Ein Kaiser, dessen Gemahlin gestorben war, kam auf den abscheulichen Einfall, seine Tochter zu heiraten. Sie aber wollte sich hierzu durchaus nicht überreden lassen und wurde dabei durch ihre Amme unterstützt, welcher sie alle Geheimnisse ihres Herzens anvertraute. Als ihr der Kaiser wieder mit seinen Anträgen zusetzte, so erklärte sie auf den Rat der Alten, sie werde sich bereit finden, wenn sie ein silbernes Prachtkleid bekomme. Der Kaiser ließ hierauf schnell ein solches machen und brachte es selbst seiner Tochter, in der Hoffnung, sie werde sich nun nicht mehr länger weigern. Aber die Prinzessin, von der Amme wieder belehrt, verlangte jetzt ein goldenes Prachtkleid, das an Wert das silberne zehnmal übersteigen müsse. Der Kaiser gab sogleich allen Meistern seiner Hauptstadt Befehl, ein solches Kleid zu verfertigen und sich dazu Gold aus der Schatzkammer zu nehmen, soviel sie nur wollten. Als es fertig war und er es voll Freude der Prinzessin brachte, fand er diese wieder ebenso unschlüssig wie zuvor, und sie verlangte jetzt sogar ein diamantenes Prachtkleid, welches den Wert des goldenen zehntausendmal übersteige. »Dieses«, hatte ihr die Amme gesagt, »wird den Reichtum seiner Schatzkammer übersteigen, er wird es nicht machen lassen können, und dann werden die Anträge ein Ende haben.« Der Kaiser war zwar über die ungeheure Forderung erstaunt, aber um seinen Willen durchzusetzen, erschöpfte er seine Schatzkammer, und was nicht hinreichte, ließ er mit Gewalt von seinem Volke nehmen. So hatte er doch so viel zusammengebracht, um ein diamantenes Kleid verfertigen zu lassen, welches im Werte das goldene zehntausendmal überstieg. Die Prinzessin erschrak, als er es ihr brachte, und bat ihn noch um einen Tag Bedenkzeit. Der Kaiser willigte ein, und sie besprach sich in dieser Zeit mit ihrer Amme, welche ihr riet, noch ein Kleid von ihrem Vater zu verlangen, welches er ihr gewiß nicht machen lassen könne, nämlich von lauter Lausbälgen und verbrämt mit Bälgen von Flöhen. Als der Kaiser den neuen Wunsch der Prinzessin vernahm, wurde er böse, wollte aber doch nichts sagen, sondern gab sogleich wieder Befehl, daß ein solches Kleid verfertigt werde. Es dauerte ein volles Jahr, bis nur alles Rauchwerk und alle Häute zu diesem Kleid beieinander waren, und dann wieder ein Jahr, bis sie zusammengenäht wurden. Nach dieser Zeit brachte der Kaiser seiner Tochter das Kleid, und nun ließ sich die Prinzessin auf den Rat der Alten ohne weitere Einrede mit ihrem Vater trauen.
Abends, als sie mit ihm in die Brautkammer trat, bat sie ihn, er möchte sie noch einmal ein wenig ins Freie lassen. Er wollte durchaus nicht, denn er mißtraute ihr und dachte, sie wolle ihm entfliehen. Sie gab ihm aber einen Bindfaden in die Hand, den sie sich um die Linke gebunden hatte, und sagte ihm, wenn sie ihm zu lange nicht komme, so solle er nur ziehen. So willigte der häßliche Vater endlich ein, und die Prinzessin schlüpfte zur Tür hinaus, wo schon ihre Amme mit einem alten Bock bereit stand, dem sie schnell die Schnur um die Hörner banden. Alsdann legte die Prinzessin alle ihre Kleider an, zuerst das diamantene, darüber das goldene, dann das silberne und über alle diese das abscheuliche, welches ihr der Kaiser zuletzt hatte machen lassen. So entfloh sie.
Der Kaiser wartete indessen ungeduldig und zog endlich sachte an der Schnur, außen aber zog der Bock wieder. Der Kaiser zerrte endlich, und der Bock wollte sich in dieser Kunst nicht schlechter finden lassen und tat sein mögliches, so daß der Kaiser voll Zorn aufsprang und vor die Tür trat. Wie war er aber erstaunt, als er anstatt seiner reizenden Tochter nur einen zottigen schwarzen Bock fand, der sich unsanft an ihn drängte und mit seinen Hörnern aufs empfindlichste mit ihm zu scherzen suchte. Der Kaiser mußte sich wieder allein ins Brautgemach zurückziehen und Leute rufen, die alsbald, die Amme an der Spitze, herbeikamen. Als der Kaiser in einem Schwall von Schimpfworten seinem Zorn Luft gemacht und sein Abenteuer erzählt hatte, befahl er, den Bock wegzuschaffen. Die Amme fing aber zu kreischen an: »Siehst du, Tyrann deines Kindes, wie weit du es nun gebracht hast? Gott hat euch gestraft wegen eurer sträflichen Verbindung, indem er dir deine Tochter nahm und sie in dieses abscheuliche, gehörnte Ungeheuer verwandelte.« So und mit noch vielen anderen Worten überzeugte die listige Amme den betrogenen Herrscher, daß der gerechte Zorn Gottes dieses Wunder bewirkt habe, weshalb er sich auch schämte und von der Sache nichts weiter mehr gesprochen wurde.
Die Prinzessin war indessen in einen großen Wald geflohen, wo sie, da es eben gute Jahreszeit war, von Beeren und Nüssen lebte, die sie an den Sträuchern fand. Nun begab es sich, daß der Kaiserssohn von dem Reiche, zu welchem dieser Wald gehörte, in demselben ein großes Jagen anstellte. Es war schon gegen Abend, als der Prinz, nur von einem Diener begleitet, einen Eber in tiefes Dickicht verfolgte. Zu seinem großen Erstaunen sah er hier das sonderbare Waldkind, und da er nicht wußte, was er daraus machen sollte, legte er den Bogen darauf an. Wie er aber sah, daß es sich nicht rührte, stieg er auf den Baum und fing das unbekannte Tier lebendig. Unter großem Jubel wurde das Waldwunder durch die Stadt in den Palast geführt und dort wegen seines ekelhaften Fells dem Schweinehalter übergeben. Dieser sperrte es in seinen schlechtesten Stall, über welchem ein Hühnerstall war, so daß das Fell des unbekannten Waldtiers nur noch übler zugerichtet wurde. Von allem aber, was man ihm zu fressen hinstellte, nahm es nichts als Beeren und Nüsse vom Walde.
Bald darauf war in der Stadt ein glänzendes Fest. Der Sohn eines angesehenen Herrn bei Hofe hatte Hochzeit. Die ganze schöne Welt der Frauen und Mädchen sowie alle Herren, welchen Namen immer sie trugen, waren dort versammelt. Da schlüpfte, als es Abend war, die Prinzessin aus ihrem ekelhaften Gewande heraus, so daß ihr silbernes zum Vorschein kam, verließ den Schweinestall und ging hin zur Hochzeit. Der Prinz, welcher ebenfalls dort war, sah sie, tanzte mit ihr, und da er das Mädchen außerordentlich schön fand, schenkte er ihm einen sehr kostbaren Ring, nachdem er noch viel mit ihm gesprochen und zuletzt ausschließlich mit ihm getanzt hatte. Gegen Morgen war die unbekannte Schöne wieder aus dem Saal verschwunden, ohne daß jemand in acht genommen hätte, wohin sie gegangen wäre. Die Prinzessin hatte aber wieder ihr Stallkleid umgetan und schlief ruhig im Schweinestall.
Am zweiten Abend erschien sie wieder bei der Hochzeit, diesmal in ihrem goldenen Kleid. Der Prinz, der sie schon längst gesucht hatte, war über ihren Anblick höchlich erfreut und ging ihr nun nicht mehr von der Seite, indem er gar zu gern auch erfahren hätte, wer denn die Unbekannte von dem außerordentlichen Reichtum und der strahlenden Schönheit sei. Sosehr er aber auch auf der Wache war, daß ihm die Geliebte diesmal nicht entfliehe, so nahm sie doch einen günstigen Augenblick wahr und saß bald ruhig wieder, unter ihrem Schmutzkleid verborgen, im Schweinestall, bevor außer dem Prinzen jemand gewahrte, daß sie sich nicht mehr im Saal befinde.
Am dritten Abend erschien die Unbekannte wieder bei der Hochzeit, wo die ausnehmende Pracht ihres diamantenen Kleides allgemeines Staunen erregte. Auch der Prinz dachte, die Jungfrau, die ein Kleid von so unberechenbarem Wert trage, müsse von hohem Stande sein, aber ihre Schönheit kam ihm noch tausendmal herrlicher vor. Er war wieder ganz glücklich und unterhielt sich diesmal ausschließlich mit ihr, konnte aber zu seinem großen Verdruß auch diesmal nicht herausbringen, wer und woher sie eigentlich sei. Als es gegen Morgen ging, stahl sich die Unbekannte wieder so listig aus dem Saal, daß weder der Prinz noch irgendwer ihr Fortgehen im Augenblick bemerkte.
Die Hochzeit war zu Ende, und der Prinz hatte keine Hoffnung, seine geliebte Unbekannte wiederzusehen. Das machte ihn ernstlich krank. Aber auch die Prinzessin saß in ihrem Schweinestall nicht mehr so ruhig wie früher; denn sie hatte den Prinzen ebenfalls liebgewonnen. Einige Tage waren so vergangen, ohne daß der Prinz, der vor Sehnsucht beinahe verging, das Bett verlassen hätte. Da besuchte ihn einer von seinen Freunden, und er ließ ein Frühstück für denselben bereiten. Zufälligerweise kam nun auch das Wundertier aus dem Schweinestall in die Küche; denn man hatte es, da es so still und gutartig schien, frei umhergehen lassen, und bat, sich ein wenig beim Feuer wärmen zu dürfen, weil es in seinem Stalle so kalt sei. Nach einigen Umständen ließ es ihm die Küchenmagd zu, und das Waldtier kauerte sich beim Herde nieder. Als Milch aufs Feuer gesetzt wurde, fragte das Waldtier, für wen dies sei. Da man ihm sagte, für den Prinzen, so zog es von seinem Finger unbemerkt den Ring, den ihm der Prinz bei der Hochzeit gegeben hatte, und warf ihn in den Topf. Nachdem es sich erwärmt hatte, schlich es sich wieder weg in seinen Schweinestall, kleidete sich dort in sein diamantenes Kleid und war so wieder die schönste Prinzessin.
Der Prinz frühstückte indessen mit seinem Freund und konnte sich kaum vor Staunen erholen, als er auf dem Grunde des Milchtopfes den Ring fand, den er seiner geliebten Unbekannten geschenkt hatte. Er ließ unverzüglich die Küchenmagd rufen, welche das Frühstück bereitet hatte, diese verschwor sich aber, daß sie nicht wisse, wie der Ring in die Milch gekommen sei. Der Prinz forschte weiter, wer sich außer ihr noch in der Küche aufgehalten habe. Da gestand endlich das Mädchen nach langem Zaudern, daß das häßliche Waldwunder beim Feuer gesessen sei, um sich zu wärmen. Unverzüglich ging nun der Prinz mit seinem Freunde zu jenem Stall, wo das ekelhafte Waldtier eingesperrt war. Aber wie er die Türe öffnete und hineinsah, prallte er vor freudigem Erstaunen drei Schritte zurück; denn da saß in ihrem herrlichen Prachtkleid seine schöne, über alles geliebte Unbekannte. Sie trat heraus und sprach: »Ich bin es, mein Prinz.« Auf sein Befragen, wie sie an diesen abscheulichen Ort gekommen sei, erzählte sie ihre Geschichte, über die alle sehr erstaunt waren. Alsdann schloß der Prinz seine geliebte Prinzessin zärtlich in die Arme, und bald machte eine prachtvolle Hochzeitsfeier zur Freude des ganzen Hofes dieser Geschichte ein Ende.
[Rumänien: Arthur und Albert Schott: Rumänische Volkserzählungen aus dem Banat]