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Der listige Artur

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Es war einmal vor langer Zeit ein friedvolles Königreich. Am Hofe lebte der elternlose Artur, ein aufgeweckter kleiner Junge, der stets fröhlich daher kam, traurige Herzen aufzumuntern vermochte und deshalb von allen Schlossbewohnern gern gesehen ward. König Balthasar liebte dieses Kind sehr und ertappte sich manchmal dabei, dass er es gerne zum Sohn hätte. Artur ging im Schloss ein und aus, so dass er jeden verborgenen Winkel kannte.

Die Jahre vergingen und der Waisenknabe wuchs zu einem schmucken Jüngling heran. Eines Tages ließ König Balthasar den Burschen zu sich rufen: „Artur, ich habe dich heranwachsen sehen und in mein Herz geschlossen. Du bist wahrlich gut geraten. Deine Eltern wären stolz auf dich gewesen und hätten ihre Freude an dir gehabt. Aber es betrübt mich doch sehr, dass du wenig Lust an einer Arbeit zeigst und nur unsinnige Streiche im Kopf hast.“
„Oh nein, Majestät“, erwiderte Artur verschmitzt, „arbeiten will ich wohl, doch scheinbar hat niemand Verwendung für mich!“
Obgleich dem König die Schwindelei nicht entgangen war, sagte er lächelnd: „Ja, wenn das so ist will ich behilflich sein. Du hast Glück, gerade wird ein Küchenjunge benötigt. Möchtest du nicht beim Küchenmeister in die Lehre gehen?“
Artur erkannte, dass der König ihn durchschaut hatte. Daher wagte er nicht, abzulehnen und fügte sich in sein Schicksal. wysiwyg image
Sieben Jahre erlernte Artur die feine Kochkunst und übertraf am Ende seinen Meister. Dieser lobte den frischgebackenen Meisterkoch über die Maßen und so wurde Artur bald zum königlichen Leibkoch ernannt. An der zunehmenden Fülle des Herrschers zeichnete sich seine Zufriedenheit über erlesene Speisen ab. Manchmal schlich der König vor einem Mahl sogar in die Küche, um heimlich zu probieren.
Im ganzen Königreich herrschte tiefe Zufriedenheit. Doch es gab für den König nicht nur leibliche Wonnen. Seit einiger Zeit war er sehr nachdenklich. Seine Bedenken betrafen die nun heiratsfähige Tochter Jasmin, denn diese wollte vom Ehestand nichts wissen. Aber Schönheit und Anmut der Prinzessin Jasmin blieben den Söhnen der Nachbarreiche nicht verborgen. Ein Prinz nach dem anderen warb um die Hand der Königstochter. König Balthasar konnte und wollte keine Entscheidung treffen, zumal seine Tochter an keinem der Freier Interesse zeigte. Daher drohten die Verschmähten dem Land mit Krieg. In seiner Verzweiflung griff Balthasar zu einer List und stellte den werbenden Jünglingen eine Bedingung. Nur derjenige solle die Prinzessin zur Gemahlin bekommen, der übers Jahr eine starke, wehrhafte Burg auf dem zweiten Hügel erbauen könne. Das Schloss selbst thronte auf der ersten Anhöhe. Um den Wildwuchs zu entfernen, müssten viele Männer, länger als ein Jahr hart arbeiten. Scheinbar war keiner der stolzen Prinzen dazu bereit. Sie suchten schleunigst das Weite und der Frieden war gerettet.

Kurz darauf erschien ein Kobold vor König Balthasar, stampfte mit dem Fuß auf und erklärte unmissverständlich: „In drei Wochen steht die gewünschte Burg auf dem Dornenhügel, dann gehört Eure schöne Tochter mir, ob sie will oder nicht. Ich rate Euch, König, haltet Euer Versprechen, sonst wird es allen übel ergehen!“
Noch ehe Balthasar antworten konnte, war der Gnom wieder verschwunden. Tag und Nacht ging der Herrscher in seinen Gemächern auf und ab. Er überlegte fieberhaft, wie der dreiste Kobold zu überlisten wäre. Unterdessen entging ihm so manches im Schloss.
Als Artur wieder einmal grübelte, was er dem König Delikates zubereiten könnte, fiel sein Blick aus dem Fenster. Da sah er, dass die vorübergehende Prinzessin ihm zulächelte. Hatte sie wahrhaftig ihm zugelächelt? Er wusste gar nicht wie ihm geschah, denn plötzlich entbrannte sein Herz in Liebe zu der schönen Königstochter. Aber nicht genug damit, Jasmin erschien von nun an häufig in der Küche, ließ sich vom Leibkoch die Rührlöffel aus verschiedenen Töpfen reichen und schleckte diese genüsslich ab. Während sie miteinander tuschelten, lachten und sich neckten, geschah es, dass manchmal einige Speisen anbrannten. Weilte die Prinzessin auch nur in Arturs Nähe, konnte dieser seine Augen nicht von ihr abwenden. Sobald Jasmin seine verliebten Blicke bemerkte, rief sie mit erhobenem Zeigefinger lachend: „Artur! Artur!“ Ihr Lachen war so gurrend verführerisch, dass dem Burschen beide Ohren glühten und es ihm die Sprache verschlug. Fand er dann endlich wieder Worte, war seine Angebetete bereits entschwunden.

Seit einiger Zeit wurden dem König häufig ungenießbare Speisen serviert. Verärgert ließ dieser eines Tages seinen Leibkoch rufen und rügte ihn vor versammeltem Hofstaat: „Artur, du wagst es mir diese grässliche Kost aufzutischen. Erkläre mir deine miserable Kocherei! Ich habe wahrlich schon genug Sorgen, musst du mir auch noch Verdruss bereiten? Artur, Artur! Hörst du was ich sage?“ Es war Balthasar keineswegs entgangen, dass die Aufmerksamkeit seines Meisterkochs nicht ihm galt sondern der Prinzessin. Diese machte dem Jüngling unverhohlen schöne Augen. Erbost rief seine Majestät: „Lasst mich mit dem unfähigen Koch alleine. Hinaus! Alle! Auch du Jasmin!“
Nun stand Artur seinem Herrn mutterseelenallein gegenüber. „Nun, mein Sohn, was ist geschehen?“
Verlegen gestand der Bursche mit gesenktem Blick, dass er die Prinzessin liebe. Damit hatte König Balthasar nicht gerechnet, aber dennoch konnte er Artur nicht zürnen. Die Drohung des Kobolds lastete schwer auf seiner Brust. Niemals wollte und konnte er dem Gnom seine Tochter anvertrauen. Er winkte Arthur näher, hieß ihn, sich gegenüberzusetzen und schaute ihn nachdenklich an. „Soso, du liebst mein Kind. Nun gut, wenn du mir den unverschämten kleinen Kerl vom Halse schaffst, sollst du mit Jasmin glücklich werden.“ Gleich darauf erfuhr Artur, dass die Burg bereits zur Hälfte stand, obwohl erst eine Woche verflossen war.
Der junge Meisterkoch überlegte angestrengt. Obwohl ungeduldig, verhielt Balthasar sich ganz still, um ihn nicht zu stören. Dann endlich rief Artur erleichtert: „Verzagt nicht, Majestät, den Kobold überliste ich gewiss.“ Daraufhin zog sich Artur flugs in die Schlossküche zurück und begann sein Werk. Er kochte, briet und backte die feinsten Sachen ohne Pause. Alle wunderten sich, weshalb er wie von Sinnen wirtschaftete. Vom frühen Morgen bis spät in die Nacht hörte man Töpfe klirren und appetitliche Düfte ließen einem das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Als endlich alle Köstlichkeiten vollendet waren, ließ Artur Speisen für zehn ausgewachsene Männer auf die Burg schaffen. Zuvor verbot er den Trägern, unter Androhung von Strafen, davon zu kosten.

Vor dem großen Burgtor angekommen rief Artur laut: „Heda! Ist hier jemand? Heda!“
„Was willst du?“, kam es mürrisch zurück.
„Nun, mich schickt der König. Er sorgt sich um dein Wohl, denn er fürchtet, dass diese schwierige Aufgabe deine Kräfte überfordert. Deshalb sind all die schmackhaften Speisen hier für dich.“
Da Kobolde allesamt Vielfraße sind und der Burgenbauer sehr hungrig war, spähte dieser neugierig aus dem Fenster. Als er den Überfluss an Speisen erblickte, konnte der Gnom nicht widerstehen und sein Magen knurrte gleich noch lauter. Geschwind ließ er den königlichen Koch ohne Zögern in die Burg ein. Die Träger übergaben dem geifernden Gnom die Köstlichkeiten aus den Körben und Töpfen. Der Wicht konnte seine Gier nur schwerlich bezwingen und machte sich, kaum dass die Träger fort waren, ohne Aufforderung über das Mahl her. Er stopfte wahllos in sich rein und verschlang alles laut schmatzend. Artur ließ trotz des widerlichen Anblicks kein Auge von dem sabbernden Gierschlund. „Na endlich“, dachte der Bursche, als dem Kobold das Stopfen nicht mehr so schnell von der Hand ging, „beginnt mein Zaubergewürz zu wirken.“ Jetzt musste Artur sehr wachsam sein und durfte keinen Fehler machen. Mit letzter Kraft trank der Gnom einen großen Becher Wein, rülpste unanständig laut, fiel um und blieb bewegungslos liegen. Flugs nahm der Jüngling die Kobold-Tarnkappe an sich und kehrte zum Schloss zurück.

König Balthasar lobte Arturs List sehr, denn nun drohte keine Gefahr mehr, da ein Kobold ohne seine Tarnkappe völlig machtlos war.
Als der Wicht erwachte und erkannte, dass er überlistet wurde, tobte er vor Wut. Der Verlust seiner Tarnkappe war das Furchtbarste, was ihm passieren konnte.Voller Zorn machte er sich auf den Weg zum Schloss, um den König zur Rede zu stellen. Aber anstatt zu Balthasar brachten ihn die Wachen zu Artur. Der junge Meisterkoch sah dem Kobold fest in die Augen, während er ihm vorschlug: „Gib mir dein Wort, dass du ohne Groll weiterziehst und keine Rachegedanken hegst. Dann sollst du deine Tarnkappe zurückbekommen. Ansonsten werfe ich diese ins Kaminfeuer, dann wirst du für lange Zeit mein Knecht sein.“
Bei dem Gedanken für immer ohne Zauberkraft auskommen zu müssen, stieg erneut Wut in dem Kleinen auf. Aber noch schmerzlicher war die Schmach, von diesem dreisten Jüngling reingelegt worden zu sein. Und ihm dann auch noch dienen. Nein! Niemals! Also willigte er zähneknirschend ein und verzichtete auf die Prinzessin. Kaum hielt der Kobold seine Tarnkappe wieder in Händen, durchströmte ihn ein nie gekanntes Glücksgefühl und er bedankte sich bei Artur mit den Worten: „Was gewesen, sei vergessen. Du hast Wort gehalten und deshalb einen Wunsch frei, egal was es auch sei.“
„Das lob ich mir“, grinste Artur verschmitzt, „so vollende die Burg, damit ich Prinzessin Jasmin heiraten kann. Du erinnerst dich, ohne Burg – keine Vermählung.“
Der Kobold verneigte sich und setzte seine Tarnkappe auf. Zugleich ertönte ein dumpfer Donnerschlag und das Bauwerk war vollendet. Artur staunte nicht schlecht und sagte: „Das ging aber schnell.“
„Ja, fremde Wünsche sind schnell zu erfüllen, doch für mich selbst kann ich Zauberei nur bedingt anwenden.“ Mit einer knappen Verbeugung war der Gnom verschwunden.
Im Schloss herrschte große Freude. König Balthasar war sehr angetan von Arturs Verhandlungsgeschick und vertraute ihm bedenkenlos Tochter samt Königreich an. Schon bald wurde Hochzeit gefeiert. Aus dem ganzen Lande strömten geladene und ungeladene Gäste herbei. Selbst der Kobold fehlte nicht, er saß als Ehrengast an der Tafel des Brautpaares. Balthasars Glück war nun vollkommen, da Arthur nun doch noch sein Sohn wurde und so zog er sich zufrieden in den wohlverdienten Ruhestand zurück.

Quelle: Jutta E. Schröder

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