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Die Frau des Herrgotts

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Drei Brüder hatten eine Schwester, ihre Eltern waren gestorben. Jetzt, da sie nur diese eine Schwester hatten, kamen sie überein, sie niemandem zur Frau zu geben, außer unserm Herrgott. Gott hört alles, sieht alles, was die Menschen auf dieser Erde tun und reden. Dies wissen wir alle. So hörte auch der liebe Gott, wie diese drei Brüder sich beredeten, darum kam er auf unsere Erde, trat unter das Fenster und rief dem ältesten: »Gibst du mir deine Schwester zur Frau?« – »Komm herein, wenn du meine Schwester haben willst, ich werfe sie nicht zum Fenster hinaus.« Gott ging fort. Am nächsten Abend kam er wieder unter das Fenster und rief dem zweiten: »Gibst du mir deine Schwester zur Frau?« – »Komm herein in die Stube, ich werfe sie nicht zum Fenster hinaus.« Gott wollte nicht hineingehen und ging fort. Am dritten Abend kam er wieder unters Fenster und rief dem jüngsten Bruder: »Gibst du mir deine Schwester zur Frau?« Dieser nahm seine Schwester und warf sie zum Fenster hinaus. Gott nahm sie und stieg mit ihr in den Himmel.
Nun waren die Brüder allein und arbeiteten. Dann kam der Winter und verging, der Sommer kam und verging. Es verging ein Jahr nach dem andern, doch die Schwester war nicht ein einziges Mal gekommen, nach ihnen zu sehen. So waren drei Jahre vergangen. Da kam eine große Sehnsucht über die Brüder nach der Schwester, und der älteste sprach zum jüngsten: »Nun, siehst du, wir wollten unsere Schwester nicht zum Fenster hinausgeben, du hast sie gegeben, von wo sollen wir jetzt wissen, wo wir sie suchen sollen? Aber doch will ich mich auf den Weg machen, vielleicht finde ich sie tot oder lebend.« Er machte sich einen guten malai (ein Gebäck aus Maismehl), steckte ihn in den Tornister und ging. Er trat auf die Straße und ging nun lange, lange, bis er auf eine große, schöne Wiese kam. Auf dieser mähte ein alter Mann mit einer hölzernen Sense. Dieser alte Großvater aber war Gott, nur wußte es niemand. »Guten Tag, alter Großvater!« – »Du sollst leben, Bursche! Wohin gehst du?« – »Ich gehe meine Schwester suchen. Eine große Sehnsucht nach ihr hat uns gepackt. Jetzt weiß ich nicht, welchen Weg ich gehen soll, daß ich sie finde.« – »Gehe immer nur auf dem rechten Wege, bis du an einige schöne Häuser kommen wirst, dann tritt hinein, dort wohnt deine Schwester.« Er ging und kam zu den schönen Häusern, trat ein und hatte seine Schwester gefunden. Als er eingetreten war, ging er sogleich hinter den Tisch und setzte sich auf den Stuhl Gottes. »Komm, Bruder, setz dich auf einen andern Stuhl, es sind ja noch genug hier, komm, ich will dir zu essen geben«, redete seine Schwester besorgt zu ihm. »Laß mich hier auf dem Stuhle Gottes. Essen brauch ich keines, ich habe malai.«
Abends kam Gott nach Hause. Als er den Bruder seiner Frau sah, sagte er: »Guten Abend, Schwager.« – »Ich danke Euch, Schwager«, antwortete der Jüngling. »Du Frau, hast du deinem Bruder zu essen gegeben? – Hör, Schwager, willst du mir nicht dienen? Ich gebe dir einen guten Lohn, und du sollst mir nur einen Tag das Pferd auf die Weide treiben. Wohin dich das Pferd trägt, dorthin sollst du gehen, wo es fressen wird, dort sollst du sammeln, wo es trinken wird, dort sollst du füllen.«
Er blieb bei Gott für einen Tag als Knecht. Er setzte sich aufs Pferd und ritt hinaus bis an einen Garten mit vielen Blumen, schönen und verwelkten. Die schönen riefen: »Komm pflück uns für deinen Hut, es steht dir dreimal schöner.« Er ging, pflückte einen Strauß und steckte ihn auf den Hut. Dann stieg er wieder aufs Pferd und ritt bis ans Wasser. Das Pferd sprang hinein, schüttelte ihn ab ins Wasser, daß er ertrank.
Die beiden andern Brüder warteten lange Zeit auf ihren ältesten Bruder; als sie sahen, daß er nicht mehr kam, brach auch der mittlere auf mit einem malai im Tornister, so groß wie ein Rad, und ging denselben Weg wie sein Bruder. Als er an die Wiese Gottes kam, stand wieder der alte Mann mit der hölzernen Sense dort. Der Jüngling redete mit ihm und fragte, welchen Weg er wohl gehen müsse, um die Frau Gottes zu finden. »Geh nur auf dem rechten Wege, dann wirst du an einige schöne Häuser kommen, tritt ein, dort wirst du deine Schwester finden.«
Er ging immer rechts, traf die Häuser und trat ein. Als er eintrat, ging er gleich bis in die Hälfte der Stube, als er den Stuhl Gottes erblickte, setzte er sich gleich darauf. »Komm Bruder, setz dich auf einen andern Stuhl, es sind ja genug, und laß den Stuhl Gottes in Ruhe«, bat die Schwester. Aber er gehorchte nicht und blieb sitzen. Als Gott am Abend nach Hause kam, sagte er: »Guten Abend, Schwager.« – »Ich danke euch, Schwager.« – »Hast du deinem Bruder zu essen gegeben, du Frau? Willst du dich nicht für einen Tag bei mir als Knecht verdingen zu einem Pferd? Ich gebe dir einen guten Lohn. Wohin dich das Pferd tragen wird, dorthin sollst du reiten, wo es fressen wird, dort sollst du sammeln, wo es trinken wird, dort sollst du füllen.«
Er blieb und setzte sich aufs Pferd und ritt bis zum Garten mit den Blumen, den schönen und den verwelkten. Die schönen riefen: »Komm zu mir und steck mich auf den Hut, es steht dir dreimal besser.« Er dachte nicht lange; hätte er gedacht, so würde er nicht gegangen sein, aber so sprang er vom Pferd, trat in den Garten, pflückte sich einen Strauß und steckte ihn auf den Hut, dann ritt er weiter bis ans Wasser. Das Pferd sprang hinein, schüttelte ihn herunter ins Wasser, daß er ertrank.
Der Jüngste war allein geblieben und wartete und wartete auf seine Schwester und die Brüder, aber niemand kehrte zurück. Nun legte sich Trauer und Sehnsucht auf sein Herz, daß er dachte, er solle nicht hier allein bleiben, sondern auch gehen, sie zu suchen.
In seiner Trauer und Sehnsucht dachte er nicht daran, sich ein gutes Essen für den Weg zu bereiten, er machte nur ein wenig malai aus Asche, brach dann auf und ging, bis er auf eine Wiese kam, groß und schön. Auf dieser Gotteswiese mähte wieder Gott als alter Mann mit einer hölzernen Sense. »Könnt Ihr noch, alter Großvater?« – »Noch ein wenig, Bursche.« – »Könnt Ihr mich nicht zurecht weisen, wo ich meine Schwester finden soll?« – »Gehe immer nur auf dem rechten Wege, dann wirst du einige schöne Häuser antreffen, tritt ein, dann wirst du deine Schwester sehen.« Er dankte und ging.
Als er angekommen und eingetreten war, blieb er nur hinter der Türe stehen, setzte sich dann auf den Boden, wie viel ihn seine Schwester auch bat, zum Tisch zu kommen, er wollte nicht. Nun brachte sie gutes Essen, er dankte aber und nahm nichts. Zog dann seinen Tornister hervor und aß ein wenig malai aus Asche. Als am Abend Gott nach Hause kam, erhob sich der jüngste von der Erde und wünschte einen guten Abend. »Du Schwager, komm an den Tisch und iß mit mir!« sagte Gott. »Ich bedanke mich, ich will noch ein wenig hier auf der Erde sitzen, gegessen habe ich aus meinem Tornister.«
»Du Schwager, bleibe hier bei uns, was sollst du so allein zu Hause? Sieh, ich gebe dir einen guten Lohn, du sollst mir mein Pferd hüten. Wohin es dich führen wird, dorthin sollst du gehen, wo es fressen wird, von dort sollst du sammeln, wo es trinken wird, von dort sollst du füllen.« Er blieb und ritt bis zu dem Garten mit den schönen und den verwelkten Blumen. Die schönen riefen: »Komm zu mir, steck mich auf den Hut, es steht dir dreimal besser.«
»Wer euch gepflanzt hat und wer euch gepflegt, der soll euch auch pflücken.« Er hielt sich gar nicht auf und ritt weiter, bis er an ein Kloster kam, das Pferd führte ihn hinein. Als er eintrat, waren dort alle Heiligen versammelt und wollten ihn verurteilen, denn es ist einem Menschen von der Erde nicht erlaubt, dies Kloster zu betreten. Als sie berieten, was sie ihm tun sollten, sagte Gott: »Er war gehorsam und bescheiden, ihr sollt ihm nichts tun. Aber du, heiliger Petrus, sollst ihn nehmen und ihm alles zeigen.« Der Jüngling erzählte dem heiligen Petrus, wie es ihm auf dem Wege ergangen mit den Blumen. Darauf meinte Petrus, es sei sein Glück gewesen, daß er die Blumen nicht gepflückt hätte, das wären die getauften Kinder gewesen. Die welken aber wären die ungetauften Kinder. Dann zeigte er ihm noch viele Sünden der Menschen, bis sie an die Türe kamen, dann ließ er ihn hinaus. Der Jüngling aber ritt mit dem Pferd auf die Wiese Gottes und fütterte es gut bis zum Abend und führte es nach Hause. Da er Gott gefiel, behielt er ihn bei sich. Sie lebten alle drei gut miteinander bis auf den heutigen Tag.
Und ich stand auf einem Nagel und sage nichts mehr.

Ana Subtirel, Alzen
[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]

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