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Iuon ohne Furcht

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Ein halber König hatte drei Töchter und einen Sohn. Als die Zeit kam, daß er sterben sollte, sagte er zu seinem Sohne: »Mein Kind, deine Schwestern überlass‘ ich dir in der Sorge, du sollst sie verheiraten. Wenn ein Freier kommen wird, sieh, ist er tauglich oder nicht.«
Es verging eine Zeit, wieviel vergangen sein wird, da kam eines Abends ein Drache, ans Fenster klopfend: »Du Ioane, wirf mir deine älteste Schwester heraus zur Frau!« – »Wer bist du? Komm herein, daß wir einen Kolak aus Korn essen und ein Glas Wein trinken.« – »Ins Haus komme ich nicht, einen Kolak aus Korn esse ich nicht mit dir und trinke auch nicht, aber wirf mir deine Schwester heraus!« – »Von wo bist du, wohin soll ich kommen, wenn ich mich nach meiner Schwester sehne?« – »Wenn du an sie denkst, bei ihr wirst du sein.« Dieser nahm seine Schwester und gab sie durchs Fenster dem Drachen.
Am andern Abend kam der Bruder des Drachen unter das Fenster und rief: »Du, Ioane ohne Furcht, wirf mir deine Schwester, die mittlere heraus zur Frau!« – »Komm herein, daß ich seh‘, was für ein Mensch du bist, daß wir einen Kolak aus Korn essen und ein Glas Wein trinken.« – »In die Stube komme ich nicht, einen Kolak aus Korn esse ich nicht, Wein trinke ich nicht mit dir!« – »Von wo bist du, wohin soll ich kommen, wenn ich mich nach meiner Schwester sehne?« – »Wenn du daran denkst, bei ihr wirst du sein.« Dieser nahm seine Schwester und gab sie ihm durchs Fenster.
Am dritten Abend kam der jüngste Drache ans Fenster, rufend: »Du, Ioane ohne Furcht, wirf mir deine jüngste Schwester heraus zur Frau!« – »Komm in die Stube, daß ich seh‘, was für ein Mensch bist du, wir sollen einen Kolak aus Korn essen und ein Glas Wein trinken!« – »In die Stube komme ich nicht, einen Kolak aus Korn esse ich nicht und ein Glas Wein trinke ich nicht mit dir!« – »Von wo bist du, daß ich weiß, wohin ich gehen soll, wenn ich mich nach meiner Schwester sehne.« – »Wenn du [es] denkst, bei ihr wirst du sein.« Darauf nahm dieser seine jüngste Schwester an der Hand und gab sie durchs Fenster dem Drachen. Jetzt war er allein geblieben, und er fühlte sich so einsam, daß er es nicht mehr in der Stube aushalten konnte.
Er nahm sich den Tornister und seinen Bobo und ging zum König Weiß und verdingte sich als Schreiber. Als der König fragte, ob er schreiben könne, antwortete er: »Herr König, was ich an einem Tag schreibe, könnt Ihr in einem Monat nicht lesen.« Darauf nahm ihn der König an. Er hatte eine Tochter und hielt sie in einem Glas aus Furcht vor dem Drachen. Dieses Mädchen gefiel dem Iuon sehr, und er stand oft vor dem Glas und plauderte mit ihr. Eines Tages sagte er: »Du Tochter des Königs, es würde dir doch gefallen, wenn du auch, wie wir, ohne Glas herumgehen könntest. Wenn du willst, bemühe ich mich, dich vom Drachen zu befreien.« Gut. Er machte eine Vogelschlinge aus Seide, geflochten in sechs, und legte sie aufs Fenster, den Drachen zu fangen. Der kam oftmals ans Fenster, zu versuchen, ob er das Mädchen nicht stehlen könnte. Als er kam, sah er die Schlinge nicht, steckte den Kopf hinein und war gefangen. Iuon ohne Furcht hieb ihm den Kopf ab und machte lauter Bissen daraus und warf sie hinaus. Jetzt kam das Mädchen aus dem Glase heraus, der König freute sich, sie hielten Hochzeit, und es war alles gut.
Eines Abends ging der König mit seiner Tochter zum Tanz, ihr Mann blieb zurück, und als er zurückgeblieben, dachte er: »Kaum gehe ich in alle Zimmer und sehe, was mein Schwiegervater hat.« Als er in das letzte kam, siehe da, der Drache am Fenster. [Iuon tötet den Drachen.] Als Iuon ohne Furcht das Fleisch und die Knochen hinausgeworfen, war die Großmutter des Drachen gekommen und legte die Knochen zu den Knochen, das Fleisch zum Fleisch und belebte ihn wieder. Als der Drache sah, daß Iuon ohne Furcht nicht bei seiner Frau auf dem Tanze war, ging er schnell hin, nahm die junge Frau und floh mit ihr nach Hause, ihr Mann kam grade hinein, als sie zum Fenster hinausflog. »Na, guter Friede (Redensart für »zu spät«). Wenn ich bei meinem Schwager wäre, der könnte mir vielleicht helfen.«
Er hatte den Gedanken noch nicht ausgedacht und war beim ältesten Drachen. »Guten Abend, du Schwager.« – »Du sollst leben, Schwager, was bringt dich zu mir?« – »Sieh so und so ist es mir ergangen. Wie könnte ich meine Frau befreien?« – »Hör, du Schwager, wenn du nicht ein Pferd von der Art des Drachen bekommst, kannst du sie nicht befreien, solange die Welt steht.« – »Aber wie soll ich mir so ein Pferd bekommen?« – »Wenn du der Iuon ohne Furcht bist, dann will ich es dir sagen.« – »Die Leute nennen mich so, Furcht habe ich nie gehabt, auch jetzt werde ich mich nicht fürchten.« – »Geh bis zu dem See dort, da wirst du ein Loch finden zugedeckt mit einem Stein, bewege den auf die Seite und gehe durch das Loch auf die andere Welt. Dort wohnt eine alte Frau, zu der sollst du dich als Knecht verdingen auf drei Tage und sollst als Lohn das schwächste Füllen verlangen, aber Angst darfst du keine zeigen, sonst bist du verloren.« Iuon ohne Furcht ging und kroch in das Loch, als er drinnen war, traf er zwei Wölfe, die wollten ihn fressen. »Nicht freßt mich, wenn ich zurückkomme, bringe ich euch etwas Besseres mit.« Er ging weiter und traf zwei Löwen, die wollten ihn fressen. »Nicht freßt mich, ich bringe euch etwas Besseres, wenn ich zurückkehre.« Er ging weiter und traf zwei Bären, die wollten ihn fressen. »Nicht freßt mich, ich bringe euch etwas Besseres, wenn ich zurückkehre.« Auch diese hatten ihn nicht gefressen, und dann langte er bei der Alten an und ging hinein ohne Furcht, trotzdem er 99 Menschenhäupter auf Pfählen gesteckt sah und ein Pfahl noch leer war. »Nicht fürcht dich, Alte, mich wirst du nicht aufhängen«, dachte er. »Guten Tag, alte Großmutter.« – »Ich danke, irdisches Kind. Was bringt dich zu mir?« – »Ich möchte dir drei Tage dienen.« – »Gut, was soll ich dir geben?« – »Du sollst mir nur dein schwächstes Füllen geben.« – »Du sollst es haben, geh und hüte meine Stute auf dem Gras, abends bring sie nach Hause, wenn du sie verlierst, hau‘ ich dir den Kopf ab und steck‘ ihn dort auf den Pfahl, sieh, den hab‘ ich für dich gehalten.« Er setzte sich auf die Stute und ritt und rührte sich nicht von ihr. Nur einmal, als gegen Mittag die Sonne heiß brannte, schloß er nur ein wenig die Augen, und die Stute war fort. »Na, dies ist gut, jetzt wird es mir schlecht gehen, wenn jetzt mein Schwager hier wäre.« Nicht einmal den Gedanken hatte er ausgedacht, und der älteste Drache stand bei ihm. »Was für Kummer hast du, he Schwager?« – »Sieh, so und so, wie soll ich die Stute finden?« – »Siehst du die Elster dort in den Wolken? Das ist deine Stute, wart, ich bring dir sie.« Er stieg hinauf und brachte sie herunter. Dieser warf den Zaum über sie, stieg auf und ritt nach Hause. Ihn lobte die Alte, aber die Stute schlug sie, es war ihre Tochter. Am nächsten Tag ging er wieder, er blieb nicht lange, nur einmal lief sie, und bald sah er sie nicht mehr. Ioan ohne Furcht dachte an seinen zweiten Schwager, er hatte den Gedanken noch nicht ausgedacht, der Drache war bei ihm: »Was wünschst du, mein Schwager?« – »Sieh, wie es mir gegangen, mir ist die Stute entflohen, und ich weiß nicht wohin.« – »Komm mit mir an den See. Siehst du den großen Fisch?« – »Ich seh‘ ihn.« – »Wart, ich bring‘ dir ihn heraus, dann wirf den Zaum über ihn.« Er machte es so, und auf einmal hatte er die Stute wieder und ritt nach Hause. Ihn lobte die Alte, die Stute aber schlug sie fast zum Krüppel.
Am nächsten Tage ritt er wieder, und als die Stute dachte, er sehe nicht auf sie, lief sie schnell und verwandelte sich in ein Ei und versteckte sich ins Feuer. Als dieser sah, daß sie ihn wieder betrogen, dachte er an seinen jüngsten Schwager. Nicht einmal den Gedanken hatte er ausgedacht, und der Drache war bei ihm. »Was ist’s, du?« – »Na sieh, es hat mich betrogen die Stute, jetzt weiß ich nicht, wo ich sie suchen soll.« – »Komm nur nach Hause, sie hat sich in ein Ei verwandelt und ins Feuer versteckt. Ich werde ein Hahn und steige auf den Hausboden zum Kukuruz und schreie: ‚Kikeriki‘. Darauf wird die Alte hinaufkriechen und wird rufen: ‚Häsch, Kokosch‘. Du wirf den Zaum über das Ei, und du bist frei. So machten sie es. Als die Alte vom Boden herunterkam, stand der Jüngling mit der Stute vor der Türe. »Ach, du bist mutig, sagte sie zu ihm und gab ihm das schwächste Füllen. Die Stute schlug sie, daß sie immer tulai schrie.
Ioane ging mit dem Füllen und kam an sechs Kühen vorbei und trieb auch die vor sich und ging heimwärts. Als er zu den Bären kam, gab er ihnen zwei Kühe. Er ging weiter bis zu den Löwen, denen gab er wieder zwei Kühe, und ging weiter bis zu den Wölfen und gab auch ihnen zwei Kühe. Jetzt erreichte er das Loch, und als er es erreicht hatte sagte das Füllen: »Nimm den Sattel aus meinem linken Ohr und den Zaum aus dem rechten und steig auf. Als er es getan, sprsng das Füllen bis in den Himmel hinauf und sprang gleich weider herunter. »Hattest du Furcht, mein Herr? – »O nein, ich fürchte mich nicht. – »Dein Glück, wenn du Furcht gehabt hättest, würde ich dich aus dem Himmel hinausgeworfen haben, ohne Furcht wirst du Glück finden. Jetzt trage ich dich vor das Haus, wo deine Frau wohnt, das Pferd des Drachen ist mein Bruder.
Sie kamen bis dahin, da stand die junge Frau mit den Krügen am Brunnen. Dieser nahm sie geschwind aufs Pferd und floh. Nur einmal hörte es des Drache, trat heraus und sah, wie Iuon mit der Frau floh. Er ging schnell in den Stall zu seinem Pferd. »Werden wir sie erreichen können, wenn du ein Viertel Kohlen frißt und einen Eimer Wein trinkst? – »Ob ich esse oder nicht, ob ich trinke oder nicht, erreichen konnen wir sie nicht mehr, denn das Pferd ist mein jüngerer Bruder und ist leichter als ich. – »Komm, wir wollen versuchen. Er setzte sich auf und floh hinter ihnen. Aber er erreichte sie nicht mehr. Als Iuon ohne Furcht mit der Frau heimkam, kehrte das Füllen um und begegnete dem Drachen, der wollte es fangen, sein Pferd warf ihn dem Füllen zu, das Füllen warf ihn hoch in den Himmel, aus dem Himmel fiel er herunter und zerschellte in lauter Bröckchen. Fertig.

(Burgberg)
[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]

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