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Schlittenfahrt mit einem Engel

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Es war noch früh am Morgen.
Das Engelchen Susanna saß versonnen auf einer wohlig weichen Wolkenbank. Seit drei Jahren war sie nun schon im Himmel. Traurig blickte sie hinunter auf die tief verschneite Erde. „Heute ist Heiligabend“, dachte sie. „Die Erdenkinder feiern Weihnachten und werden beschenkt, nur mein Wunsch bleibt wieder unerfüllt!“
Der Weihnachtsmann, der Berge von Geschenken auf seinen Schlitten packte, sah das verträumte Engelchen und rief: „Hallo, Susanna! Träum nicht! Hilf mir lieber. Ich muss noch einmal hinunter auf die Erde Geschenke verteilen. Wie soll ich das alles nur alleine schaffen?“
Susanna fuhr zusammen. Sie öffnete artig ihre zarten Flügel und schwebte elegant, wie es nur Engel können, zum Schlitten.
„Erfüllst du mir endlich meinen Wunsch, wenn ich dir helfe“, fragte sie keck.
„Warum willst du unbedingt auf der Erde Schlitten fahren? Du wirst dir deine Arme, Beine und die Flügel brechen!“, warnte der Weihnachtsmann.
„Bitte…bitte, nimm mich mit“, bettelte Susanna mit ihrem allerliebsten Lächeln, „ ich passe auch schön auf mich auf!“
Der Weihnachtsmann ging noch einmal die Bestellungen durch und strich alles aus, was er schon aufgeladen hatte.
„Hol mir bitte noch die Flöte für Robert“, bat er.
„Wer ist Robert?“, wollte Susanna wissen.
„Den wirst du gleich kennenlernen“, erwiderte der Weihnachtsmann.
„Also erfüllst du mir doch meinen Wunsch und nimmst mich mit?“, jubelte Susanna glücklich und holte die Flöte.
„Ja!“, brummte er in seinen Bart. „Du gibst ja doch keine Ruhe. Steig endlich auf, du Quängelchen!“
Er griff in die Zügel, die Rentiere hoben freudig ihre Köpfe und der Schlitten glitt sanft zur Erde.

Hoch oben in den Bergen hielt er genau hinter einem kleinen Haus am Waldesrand an. Es lag tief verschneit in weißer Pracht. Der Weihnachtsmann reichte Susanna ein Päckchen: „Hier! Die Flöte ist für Robert. Du kannst ihm das Geschenk gleich selbst geben. Vielleicht macht er ja aus Dankbarkeit eine Schlittenfahrt mit dir. Grüß ihn herzlich und sei pünktlich wieder hier an diesem Platz. Um acht Uhr wird die Himmelspforte geschlossen. Du weißt ja, Petrus liebt die Pünktlichkeit!“
Da stand sie nun in ihrem dünnen Kleidchen im tiefen Schnee, den sie endlich nach langer Zeit wieder einmal fühlen und sehen durfte. Ihre Flügel zitterten vor Aufregung.
Der Schnee, von der Sonne beschienen, glitzerte wie tausend Sterne. Vorsichtig griff sie in das weiche Etwas. Glücklich strahlten ihre Augen.
Fliegen war auf der Erde nicht erlaubt, deshalb stapfte sie mutig durch den Schnee auf das Haus zu und klopfte leise an die Haustüre.

Robert war zehn Jahre alt. Er lebte mit seiner Mutter alleine oben in der Einsamkeit. Er hörte das Klopfen, aber seine Mutter hatte ihm verboten, die Türe zu öffnen, wenn sie unten im Dorf zur Arbeit war.
Er drückte seine Nase an der Glasfüllung der Haustüre platt, sah aber niemanden. Wieder klopfte Susanna.
„Und wenn es der Weihnachtsmann ist?“, dachte der Junge freudig erregt und öffnete doch die Türe.
Vor ihm stand ein kleines Mädchen. Schnee hing in ihren Locken. Ihre blauen Augen strahlten ihn an.
„Wer bist du?“, wollte Robert wissen.
“Ich heiße Susanna und bin ein Engel“, sagte sie.
„Du spinnst!“, entfuhr es ihm. „Ein Engel hat doch Flügel.“
Susanna zeigte sie ihm. Sie bewegte sie von hinten zur Seite und nach vorne. Erschreckt wich Robert zurück.
„Ich soll dich vom Weihnachtsmann grüßen und dir dein Geschenk bringen.“
Roberts Mutter war sehr streng mit ihm. Für jedes Geschenk, das er bekam, musste er eine Gegenleistung erbringen. Deshalb sagte er: „Und was muss ich dafür tun?“
„Wie wäre es mit einer Schlittenfahrt“, schlug Susanna vor. „Da, wo ich herkomme, weit über den Wolken, gibt es keinen Schnee.“
„Woher weißt du dann davon?“, erkundigte sich Robert.
„Ich kann mich noch schwach daran erinnern“, gab Susanna zurück. „Und außerdem, wir Kinder da oben sind nicht anders als ihr hier unten. Wir blinzeln manchmal neugierig durch die Wolken.“
„Also, gut“, sagte Robert. „Wenn das dein einziger Wunsch ist. Den kann ich dir leicht erfüllen!“
Robert schrieb für seine Mutter einen Zettel: „Bin mit einem Engel Schlitten fahren.“ Dann legte er das Geschenk unter den Tannenbaum und holte seinen Schlitten aus dem Stall.
„Du wirst dir den Tod holen“, sagte er besorgt zu Susanna. „Der hat mich doch schon geholt“, dachte sie traurig und setzte sich zu ihm auf den Schlitten. Und los ging die Fahrt.
Wie die Locken flogen, wie ihr Kleidchen wehte! Es ging den Berg hinunter und hinauf, durch einen Hohlweg, über Hügel hinweg, zwischen verschneite Tannen hindurch. Es war noch viel schöner als fliegen. Ihr Lachen klang wie ein helles Glöckchen durch die Stille. Sie ließ sich vom Schlitten fallen, wälzte sich samt Flügeln im Schnee, warf ihn über sich und sah bald bald schon aus, wie eine einzige große Schneeflocke. Susanna bekam nicht genug davon. Zum Abschluss bauten sie vor dem Haus noch einen kugeligen Schneemann und machten eine Schneeballschlacht.
„Jetzt ist mir aber doch ein bisschen kalt geworden!“, sagte Susanna.
„Willst du noch mit hineinkommen?“, fragte Robert.
Sie schüttelte sich den Schnee aus den Haaren.
„Nein. Es ist spät geworden! Das war der schönste Tag in meinem…“ Oh, Leben konnte sie ja nicht sagen. „Du hast mir einen großen Wunsch erfüllt“, sagte Susanna. Ihr Dankeskuss war wie ein Hauch auf seiner Wange.
„Ich muss los!“ So still und leise wie sie gekommen war, verschwand sie wieder, denn der Weihnachtsmann wartete schon auf sie.
Draußen ging die Sonne unter und legte einen breiten Streifen Licht auf die tief verschneite Umgebung, so als ginge eine Straße geradewegs zu den Sternenwiesen des Himmels hinauf.
Abends nahm Robert seine Flöte, öffnete weit das Fenster und spielte ein Weihnachtslied. Und oben saß Susanna glücklich und zufrieden auf ihrer Wolkenbank und hörte zu.
„Wenn die Flöte nicht wäre“, dachte Roberts Mutter, „würde ich denken, er hätte nur ein Märchen erfunden, von einer Schlittenfahrt mit einem Engel.“

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