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Märchenbasar

Das Eierzählen

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In einem fernen Land lebte die kleine Prinzessin Amalia. Ihr Vater, der König, hatte einen großen Kummer, denn sie wollte statt Lesen und Schreiben lernen lieber den ganzen Tag spielen. Auch bereitete es ihr besonderes Vergnügen die Dienerschaft im Schlosse herum zu kommandieren. Der unglückliche Vater wusste schon keinen Rat mehr wie er die Prinzessin zur Vernunft bringen sollte. Nachts plagten ihn böse Alpträume und sein schöner langer Bart war vor Gram schneeweiß geworden. Wieder einmal lag der König in schweren Träumen als ihm eine Fee erschien: ,,Höre, du gepeinigter Mensch, schicke deine widerspenstige Tochter Morgen auf den Markt, um frische Eier zu kaufen. Alles weitere überlasse mir, dann wird deine arme Seele schon bald Ruhe Finden.“

Am nächsten Tag ließ der Schlossherr das Kind zu sich kommen.
,,Töchterchen, hab ein Herz, hole deinem alten Vater vom Markt dreißig frische Hühnereier.“ Da diese sowieso nicht recht wusste, was sie anstellen könnte, kam ihr die Bitte des Alten sehr gelegen. Nach Erhalt der Münzen machte sie sich, mit einem kleinen Henkelkorb, auf den Weg.
Es herrschte schon emsiges Treiben auf dem Markt. Stand an Stand reihte sich mit den nur erdenklichsten Waren. Endlich entdeckte das Mädchen die Eierfrau.
,,Du verkaufst mir auf der Stelle dreißig frische Eier,“ fuhr sie die alte verrunzelte Marktfrau an. Wortlos legte diese die gewünschte Ware zusammen mit dem Wechselgeld in das Körbchen. Ohne die Alte noch eines Blickes zu würdigen, begab sich das stolze Ding auf den Heimweg. Im Palast wurde sie bereits ungeduldig vom Vater erwartet. ,,Da bist du ja endlich, mich hungert schon sehr.“ Er nahm ihr den Korb aus der Hand, zählte die Eier und auch die Münzen. ,,Was ist das, du hast nur Zwanzig gebracht und mit dem Rückgeld hast du dich ebenso betrügen lassen. Sofort gehst du zurück, um deine Fehler in Ordnung zu bringen,“ schimpfte er los.
Trotzig lief das Prinzesschen zur Eierverkäuferin: ,,Böse alte Hexe, du hast mich betrogen, gib sogleich meine Ware und das Geld heraus!“ ,,Aber was, hast du denn nicht beides nachgezählt?“ Hoch erhobenen Hauptes erwiderte Amalia schnippisch: ,,Ich bin des Königs Tochter und habe es nicht nötig die dummen Eier zu zählen.“ ,,Du, kannst es wohl gar nicht, das Zählen?“ Das Kind wurde feuerrot und fauchte mit dem Fuße aufstampfend: ,,Wenn ich größer wäre, würdest du dir diese Frechheit nicht erlauben.“ ,,So sei es, du unverschämter Hitzkopf,“ entgegnete die als Marktfrau verkleidete Fee.

Wütend kehrte das Mädchen nach Hause zurück. Als es dort dem König begegnete, ging dieser vorbei. ,,Vater, bist du immer noch bös auf mich?“
Merkwürdig, dachte der, wer mag die schöne junge Frau sein? Doch da fiel ihm das Versprechen der Fee ein. Sie hatte kurzerhand den Wunsch des Kindes erfüllt. Die Kleine war auf dem Rückweg ins Schloss zehn Jahre älter geworden. Nun konnte ihr niemand mehr Vorschriften machen und das wird sie auch jedem zeigen.

Am übernächsten Tag war der neunte Geburtstag des Gärtnersohnes. Die Kinder der Dienerschaft feierten ein ausgelassenes Fest. Auch die hochmütige Prinzessin wollte dabei sein. Ihr Erscheinen in der fröhlichen Runde löste allgemeine Verwunderung aus. Die Tochter des Koches flüsterte: ,,Wer ist die vornehme Dame?“ ,,Ihr Dummköpfe, ich bin es doch, Amalia, wir wollen jetzt was Lustiges spielen, na los schon!“ Das Geburtstagskind nickte und wollte Abzählreim spielen. Einer nach dem anderen war dran, bis die Königstochter an die Reihe kam. Laut zählte sie: ,,Eins .. neun .. zwei .. sieben..“ ,,Och nö, mit dummen Erwachsenen mag ich nicht spielen,“ rief der Gänsejunge. Das wollten die übrigen Kinder dann auch nicht mehr. ,,Na und, ihr blöden Dienerkinder,“ schrie die Verschmähte außer sich vor Wut und rannte heulend davon.

Abends hatte der Schlossherr zum Ball geladen. Er bekam ein kostbares, Gold verziertes Geschichtenbuch aus einem fernen Reich geschenkt. Die Neugier der Gäste war so groß, dass jeder ein Stück aus dem geheimnisvollen Buch vorlesen durfte. So wurde es auch an Amalia weiter gereicht. Sie blätterte verlegen darin herum. Streng räuspernd meinte der Vater: ,,Nun, möchtest du nicht beginnen?“
Mit brennenden Ohren hörte sie es wispern und zischeln: ,,Oh je, was für eine Schande, eine dumme ungebildete Königstochter, der arme, arme König.“
Tief beschämt warf sie das wertvolle Geschenk zu Boden, lief hastig in ihre Kammer, schloss sich ein und schmiss sich schluchzend aufs Bett. Stundenlang weinte sie ihr Kopfkissen nass. Ach, wie gerne wäre sie wieder zehn Jahre alt. Der Schlaf erlöste sie von den Tränen. Im Traum erschien ihr die Alte vom Markt: ,,Gefällt es dir groß und dumm zu sein, Prinzessin Amalia?“ ,,Nein, ganz und gar nicht,“ kam es kleinlaut von dieser. Lächelnd verschwand die Fee.

Am Morgen traf der König seine nun wieder kleine Tochter. Stürmisch fiel sie ihm um den Hals. ,,Vater, ach lieber Vater, ich will ganz fleißig lernen, damit ich bald schreiben, lesen und zählen kann!“

Das Töchterchen hielt Wort, studierte was das Zeug her gab, wurde doch noch recht klug und der König war sehr stolz auf sie.

Quelle: Ulla Magonz

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