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Hexensabbat

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Es geschah vor langer Zeit, als dunkle Mächte die friedfertigen Bewohner einer kleinen Gemeinde heimsuchten.

Einmal im Jahr kamen Hexen aus allen vier Himmelsrichtungen zum Sabbat. Sie versammelten sich auf dem ortsnahen Tabuberg, um dort im Opferstein ein gestohlenes, neugeborenes Mägdelein zur Hexe zu weihen. Aus Angst vor diesem teuflischen Treiben mochten die ehrbaren Weiber keine Kinder mehr gebären. Nun begab es sich aber, dass Stine, die Schustertochter, und Jobst, der Bäckersohn, kurz nach solch einem Hexensabbat ihre Vermählung feierten. Da die beiden eine innige Liebe verband, blieb es nicht aus, dass Stine bald guter Hoffnung war. Sie erkannte aber auch die drohende Gefahr, sollte das Kleine unter ihrem Herzen ein Mädchen werden. Deshalb lief sie täglich ins Gotteshaus und bat die Heilige Jungfrau Maria um Beistand.

Stines Leib wies bereits eine augenfällige Rundung auf, als sie eines Tages zur Vesper zu Jobst sprach:
,,Was sollen wir nur tun, wenn mein Flehen um einen Sohn nicht erhört wird?”
Er erwiderte tröstend:
,,Verzage nicht, mein Herz, unser Herrgott wird es schon richten.”
,,Und wenn uns nun trotzdem ein Töchterchen geboren wird?”
,,Du ängstigst dich gar zu sehr. Bei meiner Seel, ich steh mit meinem Leben für das Kind ein.”

So verstrich die Zeit, und die Geburt als auch das Jahrestreffen rückten immer näher.
Nach und nach stellte sich das Hexengelichter ein und unweigerlich entbrannte der übliche Streit, welches Weib das Neugeborene nun stehlen dürfe. Hui, da ging es hoch her. Sie schlugen einander mit ihren Besen die Nasen blutig, rissen an den Haaren, rauften im Staube rollend, bissen Ohren ab und spien sich an. Niemand wusste, wie viele Tage sie so schon tobten, als die sechs Raben der Ältesten von ihrem Spähflug zurückkehrten.
,,Ruhe!”, schrie sie, wartete, bis es still war, und fuhr fort:
,,Es ist so weit. Heute Nacht wird ein Menschlein geboren werden und diejenige von euch, welche sogleich den lautesten Stinkfurz fliegen lässt, darf es holen.”
Augenblicklich entlud sich ein donnerndes Furzgewitter. Der Gestank stieg als dicke Wolke gen Himmel. Dann erschütterte ein ohrenbetäubender Knall den Tabuberg und grünlicher Mief ließ die Versammlung beinahe ersticken. Somit stand die Kinderdiebin fest. Junghexe Oxa schwang sich auf ihren Flugbesen, um die teuflische Aufgabe zu erfüllen.

Der Mond schaute mitfühlend in Stines Kammer. Sie lag schon seit Stunden in den Wehen. Eine alte, erfahrene Geburtshelferin stand ihr zur Seite, während Jobst bang wartend in der Backstube hockte. Endlich rief die Hebamme nach ihm. Erleichtert lief er flugs zu seiner Gattin. Er fand sie weinend mit dem Kindlein im Arm in den Kissen liegen.
,,Ein Mädchen”, schluchzte sie, ,,es ist ein Mädchen.”
Unbeholfen strich er Stine übers schweißnasse Haar und flüsterte:
,,Ich lasse nicht zu, dass jemand unser Töchterchen stiehlt.”
Während Jobst das winzige Bündel im Arm wiegte und die Hebamme sich verabschiedete, schaute Oxa unbemerkt durchs Kammerfenster.
Müde und geschwächt richtete sich Stine etwas auf. Leise sagte sie zu ihrem Mann:
,,Mich friert so sehr, bitte leg mehr Holzscheite ins Feuer.”
Jobst nickte, griff in den Weidenkorb und fand ihn leer.
,,Hab etwas Geduld”, erwiderte er, ,,ich hole geschwind neues Holz herbei.”
Stine sah ihm nach, sank in ihr Kissen und schloß die Lider. Plötzlich spürte sie einen kühlen Luftzug, öffnete ihre Augen und sah eine merkwürdige Gestalt in der Tür verharren.
,,Wer bist du? Was willst du?”, fragte sie kaum hörbar.
Aber der Schatten antwortete nicht, sondern trat näher zur Bettstatt und zum Licht.
Nun erkannte Stine in der Fremden eine Hexe. Diese packte das Neugeborene, entriss es den Armen der Mutter und machte sich aus dem Staub.

Im Holzschuppen angekommen, füllte Jobst rasch den Korb. Gerade wandte er sich zum Gehen, als Stine laut schrie. Auf der Stelle lief er zum Haus hinüber und sah nur noch die Hexe mit ihrer Beute davonfliegen. Er stürzte in die Kammer. Dort fand er seine verzweifelte Frau hilflos am Boden hockend vor. Behutsam trug Jobst sie zum Lager, bettete sie liebevoll und versprach ihr bei seinem eigenen Leben:
,,Heute Nacht noch erklimme ich den Tabuberg. Dort werde ich dieser Hexenbrut das Kinderstehlen ein für alle Mal austreiben und unsere Tochter wieder heimbringen.”

Oxa landete unter lautem Gekreisch mitten im Gewühl. Sie hielt das greinende Kind wie eine Siegestrophäe hoch und anerkennender Beifall wurde ihr gezollt. Die Althexe nahm das Bündel, trug es zum Opferstein, entblößte die Kleine und legte sie hinein.
,,Lasst uns mit der Weihe beginnen, meine teuflischen Töchter und Schwestern”, rief die Alte feierlich, ,,dass unsere Zunft niemals aussterbe!”
Einige übergossen das Wickeltuch des Kindes mit einer fauligen Tinktur und setzten es in Brand. Andere rieben das Mädchen selbst mit dieser übelriechenden Brühe ab. Junghexe Oxa musste von einer zur anderen gehen und von jeder einen Becher Blut nehmen. Denn nur, wenn das Neugeborene zum Abschluss des Rituals darin gebadet wurde, galt die Weihe unwiderruflich als vollzogen. Doch zuvor hatte die Hexensippschaft noch einen wilden Zaubertanz zu vollbringen.

Inzwischen war Jobst rasch vorangekommen. Er hatte bereits mehr als die Hälfte der Bergstrecke bewältigt, als er auf eine kleine, unscheinbare Kapelle stieß.
,,Ein Gebet kann nicht schaden”, murmelte er eintretend.
Im Kerzenschein kniete er nieder und sprach inbrünstig ein lautes Gebet.
,,Amen”, endete er.
,,Ist endlich wieder Ruh herinnen?”, maulte plötzlich jemand.
Erschrocken schaute Jobst sich um und gewahrte im Halbdunkel einen buckligen Greis. Dieser meinte mürrisch:
,,Muss einer grad zur nachtschlafenden Zeit den Herrgott anrufen und andere stören?” Nachdem sich Jobst entschuldigt hatte, klagte er dem Alten sein Leid.
,,So ist das also”, bemerkte der Unbekannte, ,,da muss der da oben natürlich ein offenes Ohr haben. Aber vielleicht weiß ich auch einen Rat für dich.”
Dann erfuhr Jobst von dem alten Mann, auf welche Weise er den Hexensabbat für immer vertreiben und sein Kind retten könne. Er bedankte sich und setzte den Aufstieg fort.

Bald fand er die von dem Greis beschriebene Quelle. Dort nahm er, wie ihm geheißen, ein Bad in dem eiskalten Wasser. Hernach legte er sich auf die Lauer, um eine Fledermaus zu fangen. Ein verirrter Wildschweinfrischling trippelte auf einmal vor seiner Nase herum und sogleich stürzte sich tatsächlich eine durstige Fledermaus auf das wehrlose Geschöpf. Blitzschnell sprang Jobst auf, packte zu und hielt die Maus fest. Sie versuchte, um sich beißend zu entkommen, aber als es ihr nicht gelang, sprach sie flehend:
,,Gib mich frei. Was bringt dir mein Tod?”
,,Ich mag dich gewiss nicht töten, aber ich bitte dich um die Hilfe deiner Sippe.”
Als sie hörte, in welcher Not er sich befand, versprach sie ihm, rechtzeitig mit dem ganzen Schwarm zur Stelle zu sein. Erleichtert ließ er sie frei und setzte seinen Weg fort.

Im Schein des prasselnden Reisigfeuers neigte sich die Tanzzeremonie der Hexen dem Ende zu. Sie scharten sich dicht um den Opferstein. Eines der Teufelsweiber hob das Neugeborene empor und Oxa goss schwarzes Blut in die Mulde. Plötzlich entstand ein großer Tumult.
,,Ein Mann! Ein Mann!”, kreischte die Althexe.

Kraftvoll bahnte sich Jobst einen Weg durch die Meute. Obwohl die Hexen ihn mit ihrem ätzenden Speichel anspien, blieb er dank der Wunderquelle unverletzt.
Auch die Feuerbälle konnten ihm nichts anhaben. So erreichte er den Opferstein und sah, wie die Junghexe gerade sein Kind im Blute baden wollte. Im letzten Moment entwand Jobst ihr die Kleine, drückte sie an sein Herz und netzte die Stirn des Mädchens mit Quellwasser. Gleichzeitig rief er laut:
,,Herbei! Herbei, meine Freunde der Nacht!”
Augenblicklich erfüllte sich die Luft mit Rauschen. Hunderte von Fledermäusen stürzten sich auf die Hexenbrut, bissen in Hälse, Nasen, Beine, Arme, wo immer sie nur hingelangten.
Dieser völlig unerwartete Angriff der von den Hexen so gefürchteten Fledermäuse, schlug sie für alle Zeit in die Flucht.

Jobst kehrte mit seinem Töchterchen heim. Dort gab er seiner geliebten Stine von dem Quellwasser zu trinken und schon bald genas diese vollkommen. Auch die quälenden Albträume verschwanden gänzlich. So wuchs ihr Töchterchen glücklich auf, und es erfuhr niemals von seiner beinahe vollzogenen Hexenweihe.

 Quelle: Ulla Magonz

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