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Märchenbasar

Byamee’s Versammlung

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Die Jahreszeit war schön; da sandte man bei den Stämmen herum und lud sie zu einer großen Versammlung ein. Als Versammlungsort wurde Googoorewon bestimmt. Die alten Leute flüsterten sich zu, daß die Knabenweihe abgehalten werden sollte, doch das brauchten die Frauen nicht zu wissen. Der alte Byamee, ein gewaltiger Zauberer, sagte, er würde seine beiden Söhne Ghindahindahmoe und Boomaboomahnowee zur Versammlung mitbringen; denn es wäre Zeit, daß sie unter die jungen Männer aufgenommen würden, Frauen heirateten, Emu- Fleisch essen könnten und das Kriegshandwerk erlernten.
Ein Stamm nach dem andern traf in Googoorewon ein; jeder schlug das Lager an einem bestimmten Platz der Hügel auf, die den Versammlungsplatz umziehen. Die Wähn, die Krähen, hatten einen Platz; die Dummerh, die Tauben, einen anderen; die Mahthi, die Hunde, einen dritten usw.; Byamee und sein Stamm Byamul, die schwarzen Schwäne, Oooboon, die blauzüngige Eidechse, suchten sich mit vielen anderen Häuptlingen und deren Stämmen einen anderen Lagerplatz aus. Sie zählten Hunderte und aber Hunderte, als sie alle beisammen waren; eine Unzahl nächtlicher Tanzfeste wurden abgehalten, und ein Stamm suchte dabei den anderen an Pracht in der Tanzbemalung und Eigenart seiner neuesten Lieder und Tänze zu übertreffen. Tagsüber wurde gejagt und geschmaust; nachts tanzte und sang man; Freundschaftspfande wurden ausgetauscht, ein Ziertäschchen gegen einen Bumerang usw.; junge Mädchen wurden an alte Krieger, alte Weiber an junge Männer gegeben; ungeborene Mädchen alten Männern, Säuglinge Erwachsenen versprochen; alle nur möglichen Verträge wurden eingegangen und jedesmal die Zauberdoktoren aus den Stämmen vorher befragt.
Nach einigen Tagen kündigten die Zauberer den Männern aus den verschiedenen Stämmen an, daß sie die Knabenweihe abhalten würden. Doch das dürften beileibe nicht die Innerh, die Frauen, erfahren. Sie verließen täglich das Lager und taten so, als ob sie auf die Jagd gingen; in Wirklichkeit richteten sie aber den Festplatz für die Knabenweihe her. Sie klärten eine kreisförmige Fläche vom Busche, warfen einen Damm aus Erde darum auf, schlugen vom Kreis aus einen Pfad in das Dickicht und errichteten gleichfalls an den Seiten des Weges einen Erddamm.

Als sämtliche Vorbereitungen beendet waren, hielten sie wie gewöhnlich ein nächtliches Tanzfest ab. Das dauerte schon eine Weile, da verließ plötzlich einer der alten Zauberdoktoren die Versammlung und begab sich mürrisch und wütend fort. Er ging zu seiner Lagerstatt, und ein anderer Zauberer folgte ihm dahin; und mit einemmal fingen die beiden an zu kämpfen. Und plötzlich, als die Aufmerksamkeit der Schwarzen durch den Kampf gefesselt war, hörte man aus dem Busch heraus ein seltsames, schwirrendes, summendes Geräusch. Die Frauen und Kinder fuhren erschreckt zusammen, denn dies plötzliche eigenartige Brummen hatte sie bange gemacht. Und sie wußten, daß es die Geister machten, die nun zur Knabenweihe gekommen waren.
Das Geräusch klang, nicht als ob einem der Geisterschrecken in die Glieder gefahren wäre, sondern so wie das Summen, wenn man ein rundliches Stückchen Holz an eine Schnur bindet und es in der Luft herumwirbelt.
Der Lärm ging weiter und die Frauen sagten mit angsterstickter Stimme: »Gurraymy«. Das ist der Geist der Knabenweihe. Und sie zogen die Kinder dichter zu sich heran. Die Knaben sagten: »Gayandy«, und an ihren Augen konnte man die Furcht ablesen. Gayandy bedeutet auch »Geist der Knabenweihe«, doch die Frauen dürfen nicht dasselbe Wort zur Bezeichnung des Geistes gebrauchen wie die Knaben und Männer, denn alles, was mit den Geheimnissen der Knabenweihe zu tun hat, ist heilig für Ohr, Auge und Zunge der Frau.
Am andern Tag fand ein Auszug aus dem Lager statt. Man begab sich in den großen Kreis, den die Schwarzen angelegt hatten. Der Auszug fand unter einem großen Aufwand von Zeremonien statt. Ehe der eigentliche Auszug begann, verließen die Schwarzen schon am Nachmittag ihre Lagerstätten und begaben sich in das Dickicht. Und gerade als die Sonne unterging, zogen sie in einer langen Reihe, einer hinter dem andern, aus dem Gebüsch heraus und marschierten auf dem Weg entlang, den sie kurz vorher angelegt hatten. Jeder trug in der einen Hand ein Feuerholz und in der andern einen grünen Zweig. Als die Männer in der Mitte des Kreises angekommen waren, mußten das junge Volk und die Frauen die Stätten verlassen und sich ebenfalls in den Kreis begeben. Hier schlugen sie nun ihr Lager auf, aßen, tranken und tanzten wie an den vorhergehenden Abenden, bis ein gewisser Abschnitt erreicht war. Noch bevor es so weit war, hatte Byamee, welcher der mächtigste der anwesenden Zauberer war, Gelegenheit, seine Gewalt in bemerkenswerter Weise zu zeigen.

Schon seit einigen Tagen hatten sich die Mahthi den klugen Männern in den Stämmen gegenüber wenig ehrfurchtsvoll benommen. Anstatt in andachtsvollem Schweigen, wie es ein Zauberdoktor erwarten darf, ihren Geschäften nachzugehen, plapperten und lachten sie unaufhörlich; sie spielten und schrien, als ob die heiligste Handlung der Stämme sie nicht das geringste anging. Häufig genug hatten die Zauberer sie ernstlich zur Ruhe verwiesen. Doch alle Ermahnungen waren vergeblich, die Mahthi lachten und schwatzten lustig weiter. Schließlich ging Byamee, der mächtigste und berühmteste unter den Zauberdoktoren, ins Lager der Mahthi hinüber und rief ihnen wütend zu: »Ich, Byamee, dem alle Stämme Ehre erweisen, habe euch Mahthi schon dreimal befohlen, ihr solltet euer Schwatzen und Lachen einstellen. Aber ihr gehorchtet mir nicht. Die anderen Zauberer schlossen sich mir an. Aber ihr gehorchtet nicht. Denkt ihr etwa, die Zauberer werden eure Knaben weihen, wenn ihr ihren Worten nicht folgt? Nie und nimmermehr, sage ich euch. Von heute ab soll kein Mahthi mehr wie ein Mensch sprechen. Ihr wollt Lärm machen, ihr wollt Raufbolde sein und die Leute stören, ihr wollt euch nicht ruhig verhalten, wenn Fremde anwesend sind, ihr wollt euch um die heiligen Dinge nicht kümmern. Gut. Dann mögt ihr und eure Nachkommen ewig herumlärmen, aber nicht mit Reden und auch nicht mit Lachen. Ihr sollt bellen und heulen. Und wehe dem, der von heute ab noch zuhört, wenn ein Mahthi spricht, er soll in Stein verwandelt werden.«
Als die Mahthi den Mund öffneten, um zu lachen und einige höhnische Worte zu entgegnen, da merkten sie, daß Byamees Verwünschung eingetroffen war. Sie konnten nur noch bellen und heulen; sie hatten die Macht der Sprache und des Lachens verloren. Und als ihnen der Verlust zum Bewußtsein kam, da erhielten ihre Augen den Blick, der so viel Sehnsucht und stumme Bitte ausdrückt, und den man stets bei ihren Nachkommen beobachten kann. Wunder und Ehrfurcht überkam alle, als sie Byamee zu seinem Stamm zurückgehen sahen.
Als Byamee sich wieder gesetzt hatte, fragte er die Frauen, warum sie denn keinen Grassamen mahlten. Und die Frauen antworteten: »Unsere Mahlsteine sind fort, und wir wissen nicht, wohin sie sind.«
»Ihr lügt,« sagte Byamee, »ihr habt sie den Dummerh geliehen, die euch so oft darum angingen, obwohl ich euch verboten habe, sie wegzugeben.«
»Nein, Byamee, wir haben sie nicht weggeliehen.«
»Geht zum Lager der Dummerh und fordert eure Mahlsteine zurück!«
Die Frauen fürchteten für sich ein ähnliches Geschick wie der Mahthi, wenn sie ungehorsam wären; sie gingen fort, obschon sie ganz gut wußten, daß sie die Mahlsteine nicht verliehen hatten. Unterwegs fragten sie in jedem Lager nach und baten, ihnen einen Mahlstein zu leihen, doch überall erhielten sie dieselbe Antwort, nämlich, die Mahlsteine wären verschwunden, und niemand wüßte wohin. Die Dummerh hätten sie allerdings ausborgen wollen, aber jedesmal wäre es ihnen abgeschlagen worden, und doch wären nun die Steine fort.
Die Frauen zogen weiter und hörten mit einem Male ein seltsames Geräusch, das sich wie Geisterrufen anhörte. Es erscholl ein gedämpftes: »Um, um, um, um.« Der Ruf erklang hoch in den Lüften, in den Baumwipfeln, und dann auch wieder unten am Boden im Grase; es war so, als ob überall Geister steckten. Die Frauen faßten ihre Fackeln fester und sagten: »Wir wollen umkehren. Die Wondah gehen um.« Sie gingen schleunigst zum Lager zurück und hörten immer in der Luft das »Um, um, um« der Geister.
Sie erzählten Byamee, daß sämtlichen Stämmen die Mahlsteine abhanden gekommen wären und die Geister umgängen; und kaum hatten sie das gesagt, da hörten sie hinter dem Lager das »Um, um, um«.
Die Frauen schmiegten sich eng aneinander; doch Byamee warf eine Fackel nach der Stelle, woher der Ton kam; als das Licht aufblitzte, sah er niemand, doch etwas viel Sonderbareres: zwei Mahlsteine schwebten vorüber; und doch war niemand zu sehen, der sie fortbewegte; und als die Mahlsteine seinen Blicken entschwanden, wurden die »Um, um, um, um«-Rufe immer lauter und mächtiger. Die ganze Luft schien mit unsichtbaren Geistern erfüllt zu sein. Byamee sah nun ein, daß die Wondah umgingen; er faßte seine Fackel fester und ging ins Lager zurück.
Am Morgen waren nicht nur alle Mahlsteine verschwunden, auch das Lager der Dummerh war leer, und die Leute fort. Als niemand den Dummerh Mahlsteine borgen wollte, hatten sie gesagt: »Dann können wir nicht eher wieder Grassamen mahlen, als bis uns die Wondah Steine bescheren.« Und kaum hatten sie die Worte ausgesprochen, als sie einen Mahlstein auf sich zukommen sahen. Zuerst dachten sie, daß sie kraft eigener Macht nur einen Wunsch zu äußern brauchten, um ihn auch schon erfüllt zu sehen; als aber ein Mahlstein nach dem andern in ihr Lager gezogen kam und sich noch weiter fortbewegte, als sie dabei das: »Um, um, um, um« vernahmen, da merkten sie, daß die Wondah am Werke waren. Und nun wurde ihnen klar, daß sie den Mahlsteinen folgen müßten; sonst hätten sie den Zorn der Geister auf sich geladen, die ihnen die Mahlsteine gesandt hatten.
Sie suchten ihre Habe zusammen und folgten der Spur der Steine; sie hatten sich einen Weg gebahnt, der von Googoorewon nach Girrahween führt, und in dem bei Hochwasser Wasser fließt. Von Girrahween wanderten die Mahlsteine nach Dirangibirrah, und die Dummerh folgten ihnen. Dirangibirrah liegt zwischen Brewarrina und Widda Murtee. Dort türmten sich die Mahlsteine zu einem hohen Berge auf; und wenn die Schwarzen in Zukunft gute Mahlsteine haben wollten, dann mußten sie dorthin gehen. Die Dummerh wurden in Tauben verwandelt; sie rufen wie die Geister: »Um, um, um!«
Von dieser großen Versammlung ist noch ein besonderes Ereignis zu verzeichnen. Ein Stamm, die Ooboon, hatte sich in einiger Entfernung von den übrigen gelagert. Wenn sich nun ein Fremder ihrem Lager näherte, dann bemerkte man, daß der Häuptling der Ooboon herauskam und ihm einen Blitz entgegensandte, der sofort tötete. Niemand wußte, was für ein Blitz das sein mochte, der den Tod in sich trug. So sagte schließlich Wähn, die Krähe: »Ich werde meinen größten Schild mitnehmen und einmal nachsehen, was dahinter steckt. Folgt mir aber nicht allzu nahe nach, denn wenn ich es mir schon überlegt habe, wie ich mich vor dem tödlichen Funken bewahren kann, so möchte das doch vielleicht bei euch nicht gehen.«
Wähn ging nun zum Lager der Ooboon; und als ihr Häuptling den Blitz auf ihn schleuderte, da hielt er schnell seinen Schild vor und schützte sich vor dem Glanze, mit tiefer Stimme rief er: »Wäh, wäh, wäh, wäh«; der Häuptling der Ooboon stutzte, er ließ den Blitz fallen und sagte: »Was ist los? Weshalb jagst du mir solchen Schrecken ein? Ich wußte nicht, daß du da warst, ich hätte dir weh tun können; aber das wollte ich gar nicht, denn ihr Wähn seid doch meine Freunde.«
»Ich kann nicht hierbleiben,« antwortete Wähn, »ich muß nach meinem Lager zurück. Ich habe dort etwas vergessen, was ich dir zeigen wollte. Ich werde gleich wieder hier sein.« Als er so sprach, rannte Wähn schnell nach dem Platze zurück, wo er seine Keule hatte liegen lassen, und er war zurück, bevor Ooboon überhaupt gemerkt hatte, daß er fortgewesen war. So kam er wieder und schlich sich hinter Ooboon; Er verabfolgte ihm mit der schweren Keule einen Streich, der all die vielen Opfer des todbringenden Funkens vollauf rächte, und streckte den Häuptling der Ooboon tot zu Boden. Dann rief er triumphierend: »Wäh, wäh, wäh«, und lief ins Lager zurück und erzählte seine Heldentaten.
An diesem Abend begann der große Tanz, den die Verwandten der Knaben tanzten, die nun zu jungen Männern geweiht werden sollten. Als die Nacht sich ihrem Ende zuneigte, wurden die jungen Weiber sämtlich in niedere Laubhütten gebracht, die man schon vorher rund um den Kreis errichtet hatte. Nur die alten Frauen durften dableiben. Jeder Mann, der sich an der Weihe der Knaben zu beteiligen hatte, mußte nun einen Kandidaten ergreifen und ihn auf dem vorher beschriebenen Weg in den Busch tragen. Auf ein Zeichen hin, packte jeder sich einen Knaben auf die Schulter, dann tanzten sie alle um den Kreis. Die alten Weiber mußten nun herbeikommen und sagten den Knaben Lebewohl; dann wurden sie ebenfalls in die Hütten zu den jungen Frauen gebracht. Fünf Männer geleiteten sie dahin und bogen darauf die Zweige oben auf den Hütten zusammen, damit sie nichts weiter sehen konnten.
Nachdem sämtliche Frauen in die Zweighütten eingesperrt waren, verschwanden die Männer mit den Knaben schnell auf dem Wege, der in den Busch führte. Als sie außer Sicht waren, gingen die fünf Männer wieder zu den Hütten, zogen die Zweige fort und befreiten die Frauen, die sich nun in ihre Lager begaben. Den Frauen mochten diese Weihezeremonien sonderbar vorkommen, – sie wußten ganz genau, daß sie durch keinerlei Fragen auch nur das allergeringste erfahren würden. Nach einigen Monaten kehrten die Knaben zurück; dann fehlte ihnen vielleicht ein Schneidezahn, sie trugen am Körper Ziernarben; das konnten die Frauen sehen, und wenn sie nun ihrer eigenen Erfahrung entnahmen, daß die Kandidaten seit ihrem Verschwinden in den Busch kein weibliches Wesen mehr hatten zu Gesicht bekommen, so war das ihr ganzes Wissen.
Am nächsten Tag rüsteten sich die Stämme, um nach dem kleinen Festplatz zu ziehen, wo nach ungefähr vier Tagen eine zweite Versammlung stattfinden sollte. Der Ort lag zehn bis zwölf Meilen entfernt.
Auf dem kleinen Versammlungsplatz wird der Kreis statt mit einem Erdwall mit Grashaufen abgegrenzt. Alle Stämme ziehen gemeinsam dorthin, lagern sich und tanzen. Die jungen Weiber werden früh schlafen geschickt, nur die alten bleiben auf; sie müssen warten, bis die Stunde kommt, wo sie am großen Versammlungsort den Knaben Lebewohl sagten; sobald sie erschienen ist, werden die Knaben wieder in den kleinen Kreis getragen und die alten Frauen verabschieden sich nun zum letzten Male. Dann bringen die Männer, welche die Aufsicht über sie führen, sie weg. Für eine kurze Zeit bleiben sie noch beieinander, dann trennen sie sich, und jeder Mann zieht mit seinem Knaben in eine andere Richtung davon. Wenigstens sechs Monate stehen sie so unter strenger Aufsicht und dürfen nicht einmal ihre Mutter sehen. Nach Ablauf dieser Zeit kehren sie wieder zu ihrem Stamm zurück. Infolge der Vereinsamung werden sie so aufgeregt und sind so erschrocken, daß sie nicht mit der Mutter sprechen; sie laufen weg, wenn sie kommt, und erst nach und nach legen sie diese Scheu ab.
Die Stämme, welche an der Versammlung von Byamee teilnahmen, sollten ihre Knaben jedoch nicht auf der kleinen Versammlung wiedersehen. Sie wollten gerade aufbrechen, als die Witwe Millindooloonubbah ins Lager stolperte und schrie: »Warum habt ihr mich arme Witwe mit meinen vielen kleinen Kindern allein reisen lassen? Denkt ihr, daß die Beinchen meiner Kinder mit euren Schritt halten können? Kann mein Rücken mehr als einen Wassersack tragen? Habe ich vielleicht mehr als zwei Arme und einen Rücken? Wie soll ich denn mit so vielen Kindern nachkommen? Trotzdem blieb niemand zurück und half mir. An jedem Wasserloch habt ihr das Wasser ausgetrunken. Wenn ich müde und durstig mit den Kindern an eine Wasserstelle kam, und sie nach einem Trunk riefen, was fand ich dann? Schlamm, nichts als Schlamm! Meine Kinder waren matt und durstig, sie schrien nach Wasser; und ich arme Mutter konnte sie nicht trösten.
Wir kamen zum nächsten Loch. Und was fanden wir da wieder, wenn wir uns die Augen aus dem Kopfe guckten nach Wasser? Schlamm, nichts als Schlamm! So kamen wir von einem Loch zum andern und fanden nur Schlamm; und ein Kind nach dem andern fiel hin und starb; sie starben, weil ihre Mutter Millindooloonubbah ihnen nichts zu trinken geben konnte.«
Eine Frau lief ihr schnell entgegen, um ihr einen Trunk zu reichen. »Zu spät! zu spät!« sagte sie. »Weshalb soll denn eine Mutter leben bleiben, wenn ihre Kinder tot sind?« Stöhnend sank sie hintenüber. Als sie aber das kühle Wasser an den ausgetrockneten Lippen und der geschwollenen Zunge spürte, da raffte sie sich noch einmal auf; sie stellte sich aufrecht hin, schüttelte die Fäuste gegen die Lager der verschiedenen Stämme und schrie: »Ihr hattet es so eilig, hierher zu kommen. Nun sollt ihr ewig hier bleiben. Googoolguyyah! Googoolguyyah! Verwandelt euch in Bäume! Verwandelt euch in Bäume!« Dann fiel sie tot um. Und als sie niedersank, da wurden alle Stämme, die schon fertig zum Aufbruch dastanden, in Bäume verwandelt. Da stehen sie noch heute. Die Stämme, welche ihr Lager weiter zurück aufgeschlagen hatten, wurden in die Tiere verwandelt, deren Namen sie angenommen hatten. Die bellenden Mahthi wurden Hunde; die Byamul schwarze Schwäne; die Wähns Krähen usw. Und an dem Orte, wo einst diese große Versammlung abgehalten wurde, kann man nun große, hohe, gewaltige Bäume erblicken; sie sehen düster aus und neigen traurig klagend die Wipfel gegen den See, der heute den Versammlungsplatz bedeckt. Er heißt Googoorewon, der Baumhain, und an seinem Ufer sieht man noch heute die Reste der alten Erdumwallung. Hier halten die Vögel, welche die Namen der alten Stämme führen, ihre Versammlungen ab. Hier schwimmen die Byamuls stolz umher; die Pelikane wollen ihnen den Rang in Größe und Schönheit streitig machen; hier finden sich Eulen und noch zahlreiche andere Vögel. Die Ooboon, die blauzüngigen Eidechsen, gleiten durchs Gras. Hin und wieder hört man das »Um, um, um« der Tauben und gelegentlich auch den Ruf des Millindooloonubbah- Vogels: »Googoolguyyah, googoolguyyah«. Dann antworten klagend die düsteren Balah-Bäume, dann rauscht es in den dünnen Blättern der Bibbil-Bäume; so redet jeder Baum seine Sprache, und traurig hallt das Echo an dem Seeufer wieder.
Die Männer und Knaben, welche sich schon auf dem kleinen Versammlungsplatz befanden, entgingen der Verwandlung. Sie warteten lange auf die Stämme, doch die kamen nicht wieder. Schließlich sagte Byamee: »Mächtige Feinde werden unsere Freunde wohl erschlagen haben und niemand ist entronnen, um uns ihr Schicksal zu melden. Vielleicht sind die Feinde auch uns schon auf den Fersen; wir wollen daher weiter ins Land hineinziehen.«
So wanderten sie schnell gen Noondoo. Byamees Hündin lief neben ihnen her; sie hätte sich lieber am Wege hingelegt und wäre nicht so rasch gelaufen; doch Byamee wollte sie nicht verlassen und trieb sie immer wieder von neuem an. Als sie an die Noondoo- Quellen kamen, verschwand die Hündin im Busch und warf dort ihre Jungen. Solche Hundchen hatte man aber bis dahin noch nicht gesehen. Sie hatten Körper wie Hunde, Köpfe wie Schweine, und waren stark und grimmig wie Teufel. Wer im Walde von Noondoo einem dieser scharfzähnigen Wesen begegnet, verliert sein Leben; denn es beißt ihn unbedingt tot. Selbst Byamee wagte es nicht, sich der Brut seiner alten Hündin zu nahen.
Dieser mächtige Zauberer Byamee lebt jedoch ewig. Niemand darf ihn schauen, sonst muß er unbedingt sterben. So lebt der alte Byamee, der tüchtigste von allen Zauberdoktoren, allein im dichten Busche auf einem der Hügel bei Noondoo.

[Australien Märchen der Welt]

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