Jeden Tag spielte Rudi, der kleine Frischling, mit seinen Geschwistern im Wald und lernte dabei von seiner Mutter, was er für das zukünftige Leben benötigte.
Eines Tages jedoch war er der Meinung, endlich genug zu wissen. So beschloss er, ohne seine Familie durch die Welt zu ziehen und die anderen Tiere des Waldes all das zu lehren, was ihm seine Mutter beigebracht hatte.
Nach einigen Tagen traf er auf einer kleinen Lichtung ein merkwürdiges Geschöpf mit grauem Fell, das auf der Wiese lag und schlief.
„Wer bist du denn?“, fragte Rudi und stupste es vorsichtig an.
Das Tier gähnte ausgiebig, öffnete verschlafen ein Auge und antwortete: „Ich bin ein Wolf.“
„Und ich bin Rudi!“, antwortete der Frischling vergnügt. „Weißt du denn nicht, dass du hier völlig ungeschützt liegst? Du solltest besser in einer Kuhle schlafen, da bist du viel sicherer.“
„Ach?“, sagte der Wolf.
„Aber ja“, fuhr Rudi fort, „und wenn es dich juckt, kannst du dich gut an einem Baum kratzen. Ich zeige es dir!“
Und Rudi lief zum nächsten Baum und schubberte sich ausgiebig.
„Wirklich?“, gab sich der Wolf interessiert.
„Ja, ja“, sprach Rudi aufgeregt weiter, „und wenn du Hunger hast, brauchst du nur unter dem Baum die Erde mit deiner Schnauze aufzuwühlen und nach Eicheln zu suchen. Das hat mir alles meine Mama beigebracht!“
„Das ist aber lieb von ihr“, sagte der Wolf, stand auf und streckte sich.
„Hat sie dir auch von uns Wölfen erzählt?“
„Nein, warum?“, fragte Rudi verwundert.
„Nun, das war ein Fehler“, antwortete der Wolf, machte einen Satz und fraß Rudi.
Und die Moral von der Geschicht`:
Gute Erziehung nutzet nicht,
vertraust du jedem Bösewicht!
Quelle: Josef Herzog