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Märchenbasar

Bschuska im Goldkleid

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Wie sie in den Wald gekommen war, wusste eigentlich keiner zu sagen. Vielleicht
waren es durchreisende Zugvögel gewesen, die sie mitgebracht hatten, oder gar, der immer launige und zu lustigen Streichen aufgelegte Frühlingswind, welcher die Gemüter und Herzen aller Wesen erfreute.
Niemand im Walde wusste es, aber das spielte eigentlich auch gar keine Rolle.
Eines Tages jedenfalls war sie einfach da. Mit ihrer weißen, fein gemaserten Haut unterschied sie sich wesentlich von all den dunklen knorrigen Gesellen ihrer Umgebung und nicht nur deshalb wurde sie von ihnen gerne gesehen.
Munter tanzte und drehte sie sich, wenn sie dazu von einem der Winde aufgefordert wurde, und ihr grünes Kleid flatterte dabei richtig verwegen und gewährte Einblicke, die so manchem grimmigen Waldgesellen die Schamröte ins Gesicht trieb. Deshalb gaben ihr die Bewohner des Waldes den Kosenamen Bschuska, und alles hätte seinen naturgegebenen Lauf nehmen können.
Jedoch Bschuska wurde immer eitler und unzufriedener. Oftmals leider, sind Eitelkeit und Unzufriedenheit ein einträchtiges Geschwisterpaar.
Obwohl sie wegen ihres waldgrünen Kleides bewundert wurde, seufzte sie hörbar:
„Wenn ich doch nur ein moosgrünes Kleid hätte, dann wäre ich wohl zufrieden.“
Der Sommerwind erfuhr vom Grund ihrer Betrübnis und schenkte ihr ein moosgrünes Kleid. Vorerst jubelte Bschuska.
Munter tanzte und drehte sie sich, und ihr moosgrünes Kleid flatterte dabei richtig verwegen und gewährte Einblicke, die so manchem grimmigen Waldgesellen die Schamröte ins Gesicht trieben.
Doch, wie ich euch schon erzählt habe, sind Eitelkeit und Unzufriedenheit oftmals ein einträchtiges Geschwisterpaar.
Bschuska hatte in den vielen schönen Sommertagen das goldene Sonnenlicht allzu lieb gewonnen, und bald seufzte sie hörbar:
„Wenn ich doch nur ein sonnengoldenes Kleid hätte, dann wäre ich wohl zufrieden.“ Bruder Herbstwind erfuhr vom Grund ihrer Betrübnis.
Deshalb schenkte er ihr ein sonnengoldenes Kleid. Vorerst jubelte Bschuska. Munter tanzte und drehte sie sich, und ihr sonnengoldenes Kleid flatterte dabei richtig verwegen und gewährte Einblicke, die so manchem grimmigen Waldgesellen die Schamröte ins Gesicht trieben.
Doch bald wurde sie ruhiger und stiller.
Der vierte der Brüder, Frost- oder auch Winterwind genannt, heulte durch den Wald, rüttelte und schüttelte alle Bäume und Sträucher, ließ Flüsse und Seen gefrieren und überschüttete schließlich alles mit seinen Schneeflocken.
Jegliches Wesen des Waldes fror, und erst recht Bschuska, nachdem ihr der Winterwind ihr sonnengoldenes Kleid genommen hatte.
„Hätte sie nur beizeiten ihr Glück genossen“, krächzte der Uhu,
der noch bisweilen vergeblich versuchte ein Mäuslein zu erhaschen, „und wäre sie nicht so eitel und unzufrieden gewesen, dann wäre sie fröhlich und glücklich geworden.“ Still und eisig wurde es im Walde, und als der lustige Frühlingswind ihn wieder zu neuem Leben erweckte, war von Bschuska keine Spur mehr zu entdecken.
Ob sie nun erfroren, still eingeschlafen oder gar an gebrochenem Herzens gestorben war, das wusste eigentlich keiner zu sagen, nicht einmal der grimmige Winterwind.
Ihr meint, damit ist nun mein Märchen zu Ende? Nein, da ihr irrt euch!
Denn auch die Zufriedenheit hat eine Schwester namens Glück.
Und wenn ihr einmal in der Herbsteszeit, durch eure heimatlichen Wälder streift, werdet ihr es vielleicht irgendwo sonnengolden aufblitzen sehen. Folgt dem Schein, und es könnte sein, dass ihr plötzlich vor einem Schwesterchen der unzufriedenen Bschuska steht, das strahlend in seinem goldfarbenen Blätterkleid die herbstliche Welt erfreut. Dann steht ihr wohl vor einer Birke inmitten des Waldes die uns lehrt, dass es stets lohnt, sich am Glück des Augenblicks zu erfreuen, weil uns nur die Gegenwart gehört, denn morgen, ja morgen ist das Glück von heute vielleicht schon wieder vorbei.

Quelle: Märchenklaus

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