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Märchenbasar

Das einzige Mittel

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Es war ein Kaiser, seinen Namen scheint die Geschichte vergessen zu haben, dem hatte das Glück nichts versagt, was die Erde mit ihren Schätzen und Gütern bieten konnte. Jeden, auch den geheimsten seiner Wünsche, sah er, kaum gedacht, auch schon erfüllt, und so wäre er der Glücklichste aller Sterblichen gewesen, wenn nicht eben diese überfließende Gunst des Schicksals in ihm nach und nach eine tiefe unbesiegbare Schwermut und Trübsinn hervorgebracht hätte.
Eben da er nichts mehr zu wünschen und zu sorgen hatte, fühlte er sich mehr und mehr unwohl, und diese Krankheit nahm mit jedem Tage zu. Seine Umgebung kam hierüber in große Besorgnis, und es wurden Ärzte und Heilkundige herbeigerufen, welche all ihre Kunst aufbieten und was sie wußten, versuchen mußten, aber umsonst; es wollte keinem gelingen, den kaiserlichen Herrn wiederherzustellen, ja die Krankheit nahm immer mehr zu, und so verschwand allmählich jede Hoffnung, den hohen Kranken je wieder genesen zu sehen.
Deshalb wurden auch alle Räte und Weisen berufen, welche am Hofe des Kaisers lebten. Diese sollten einen Rat halten, um vielleicht doch noch ein Mittel ausfindig zu machen, wodurch der Kaiser wieder gesund werden könnte. Lange saßen die Räte und Weisen zusammen, bis sie endlich dahin übereinkamen, daß man nach allen Ecken und Enden, nah und fern Boten aussenden solle, um einen Menschen aufzusuchen, der vollkommen glücklich sei. Dieser solle alsdann an den Hof gebracht werden, damit sich der hohe Kranke dessen Hemdes bedienen könne, da dies allein imstande sein würde, ihn wieder gesund zu machen.
So geschah es denn auch. Nach allen Richtungen hin flogen sowohl im Reich als auch weit über dessen Grenzen hinaus Boten und Gesandte, von denen jeder den Auftrag hatte, einen vollkommen Glücklichen aufzusuchen und entweder ihn selbst oder dessen Hemd an den Hof zu bringen. Aber Tage und Monate vergingen, ein Bote, ein Gesandter um den andern kehrte heim, aber jeder unverrichteter Sache. Keinem war es gelungen, einen vollkommen glücklichen Menschen zu finden.
Bereits waren schon beinahe alle zurück, welche ausgesandt worden waren, da gelang es noch einem im fernen Hochgebirge, wo fast nur Steine und Stürme gedeihen, einen Schäfer zu finden, zu dessen Glück nichts zu fehlen schien. Derselbe hütete eben seine kleine Herde von Schafen, es mochten etwa zwanzig Stück sein. Er hatte seinen Schafpelz um, eine Lammfellmütze auf dem Kopf und einen mächtigen knotigen Krummstab in der Hand. Der kaiserliche Bote schaute ihm vom Tal herauf zu, wie er sich an einer Berghalde bei seinen Wollträgern erlustigte. Bald setzte er nämlich eine Flöte an den Mund und blies einige fröhliche Weisen herunter, dann hielt er dieselbe wieder in die Luft und tanzte und sprang, indem er dazu pfiff und schnalzte.
So war der fröhliche Natursohn einige Zeit herumgesprungen, da ging der Bote hinauf und sprach zu ihm: »Guten Tag, Bruder! Du scheinst ja recht heiter und lustig zu sein!« – »Gott soll uns gute Zeit schenken«, erwiderte der Angesprochene darauf; »ja, mir ist recht wohl, und warum sollt‘ ich nicht lustig sein? Es geht mir, Gott sei Dank, nichts ab.« – »Ich sehe«, hub hierauf der Herrendiener wieder an, »daß du ärmlich gekleidet bist und wohl manchen Wunsch haben magst, dessen Erfüllung dich vielleicht noch glücklicher machen würde, als du jetzt bist.«
»Glücklicher?« fragte jener entgegen, »mir fehlt nichts zu meinem Glück, ich habe keinen Wunsch mehr. Schau hier, Wald und Weide genug, meine Hütte und diese Schafe, was brauch‘ ich mehr? Diese Tiere nähren und kleiden mich; der Wald gibt mir Holz zum Feuern, wenn ich es wünsche, und die Flöte macht mir so viel Vergnügen, wie ich immer bedarf.« – »Da bist du in der Tat zu beneiden«, sagte hierauf der kaiserliche Bote; »doch wüßt‘ ich, wie du reich und vornehm werden könntest. Komm, folge mir zu meinem Kaiser, den du allein von einer unheilbaren Krankheit herzustellen vermagst. Es wird dir gelohnt werden mit Gold und Silber, soviel du nur verlangst.« -»Ich bedarf und verlange nicht mehr, als ich habe«, antwortete der Hirte jetzt kurz gefaßt auf die verführerischen Reden des Kaiserboten, »ich bin vollkommen zufrieden bei meinen Schafen.«
Als nun jener sah, daß mit diesem Natursohn nichts anzufangen war, so erzählte er ihm, an welcher unheilbaren Krankheit der Kaiser leide und daß alle Ärzte, Heilkundige, Räte und Weise, was sie gewußt, an ihm versucht hätten, endlich, daß es nur noch ein Mittel gebe, den kranken Herrn zu retten, und dies sei, wenn er das Hemd eines vollkommen glücklichen Menschen anziehe. Hunderte von Gesandten und Boten hätten schon die halbe Welt durchsucht, aber bis jetzt sei es noch keinem gelungen, einen vollkommen Glücklichen zu finden. Jetzt aber habe es das Glück gewollt, daß er ihn getroffen, und darum bitte er ihn, jetzt ihm zu seinem Kaiser zu folgen.
Hierzu wollte sich indessen der Hirte durchaus nicht herbeilassen, und so mußte ihn der Bote bitten, wenn er ihm schon nicht folgen wolle, ihm wenigstens sein Hemd für den Kaiser mitzugeben.
Hierauf sagte jener: »Lieber Bruder! Gern wollt‘ ich dir diese Gefälligkeit tun, aber schau, es ist nicht möglich!« Mit diesen Worten schlug er seinen Schafpelz zurück, und da sah der kaiserliche Bote wohl, daß es unmöglich war, denn der Glückliche hatte keins. So zog denn auch dieser letzte Gesandte unverrichteter Sache wieder heim an den Hof seines Kaisers, von dem die Geschichte nichts weiter erfuhr.

[Rumänien: Arthur und Albert Schott: Rumänische Volkserzählungen aus dem Banat]

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