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Das Märchen vom Knaben, welcher sich zurückgesetzt glaubte

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Entfliehen konnten sie nicht und wollten sich schon selbst den Tod geben, als sie plötzlich Musik erschallen hörten und einen Knaben erblickten, der, auf einem Esel reitend, sich ihnen näherte. Er befahl ihnen, ihm ihre Waffen auszuliefern und an seiner Stimme erkannten sie Kil Tong. Sie flehten jämmerlich um ihr Leben, und der schöne Jüngling versprach ihnen, sie nicht zu töten, wenn sie ihm geloben wollten, nie wieder einen Menschen umbringen zu wollen. Darauf verließ er die Männer, wandte seinen Esel der Vaterstadt zu und besuchte dort seinen Vater, der, zu Tode erschrocken, ihn für den Geist seines gemordeten Sohnes hielt; Kil Tong gab ihm eine wundertätige Arznei, nach deren Genuß er sogleich gesund ward, nahm darauf Abschied von seiner Mutter und begab sich auf Reisen. Der Vater war sehr froh, dass sein Sohn den Händen der Mörder entgangen war. Seine frühere Zuneigung zu der Tänzerin, die er zur Nebenfrau erhoben hatte, verwandelte sich in Hass und er schwor, dass dieselbe nie wieder vor sein Angesicht kommen solle. Diese jedoch, so wie seine rechtmäßige Gemahlin, hielten ihr Vorhaben nur für aufgeschoben und hofften, dass sich bald die Gelegenheit bieten würde, bei der sie sich rächen könnten, und dann sollte ihnen Kil Tong nicht entschlüpfen. Nachdem Kil Tong die Tore seiner Heimatstadt hinter sich hatte, schlug er seinen Weg in die Richtung nach Süden ein und begann die dortigen Gebirge zu erklimmen. Dort hausten viele Tiger, von denen er einige erledigen wollte, doch diese schienen sich vor ihm zu fürchten und ihm aus dem Weg zu gehen, so dass er ungefährdet bis zur höchsten Spitze vordrang und hier Rast machte. Er freute sich darüber, dass er fern von den Menschen und ihren ungerechten Gesetzen, dafür aber mit Kräften ausgerüstet war, welche anderen Sterblichen fehlte. Er ließ seine Blicke umherschweifen und glaubte in dem Nebel ein großes Steintor zu erkennen, welches in einen Felsen gehauen war. Ein mächtiges Steintor, dessen Seite unverschlossen war, er öffnete es ganz und sah sich vor einer großen, rings von hohen Gebirgen eingeschlossene Ebene.
Auf derselben tummelten sich viele Pferde, ungefähr 200 Stück, und eine große Schar bewaffnete Männer war mit denselben beschäftigt. Als diese den Jüngling erblickten, stürzten sie sich, augenscheinlich nicht in der besten Absicht, auf ihn und fragten nach seinem Namen und seinem Vorhaben, nachdem sie sich seiner Person bemächtigt hatten. „Ich bin erstaunt, hier Menschen anzutreffen“, antwortete Kil, „ich heiße Kil Tong, bin der Sohn Hong Pansas, und da ich mir weder Ungerechtigkeiten der Erwachsenen noch die Spöttereien der Kinder länger gefallen lassen wollte, gedachte ich den Menschen für immer Lebewohl zu sagen und mich in diese einsame Gebirgsgegend, die ich unbewohnt glaubte, zurückzuziehen. Wer aber seid ihr, die ihr hier so allein lebt? Vielleicht führt uns gleiches Leid zusammen?“ „Man nennt uns Diebe“, erwiderte derjenige, der ihm der Anfänger der Bande zu schein schien, „aber“, fuhr dieser fort, „wir nehmen nur den Beamten, welches das Volk durch ungerechte Erpressungen quälen, das Blutgeld wieder ab. Wir sind stets bereit, den Armen und Unterdrückten zu helfen, aber niemand darf unser Lager lebend verlassen, ohne einer der unsrigen geworden zu sein. Um dies jedoch zu werden, muss er uns erst beweisen, dass er Mut und Kraft besitzt. Bist du nun imstande, diese Proben glücklich zu bestehen, sollst du in unsere Mitte aufgenommen werden, wenn nicht, musst du sterben.“ Kil Tong nahm diesen Vorschlag mit großer Freude an. Sie gaben ihm verschiedene Aufgaben, mit denen er seine Kraft beweisen sollte, aber es zog vor, diese durch seine eigene Wahl zu zeigen. Auf einem aus dem Felsen hervorragenden Vorsprung, hatten sich einige Räuber zum Schlafen niedergelegt. Auf diesen Felsen ging Kil Tong zu, brach das Stück Gestein mit den schlafenden Männern drauf los und warf es zu aller Erstaunen hoch in die Lüfte; am meisten erstaunt waren aber die Schläfer, welche auf so unsanfte Weise aus ihren Träumen erweckt wurden. Selbstverständlich nahm man ihn die Genossenschaft auf und bereitete ein Festmahl zu seinen Ehren. Man machte einen schriftlichen Kontakt, dem ein Siegel angehängt wurde, welches man aus eines jeder der Räuber und auch aus dem von Kil Tong herstellte, dann wurde ihm der Ehrenplatz angewiesen und alle anderen bedienten ihn.
Kil Tong war nun sehr begierig, seinen neuen Kameraden auch Proben seines Mutes zu zeigen. Und dazu bot sich bald eine Gelegenheit dar. Man beklagte sich, dass es ihnen trotz aller verschiedenen Versuche nicht gelungen war, einen in der Nähe stehenden Buddhistentempel zu berauben. Diese Tempel sind gewöhnlich nichts weiter als eine Art Vergnügungsort der vornehmen Beamten, wohin diese sich zu Zeiten begaben, um zügellosen Schlemmereien zu frönen. Sie erlaubten den Priestern, das Volk mit unaufhörlichen Erpressungen zu quälen, bis jene dadurch geworden. Alle Versuche der Räuber, ihnen diese unehrlich erworbenen Reichtümer wieder abzunehmen, scheiterten an der Wachsamkeit der Priester und an der sehr guten Befestigung des Tempels. Kil Tong nahm sich daher vor, dieses Vorhaben siegreich zu Ende zu führen oder dabei sein Leben lassen. Eines Tages legte er rote Gewänder an. wie sie jung verheiratete Männer zu tragen pflegten, bestieg einen Esel und machte sich mit einem als Diener verkleideten Räuber auf den Weg nach dem Tempel. An Ort und Stelle angelangt, begehrte er den Oberpriester zu sehen und sagte zu ihm, er sei der Sohn Hong Pansas. Sein Vater und auch er selbst habe soviel von dem berühmten Buddhistentempel und der Weisheit seiner Mönche erfahren, dass er beschloss, seine Erziehung bei den Priestern vollenden zu lassen, und mit diesen Worten überreichte er einen angeblich von seinem Vater geschriebenen Brief, den er jedoch gefälscht hatte. Ferner bestellte er, dass sein Vater noch heute auf hundert Pferden zweihundert Säcke Reis schicken würde, und zwar vor Eintritt der Dämmerung. Ein jedes der Pferde sei von einem bis an die Zähne bewaffneten Diener begleitet. Die habgierigen Priester kamen gar nicht auf den Gedanken, dass der Brief gefälscht sein könne und sie damit in eine Falle gingen, sondern freuten sich über diese reiche Gabe. Kaum aber hatte man sich zum Mahl niedergelassen, als der Pförtner den Zug mit den Reissäcken meldete. Ein Diener wurde daher beauftragt, den Reis in Empfang zu nehmen und sich um die Pferde zu kümmern, während die Mönche sich nicht bei der Mahlzeit stören ließen. Plötzlich schrie Kil Tong laut wie vor Schmerz und fuhr mit der Hand an die Wange, auf diese Weise die ganze Aufmerksamkeit der essenden Priester auf sich lenkend. Zum großen Bedauern der neben ihm sitzenden Menschen holte er einen Kieselstein aus dem Mund hervor, den er selbst vorher hineingesteckt hatte und rief wütend: „Was meint ihr eigentlich damit, mir Reis mit Kieselsteinen vorzusetzen? Ist das die Art und Weise, wie ihr die Söhne von Edelleuten bewirtet? Bin ich deswegen zu euch gekommen, ihr Schufte?“
Ganz niedergeschlagen und beschämt beugten Priester ihre kahlen Häupter. Auf ein von Kil gegebenes Zeichen trat ein Teil der als Diener verkleideten Räuber, welche die Pferde begleitet hatte, in den Speisesaal und banden die Priester, ehe diese überhaupt etwas von ihrer Ankunft bemerkten, fest. Die anderen Räuber, welche statt Reis in den Säcken gesteckt hatten, fesselten unterdessen alle übrigen Bewohner des Tempels und beluden die Pferde mit allem, was nur des Mitnehmens wert war. Ein alter Priester entschlüpfte den Räubern und eilte um Soldaten herbeizuholen. In kürzester Zeit erschienen diese auch und Kil ging ihnen, als Priester verkleidet, entgegen, indem er sagte, er wolle sie einen verborgenen Gang entlangführen, von wo aus sie die Räuber hinterrücks überfallen könnten, ohne sich selbst einer Gefahr auszusetzen. Anstatt aber die Soldaten auf die Fährte der Räuber zu führen, leitete er sie nach der entgegengesetzten Richtung und ließ sie dort warten, während die anderen Räuber sich und die geraubten Schätze, längst in Sicherheit gebracht hatten. Die Priester begriffen nun, dass sie Kil Tong angeführt hatte und ihr ganzer Tempel ausgeplündert war. Die Räuber waren so sehr von diesem Erfolg befriedigt, der ein Beweis von dem Mut und der List war, dass sie ihn zum Hauptmann erwählten und er nicht zögerte, einen neuen Streifzug zu unternehmen.
Der Gouverneur einer benachbarten Provinz war ebenso sehr seines Hochmutes als der Erpressung halber verhasst, mit denen er die Bewohner derselben quälte, und der sich dadurch unermesslichen Reichtum aufgehäuft hatte. Diesen wollte er bestrafen und hauptsächlich auch demütigen, indem er annahm, dass alle Leute sich ebenso darüber freuen würden, wie über die Bestrafung der Priester aus dem Buddhatempel. Er gab seinen Mannen den Befehl, sich alle einzeln nach der Stadt zu begeben, in welcher der böse Gouverneur wohnt, und hieß sie dazu einen Markttag wählen, um es weniger auffällig erscheinen zu lassen, dass eine so große Anzahl in die Stadt käme. Auf ein gegebenes Zeichen sollten einige der Räuber etliche der außerhalb des Stadttores gelegenen Häuser in Brand stecken, die anderen aber nach dem Haus des Gouverneur zu gehen. Dieser Befehl ward genau ausgeführt, Der Gouverneur ließ sich auf einem Tragstuhl zu der Brandstätte tragen, wohin auch eine große Menge des Volkes strömte. Die Räuber hatten daher leichte Arbeit. Ein Teil fesselt die Diener, während der andere Teil sich aller Wertsachen und Waffen bemächtigte. Kil Tong schrieb auf die Wand eines der Zimmer: „Der schlechte Gouverneur, der Bedrücker der Armen, ist durch mich, Kil Tong, von seinem dem Volk gestohlenen Reichtümer befreit worden.“ Den Räubern gelang es, ihre Bergfeste glücklich zu erreichen, und Kil Tongs Name ward im ganzen Land bekannt. Große Belohnungen wurden auf seinen Kopf gesetzt, doch niemand hatte den Mut, einen so tapferen und tollkühnen Mann zu suchen.
Endlich aber erbot sich ein Beamter, den Räuber ohne irgend fremden Beistand zu fangen und ihn dem König auszuliefern. Dieser Beamte wurde der Pochang genannt und war weit und breit bekannt, denn er hatte die Oberaufsicht der Gefängnisse zu besorgen. Der Pochang machte sich alsbald in der Verkleidung eines Reisenden, nur von einem einzigen Diener begleitet, auf den Weg. Er ritt einen Esel und kam nach langer, beschwerlicher Reise gerade zu der Zeit an einem Wirtshaus an, als ein anderer Reisender, ebenfalls auf einem Esel reitend, dort auch Unterkunft verlangte. Dieser zweite Reiter war kein anderer als Kil Tong, welcher von der Absicht des Pochang gehört hatte, und versuchte sich auf diese Art und Weise ihm zu nähern. Er fing sogleich eine Unterhaltung an, indem er sagte: „Das ist hier eine gefährliche Gegend! Ich wurde soeben von Kil Tong verfolgt, und konnte ihm nur mit großer Mühe entkommen.“ – „Kil Tong, sagst du?“ erwiderte ihm Pochang. „Wie würde ich mich freuen, wenn er mir nachgejagt wäre, vor dem sich ja alle Welt fürchtet.“ – „Das Vergnügen kann dir leicht werden, und du wirst befriedigt sein, wenn du ihn einmal gesehen hast“, sagt Kil Tong. „Du wirst den Wunsch nicht zum zweiten Male hegen.“ – „Wieso das?“ meinte der Pochang, „ist er denn so schrecklich, dass man vom bloßen Ansehen schon Angst bekommt, oder ist er so hässlich?“ – „Nicht im geringsten“, war die Antwort. „Er sieht ebenso aus wie andere Sterbliche, er beträgt sich nur anders als diese.“ – „Das ist es ja eben“, entgegnete Pochang, „die Leute ängstigen sich vor ihm, wenn sie ihn nur sehen. Bringe mich zu ihm, so wird die Sache ganz anders werden, versichere ich dir.“ – „Wenn du ihn durchaus sehen willst“, erwiderte der verkleidete Kil Tong, „so gehe nur ins Gebirge; ich bin überzeugt, du wirst dort seine Bekanntschaft zu machen.“ Nach vielem Zureden ließ sich Kil Tong doch bewegen, den Führer zu spielen und den Pochang zu dem Platz geleiten, wo er den Räuber treffen sollte. Endlich gelangten sie an das Steintor, welches offen stand, sich aber sogleich schloss, als sie es überschritten hatten. Der Führer war verschwunden, und der Pochang befand sich allein inmitten der Räuber, die von allen Seiten, wie aus dem Erdboden geschossen, auf ihn zueilten. Der Mut entsank dem Pochang, so dass er an gefesselt in eine Halle gebracht wurde, in welcher ein Art Thron stand, auf dem er zu seinem Schrecken den Mann sitzen sah, welcher ihm als Führer gedient hatte. Nun sah der prahlerische Beamte ein, dass er in eine Falle geraten war, fiel vor Kil Tong auf das Knie und flehte um sein Leben. Kil Tong lachte ihn aus und sagte ihm nur, er möchte bei der nächsten Gelegenheit nicht so großmäulig sein, dieses Mal wollte er ihm kein Leid antun, sondern einen Becher Wein mit ihm trinken.
In den für Pochang bestimmten Becher war aber ein Schlaftrunk gemischt; noch ehe er ihn geleert, sank er betäubt zu Boden. Dann wurde er von den Räubern in einen Sack gesteckt und auf einen hohen Berg geschleppt, von dem man die Hauptstadt und des Palast des Königs sehen konnte. Als Pochang am nächsten Morgen erwachte und sich hoch auf dem Gebirge in einem Sack stecken fühlte, wurde er von einer so großen Scham befallen, dass er von der Bergspitze herabstürzte. Als der König von dem Tod seines Pochang hörte, erzürnte er sich sehr über die Freiheit der Räuber, um so mehr, als aus allen acht Provinzen Nachrichten von zahllosen Räubereien kamen, von denen man vermutete, dass Kil Tong seine Hand mit ihm Spiel habe. Da erließ der König Befehle an die acht Gouverneure der acht Provinzen, den Räuber Kil Tong zu fangen und nach der Hauptstadt zu bringen. Diesem Befehl ward so gut Folge geleistet, dass eines schönen Tages acht gefangene Kil Tong in der Hauptstadt abgeliefert wurden. Unterdessen hatte der König sich nach der Familie Kil Tong erkundigt; die Folge davon war, dass Hong Pansas an den Hof befohlen wurde. Der König fragte ihn sehr zornig, was er denn eigentlich damit bezwecke, einen solchen Sohn großgezogen zu haben? Er hatte seinen ältesten Sohn mitgebracht, und dieser erklärte, dass Kil Tong nur der Sohn einer Nebenfrau sei, von Jugend auf unverbesserlich und längst seiner Zuchtrute entlaufen wäre. Der König wollte nun wissen, wer von diesen acht eingelieferten Leuten der echte Kil sei, und da der Alte sagte, sein Sohn habe am rechten Schenkel eine Narbe, so ließ er sie untersuchen. Da stellte sich heraus, dass ein jeder von ihnen eine Narbe am rechten Schenkel hatte, worauf der König befahl alle acht hinzurichten. Die Soldaten wurden dem Befehl gerade Folge leisten und die Männer ergreifen, aber, sie hatten sich in Strohpuppen verwandelt. Bald darauf fand am an den Mauern des Palastes Plakate, welche an den König gerichtet waren und ihm mitteilten, dass Kil Tong alle Feindseligkeiten einstellen wolle, wenn der König ihm den Rang eines Pansa verleihen und den Flecken seiner Geburt von ihm nehmen würde. Natürlich wollte der König nicht auf ein so hohes Verlangen eingehen, denn er mochte keinen Mann zum Beamten ernennen, der früher Räuber gewesen. Seine Minister jedoch rieten ihm, auf Kil Tongs scheinbar eingehen, auch wenn dieser dann bei Hof erscheinen würde, um sich zu bedanken, sich seiner zu entledigen, indem er ihn ermorden ließe. Es wurde aber an manchen Orten, von wo aus Kil sie leicht erkennen konnte, Bekanntmachungen angeschlagen, die seine Ernennung zum Pansa enthielten und zugleich seinem zweiten Wunsch Rechnung trugen. Kil zeigte sich alsbald am Stadttor, um sich von da aus zum König zu begeben, obwohl er genau wusste, was man gegen ihm im Schilde führte.

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