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Malunge

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Vor langer Zeit lebte im fernen Afrika der kleine Malunge. Er bewohnte mit den Eltern und Großeltern eine geräumige Lehmhütte. Zu seinem Leidwesen musste er ohne Geschwister aufwachsen. Bei den anderen Kralsbewohnern herrschte hingegen reicher Kindersegen.

Eines Tages überlegte sich der aufgeweckte Knabe, doch mal den Medizinmann Boaboham aufzusuchen und ihn um magische Hilfe zu bitten. Malunge entschloss sich schweren Herzens, den Zauberer mit seinem einzigen Löwenzahn zu bezahlen.
Während die Erwachsenen ihren täglichen Beschäftigungen nachgingen, stahl sich der Kleine davon. Kurz darauf suchte er die Hütte des weisen Mannes auf und trat furchtlos ein.
,,Hast du dich verlaufen, Malunge?”, fragte der Alte überrascht, denn noch nie zuvor hatte ihn ein Kind ohne Begleitung aufgesucht.
,,Nein! Habe ich nicht.”
,,Nicht? Dann musst du aber ein großes Problem haben.”
,,Stimmt, weiser Boaboham, das habe ich!”
,,Sage mir, was es ist.”

Der Knabe wickelte seinen kostbaren Schatz aus dem schmutzigen Stofffetzen und legte den Obolus in die dafür vorgesehene Tonschale. Dem Medizinmann huschte ein verschmitztes Lächeln übers Gesicht.

,,Ich wünsche mir mindestens drei Geschwister. Am liebsten alle auf einmal, damit ich endlich nicht mehr so allein bin. Aber bitte, einen Bruder und zwei Schwestern”, erklärte Malunge.

Boaboham blickte ihn sehr ernst an, nahm den Becher voller Hühnerknochen und schüttelte ihn kräftig. Mit einer flinken Wurfbewegung leerte er das Gefäß. Lange, sehr lange sah er sich die Lage der einzelnen Knochen genau an. Ungeduldig aber still wartete der Kleine auf die Deutung des Zauberers.

,,Nun, so höre, mein Sohn. Unmöglich ist es nicht. Dein Wunsch kann sich erfüllen, wenn du ein Kigebu-Ritual durchführst.”
,,Egal was ich tun muss, oder wie schwierig es sein wird, ich will es versuchen.”
Der Alte nickte und unterwies den Knaben in allen Einzelheiten.

Von Stunde an verstummte Malunge gänzlich. Selbst mit seiner Familie sprach er kein einziges Wort mehr, ganz gleich, was sie mit ihm anstellten. Er stach sich zwölf Nächte lang in den Finger und ließ stets drei Tropfen Blut auf einen Maisfladen fallen.
In der dreizehnten Nacht schlich er unbemerkt bei Vollmond in die Savanne. Nachdem er eine Weile gelaufen war, kam er an die beschriebene Wildtränke. Dort legte er den blutgetränkten Fladen aus. Hinter einem dürren Dornenbusch harrte der Knabe nun der Dinge. Schon bald näherte sich eine übelriechende Hyäne dem Leckerbissen.
,,Nein! Du darfst das auf keinen Fall verschlingen!”, hätte Malunge beinahe laut gerufen. Aber just in diesem Moment erschien eine anschleichende Gepardin auf der Bildfläche. Sofort machte sich die Hyäne aus dem Staub und die majestätische Raubkatze fraß das Maisbrot restlos auf.
Zufrieden und voller Zuversicht machte sich Malunge auf den Heimweg.
Nun brach für ihn eine lange Zeit des Wartens an und stellte seine Geduld gehörig auf die Probe.

Viele Wochen vergingen, ohne dass die Voraussagung sich erfüllte.
Doch dann, in der Hochzeitsnacht der Glühwürmchen, bekam Malunge Besuch. Plötzlich erwachte er und gewahrte die Gepardin an seinem Lager. Sie trug ein Junges zwischen ihren Fängen. Wie ihm von Boaboham geheißen, nahm er das Kätzchen sachte an sich. Nachdem das Raubtier sich lautlos entfernt hatte, legte der Knabe den jungen Geparden seiner schlafenden Mutter in die Arme. Als diese am Morgen ihre Augen aufschlug, rief sie fassungslos:
,,Wo beim Ziegenbart kommt das Kind her?”
Vor ihr lag fröhlich strampelnd ein nacktes Knäblein.

Nachdem niemand im Kral ein Neugeborenes vermisste, wurde es in Malunges Familie aufgenommen.
Jedoch erschien die Gepardin in den nächsten zwei Nächten erneut und übergab jeweils ein Junges.
Auch diese beiden fremden Kinder, zwei hübsche Mädchen, erhielten, wie ihr Bruder zuvor, eine liebevolle Familie.
Nun war der kleine Malunge wunschlos glücklich. Er ahnte jedoch nicht, dass es wieder anders kommen sollte.

Immer wenn alle Bewohner des Krals in tiefem Schlaf lagen, dann wurden die drei Kleinen wieder zu Geparden und liefen in die Savanne hinaus. Aber noch vor dem ersten Sonnenstrahl kehrten sie in Menschengestalt zurück.
So blieb es nicht aus, dass die Geschwister immer müde waren und nicht mit dem großen Bruder spielen mochten. Das bekümmerte diesen sehr. Hatte er doch für sie sein Blut und seinen Schatz hergegeben. Deshalb wollte er der Sache auf den Grund gehen.
Eines Abends nun legte Malunge einige Dornenstöckchen auf sein Lager, um nicht vorzeitig einzuschlafen. Nach geraumer Zeit regte es sich in der Hütte und er sah mit Staunen einer Verwandlung zu. Als die kleinen Raubkatzen in die Nacht hinausliefen, folgte der Knabe ihnen. Dort, wo er einst den Maisfladen ausgelegt hatte, wartete die Gepardin auf ihre Jungen und sie verschwanden sofort in der Dunkelheit.

Am nächsten Tag lief Malunge zum Medizinmann.
,,Mit deinem Zauber ist etwas faul”, warf er dem Alten vor.
,,Niemals!”, empörte sich Boaboham, ich habe meine Fähigkeiten von unseren Urvätern erhalten.”
,,Dann erkläre mir doch, weshalb meine Geschwister immer zur nachtschlafenden Zeit ein Fell bekommen!”
Der weise Mann geriet in Verlegenheit, hatte er dem Jungen doch etwas Wesentliches verschwiegen.
,,Es verhält sich so”, entgegnete er vorsichtig, ,,die Gepardin leiht dir ihren Nachwuchs für eine Weile. Durch dein Blut erhalten die Kleinen bei Tagesanbruch Menschengestalt. Aber auch das hört mit dem Beginn des zwölften Jahres auf.”
,,Und was geschieht dann?”
,,Dann, mein Sohn, kehren die drei Geparden für immer in die Savanne zurück.”
,,Das geht aber nicht! Was sage ich denn bloß meinen Eltern?”
,,Du bist sehr klug, dir wird schon das Richtige einfallen.”

Viel zu schnell vergingen die zwölf Jahre und Malunge war zu einem jungen Mann herangewachsen. Er bat seine Familie den Geschwistern zu erlauben, nach ihren leiblichen Eltern zu suchen.
Nach einem innigen Abschied begleitete Malunge seinen Bruder und die Schwestern zur Wildtränke in der Savanne. Dort warteten sie, bis die Nacht hereinbrach. Als dann die alte Gepardin erschien, vollzog sich ein letztes Mal die wundersame Verwandlung. Der zurückbleibende junge Mann sah traurig den geborgten Geschwistern nach, denn er wusste genau, sie würden nie wieder in den Kral zurückkehren.

Nur Malunge und Boaboham wussten um das Geheimnis der fremden Kinder. Es blieb für immer in ihren Herzen verborgen.

Quelle: Ulla Magonz

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