteren Knaben.
Schnell waren zwanzig Jahre vergangen, und der Tschoban, der Nanasche, wurde zur Hochzeit geladen. Schweren Herzens erschien er, in der festen Absicht, den Bräutigam nicht aus den Augen zu lassen. Es war eine lustige Hochzeit. Der Geiger tat seine Schuldigkeit, desgleichen der Wein und der Schnaps auch. Die Trauung war vorüber, die Wagen standen bereit. Auf den ersten stiegen, dicht gedrängt, Kopf an Kopf, die Gäste, in der Mitte die Braut. Auf dem zweiten führte die Mutter der Braut mit der Nanasche die auf einer neuen, schön geblümten Truhe ausgebreitete Aussteuer. So ging es unter lautem Schreien zum Bräutigam. Die vorangaloppierenden Burschen (calarasi) mit bunten Tüchern geschmückt.
Im Hause des Bräutigams begann die Lustbarkeit erst recht, auch der Nanasch begann sich zu beruhigen, als plötzlich der Bräutigam erklärte, zum Brunnen gehen zu müssen, um frisches Wasser zu trinken. Der Nanasch drängte ihn zurück und brachte ihm das Wasser selbst. Der Bräutigam trank, wurde aber immer unruhiger. Bald wollte er wieder zum Brunnen, wieder brachte der Nanasch frisches Wasser. Zum dritten Male sprang der Bursche auf: »Nun hilft alles nichts, ich muß zum Brunnen!« Da machte der Nanasch den Vorschlag, die ganze Hochzeit solle hinaus und um den Brunnen tanzen. Er selbst ging voran, deckte den Brunnen zu. Der Geiger spielte auf, alles tanzte, außer dem Nanasch und dem Bräutigam, der sich erschöpft an den Brunnenrand setzte und noch zum Nanasch sagte: er könne sich’s nicht erklären, warum es ihn so hinunterziehe. Plötzlich fielen ihm Kopf und Hände auf den Brunnendeckel, er war tot.
Der Nanasch hatte sein möglichstes getan, den Geistern das Leben seines hinu abzuringen, doch war ihm nur so viel gelungen, daß er nicht im, sondern nur am Brunnen starb. Das war den ursitori auch gleich. Was sie an der Wiege des Menschen über sein Schicksal beschließen, das erfüllt sich, trotz aller menschlichen Sorge.
Im Hause hatte eben ein Knabe das Licht der Welt erblickt, und nun umschwebten die ursitori (unsichtbare Geister), wie sie das bei jedem neugeborenen Kinde tun, seine Wiege, seine Zukunft zu bestimmen. Da hörte er sie sagen: »Dieses Menschenkind wird leben, groß und stark werden, an seinem Hochzeitstage im Brunnen sterben.« Der Tschoban war entsetzt, denn gar zu traurig ist es, im schönsten Lebensalter, im höchsten Glücke sterben zu müssen. Er beschloß, über dies junge Wesen zu wachen, am besten konnte er’s tun als nanas (das ist rumänisch Taufzeuge, der dann auch Trauzeuge wird). Aus diesem Grunde trug er sich am nächsten Tage zum Paten des Kindes an, taufte und ging dann seiner Wege.
Die Jahre vergingen, der Knabe wurde groß, ein stattlicher Bursche. Sein Pate kam jedes Jahr mit seinen Schafen in das Dorf, besuchte ihn und hatte jedesmal Freude an dem munteren Knaben.
Schnell waren zwanzig Jahre vergangen, und der Tschoban, der Nanasche, wurde zur Hochzeit geladen. Schweren Herzens erschien er, in der festen Absicht, den Bräutigam nicht aus den Augen zu lassen. Es war eine lustige Hochzeit. Der Geiger tat seine Schuldigkeit, desgleichen der Wein und der Schnaps auch. Die Trauung war vorüber, die Wagen standen bereit. Auf den ersten stiegen, dicht gedrängt, Kopf an Kopf, die Gäste, in der Mitte die Braut. Auf dem zweiten führte die Mutter der Braut mit der Nanasche die auf einer neuen, schön geblümten Truhe ausgebreitete Aussteuer. So ging es unter lautem Schreien zum Bräutigam. Die vorangaloppierenden Burschen (calarasi) mit bunten Tüchern geschmückt.
Im Hause des Bräutigams begann die Lustbarkeit erst recht, auch der Nanasch begann sich zu beruhigen, als plötzlich der Bräutigam erklärte, zum Brunnen gehen zu müssen, um frisches Wasser zu trinken. Der Nanasch drängte ihn zurück und brachte ihm das Wasser selbst. Der Bräutigam trank, wurde aber immer unruhiger. Bald wollte er wieder zum Brunnen, wieder brachte der Nanasch frisches Wasser. Zum dritten Male sprang der Bursche auf: »Nun hilft alles nichts, ich muß zum Brunnen!« Da machte der Nanasch den Vorschlag, die ganze Hochzeit solle hinaus und um den Brunnen tanzen. Er selbst ging voran, deckte den Brunnen zu. Der Geiger spielte auf, alles tanzte, außer dem Nanasch und dem Bräutigam, der sich erschöpft an den Brunnenrand setzte und noch zum Nanasch sagte: er könne sich’s nicht erklären, warum es ihn so hinunterziehe. Plötzlich fielen ihm Kopf und Hände auf den Brunnendeckel, er war tot.
Der Nanasch hatte sein möglichstes getan, den Geistern das Leben seines hinu abzuringen, doch war ihm nur so viel gelungen, daß er nicht im, sondern nur am Brunnen starb. Das war den ursitori auch gleich. Was sie an der Wiege des Menschen über sein Schicksal beschließen, das erfüllt sich, trotz aller menschlichen Sorge.
[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]