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Märchenbasar

Die Steinsäule

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Es war einmal ein Kaiser, der hatte keine Kinder. Weil er nun keine Kinder hatte, empfing er die heiligen Gaben der Kirche vom Pfarrer immer nach denen, welche Kinder hatten, trotzdem er der Kaiser war. Dies ärgerte ihn und auch die Kaiserin so, daß sie beschlossen, sie wollten sich beide auf den Weg machen, Gott und den heiligen Petrus zu suchen. Sie gingen und gingen weit, weit, bis sie in einen großen Wald kamen, da begegneten sie zwei alten Männern. Sie hatten Quersäcke auf dem Rücken: »Guten Tag.« – »Ich danke euch, (bis) wohin?« – »Wir gehen Gott und den heiligen Petrus suchen. Wir wollen ihn fragen, was wir tun sollen, wir haben keine Kinder, darum empfangen wir die Segnungen der Kirche immer zuletzt.« – »Kehrt um«, sagte der jüngere, »nehmt diese zwei Äpfel und eßt sie, ihr werdet, ehe das Jahr zu Ende geht, einen Knaben haben.« Der Kaiser und die Kaiserin dankten, sie glaubten, es würde vielleicht Gott und der heilige Petrus gewesen sein. Es war solches schon vorgekommen, daß die beiden als arme Menschen auf der Erde wandelten und denen begegneten, die sie suchten. Zu Hause angekommen, schälte die Kaiserin die Äpfel, aß einen selbst, den anderen gab sie dem Kaiser, die Schalen bekam die Köchin, diese aß die Schalen zusammen mit ihrem Mann, sie hatten auch keine Kinder. Das Jahr war noch nicht zu Ende, da bekamen die Kaiserin und die Köchin einen Sohn, beide schön wie die Äpfel. Gut. Der Sohn der Kaiserin hieß Sersem, der der Köchin Costav.
Die Zeit verging, die beiden wuchsen heran und gingen in die Schule, sie liebten sich wie Brüder. Sersem war schöner, Costav war umsichtiger, besorgter und klüger, er sorgte immer auf des Kaisers Sohn. – Als sie aus der Schule frei waren, sagte Sersem: »Mein Bruder, ich heirate nicht, wenn ich nicht das Mädchen finde, das mir ähnlich ist. Aber komm du mit mir, wir gehen in die Welt, vielleicht finde ich das Mädchen.« – »Wir gehen.« Sie nahmen sich Tornister und Stock und machten sich auf den Weg. Sie gingen und gingen weit, weit, und fanden das Mädchen, welches dem Sersem gleich sah, nicht. Sie gingen, bis sie in einen Wald kamen. Mitten im Walde trafen sie Alexander, den Räuber, er saß vor seiner Hütte. »Guten Tag, Räuber Alexander!« – »Ich danke, wohin?« – »Wir gehen und suchen das Mädchen, das mir gleich sieht, ich soll mir es zur Frau bringen.« Gut. »Ich will euch sagen, wo ihr dies Mädchen findet. Es ist die Tochter des grünen Kaisers, sie heißt Cocofane und wohnt im Giebel des Hauses, behütet von sieben alten unbescholtenen Frauen. Sie schläft in einer goldenen Wiege, zu ihren Häupten stehen zwei Gläser mit Wein und brennen zwei Kerzen aus Wachs. Zu Füßen stehen zwei Gläser mit Wasser und angezündet zwei Kerzen aus Unschlitt. Du mußt dir eine Leiter aus Seilen machen, anders kannst du nicht zu ihr gelangen.« Gut. Sie gingen jetzt alle drei, Alexander, der Räuber, zeigte den Weg.
Als sie in der Nacht an das Haus angelangt, wo dies Mädchen wohnte, stieg Sersem auf der Leiter aus Seilen hinauf, er stieg und stieg, bis er an dem Giebel des Hauses stand, dann zog er sich zum Fenster hinein und erblickte das Mädchen, es schlief, die alten Frauen schliefen, die Kerzen brannten. Er bückte sich und küßte das Mädchen, es rührte sich nicht, er trank den Wein aus den zwei Gläsern und wechselte sie mit dem Wasser, auch die Kerzen wechselte er. Die Kerzen aus Wachs stellte er zu Füßen, die aus Unschlitt zu Häupten. Dann trat er zurück und ließ sich an der Leiter aus Seilen hinunter. Morgens, als der Kaiser aufgestanden, merkte er gleich, daß jemand bei seiner Tochter gewesen. Weil die Alten nicht gesorgt, ließ er allen sieben die Köpfe abhauen, rief andere sieben alte abgelebte Frauen, das Mädchen zu behüten, schenkte wieder Wein in die Gläser ein und stellte die Kerzen aus Wachs zu Häupten, die aus Unschlitt zu Füßen. Aber um Mitternacht schliefen auch diese sieben Alten ein. Sersem kletterte auf der Leiter aus Seilen bis in die Spitze des Hauses, ließ sich dann zum Fenster hinein, küßte das Mädchen, trank den Wein, wechselte die Gläser und die Kerzen und verzog sich schnell. Morgens, als der Kaiser in des Mädchens Zimmer trat, sah er gleich, daß jemand dagewesen. Abends sprach er zu seiner Tochter: »Du Mädchen, sieh, wegen dir habe ich vierzehn Leben getötet, sorg jetzt du auf dich!« Gut. In der nächsten Nacht, als Sersem kam und sie küßte, schlug sie die Augen auf und redete mit ihm. Er gefiel ihr. Er ging dann mit ihr zum Kaiser, um sie von ihm zur Frau zu bitten. Der Kaiser gab sie ihm, und nun hielten sie Hochzeit. Alexander, der Räuber, und Costav waren auch dabei. Als die Hochzeit zu Ende war, brach das junge Paar mit dem treuen Freund auf in seine Heimat.
Als sie in den Wald traten, sahen sie einen Brunnen, setzten sich zu kurzer Rast daneben und schliefen ein. Als sie eingeschlafen waren, kam in einer weißen Wolke der Drache und stahl die Cocofane. Jetzt war ihr junger Mann so traurig und wußte nicht, was er machen sollte, aber Costav sprach: »Bleib du hier, ich gehe und bringe dir die Frau Cocofane zurück.« – Er ging. Als er im Hause des Drachen ankam, war der auf der Jagd. Er nahm die junge Frau aufs Pferd und ritt schnell fort. Aber das Pferd des Drachen war des Teufels, es wieherte so laut, daß es der Drache auf der Jagd hörte, er kam geschwind nach Hause und schrie: »Hopp, Schecke, gut zum Helden (Hop, cal breaz, bun de viteaz), Hunde, Wölfe sollen dein Fleisch fressen, wenn ich am besten jage, dann rufst du mir.« – »Wie soll ich dich nicht rufen, Herr, sieh, man hat uns die Frau Cocofane gestohlen.« – »Kannst du noch drei Backöfen voll Brot und drei fette Ochsen fressen und drei Eimer Wein saufen und drei Pfeifen Tabak rauchen?« – »Ich kann, kann.«
Als sich das Pferd so gefüttert hatte, saß der Drache auf, und schnell wie der Gedanke hatte er den Costav mit der Frau Cocofane erreicht. »He, du Costav, was soll ich dir jetzt tun?« – »Unser Herrgott verzeiht dreimal, verzeih du mir einmal.« – »Gut, ich will dir verzeihen«, sagte der Drache, nahm sich die junge Frau aufs Pferd und ritt zurück. »Schlecht, schlecht«, jammerte Costav. »Jetzt muß ich zu des Windes Großmutter an den Rand der Welt und ihr ein Jahr dienen.« Er eilte vorwärts, schnell wie der Wind, denn es stand ihm ein langer Weg bevor, so lang wie diese Mär, denn viel Schönes ist noch zu erzählen. – Auf dem Wege sah er auf einem Ast einen Raben sitzen mit gebrochenen Flügeln. »Hei, Rabe, wie soll meine Büchse in dich knallen!« – »O nein, nicht schieß mich, du hast doch keinen Nutzen von mir, schiene mir lieber den Flügel zwischen zwei Ästchen, wenn du meiner gedenkst, werde ich auch bei dir sein.« Costav tat, wie der Rabe wünschte, dann ging er weiter. Als er weiterging, traf er einen lahmen Wolf. »Ach Wolf, wie soll meine Büchse in dich knallen.« – »Nicht schieß mich, du hast doch keinen Nutzen von mir, lieber verbinde mir den Fuß. Ich werde auch bei dir sein, wenn du meiner gedenkest.« Dieser verband den Fuß des Wolfes und ging weiter bis an ein Bächlein. Da sprang aus dem Wasser ein Fisch mit goldenen Flossen heraus, es war der König der Fische. »Hei, Fisch, wie ich mich einmal von dir füttern soll!« – »Nicht fang mich, ein Essen oder zwei vergehen, ich will aber bei dir sein, wenn du meiner gedenkest.« Er ging weiter, nur einmal sah er einen Ameisenhaufen über die Straße wandern. »Hei, wie soll mein Pferd zwischen euch treten, ihr Ameisen!« – »Oh, nicht tritt in uns, halt dein Pferd ein wenig still, bis wir uns zur Seite ziehen, wir werden auch deiner gedenken, wenn du uns brauchst.« Er hielt das Pferd an und wartete, bis die letzte Ameise über den Weg gezogen, dann ritt er weiter und gelangte zu des Windes Großmutter am Rande der Welt.
»Guten Tag, Großmutter des Windes.« – »Ich danke, Mensch der Erde, was willst du bei mir?« – »Ich bin gekommen, dir ein Jahr zu dienen.« – »Gut, welchen Lohn verlangst du?« – »Ich verlange nicht viel, du sollst mir nur ein Füllen geben.« – »Ich geb‘ es dir, wenn du ehrenhaft bist und dienst, wie es sich gehört. Viel Arbeit hast du nicht, du sollst mir nur die Stute auf dem Gras hüten und sie abends nach Hause bringen. Wenn du sie nicht bringst, dann – siehst du die Stecken am Zaun? Auf jedem steckt ein Kopf von meinen Knechten, nur einem fehlt er noch, es ist deiner.« Am Morgen setzte sich Costav auf die Stute, diese war aber des Teufels, sie trug ihn zuerst aufs Eis, daß er fast gefror, dann lief sie mit ihm in die Hitze, daß er gleich einschlief. Sie schüttelte ihn auf einen Ast der Pappel und flog in die Wolken und verwandelte sich in einen Raben und brachte ein Füllen zur Welt. Als er erwachte und sich auf der Pappel, nicht auf der Stute sah, erschrak er und fing an zu weinen; da fiel ihm plötzlich der Rabe ein, und gleich war er bei ihm und fragte, was er wünsche. »Sieh, so und so ist es mir ergangen.« – »Laß nur sein, ich will dir schon helfen.« Er rief alle Raben aus der ganzen Welt zusammen und befahl ihnen, die Stute samt dem Füllen aus den Wolken zu ziehen. Die Raben brachten sie sogleich herunter. Costav schüttelte den Zaum über sie und rief: »Hähaho, meine zwei Pferde, du bist die Stute.« Alsobald war sie es auch wirklich, er setzte sich auf und ritt nach Hause. Die Großmutter des Windes zeigte keinen Zorn, ging aber in den Stall und zankte mit ihr, weil sie sich nicht besser versteckt hätte. »Laß nur sein, morgen verstecke ich mich besser.«
Am nächsten Morgen trug sie den Jüngling wieder zuerst in die Kälte, daß er fast erfror, dann in die Hitze, daß er gleich einnickte, darauf schüttelte sie ihn über Gestrüpp, verwandelte sich in ein Schaf, mischte sich in die Schafherde und füllente das zweite Füllen. Als Costav erwachte, dachte er gleich an den Wolf: »Ach Wolf, wärst du doch hier, du würdest mir helfen.« Er hatte den Gedanken nicht ausgedacht, da kam der Wolf schon herbei und fragte, was er wünsche. Als er ihm erzählte, wie es ihm ergangen und ob er ihm helfen könne, sagte der Wolf: »Ich kann, Herr. Ich gehe dorthin in die Schafherde, dann werden sich alle Schafe zerstreuen, und nur das eine bleibt allein stehen; du mußt nur den Zaum darüber werfen und sagen: ‚Hähaho, du bist die Stute‘.« Gut, wie der Wolf gesagt, so geschah es. Abends ritt er heim. Des Windes Großmutter ärgerte sich, zeigte es aber nicht, sie ging in den Stall und zankte noch mehr als das erstemal, warum sie sich nicht besser versteckt hätte. »Laß nur sein, morgen will ich mich so verstecken, daß er mich gar nicht finden kann.«
Am dritten Morgen trug sie ihn wieder zuerst in die Kälte, daß er fast erfror, dann in die Hitze, daß er einschlief, und warf ihn auf eine Weide, verwandelte sich dann in einen Fisch und warf das dritte Füllen. Als Costav erwachte und sich auf dem Weidenast anstatt auf der Stute befand, dachte er an den Fisch. Kaum hatte er gedacht, war der Fisch da und fragte, was er wünsche. »Sieh, es ist mir so und so ergangen, wirst du mir nicht helfen können?« – »Wie sollt‘ ich nicht, komm nur mit mir und schüttle den Zaum über den Fisch, den ich dir herausbringen werde.« Er ging mit dem Fischkönig bis an den Rand des Baches. Der Fisch begab sich ins Wasser und rief alle Fische zusammen und befahl ihnen, den Fisch herauszujagen. Sobald er den Kopf aus dem Wasser steckte, schüttelte Costav den Zaum über ihn und rief: »Hähaho, meine Pferde alle vier, du bist die Stute«, schwang sich hinauf und kam bis zum Sonnenuntergang nach Hause zur Großmutter des Windes. Diese ärgerte sich sehr, daß er auch diesmal zur rechten Zeit gekommen, denn jetzt war das Jahr aus, damals hatte ein Jahr nur drei Tage.
Sie ging mit der Peitsche in den Stall und schlug die Stute so, daß sie immer »tulai« schrie. Dann nahm sie die Herzen der beiden größeren Füllen heraus, und gab sie dem kleinen, blies dann Staub und Schmutz aufs Fell und ließ dies ungestriegelt, daß es schwach und häßlich aussah, die andern aber striegelte und putzte sie, daß sie sehr schön aussahen, und gab ihnen Zucker und Hafer und Brot, daß sie fett wurden, dann kam sie herein und sprach zu ihrem Knecht: »Jetzt ist das Jahr zu Ende, aber geh in den Hof, dort habe ich einen Barren mit Korn, das sollst du mir noch ausdreschen, aber die Garben darfst du nicht anrühren.« Er ging hinaus und dachte: »Na, jetzt haben mir geholfen der Rabe, der Wolf und der Fisch, jetzt könnte gut der Ameisenkönig mit seinem Volk kommen und mir helfen.« Er hatte den Gedanken nocht nicht ausgedacht, da war auch schon der Ameisenkönig mit all seinem Volk an der Arbeit, es waren so viele Ameisen, daß immer drei an einem Körnlein zogen. Auf der Stelle waren sie fertig. – Als Costav am Stall vorbeikam, rief ihn das elende Füllen mit den drei Herzen und sagte ihm, daß er nicht eines von den größern wählen sollte, denn die hätten keine Herzen, die Alte habe sie alle ihm gegeben, daher sei es mutiger als die schönen, trotzdem es so häßlich und schwach aussehe, sie wolle ihn nur betrügen. Gut.
Als die Großmutter des Windes sah, daß Costav auch diese Arbeit fertiggebracht, dachte sie: »Dieser ist noch mehr des Teufels als ich«, sagte aber nichts, ging mit ihm in den Stall und zeigte ihm alle drei Füllen, er solle sich jetzt eines wählen. Er langte mit der Hand nach dem häßlichen. »Aber mein Sohn, nimm dir doch eines von den schönen, du hast mir gedient, wie es sich gehört.« – »O nein, Großmutter, laß‘ mir nur dieses, es ist für mich gut genug; da ich auf der Straße herumwandere, würde man mir ein schönes gar bald stehlen, wenn ich im Walde schlafe. Dieses schwache hier stiehlt niemand, ich kann es frei herumgehen lassen, während ich ausruhe, es verliert sich auch nicht.« Die Großmutter des Windes hatte gedungen, er dürfe sich wählen, welches er wolle, darum durfte sie weiter nichts mehr sagen.
Er nahm es und drückte sich fort. Als er aus dem Hofe hinausgelangte, setzte er sich auf das Füllen. Dieses sagte: »Wie soll ich dich jetzt tragen, wie der Gedanke oder wie der Wind?« – »Trage mich wie der Gedanke; wenn du mich trägst wie der Wind, hängen wir uns an alle Äste.« Nur einmal fing das Füllen an, die Füße von einem Berg auf den andern zu setzen, es hatte eben drei Herzen. Schnell wie der Gedanke war es im Hof des Drachen angekommen. Er war auf der Jagd. Costav nahm die Frau Cocofane aufs Pferd und ritt schnell mit ihr fort. Das Pferd des Drachen wieherte, daß der Stall erzitterte: »Hopp Schock, gut und tapfer (Hop, cal breaz, bun si viteaz), daß die Hunde und Wölfe dein Fleisch fressen. Immer dann rufst du mich, wenn ich am besten jage.« – »Wie soll ich dich nicht rufen, der Costav ist gekommen und hat uns die Frau Cocofane gestohlen.« – »Na hör, jetzt kannst du aber noch drei Backofen voll Brot, drei fette Ochsen essen, drei Faß Wein trinken und drei Pfeifen Tabak rauchen?« – »Ich kann den Teufel, Costav hat ein Pferd mit drei Herzen von der Großmutter des Windes am Rande der Welt, das tritt von Berg auf Berg, ich trete nur vom Berg ins Tal, aus dem Tal auf den Berg.« – »Wir wollen doch versuchen.« – »Versuchen wir.« Der Drache stieg aufs Pferd, stieß ihm mit seinen Stiefeln (caltuni) in den Bauch und schlug ihm mit der Peitsche über den Kopf, doch konnten sie sie nicht mehr erreichen. »Aber steh doch, Bruder«, rief das Drachenpferd dem des Costav zu. Dieses stammte nämlich auch von der Stute der Großmutter des Windes, es hatte aber nur ein Herz. »Dann werde ich auf dich warten, wenn du den Drachen in die Höhe schleuderst, wenn er zurückfällt auf die Erde und lauter Staub und Brocken wird«, antwortete das Pferd des Costav seinem Bruder. Kaum hatte es die Worte beendet, warf das Drachenpferd seinen Herrn bis in die Wolken, und als er herunterfiel, war nichts als Staub und Brösel. Nach diesem lief das Pferd zu seinem Bruder. Die Frau Cocofane setzte sich darauf, und nun erreichten sie den armen Sersem. Jetzt brachen sie alle drei auf, der Heimat zu.
Abends kamen sie an einen Brunnen, am Brunnen stand ein Pflaumenbaum, unter diesen legten sie sich schlafen. Aber Costav schlief nicht, er hütete die beiden, denn er fürchtete, es könne wieder etwas geschehen. Er saß am Brunnen, wie lange er gesessen sein mag, da kamen drei Tauben auf den Pflaumenbaum und fingen an zu singen: »Wie viel wir auf der Erde herumgeflogen, zwei Menschen, die einander so ähnlich gewesen, haben wir nie gesehen. Was? Sie werden nicht lange leben, sein Vater ist ein Hund, seine Mutter eine Hündin. Sie haben ein Pferd von neun Jahren und neun Monaten. Dies werden sie dem jungen Paar entgegenschicken, der Bräutigam wird aufsteigen, das Pferd wird ihn hoch bis an den Himmel schleudern, er wird als Staub und Brösel zur Erde fallen. Aber wenn ihm ein guter Jüngling die Adern zerschneiden wird, ist es gut, wenn er es aber jemandem sagt, wird er zur Steinsäule bis an die Knie.« Am nächsten Morgen brachen sie auf, da brachte man [ihnen] wirklich das Pferd entgegen. Sersem freute sich, daß seine Eltern an ihn gedacht, und wollte es gleich besteigen. Da zog aber Costav das Schwert und zerschnitt ihm die Adern, daß es gleich tot zur Erde fiel. »Du Bruder, was hast du gemacht?« fragte erschrocken Sersem. »Oder bist du zornig, mein Bruder?« – »O nein, ich bin nicht zornig.« – »Also komm, wir gehen auch zu Fuß, es ist nicht mehr weit bis nach Hause.«
Sie gingen weiter und kamen wieder an einen Brunnen, daneben stand ein Pflaumenbaum. Sie legten sich darunter und schliefen ein. Costav saß am Brunnen und hütete sie. Da flogen die Tauben in die Äste des Baumes und sangen: »Wie viel wir auch herumgeflogen auf der Welt, zwei Menschen, die sich so ähnlich sind, haben wir nie gesehen. Was? Sie werden nicht lange leben, sein Vater ist ein Hund, seine Mutter eine Hündin. Wenn er in das Haus tritt, wird ihm seine Mutter ein Hemd bringen, das Hemd ist in Gift geweicht. Er wird es anziehen und gleich sterben. Wenn das Hemd ein guter Jüngling nehmen und ins Feuer werfen wird, ist es gut, wenn er dies aber jemand sagt, wird er zur Steinsäule bis an den Gürtel.« Auch dieses hörte Costav.
Als die Jungen erwacht waren, gingen sie weiter bis zum nächsten Brunnen, neben ihm stand ein Pflaumenbaum. Sersem mit seiner Frau legten sich darunter, um ein wenig auszuruhen, und schliefen ein. Costav behütete sie. Wieder kamen drei Tauben geflogen und setzten sich auf die Äste und sangen: »Wie viel wir auch über die Erde geflogen sind, zwei Menschen, die einander so ähnlich, haben wir nie gesehen. Was? Sie werden nicht lange leben. Sein Vater ist ein Hund, seine Mutter eine Hündin. Wenn die Jungen in ihrem Zimmer schlafen, wird ein Drache mit sieben Häuptern hineindringen und sie fressen. Wenn aber ein guter Jüngling im Zimmer bleiben und dem Drachen die Köpfe abschlagen wird, ist es gut, wenn er es aber jemandem sagt, wird er zur Steinsäule bis über den Kopf.« Costav hörte auch dieses und hielt es im Sinn, bis sie nach Hause gelangten. Die Mutter kam [ihnen] mit einem schönen Hemd entgegen und sagte freundlich (fröhlich), er möge es anziehen. Als er die Hand danach ausstreckte, ergriff Costav schnell das Hemd und warf es in den Ofen. »Du Bruder, was machst du denn?« – »Bist du zornig, mein Bruder?« Sersem gedachte des vielen Guten, was ihm Costav getan, und sprach schnell, versöhnt: »O nein, ich bin nicht zornig, Bruder.« Als nun abends das junge Paar in sein Zimmer gehen wollte, sprach Costav: »Laßt mich auch in euer Zimmer, ich habe viel mit euch erlebt und euch behütet.« – »Komm, Bruder.« Die beiden legten sich schlafen, Costav hütete sie. Nur einmal kam um Mitternacht der Drache mit sieben Häuptern. Aber Costav stand hinter der Türe, und wenn der Drache einen Kopf hereinsteckte, hieb er ihn mit dem Säbel ab, bis er alle sieben abgeschlagen. Dann fegte er sie alle hinaus und kam noch einmal herein um das Schwert, es war voll Blut. Als er es grade abwischte, trat die Kaiserin herein und schrie: »Tulai, Costav haut meinem Sohn den Kopf ab.« Aber sie log. Sersem war nicht ihr Sohn, er war aus Äpfeln entstanden, darum zog sie auch das Herz nicht zu ihm und sie hatte kein Mitleid für ihn. Sersem erwachte, und als er das blutige Schwert in der Hand des Bruders sah, erschrak er und dachte, die Mutter habe recht. »Ach, ach, Bruder, was hattest du vor?« Aber der Bruder schwieg. Die Richter kamen und richteten, Costav solle erhängt werden. Und er schwieg.
Alle gingen hinaus aus der Stadt, dahin, wo er gehängt werden sollte, auch der Pfarrer kam. Jetzt bat Costav, man solle erlauben, daß er beichte. Nun fing er an zu erzählen. Zuerst, warum er dem Pferd die Adern zerschnitten. Als er fertig war, wurde er bis an die Knie zur Steinsäule. »Ach Bruder«, jammerte Sersem, »nicht erzähle weiter, ich glaube dir, du sollst nicht gehängt werden.« Aber Costav sprach: »Es war beschlossen, du solltest mich mit dem Seil fressen, nun fresse ich mich mit dem Mund«, und fing weiter an zu erzählen, warum er das Hemd verbrannt habe; kaum waren die Worte ausgeredet, wurde er bis an den Gürtel zur Steinsäule. »Ach, Bruder, nicht mehr rede, ich glaube dir und bin dir nicht böse, du sollst nicht um mich sterben.« Aber Costav sprach: »Es war beschlossen, du solltest mich mit dem Seil fressen, jetzt fresse ich mich mit dem Mund«, und er erzählte, wie er die sieben Drachenköpfe abgehauen. Kaum ausgeredet, war er ganz zur Steinsäule geworden. Jetzt war große Trauer, Sersem und Cocofane fielen auf die Knie und jammerten um den guten Bruder. Aber die Richter richteten, der Kaiser und die Kaiserin sollten erhängt werden.
Die Jungen wollten nicht mehr in die Stadt ziehen, sie mauerten neben der Steinsäule ein Haus und wohnten dort, aber ohne Frieden. Eines Morgens sagte Sersem zu seiner jungen Frau: »Hör, du, ich gehe und suche Gott und den heiligen Petrus, daß ich sie frage, ob ich nicht etwas machen könnte, um den Costav zu befreien.« – »Geh, mein Mann.« Er nahm den Tornister und ging und ging, bis er in einen Wald kam, dort stand ein älteres Mädchen, er wünschte einen guten Tag. Sie dankte und fragte, wohin er gehe. Er sagte es ihr, und als er es gesagt, sprach das Mädchen: »Tu gut, frage auch um mich, warum ich nicht heiraten könne?« – »Ich will fragen.« Er ging weiter und kam an ein Bächlein. »Wohin gehst du, du Mensch?« rief das Bächlein. »Sieh, so und so«, und er erzählte es ihm. »Tu gut und frage auch um mich, warum ich keine Lebewesen in meinem Wasser habe wie alle Wasser?« – »Ich will fragen.« – »Sei so gut, nicht vergiß!« Er ging weiter und kam an einen warzigen Baum, der rief: »Wohin gehst du, junger Mann?« Er sagte es auch dem Baum. »Tu gut und frage, warum ich nie eine Frucht habe. Im Frühjahr blühe ich, dann fallen alle Blüten ab, im Herbst, wenn meine Schwestern alle mit Äpfeln beladen sind, stehe ich leer.« – »Ich will fragen.« Er ging weiter und begegnete zwei Männern. »Guten Tag.« – »Wir danken, wohin gehst du, junger Mann?« – »Ich gehe Gott und den heiligen Petrus suchen.« Er klagte auch diesen sein Leid. »Nicht mehr geh weiter, auch wir können dir sagen, was du tun mußt (er hatte aber gerade Gott und den heiligen Petrus getroffen, nur gaben sie sich ihm nicht zu erkennen): Weißt du nicht, daß nur Menschentränen, von ganzem Herzen geweint, Steine erweichen können? Geh nach Hause, nimm ein Schaff und weine es mit deiner Frau zusammen voll Tränen. Dann nehmt jedes einen Zweig vom Busiok (Busiok ist auch heute noch das Kraut des Glückes, in keinem noch so kleinen Gärtchen darf es fehlen; auf der Reise trägt es der Rumäne im Busen, dann braucht er sich nicht zu fürchten), taucht ihn in die Tränen und bestreicht und besprengt die Säule, sie wird sich erweichen, und Costav wird frei werden.«
Sersem dankte und fragte auch um das Mädchen, warum es nicht heiraten könne, um das Bächlein, das keine Lebewesen in seinem Wasser habe, und warum der Apfelbaum keine Früchte behalte. »Sage dem Mädchen, sie solle den Kehricht, wenn sie gekehrt, nicht gegen die Augen der Sonne werfen, sondern auf die Schattenseite, dann würde sie heiraten. Sage dem Bächlein, solange es nicht ein lebendes Wesen ertränkt in seinem Wasser, werde es nie eines halten. Aber geh zuerst auf einen Berg, dann nur sag es ihm, sonst ertränkt es dich. Der Apfelbaum ist ein Räuber, er hat an der Wurzel einen Kessel voll Geld, bis den nicht jemand fortnimmt, kann er keine Früchte tragen.« Sersem dankte auch für dies, wünschte gute Gesundheit und kehrte um, der Heimat zu. Als er zum Apfelbaum kam und es ihm sagte, bat der so viel, er möchte ihn befreien; zuerst wollte er nicht, denn er hatte Eile, nach Hause zu kommen, dann bedauerte er ihn, fing an zu graben und zog den Kessel mit dem Geld heraus. Dann ging er bis zum Bächlein und wollte schnell vorübergehen auf den nächsten Berg. »Hast du auf mich vergessen?« rief es ihm nach. »Ich habe nicht vergessen, warte nur, bis ich oben auf dem Berge bin, dann will ichs dir sagen.« Als er oben war und es herabrief, schwoll das Bächlein an, das Wasser trat heraus, lief dem jungen Mann nach, um ihn zu ertränken. Es konnte aber nicht bis auf den Berg reichen, machte ihm nur die Füße naß und trat dann wieder zurück, auf ein Opfer wartend. Er ging weiter bis zu dem Mädchen. »Du Mädchen, nicht mehr wirf den Kehricht gegen die Augen der Sonne, wenn du gekehrt hast, wirf ihn auf die Schattenseite, dann wirst du heiraten.«
Als er zu Hause ankam, erzählte er seiner Frau, wie es ihm ergangen. Sie nahmen ein Schaff und fingen an zu weinen und weinten, bis das Schaff voll Tränen war, nahmen dann jedes einen Zweig vom Busiok, tauchten sie in die Tränen und bestrichen die Steinsäule, damit sie sich erweiche; und sie wurde weich und fiel zusammen, da stand Costav schön und frisch. Da war große Freude bei allen, und alle dankten sie Gott und dem heiligen Petrus. Den Costav verehrten sie aber bis an ihr Ende.

Iuon Vuga, Rucar
[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]

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