Es war einmal ein armer Holzfäller, der mit seiner Frau und seiner einzigen Tochter, einem holden Mägdlein mit goldenem Haar und sanftem Gemüt, am Rande eines großen Waldes lebte. Trotz ihrer Armut waren sie glücklich, denn Liebe und Zufriedenheit wohnten in ihrer Hütte.
Eines Tages wurde der Holzfäller krank, und keine Arznei konnte ihn heilen. Da sprach er zu seiner Tochter: “Mein Kind, in der Tiefe des Waldes gibt es eine Quelle, deren Wasser Wunder wirkt. Doch der Weg ist beschwerlich und voller Gefahren. Sei behütet, wenn du dich aufmachst, um mir das Wasser zu holen.”
Das Mädchen nahm einen Krug und machte sich auf den Weg. Der Wald war dicht, und die alten Bäume warfen lange Schatten. Bald kam sie an eine Lichtung, auf der eine greise Frau saß. “Mein Kind, hast du nicht ein Stück Brot für mich?” fragte sie mit zitternder Stimme. Ohne zu zögern, reichte das Mädchen ihr das letzte Stück Brot aus ihrem Beutel. Die Alte nickte dankbar und sprach: “Weil du gütig bist, sei gesegnet! Wenn du die Quelle findest, schöpfe nicht mit dem Krug, sondern tauche deine Hände ins Wasser.”
Das Mädchen dankte und zog weiter. Nach einer Weile begegnete ihr ein alter Wolf mit struppigem Fell, der mühsam auf drei Beinen humpelte. “Liebes Kind, ich bin verletzt und kann nicht jagen. Hättest du eine Gabe für mich?” Ohne Furcht riss sie ein Stück von ihrem Kleid und verband damit die Wunde an seiner Pfote. Der Wolf leckte ihre Hand und sprach: “Du hast ein gutes Herz. Sei klug, wenn du die Quelle erreichst.”
Schließlich fand sie die Quelle. Sie war von funkelnden Steinen umrandet, und das Wasser glitzerte wie flüssiges Gold. Das Mädchen erinnerte sich an die Worte der Alten und tauchte ihre Hände hinein. Kaum berührte sie das Wasser, da begann ihr ganzes Wesen zu strahlen, und als sie ihre Hände hervorhob, lag darin ein kleines, goldenes Herz.
Als sie heimkehrte, erholte sich der Vater augenblicklich, sobald er von dem Wasser trank. Doch das Wunder war nicht zu Ende. Als das Mädchen das goldene Herz in die Hände nahm, breitete sich ein Licht aus, das die ganze Hütte erfüllte. In diesem Moment verwandelte sich die Hütte in ein stattliches Haus, und ein reicher Obstgarten wuchs ringsherum.
Die Kunde von dem guten Mädchen und seinem goldenen Herzen drang bis zum König, und als sein Sohn von ihrer Güte hörte, suchte er sie auf. Als er sie erblickte, wusste er, dass sie die rechte Braut für ihn sei. So wurde das arme Mägdlein eine Königin, doch ihr Herz blieb stets sanft und gütig.
Und so lebten sie glücklich und gaben stets den Armen und Bedürftigen, auf dass ihre Güte nie vergehe. Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.
2025 Mario Eberlein