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Märchenbasar

Hör nicht, Sieh nicht, Sei nicht schwer wie die Erde

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Es war einmal eine Königin, die hatte eine Köchin. Beide bekamen zu gleicher Zeit einen Knaben. Als diese groß waren, schlossen sie treue Freundschaft, Bruderschaft. Der Prinz wollte in die Welt gehen, die Königin erlaubte es nicht, aber der Prinz bat seine Mutter so lange, bis sie ihn ziehen ließ. Der Sohn der Köchin blieb zu Hause. Als der Prinz aufbrach, gab er seinem Kreuzbruder ein Tüchlein und einen Ring und sprach: »Du Bruder, wenn du an diesem Tüchlein drei Blutstropfen siehst, kannst du wissen, daß ich irgendwo verwünscht bin, dann komme, suche und befreie mich. Wenn aber das Ringlein verrostet ist, dann bin ich tot, dann kannst du mir nicht mehr helfen.«
Der Bruder gab ihm die Hand und kehrte um, heimwärts, aber der Prinz ging und ging, bis er in einen Wald kam. Er ging und ging, aus dem Wald kam er nicht mehr hinaus. Er wußte es nicht, daß er einen verwunschenen Wald getroffen hatte, in welchem eine Hexe wohnte. Nun, er ging immer weiter, bis die Sonne unterging, dann ließ er sich unter einer Eiche nieder, machte sich ein Feuer und begann zu Abend zu essen. Seine Mutter hatte ihm einige gebratene Tauben in den Tornister gepackt und einen Punja gebacken aus weißem Kornmehl. Nur einmal rief jemand aus den Ästen der Eiche: »Auleo, ich friere, auleo, ich friere.« Er blickte hinauf und sah in den Zweigen eine alte Großmutter sitzen und jammern. Es war die Hexe, er wußte es aber nicht. »Komm herunter und wärme dich.« Sie kam herunter, setzte sich neben ihn, plötzlich nahm sie eine Kröte aus dem Busen, und warf sie ihm ins Gesicht, rufend: »Wer Tauben ißt, ißt Kröten, wer Tauben ißt, ißt Kröten.« – »Gib Frieden, alte Großmutter«, sagte er. Sie aber nahm das Feuerzeug und warf es dem Prinzen über den Kopf, daß er gleich umfiel. Dann zog die Hexe ein Messer heraus, gewann damit das Herz und verwahrte es in der Eiche, die Knochen begrub sie unter die Eiche. Nun verging eine lange Zeit, vom Prinzen hörte man nichts mehr. Da dachte der Sohn der Köchin daran, einmal nachzusehen, wie es ihm gehe, und er zog das Ringlein hervor, dies war blank, also tot war er nicht. Nachher zog er auch das Tüchlein heraus, nur einmal, siehe, drei Blutstropfen darauf. Er erschrak heftig, denn nun wußte er, sein Bruder war verwünscht, deshalb also hörte man nichts mehr von ihm. Er beeilte sich sehr mit der Vorbereitung für die Reise. In den Tornister nahm er sich gebratene Tauben, das Gewehr und drei Hunde, die hießen Naude, Navede, Nagreul pamîntului, mit Augen schwarz wie die Kohlen. Nun ging er immer weiter, bis er auch in den verwunschenen Wald kam. Als die Sonne unterging und er noch immer nicht aus dem Walde herauskam, verstand er, daß es mit diesem Walde nicht richtig sei, und dachte sich, es würde mit seinem Bruder hier etwas geschehen sein, er brauche nicht weiter zu gehen. Er machte sich unter der Eiche ein Feuer und wärmte sich. Da hörte er oben in der Eiche eine alte Großmutter rufen: »Auleo, ich friere, auleo, ich friere.« – »Komm herunter und wärme dich.« – »Ich komme nicht herunter, deine Hunde beißen mich.«
»Meine Hunde tun dir nichts.«
»Ich komme nicht herunter, bis du nicht diese drei Haare auf sie wirfst.« Er nahm die drei Haare und warf sie ins Feuer. Die Alte hatte es nicht gesehen und glaubte, sie lägen auf den Hunden. Nun sprang sie herunter, setzte sich neben ihn ans Feuer und fing an zu schreien: »Wer Tauben ißt, ißt Kröten, wer Tauben, ißt, ißt Kröten.« Zog eine Kröte aus dem Busen und warf sie dem Jüngling ins Gesicht. Aber die Hunde standen immer auf zwei Füßen und hüteten ihren Herrn. Wie sie die Kröte warf, packten sie die Hunde am Halse, daß sie sich nicht rühren konnte und immer zu Hilfe schrie. Sie bat sehr schön, er möchte sie doch von den Hunden befreien, sie wolle ihn gewiß nicht mehr mit der Kröte ärgern. Aber er sagte: »Du Hexe, du hast mir meinen Kreuzbruder versteckt, sage die Wahrheit, wo ist er?« Sie wollte es zuerst nicht sagen, bis er nicht das Gewehr auf sie richtete, dann sagte sie es ihm. Das Herz habe sie in der hohlen Eiche versorgt, die Knochen unter der Eiche eingegraben. Wenn er sie alle zusammennehme und mit dem Blut der Kröte einreihe, würde der Prinz wieder frisch und gesund. Er tat, wie ihn die Hexe gelehrt. Wie er das Herz herausnahm, sah er dort noch mehrere und ersah daraus, daß die Alte noch viele Sünden begangen und nicht wert sei, zu leben und noch mehr zu sündigen. Er nahm auch die Knochen aus der Erde, rieb sie mit Krötenblut ein, da stand der Prinz frisch und gesund neben ihm, er aber nahm das Gewehr und schoß die Hexe nieder. Wie er schoß, wurde es ganz helle, nirgends sah man einen Wald, die beiden standen auf der Straße, um sie herum erstreckte sich ein schönes Weizenfeld. Die beiden Kreuzbrüder nahmen sich an der Hand und gingen nach Hause. Dort herrschte große Freude überall, weil der Prinz wieder gesund nach Hause gekommen.

Marie Bran, Leschkirch
[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]

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