Schon bald steht das Weihnachtsfest vor der Tür. Die fleißigen Engel wissen nicht, ob sie es rechtzeitig schaffen, alle Wünsche zu erfüllen.
Plötzlich hat ein kleiner Engel namens Gabriel eine Idee. Schnell holt er eine Schachtel und goldenes Geschenkpapier und beginnt eifrig, ein kleines Päckchen zu basteln.
„Ich bin kurz mal weg!“, ruft er den Engeln zu und will zur Himmelspforte hinaus.
„Wo willst du denn hin? Du kannst uns jetzt doch nicht im Stich lassen, wo wir dringend jedermanns Hilfe brauchen?“, empören sich die anderen.
„Keine Angst! Aber ich weiß, wie wir Zeit gewinnen: indem wir den Menschen ein ganz besonderes Geschenk machen!“, antwortet Gabriel.
Noch bevor die anderen etwas erwidern können, ist der kleine Engel Richtung Erde unterwegs. Er landet geradewegs in einem kleinen Dorf, mitten auf dem Dorfplatz. Dort geht es lebhaft zu. Alle stecken in den Weihnachtsvorbereitungen.
Gabriel erblickt eine alte Frau, die mühsam ihre Einkaufstasche trägt. Er geht auf sie zu und überreicht ihr das goldene Päckchen.
Die Frau ist sichtlich erstaunt und fragt: „Was ist das?“
„Na, ein Päckchen…“, lacht der kleine Engel.
„Für mich?“, fragt die Alte. „Ist denn schon Weihnachten?“
„Für dich! Bis Weihnachten dauert es ja nicht mehr lange!“, sagt Gabriel.
„Aber…“, stottert die Frau, „…was ist denn da drinnen?“
„Gesundheit, Zufriedenheit und Zeit! Gib‘ gut auf das Päckchen Acht! Du darfst das Päckchen nicht öffnen, sonst geht das verloren, was drinnen ist!“
Mit diesen Worten verschwindet Gabriel und lässt eine lächelnde alte Frau zurück. Er hat es nämlich eilig, wieder in den Himmel zu kommen, um alles weitere von oben beobachten zu können.
Die alte Frau hingegen hält das goldene Päckchen in der Hand und freut sich wie ein kleines Kind darüber.
„Gesundheit, Zufriedenheit und Zeit!“, denkt sie sich. „Das kann ich alles sehr gut gebrauchen!“
Behutsam legt sie das Päckchen in ihre Einkaufstasche und macht sich auf den Heimweg.
Da fällt ihr ein, dass sie die Milch vergessen hat. Also muss sie nochmals in den Laden. Viele Menschen sind im Geschäft, alle sind gestresst, die Verkäuferin sieht müde aus. Als die alte Frau an der Kasse steht und bezahlen möchte, nimmt sie das goldene Päckchen aus der Tasche und schenkt es der Verkäuferin.
Erstaunt schaut diese sie an und fragt: „Was ist das? Ist das etwa für mich?“
„Ja, ich glaube, das können Sie ganz gut gebrauchen!“, lacht die alte Frau.
Neugierig schüttelt die Verkäuferin das Päckchen und fragt: „Was ist denn drinnen?“
„Gesundheit, Zufriedenheit und Zeit! Aber vorsichtig: Nicht öffnen, sonst geht das, was drinnen ist, verloren!“
Die Verkäuferin bedankt sich für dieses merkwürdige goldene Päckchen und legt es beiseite.
Erst nach Ladenschluss fällt ihr Blick wieder auf das goldene Ding.
Sie nimmt es mit nach Hause, wo sie von ihrem neunjährigen Sohn Lukas freudig empfangen wird. Er erzählt von der Schule und erwähnt so beiläufig, was er sich in diesem Jahr alles vom Christkind wünscht.
Die Frau greift nach dem goldenen Päckchen und schenkt es ihrem Sohn.
„Ist das für mich?“, fragt er verblüfft.
„Ja, natürlich. Für wen denn sonst? Pass gut darauf auf und öffne es nicht, denn sonst geht das, was drinnen ist, verloren!“, ermahnt ihn seine Mutter.
„Was ist denn drinnen?“, will Lukas wissen.
„Gesundheit, Zufriedenheit und Zeit!“
„So ein merkwürdiges Päckchen!“, denkt sich der Junge. „Und ich darf es nicht einmal auspacken!“
Währenddessen hocken die Engel auf den Wolken und schauen zur Erde herab. Fasziniert schauen sie zu, wie das Päckchen ständig den Besitzer wechselt.
„Das hast du aber gut gemacht, Gabriel!“, loben sie den kleinen Engel. „Wirklich eine sehr gute Idee! Wir könnten ja noch mehr von solchen Päckchen auf den Weg schicken!“
Doch Gabriel will davon nichts wissen: „Nein, ein Päckchen reicht!“
Am Nachmittag läuft der Junge auf den Spielplatz und bringt das goldene Päckchen mit. Schließlich will er seine Freunde daran teilhaben lassen. Vielleicht wissen sie, wozu es gut sein soll?
Und tatsächlich: Lukas zieht mit seinen Freunden durchs Dorf und sie halten Ausschau nach Menschen, denen sie eine Freude bereiten könnten. Sie finden dieses Spiel toll und betrachten es als sinnvollen Zeitvertreib.
Sie begegnen einem gehbehinderten Mann und überreichen ihm das goldene Päckchen.
„Oh, ist das für mich?“, fragt er.
„Ja, aber Sie dürfen es nicht öffnen, sonst geht das verloren, was drinnen ist!“, rufen die Jungs wie aus einem Munde.
„Jetzt macht ihr mich aber neugierig. Was ist denn drinnen?“, will der Mann wissen.
„Gesundheit, Zufriedenheit und Zeit!“
Der Mann bedankt sich. „Das kann ich wirklich sehr gut gebrauchen!“, und humpelt davon.
Es dauert nicht lange, da trifft er eine Bekannte. Sie ist Lehrerin und stöhnt darüber, wie viele Aufsätze sie noch zu korrigieren hat.
Schon bekommt sie das goldene Päckchen in die Hand gedrückt: „Ich hab was für dich. Das kannst du sicherlich gut gebrauchen: Gesundheit, Zufriedenheit und Zeit! Aber nicht öffnen, sonst geht das, was drinnen ist, verloren!“
Die Lehrerin freut sich über das unerwartete Geschenk. Doch es bleibt nicht lange in ihrem Besitz. Eine Freundin ist krank und liegt mit einer Grippe im Bett.
„Ich hab dir was mitgebracht!“, sagt die Lehrerin und übergibt der Freundin das Geschenk.
Als sich die Freundin ans Auspacken machen will, ruft die Lehrerin: „Nein, nicht öffnen! Sonst geht das, was drinnen ist, verloren! Gesundheit, Zufriedenheit und Zeit!“
„Jetzt geht es mir schon viel besser!“, lacht die kranke Frau.
Wahrlich ist die junge Frau bereits nach zwei Tagen wieder auf den Beinen.
Das goldene Päckchen hat ihr Glück gebracht. Ob es ein Glücksbringer ist?
Sie nimmt das Geschenk in die Hand und geht an die frische Luft. Auf einer Bank sitzt ein Mädchen und weint.
„Hej, was ist denn mit dir los?“, fragt die Frau.
„Ich habe meine Ohrringe verloren!“
Schon greift die Frau nach dem goldenen Päckchen und übergibt es dem Mädchen: „Hier! Nimm das Päckchen. Du benötigst es dringender als ich! Aber du darfst es nicht öffnen, denn sonst geht das, was drinnen ist, verloren: nämlich Gesundheit, Zufriedenheit und Zeit!“
Das Gesicht des Mädchens erhellt sich. Auf einmal sind die Ohrringe nicht mehr wichtig.
Diese Geschichte könnte man unendlich weitererzählen, denn das goldene Päckchen wird noch unzählige Male weitergereicht.
Aber was ihr noch wissen sollt: am Ende klopft der Briefträger an die Tür des Hauses der alten Frau, die das goldene Päckchen vom kleinen Engel Gabriel erhalten hat.
Er lächelt die alte Dame an und meint: „Heute bringe ich mal anstelle von Briefen ein kleines Päckchen! Sie dürfen es aber nicht öffnen, denn sonst geht das, was drinnen ist, verloren. Gesundheit, Zufriedenheit und Zeit! Geben Sie gut darauf Acht!“
Die alte Frau hat Tränen in den Augen, als sie das goldene Päckchen sieht. Wie sehr sie sich darüber freut.
„Fröhliche Weihnachten!“, ruft sie dem Briefträger hinterher.
Die Engel beobachten das bunte Treiben in jenem Dorfe vom Himmel aus.
„Na seht ihr, hab ich’s euch nicht gesagt? Ein Päckchen ist genug!“, sagt der kleine Engel erleichtert.
In diesem Jahr feiern die Menschen in diesem Dorf ein ganz besonderes Weihnachtsfest. Das goldene Päckchen ist in aller Munde. Am Heilig Abend wird diese Geschichte immer wieder erzählt und trägt zu einem friedvollen Weihnachtsfest bei. Geschenke und Wünsche sind auf einmal nicht mehr wichtig, denn was wirklich wichtig ist im Leben sind: Gesundheit, Zufriedenheit mit dem, was man hat, und natürlich Zeit haben für jene Dinge und Menschen, die einem wichtig sind.
Carmen Kofler