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Märchenbasar

Die Rosskastanie

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 I hab zwoa kohlschwarz` Rappen, dazua an viersitzign Wagn; i hab mei Freid beim Trappn, das kann i neamand sagn…
Diese alte Fuhrmannsweise summte der Pleschdorfer Simmerl vor sich hin, während er seine Pferde, die sein ganzer Stolz waren, mit einigen Zungenchnalzern antrieb.
Sie hörten auf ihn, auf sein Hö, oder Ho, ja besonders gerne auf das Wista na ho, was soviel bedeutete, wie….

Jetzt ist aber Feierabend.

Mit seinen zwei wiehernden Rossen und dem ächzenden, meist mit Korn oder Eisen beladenen, Wagen, war er lieber unterwegs, als im Dorfe zu sitzen, wo ihn doch nur jeder einen Rossknecht nannte.
Ein Fuhrmann war er und keines Menschen Knecht!
Das Fuhrwesen war einträglich, und wenn nicht zu viele seiner Taler unterwegs an den Wirtshaustischen blieben, so würde sich der Simmerl mit dem Ersparten später sicher einmal ein kleines Haus bauen, oder gar ein Handelsgeschäft einrichten können.
Doch bis dahin galt es noch viele Fuhren über die staubigen Landstraßen zu fahren.
Lieber, als das obige Lied, war ihm wohl der alte Spruch, aus einer Zeit, wo die Fuhrleute noch die Welt und die Wirtshäuser beherrschten, und der da, ein wenig protzig wohl, lautete:

„A kräftiges Ross und an bierstarken Mann, die zwoa, die reißt a der Teufi net z‘samm!“

Der lichtdurchlässige Hain der Edelkastanienbäume, die gerade seine Reisestrecke säumten, erinnerten ihn, mehr denn je, an seine Heimat.
Die lockeren, langen, gelb grünen Kätzchen, welche wie Fäden herunterhingen, ließen noch gar nicht ihre frühwinterliche Maronibestimmung erkennen.
Fein war‘s schon wenn man sich zu Winterbeginn mit diesen stärkereichen Köstlichkeiten aufwärmen konnte.
Aber bis dahin verging noch mindestens ein halbes Jahr. Erst dann war die Fuhrmannsernte eingefahren.
Nachdem der Simmerl wieder in seinem Heimatdorfe angekommen war, machte er sich gleich auf, um seine Kastutenbäume, wie er die entfernten Verwandte der Eiche auch bezeichnete, in ihrer Blüah zu sehen. Aber eigenartig.
Zwischen seinen Bäumen stand ein anderer, der ihm in den vorigen Jahren gar nicht aufgefallen war.
Anstelle der gelbgrünen Kätzchen trug dieser, einem pompösen Kronleuchter gleich, große, bunte Blütenkerzen. „Ich bin gespannt, was dieser Eindringling für Früchte haben wird“, murmelte der Fuhrmann und wartete auf die Zeit der Ernte.
Dazwischen gab‘s noch einige Fuhren zu erledigen, doch jedesmal, wenn der Simmerl in sein Heimatdorf zurückkehrte, galt sein erster Weg nicht dem Wirtshause, sondern dem Fremdling unter seinen Bäumen.
Mit seinen riesengroßen, fingerförmig gefiederten Blättern, gab der Baum in der glühenden Sommerhitze genug kühlenden Schatten.
Oftmals lag der Heimgekehrte nur so darunter und träumte vor sich hin. Die grünen stacheligen Hüllen, welche die Früchte dieses Baumes umgaben, regten ihn einfach dazu an.
Als es Spätherbst geworden war, öffneten sie sich, wie durch Zauberhand, und große, den Maronis ähnliche Gebilde fielen auf die Erde.
Beim ersten Erntefeuer warf Simmerl die Früchte des Eindringlings ebenso in die Glut, wie die der Edelkastanie.
Aber er wurde herb enttäuscht.
„Pfui, nicht einmal zum Fressen sind die“, fluchte er lautstark, „außer für meine Ross.“ Dabei blieb‘ s auch.
Der Fuhrmann wandte sich seinen Maronis zu und vergaß dabei den gar nicht dummen Gedankengang, den er zuvor fluchend geäußert hatte.
Im Winter wollten plötzlich seine Pferd eines Tages nicht mehr aufstehen, und weder der Pechölmann, noch der Wurzelgraber wussten ein probates Mittel gegen diese Schwäche.
Simmerl hatte sich im Herbst drei Früchte des Eindringlingsbaumes, welche mehrfache Maronigrößen besaßen in seine linke Hosentasche gesteckt und stets bei sich getragen, und eigenartig.
Seit damals hatte er Rheumatismus und Gicht, welche ihn, wie die meisten Fuhrleute, die ja das ganze Jahr jedem Wind und Wetter ausgesetzt sind, nicht mehr gespürt.
In seiner Not beschloss er, derartiges auch bei seinen Rössern zu versuchen, und mischte einige Kastanien unter deren Futter. Am nächsten Morgen standen die Tiere wieder frisch und munter im Stall.
Die Kunde, von der vielseitigen Heilkraft der Kastuten verbreitete sich bald unter den Fuhrleuten und Dörflern.
Bald nannten sie die Früchte dieses Baumes die „Rossknechtkastanien“ und verwendeten sie sogar als Kaffeersatz und anstelle von Hopfen zum Bierbrauen.
Heute kennen wir diesen Eindringling nur mehr unter dem Namen „Rosskastanie“.
Seine Früchte helfen und heilen den, der daran glaubt und im Frühling sollten uns seine großen, bunten Blütenkerzen, die einem pompösen Kronleuchter gleichen, wohl an den Fuhrmann Simmerl erinnern, der zwar über die Kastuten geflucht, dann aber ihre Heilwirkung erkannt hat.

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