Es war einmal ein altes Weib und ein Greis, der Greis hundert-, die Alte neunzigjährig, und beide Alten waren weiß wie der Winter und griesgrämig wie das schlechte Wetter; denn sie hatten keine Kinder. Und, mein Gott, sie wünschten sich sehr, wenigstens ein Kind zu haben; denn den ganzen Tag und die ganze Nacht waren sie mutterseelenallein wie der Kuckuck, und die Ohren summten ihnen vor Langeweile, und dabei hatten sie in ihrem Leben nichts Rechtes zustande gebracht: eine armselige Lehmhütte, einige zerfetzte Wolldecken auf den Bänken – das war alles. Seit einiger Zeit fraß die Einsamkeit noch mehr an ihnen; denn keine Menschenseele mehr öffnete ihre Türe, als ob sie pestkrank gewesen wären, die Armen.
Eines Tages, seufzte die Alte tief auf und sprach zum Greis: „Mein Gott, Alter, seit wir auf der Welt sind, hat uns noch niemand Vater oder Mutter geheißen! Ist es nicht eine Sünde vor Gott, dass wir noch in dieser Welt leben? Denn ich glaube, in einem Haus ohne Kinder gibt es kein Helf-Gott mehr.“ – „Nun ja, Alte, was aber können wir vor Gott ausrichten?“ – „Es ist so, Alter, ich sehe das wohl ein; aber weißt du, was ich mir heute Nacht ausgedacht habe?“ – „Ich weiß es, Alte, wenn du es mir sagst.“ – „Morgen früh, wenn der Tag graut, musst du aufstehen und dich dorthin auf den Weg machen, wohin deine Augen sehen. Und was dir zuerst entgegenkommt, sei es ein Mensch oder eine Schlange oder schließlich irgendein anderes Getier, das sollst du in deinen Zwerchsack stecken und nach Hause bringen. Wir wollen es dann großziehen, so gut wir es eben können, und dies soll dann unser Kind sein.“
Der Greis, der das Alleinsein auch schon satt hatte und sich so sehr Kinder wünschte, stand am nächsten Morgen in aller Frühe auf, nahm seinen Zwerchsack auf den Stock und tat, wie ihn die Alte geheißen hatte. Er brach auf und ging immer geradeaus auf abschüssigen Wegen, bis er an eine Pfütze kam. Und siehe, da erblickte er in der Pfütze eine Sau mit zwölf Ferkeln, die faul im Moraste lagen und sich an der Sonne wärmten. Als die Sau den Greis auf sieh zukommen sah, begann sie gleich zu grunzen, nahm Reißaus und die Ferkel hinter ihr her. Nur eines, das verkümmerter, räudiger und rotziger war als die andern, konnte aus dem Morast nicht heraus und blieb dort stecken.
Der Greis fing es schnell ein, steckte es, wie es war, in den Zwerchsack, so voller Morast und anderem Zierrat, und machte sich mit ihm auf den Heimweg. „Gott sei Dank“, sagte der Alte, „dass ich meiner Alten einen Trost nach Hause bringen kann! Ich weiß zwar nicht, ob ihr Gott oder der Teufel gestern Nacht diesen Gedanken eingegeben hat.“ – Und als er zu Hause angekommen war, sagte er: „Sieh hier, Mütterchen, was ich für ein Kleinod ich dir gebracht habe. Wenn es dir nur am Leben bleibt! Einen hübschen Knaben mit munteren Augen und buschigen Brauen wie kein anderer! Er ähnelt dir, als ob er ein Stück von dir sei. Jetzt richte ihm ein Kräuterbad und besorge ihn, so wie du dich auf Knaben verstehst; denn, wie du siehst, ist er ein wenig verschmutzt, der Kleine!“ – „Alter, Alter“, sagte das Weib, „lache nicht; denn auch dieses ist ein Geschöpf Gottes, ja wohl, ein noch unschuldigeres als wir, das Arme!“
Dann machte sie, flink wie ein junges Mädchen, eilig Lauge an, richtete ein Bad her, und da sie die Aufgaben der Säuglingspflege gut kannte, nahm sie das Ferkel, badete es, bestrich ihm alle Gelenke schön mit Öl aus der Lampe, hielt ihm die Schnauze zu und besprach es, damit niemand das Kleinod berufe. Dann kämmte sie es und pflegte es so gut, dass sie es in einigen Tagen aus der Krankheit herausbrachte, und von der Kleie und dem Mais begann das Ferkel sich zu runden und zu wachsen, dass es mit den Augen zu sehen war, und es war nun ein Vergnügen, es zu betrachten. Die Alte wusste vor Freude darüber, dass sie nun einen so bildhübschen, lustigen Jungen hatten, dick und rund wie eine Melone, nicht aus noch ein. Wenn ihr alle Leute gesagt hätten, er sei hässlich und frech – sie bestand darauf, dass es einen zweiten Jungen wie diesen nicht gebe! Nur eines kränkte die Alte: dass er sie nicht Vater und Mutter rufen konnte.
Eines Tages wollte der Alte auf den Markt gehen, um einiges einzukaufen. „Alter“, sagte das Mütterchen, „vergiß nicht Johannisbrot mitzubringen; denn der Kleine wünscht es sich sehr!“ – „Gut, Alte“, sagte der Greis, dachte aber bei sich: dass ihn der Rotlauf fresse; denn sie bringt mich viel in Schweiß seinetwegen! Wir müssen froh sein, wenn wir Brot und Salz für uns haben, ich kann ihn nicht auch noch mit Leckerbissen voll stopfen. Wenn ich meiner Frau in allen Stücken nachgeben wollte, hätten wir bald nichts mehr zu beißen.
Schließlich ging der Alte auf den Markt, handelte ein, was er brauchte, und als er nach Hause kam, fragte ihn die Frau wie gewöhnlich: „He, Mann, was erzählt man sich auf dem Markte?“ – „Was weiß ich, Frau, es sind nicht allzu gute Nachrichten. Der Kaiser will seine Tochter verheiraten.“ – „Und das soll eine schlechte Nachricht sein, Alter?“ – „Gedulde dich ein wenig, Alte, denn das ist nicht alles; von dem, was ich gehört habe, sind mir die Haare zu Berge gestanden, und wenn ich es dir bis zu Ende erzähle, wird dir gewiss auch die Gänsehaut kommen.“ – „Mein Gott, Mann, weshalb denn?“ – „Also höre her, Alte; der Kaiser hat durch seine Herolde in der ganzen Welt verkündigen lassen, wer immer sich finde, der von seinem Haus bis an den Kaiserhof eine goldene, mit Edelsteinen gepflasterte Brücke aufzustellen imstande sei, mit aller Art. von Bäumen auf beiden Seiten, in denen allerlei Vögel singen, die es sonst auf dieser Welt nicht mehr gibt, dem wolle er seine Tochter geben und darüber hinaus noch die Hälfte seines Kaiserreiches. Wer es wage, zu kommen und sie zur Frau zu verlangen, die Brücke aber nicht so zustande bringe, wie ich es dir beschrieben habe, dem schlägt man auf der Stelle den Kopf ab. Man erzählt, dass schon viele Königs- und Kaisersöhne aus aller Welt gekommen seien, aber keiner konnte die Aufgabe erfüllen. Der Kaiser jedoch habe nach seinem Beschluss alle ohne Erbarmen enthaupten lassen, so dass alle Welt vor Mitleid weint. Was sagst du dazu, Alte? Sind dies gute Nachrichten? Sogar der Kaiser selbst soll vor Ärger krank geworden sein.“ – „Oh, Alter, die Krankheiten der Kaiser dienen oft der Gesundheit des Volkes! Nur was du mir über die Kaisersöhne gesagt hast, zerreißt mir das Herz. Welch große Trauer und Verzweiflung müssen ihre Mütter tragen. Da ist es doch besser, dass unser Junge nicht sprechen kann und ihn sein Kopf nicht zu solchen Abenteuern verleitet wie andere.“ – „Das ist schon gut, Alte, gut wäre es aber auch, wenn man einen Sohn hätte, der diese Brücke bauen könnte und dafür die Tochter des Kaisers bekommen würde; denn ich weiß, dass er auch der Not Herr werden und großen Ruhm erwerben würde in dieser Welt.“
Während sich die Alten so besprachen, saß das Ferkel mit erhobenem Rüssel auf seiner Lagerstätte in der Nische unter dem Herd; es blickte ihnen geradewegs in die Augen, hörte, was sie sprachen, und grunzte nur von Zeit zu Zeit. Als sich die Alten noch weiter über diese Sache hin und her berieten, hörte man plötzlich vom Herde her: „Vater und Mutter, ich vollbringe es.“
Das alte Weib fiel vor Freude in Ohnmacht, der Greis aber, der glaubte, es sei der Teufel, blickte sich entsetzt in der Hütte um, um festzustellen, woher die Stimme gekommen sei. Als er niemand sah, kam er wieder zu sich. Das Sehwein aber schrie wieder: „Vater, erschrick nicht; denn ich bin es. Wecke die Mutter aus der Ohnmacht, und dann gehe zum Kaiser und sage ihm, dass ich die Brücke bauen will.“ Da sagte der Greis unsicher: „Ja, wirst du es denn zustande bringen können, Liebling?“ – „Deswegen brauchst du dir keine Sorgen zu machen, Vater, Lass das nur meine Sache sein. Geh nur zum Kaiser und melde ihm, was ich gesagt habe.“
Die Alte, die wieder zur Besinnung gekommen war, küsste das Schweinchen und flehte: „Mein Liebling, setze dein Leben doch nicht aufs Spiel! Und willst du uns gerade jetzt allein lassen, mit verbranntem Herzen und ohne jede Stütze?“ – „Mache dir gar keine Sorgen, Mütterchen; denn du wirst nicht sterben, sondern weiterleben und erkennen, wer ich bin.“
Da nun der Greis nichts mehr einwenden konnte, kämmte er sich schön seinen Bart, nahm den Stab des Alters in die Hand und verließ das Haus, um zum Kaiserhof zu gehen. Und auf er auf den Markt kam, ging er mit freier Brust geradeswegs auf den kaiserlichen Palast zu. Ein Wachtposten, der ihn dort stehen sah, fragte ihn: „Was willst du, Großvater?“ – „Ich habe beim Kaiser zu tun: mein Sohn unterfängt sich, die Brücke zu bauen.“
Da der Wachtposten den Befehl kannte, hielt er ihn nicht länger auf, sondern führte ihn vor den Kaiser.
Als der Kaiser den Greis erblickte, fragte er ihn: „Was willst du. Alter?“ – „Möget ihr viele Jahre in Freuden leben, erlauchter und allmächtiger Kaiser. Mein Sohn, der gehört hat, dass ihr eine Tochter verheiraten wollt, hat mich hergeschickt, Euerer Majestät kund zu tun, dass er, wie er sagt, die Brücke machen könne.“ – „Wenn er sie machen kann, soll er sie machen, Alter, und dann soll das Mädchen und die Hälfte meines Reiches ihm gehören. Wenn er es aber nicht kann, dann… vielleicht hat er gehört, wie es andern, von höherer Abstammung als er, ergangen ist? Wenn du damit einverstanden bist, geh und bringe deinen Sohn herbei; wenn nicht, dann geh deines Weges und schlag‘ dir solche Hirngespinste aus dem Kopf.“ Als der Greis alles das aus dem Munde des Kaisers selbst vernommen hatte, verbeugte er sich bis zum Boden; dann ging er nach Hause, um seinen Jungen zu bringen.
Zu Hause angelangt, erzählte er dem Jungen, was der Kaiser gesagt hatte. Das Schweinchen begann voller Freude durch die Hütte zu laufen, lärmte unter den Bänken, stieß mit der Schnauze einige Schüsseln um und rief: „Gehen wir, Väterchen, damit mich der Kaiser sieht!“ Da begann die Alte zu jammern und sagte: „Man sieht, dass mir auf dieser Welt kein Glück mehr beschieden ist! Nun habe ich mich geplagt, bis ich ihn groß gezogen und von aller Not befreit habe, und jetzt muss ich sehen, dass ich ohne ihn bleiben werde.“ – So klagte sie fort, bis sie vor Kummer in eine Ohnmacht fiel.
Der Greis aber hielt sich an sein Wort; er setzte die Pelzmütze auf, zog sie sich über die Ohren, nahm den Stock in die Hand und verließ das Haus mit den Worten: „Komm mit deinem Vater, Junge, damit wir der Mutter die Schwiegertochter bringen!“
Das Ferkel jagte vor Freude noch einmal trampelnd unter den Bänken rundum, dann lief es dem Alten nach und trabte nun hinter ihm her, grunzend und am Boden schnüffelnd, wie das so die Art der Schweine ist.
Als sie am Portal des kaiserlichen Palastes anlangten und die Wachtposten sie erblickten, sahen sie sich gegenseitig an und lachten laut heraus. „Was soll das heißen, Alter?“ fragte einer von ihnen. „Nun, dies ist mein Sohn, der es unternimmt, dem Kaiser die Brücke zu bauen.“ – „Mein Gott, Alter, mein Gott, du hast noch viel Verstand nötig“, sagte ein alter Wachtposten, „man sieht, dass du deines Lebens überdrüssig bist.“ – „Lasst mich doch; was dem Menschen bestimmt ist, steht ihm an der Stirn geschrieben, und schließlich muss ja jeder seinen Tod sterben.“ – „Ihr aber, Alter, sucht die Gefahr am helllichten Tag mit der Laterne, wie wir sehen“, sagten die Wächter. „Das geht doch euch nichts an! Hütet lieber eure Zungen und meldet dem Kaiser, dass wir gekommen sind“, antwortete der Greis.
Da blickten die Wächter ratlos einander an und zuckten mit den Achseln. Dann meldete einer dem Kaiser die Ankunft der neuen Werber, des Greises mit seinem Ferkel. Der Kaiser ließ sie vor sieh rufen.
Als der Alte eintrat, verbeugte er sich bis zum Boden und blieb bescheiden bei der Türe stehen, das Ferkel aber trat gleich grunzend auf die Teppiche und fing an, im Gemach herumzuschnüffeln. Als der Kaiser eine solche große Unverschämtheit sah, kam ihm zwar das Lachen an, aber er war doch schrecklich empört und sprach: „Um Gotteswillen, Alter, als du voriges Mal hier warst, schienst du wenigstens bei vollem Verstand zu sein; wo aber bildest du dir ein, jetzt zu sein, dass du hier mit Schweinen herumgehst? Wer hat dich dazu angestiftet, gerade mich zum Besten zu halten?“ – „Behüte Gott, erhabener Kaiser, dass ich, ein alter Mann, so etwas im Sinne hätte! Verzeiht mir, erlauchter Herr, aber dieses ist mein Sohn, von dem ich neulich erzählt habe, dass er mich zu Eurer Hoheit geschickt hat, wenn ihr euch noch daran erinnern wollt.“ – „Und er also soll mir die Brücke bauen können?“ – „So hoffen wir mit Gott, dass er es tun wird, Majestät!“ – „Los! Nimm dein Schwein von hier weg und packe dich! Und wenn bis morgen früh die Brücke nicht fertig ist, Alter, dann wird dein Kopf dort liegen, wo jetzt deine Sohlen stehen. Hast du mich verstanden?“ – „Der dort oben ist barmherzig, Majestät. Sollte es aber so vollbracht werden – nehmt es mir nicht übel, mächtiger Kaiser! – wie ihr es euch gewünscht habt, dann schickt uns eure Tochter nach Hause.“
Mit diesen Worten verneigte er sich, wie es sich schickte, nahm sein Ferkel und machte sich auf den Heimweg, gefolgt von einigen Soldaten, denen der Kaiser die Überwachung dieses Mannes bis zum nächsten Tage aufgetragen hatte, damit sie sähen, was an der Sache sei; denn diese Unverschämtheit hatte viel Gerede und Gelächter und große Empörung im Palast und an allen anderen Orten ausgelöst.
Gegen Abend kam der Alte mit seinem Schwein zu Hause an. Die Alte zitterte vor Schrecken und begann zu wehklagen: „Wehe mir, Alter, was bringst du mir in das Haus, wozu brauche ich die Soldaten?“ – „Du hast noch den Mut zu fragen? Dies ist dein Werk. Ich habe nach deinem Kopf gehandelt und bin in die Bergschluchten gestiegen, um dir Ziehkinder zu suchen. Sieh nun, in was für eine Lage ich geraten bin! Denn nicht ich habe die Soldaten gebracht, sondern sie mich. Und meinem Kopf scheint es auch nur bis morgen früh bestimmt zu sein, dort zu sitzen, wo er sitzt.“
Das Ferkel aber ging: durch das Haus schnüffelnd seinem Fressen nach und kümmerte sich nicht um die Verwirrung, die es angerichtet hatte. Die Alten zankten sich noch, solange sie sich eben zankten, und schliefen bekümmert, wie sie waren, erst gegen Morgen vor Erschöpfung ein. Da sprang das Ferkel leichtfüßig auf eine Bank, zerriss die Schweinsblase, die als Fensterscheibe diente, und blies dann einmal aus den Nüstern, so dass sich zwei. Feuersäulen bildeten, von der Hütte der Alten, die in diesem Augenblick schon keine Hütte mehr war, bis zum Kaiserpalast. Da stand auch schon die Brücke mit allem, was sonst noch angeordnet war, fertig da. Die Lehmhütte der Alten aber hatte sich in einen Palast verwandelt, der viel glänzender war als der des Kaisers. Auf einmal erwachten das alte Weib und der Greis in kaiserlichen Purpur gekleidet, und alle Herrlichkeiten der Welt gab es in ihrem Palaste. Das Ferkel aber sprang auf lauter Teppichen in allen Ecken umher.
Gleichzeitig verbreitete sich die Neuigkeit auch am Kaiserhof, und der Kaiser selbst und alle seine Räte entsetzten sich furchtbar, als sie dieses Wunder sahen. Aus Furcht, dass ihm etwas Böses zustoßen könnte, hielt der Kaiser einen Rat ab und hielt es für angebracht, seine Tochter dem Sohn des Greises zur Frau zu geben. Sofort schickte er sie zu ihm. Denn der Kaiser, so mächtig er auch war, überließ sich jetzt ganz einer Gewalt, und das war keine gute: denn es war die Furcht.
Hochzeit wurde keine mehr gefeiert; denn mit wem hätte man auch feiern sollen!
Als die Kaiserstochter im Hause ihres Bräutigams angekommen war, gefielen ihr die Schwiegereltern und der Palast recht gut; als sie freilich einen Blick auf den Bräutigam warf, blieb ihr das Herz vor Schrecken stehen, schließlich aber zuckte sie mit den Achseln und sagte sich: „Wenn Gott und meine Eltern es so mit mir gewollt haben, dann soll es auch so bleiben.“ Und sie nahm sich der Hauswirtschaft an. Das Schweinchen aber ging nach seiner Gewohnheit den ganzen Tag schnüffelnd durch das Haus; in der Nacht aber, wenn sie sich niederlegten, warf er das Schweinsfell von sich und wurde ein sehr schöner Prinz. Es verging nicht viel Zeit, und die Frau gewöhnte sich an ihn, so dass er ihr nicht mehr so unerträglich war wie am Anfang.
Nach zwei, drei Wochen beschloss die junge Prinzessin, vom Heimweh getrieben, ihre Eltern zu besuchen. Ihren Mann aber ließ sie zu Hause, da er ihr nicht die Hand reichen konnte, um sie zu begleiten. Ihre Eltern freuten sich über alle Maßen, als sie sie sahen, und als sie nach ihrem Mann und ihrer Hauswirtschaft fragten, erzählte sie ihnen alles, was sie erfahren hatte.
Der Kaiser gab ihr folgenden Rat: „Mein Liebling, unterfange dich nicht, ihm irgendwelche Unannehmlichkeiten zu bereiten, damit du kein Unglück erleidest. Denn, wie ich sehe, besitzt dieser Mensch, was immer er nun sei, große Kräfte, und er muss etwas sein, was wir mit unserm Verstand nicht fassen können, da er Dinge verrichtet, die über die menschliche Kraft gehen.“
Danach gingen die Kaiserin und die Prinzessin in den Garten, um dort zu lustwandeln. Hier beriet die Kaiserin ihre Tochter ganz anders: „Mein Liebling, was für ein Leben musst du doch führen, wenn du mit deinem Gatten nicht vor der Welt erscheinen kannst? Ich rate dir daher, du sollst es immer so einrichten, dass ein tüchtiges Feuer im Ofen ist, und wenn dein Mann eingeschlafen ist, nimm sein Schweinsfell und wirf es in das Feuer, dass es verbrennt. Auf diese Art wirst du von diesem Fell erlöst.“ – „Wie gut du mich berätst, Mutter, schau, daran hätte ich gar nicht gedacht.“
Als die junge Prinzessin wieder zu Hause angelangt war, befahl sie, im Ofen ein gutes Feuer anzufachen. Als ihr Gatte dann fest schlief, nahm sie das Schweinsfell von dort, wo er es hingelegt hatte, und warf es in das Feuer. Da wurden zuerst die Borsten abgesengt, dann schmorte auch die Haut, bis sie sich in eine verbrannte Schwarte und schließlich in Asche verwandelte. In dem Zimmer aber entstand ein so schrecklicher Gestank, dass ihr Mann sofort entsetzt aufwachte, auf die Füße sprang und traurig in den Ofen starrte. Als er das angerichtete Unheil sah, weinte er und sagte: „O du unkluges Weib, was hast du getan! Wenn dich irgendjemand solches gelehrt hat, hat er es nicht zu deinem Nutzen getan; wenn du es aber nach deinem eigenen Kopf ausgeführt hast, dann hast du einen schlechten Kopf.“
Da sah sie sich plötzlich um die Mitte von einem starken eisernen Gürtel umschlossen, ihr Mann aber sprach: „Nur wenn ich meine rechte Hand um deine Mitte lege, wird dieser Gürtel zerspringen, und nur dann wirst du das Kind, das du trägst, gebären können; denn du hast den Rat anderer befolgt und diese gebrechlichen Alten und gleichzeitig auch mich und dich unglücklich gemacht. Wenn du meiner noch einmal bedarfst, so wisse, dass man mich den verwunschenen Prinzen ‚Fat-Frumos ‚ nennt und dass du mich im Weihrauch-Kloster finden kannst.“ Als er diese Worte beendigt hatte, erhob sich plötzlich ein ungeheurer Sturm; ein furchtbarer Wirbelwind hob den Schwiegersohn des Kaisers auf und verschwand mit ihm. Gleichzeitig brach die wunderbare Brücke auf einmal zusammen und verging so schnell, dass man nicht wusste, wie das vor sich ging. Der Palast aber, in dem die Alten mit ihrer Schwiegertochter lebten, verwandelte sich mit all seinen Reichtümern und Schätzen wieder in die elende Lehmbütte des Greisenpaares von vorher.
Als die Alten dies große Unglück und ihre Schwiegertochter in dieser Lage sahen, begannen sie, ihr mit Tränen in den Augen heftige Vorwürfe zu machen: sie möge gehen, wohin sie wolle; denn sie könnten sie nicht erhalten. So sah sich nun die Prinzessin elend und verstoßen: was sollte sie tun, wohin sollte sie gehen? Sie fürchtete sich vor der Strenge ihres Vaters und vor dem böswilligen Gerede der Menschen. Sollte sie hier bleiben? Sie hatte nicht einmal das Nötigste mehr und hatte die Vorwürfe ihrer Schwiegereltern satt. So beschloss sie, in die weite Welt zu gehen, um ihren Gatten zu suchen. Und als sie diesen Entschluss gefasst hatte, sagte sie Lebewohl, brach auf und ging in die Richtung, in die gerade ihr Blick fiel.
Sie ging und, ging ein ganzes Jahr lang durch wüste Gegenden, bis sie an einem völlig fremden wilden Ort anlangte. Hier erblickte sie ein verstecktes Häuschen, so alt, dass es ganz mit Moos bedeckt war, und klopfte an die Türe. Da hörte sie von drinnen die Stimme eines alten Mannes, die rief: „Wer ist dort?“ – „Ich bin es, ein verirrter Wanderer.“ – „Wenn du ein guter Mensch bist, nähere dich meiner Klause, bist du aber ein böser Mensch, dann hinweg von dieser Behausung; denn ich habe einen Hund mit Stahlzähnen, der dich in tausend Fetzen reißt, wenn ich ihn freilasse.“ – „Ich bin ein guter Mensch, Väterchen!“
Da öffnete sich die Türe, und die Wanderin trat ein. „Welcher Wind hat dich denn hergebracht, und wie konntest du diese Wüsteneien durchdringen, Weib? Nicht einmal der Wundervogel kommt bis hierher, geschweige denn ein irdischer Mensch.“ Da seufzte die Wanderin tief auf und sagte: „Meine Sünden haben mich hergebracht, Väterchen. Ich suche das Weihrauchkloster und weiß nicht, in welchem Teil der Welt es liegt.“ – „Ich sehe, dass du doch ein wenig Glück hast, da du dich gerade zu mir gefunden hast. Ich bin der Heilige Mittwoch, wenn du vielleicht meinen Namen gehört hast.“ – „Den Namen habe ich wohl gehört, Väterchen; dass ich dich aber auf dieser Welt je finden würde, habe ich nicht einmal im Traum je gedacht.“ – „Siehst du? Und dabei beklagen sich die Menschen immer, dass sie kein Glück haben!“
Dann rief der Heilige Mittwoch einmal mit mächtiger Stimme, und augenblicklich versammelten sich alle Lebewesen seines Reiches; als er sie aber nach dem Weihrauchkloster fragte, antworteten alle wie aus einem Munde, dass sie nicht einmal den Namen je gehört hätten. Der Heilige Mittwoch bedauerte sehr, das hören zu müssen; da er aber keine Macht mehr hatte, gab er der Wanderin ein Weihbrötchen und ein Gläschen Wein als Wegzehrung und schenkte ihr auch noch einen goldenen Spinnrocken, der von selbst spann, und mahnte sie freundlich: „Hebe ihn gut auf, denn du wirst ihn in der Not wohl brauchen können.“ Dann zeigte er ihr den Weg zu seinem älteren Bruder, zum Heiligen Freitag.
Die Wanderin machte sich auf den Weg und ging wieder ein Jahr lang durch wilde und unbekannte Gegenden, bis sie endlich unter großen Mühen beim Heiligen Freitag ankam. Hier geschah dasselbe wie beim Heiligen Mittwoch, nur dass ihr der Heilige Freitag außer einem Weihbrötchen und einem Gläschen Wein auch eine goldene Haspel gab, die von selbst abspulte; dann wies er ihr mit viel Güte und Milde den Weg zu seinem ältesten Bruder, dem Heiligen Sonntag.
Am selben Tage noch brach die Wanderin auch von hier auf und ging wieder ein Jahr lang durch noch schrecklichere Wüsten als bisher. Da sie jetzt schon im dritten Jahr schwanger war, konnte sie nur mit äußerster Mühe bis zum Heiligen Sonntag gelangen. Der heilige Mann empfing sie auf dieselbe Weise und ebenso wohlwollend wie seine Brüder. Und da er Mitleid hatte mit dem unglücklichen und erschöpften Wesen, rief auch er einmal aus allen Kräften, und sofort versammelten sich alle Lebewesen, die aus dem Wasser, die von der trockenen Erde und die geflügelten. Dann fragte sie der Heilige Sonntag eindringlich, ob nicht eines von ihnen wisse, in welchem Teil der Welt das Weihrauchkloster liege. Alle antworteten wie aus einem Munde, dass sie niemals davon auch nur hätten sprechen hören. Da seufzte der Heilige Sonntag aus tiefem Herzen und blickte traurig auf die unglückliche Pilgerin und sprach: „Es scheint ein Fluch Gottes oder etwas Ähnliches zu sein, dass du nicht finden kannst, was du suchst, meine Tochter. Denn hier beginnt nun eine auch mir unbekannte Welt, und so gern du oder sonst jemand hier noch weiter gehen möchte, es ist unmöglich.“
Da sah man plötzlich eine lahme Lerche, so eilig sie konnte, herbeikommen, und hinkend stellte sie sich vor dem Heiligen Sonntag auf. Dieser fragte nun auch sie: „Lerche, weißt du nicht vielleicht, wo das Weihrauchkloster liegt?“ – „Wie sollte ich das nicht wissen, Herr? Dorthin hat mich doch die Sehnsucht geführt, wobei ich mir den Fuß gebrochen habe.“ – „Wenn das so ist, dann nimm diese Frau gleich mit und führe sie dorthin, so gut du es weißt und kannst, und berate sie, wie es am besten ist.“ Die Lerche seufzte und sprach ehrerbietig:
„Von ganzem Herzen stehe ich euch zu Diensten, Herr, obwohl es sehr mühselig ist, bis dorthin zu gehen.“
Dann gab auch der Heilige Sonntag der Wanderin ein Weihbrötchen und einen Becher mit Wein, damit sie auf dem Weg zum Weihrauchkloster eine Zehrung habe, und schenkte ihr dazu eine große goldene Schüssel und eine goldene, mit Edelsteinen verzierte Gluckhenne mit goldenen Küchlein, damit sie sich ihrer im Notfall bediene. Dann vertraute er sie der Lerche an, die sich sofort hinkend auf den Weg machte. Bald war die Lerche unten und die Wanderin oben, bald diese unten und jene oben. Und wenn die arme Pilgerin nicht mehr weiter konnte, breitete die Lerche die Flügel aus und trug sie.
So wanderten sie noch ein ganzes Jahr unter vielen Mühen und Leiden dahin, denn der Weg führte sie durch unzählige Länder und Meere, durch Wälder und schreckliche Wüsten, in denen es von Drachen, giftigen Nattern, Basilisken mit verzauberndem Blick, Ottern mit vierundzwanzig Köpfen und unübersehbaren Mengen furchtbarer Untiere und schrecklichen Ungeziefers wimmelte, die mit geöffneten Rachen dastanden, um die Wanderer zu verschlingen. Ihre Gefräßigkeit, Wildheit und Bosheit zu schildern ist der menschlichen Sprache nicht möglich.
Endlich, nach so viel bitterer Mühsal und Gefahr, glückte es ihnen, zum Eingang einer Höhle zu gelangen. Hier stieg die Wanderin wieder auf die Flügel der Lerche, mit denen diese kaum noch flattern konnte, und flog mit ihr in eine neue Welt, wo es nichts als ein einziges Paradies gab. „Sieh das Weihrauchkloster“, sagte die Lerche: „Dort findest du den verwunschenen Prinzen, den du seit so bitter-langer Zeit suchst. Erscheint dir hier nichts bekannt?“ Da blickte sie, obwohl ihre Augen von so viel Glanz flimmerten, aufmerksamer um sich und erkannte sogleich die Wunderbrücke aus jener alten Welt und den Palast, in dem sie mit dem verwunschenen Prinzen so kurze Zeit gelebt hatte, und mit einem Male füllten sich ihre Augen mit Freudentränen. „Warte noch und freue dich nicht so früh; denn noch bist du fremd in diesen Landen und den Gefahren noch nicht entronnen“, sagte die Lerche. Sie zeigte ihr dann einen Brunnen, zu dem sie an drei aufeinander folgenden Tagen gehen müsse, sie sagte ihr, wen sie dort treffen werde und was sie sagen müsse; sie beriet sie, was sie der Reihe nach mit dem Spinnrocken, der Haspel, der Schüssel mit der Gluckhenne und den goldenen Küchlein, die ihr die drei Brüder, der Heilige Mittwoch, der Heilige Freitag und der Heilige Sonntag, geschenkt hatten, tun solle.
Dann nahm die Lerche Abschied von der Pilgerin, die ihr anvertraut worden war, und kehrte eilig um, immerfort fliegend, aus Angst, es könnte ihr jemand auch noch den zweiten Fuß brechen. Die einsame Wanderin folgte ihrem Flug mit tränenden Augen und ging zum Brunnen, den sie ihr gezeigt hatte.
Als sie bei dem Brunnen angelangt war, nahm sie zunächst den Spinnrocken von dort; hervor, wo sie ihn untergebracht hatte, und setzte sich dann nieder, um auszuruhen. Kurze Zeit darauf kam eine Dienstmagd, um Wasser zu schöpfen, und als sie die unbekannte Frau und die Wunderspindel sah, die aus eigener Kraft goldene Fäden spann, tausendmal dünner als das Kopfhaar, da lief sie zu ihrer Herrin, um ihr davon zu berichten.
Die Herrin dieser Dienstmagd war die Wespe, die den Teufel weißgewaschen hatte, die Besorgerin im Palast des verwunschenen Prinzen, eine gewaltige Zauberin, die das Wasser gefrieren ließ und alle Teufeleien dieser Welt beherrschte. Nur eines konnte diese Vettel nicht: die Gedanken der Menschen lesen. Als dieser Höllenpfuhl von der wunderbaren Begebenheit erfuhr, schickte sie ihre Dienerin sofort, die fremde Frau in den Palast zu rufen, und als sie herbeigekommen war, fragte sie diese: „Ich habe gehört, dass du einen goldenen Spinnrocken hast, der von selbst spinnt. Ist er nicht verkäuflich, und was verlangst du dafür, Weib?“ – „Lass mich eine Nacht in dem Zimmer, in dem der Kaisersohn schläft, verbringen.“ – „Warum nicht? Gib den Spinnrocken her und bleibe hier bis zur Nacht, bis der Kaisersohn von der Jagd zurückkehrt.“
Die Wanderin gab ihr die Spindel und wartete. Die zahnlose Hexe aber, die wusste, dass der Prinz die Gewohnheit hatte, jeden Abend einen Becher süßer Milch zu trinken, bereitete ihm ein Schlafmittel, damit er völlig entrückt bis zum nächsten Morgen schlafe.
Sobald nun der Kaisersohn von der Jagd zurückgekehrt war und sich hingelegt hatte, schickte ihm die Hexe die Milch. Kaum hatte er sie getrunken, schlief er sofort wie ein Toter ein. Da rief das Teufelsweib die unbekannte Wanderin in das Gemach des Prinzen, wie sie verabredet hatten, und ließ sie dort, nachdem sie ihr leise gesagt hatte: „Bleib‘ hier bis zum Morgengrauen, dann werde ich kommen und dich holen.“ – Das hatte sie flüsternd gesprochen und war ganz leise davongegangen, nicht etwa, damit der Prinz sie nicht höre, sondern weil sie fürchtete, dass sie ein Vertrauter des Prinzen hören könnte, der im Nachbarzimmer schlief und täglich mit ihm auf die Jagd ging.
Als sich die Hexe entfernt hatte, sank die unglückliche Wanderin neben dem Bett ihres Gatten auf die Knie, begann bitterlich zu weinen und rief: „Prinz, Prinz, leg deine rechte Hand um meine Mitte, damit dieser schreckliche Gürtel aufspringe und ich dein Kind gebären kann.“
So quälte sich die Arme bis gegen Morgen, aber vergeblich; denn es war, als ob der Prinz schon in die jenseitige Welt gegangen sei. Im Morgengrauen kam die Zauberin griesgrämig, holte die Fremde heraus und jagte sie mit gehässigen Worten von dem Hof, sie solle gehen, wohin es ihr beliebe.
So verließ die Unglückliche den Palast unverrichteter Sache und in voller Verzweiflung, ging wieder zum Brunnen und nahm nun die goldene Haspel heraus. Wieder kam die Dienerin um Wasser und eilte, als sie dieses neue Wunder erblickte, zu ihrer Herrin, um ihr zu erzählen, dass die Frau von gestern jetzt eine goldene Haspel habe, die von selbst abspule und noch viel wunderbarer sei als die Spindel, die sie ihr gegeben habe. Daraufhin ließ die habgierige Alte sie wieder von ihrer Dienstmagd herbeiholen und nahm mit der gleichen List auch die goldene Haspel an sich.
Am nächsten Morgen jagte sie die bekümmerte Frau, die wieder vergeblich gefleht hatte, aus dem Zimmer des Prinzen und von dem Hof.
In dieser Nacht aber hatte der Vertraute des Prinzen gemerkt, was da vor sich ging, und aus Mitleid mit der unglücklichen Fremden beschloss er, das trügerische Spiel der Alten aufzudecken. Als der Prinz aufgestanden war und zur Jagd aufbrach, erzählte ihm der Getreue haargenau, was sich in den beiden letzten Nächten in seinem Schlafgemach zugetragen habe. Als der Prinz dies hörte, zuckte er zusammen, als wenn ihm das Herz aussetze. Dann schlug er die Augen nieder und begann zu weinen.
Und während aus den Augen des schönen Prinzen Ströme von Tränen flossen, nahm bei dem bekannten Brunnen seine verzweifelte und betrogene Gattin die goldene Schüssel mit der Gluckhenne und den goldenen Küchlein, ihre letzte Hoffnung, heraus.
Wie sie so neben dem Brunnen stand, führte Gott auch schon die Magd, die wir kennen, wieder hierher. Kaum hatte diese das Wunderwerk gesehen, so verweilte sie nicht mehr, um Wasser zu schöpfen, sondern eilte zu ihrer Herrin und rief ihr zu: „Mein Gott, Herrin, mein Gott, was ich gesehen habe! Jene Frau hat jetzt eine goldene Schüssel mit einer goldenen Henne und so schönen goldenen Küchlein, dass einem die Augen übergehen.“ Als die Zauberin dies hörte, schickte sie die Magd sofort nach der Fremden. Bei sich aber dachte sie: Was die sucht, wird sie nicht finden. Die Bestie nahm der Fremden, sobald sie eingetroffen war, mit der gleichen List auch die goldene Schüssel mit der Henne und den Küchlein ab.
Als der Prinz aber an diesem Abend von der Jagd heimgekehrt war und ihm die Milch gebracht wurde, sagte er bei sich: Diese Milch trinke ich nicht mehr! und schüttete sie insgeheim aus und verstellte sich dann, als ob er tief schlafe. Nachdem die Hexe sich davon überzeugt hatte, dass der Prinz eingeschlafen war, brachte sie die Fremde im Vertrauen auf die Wirkung ihres Schlaftrunkes und mit derselben Abmachung wie in den vergangenen Nächten in das Gemach, ließ sie dort und entfernte sich. Die verzweifelte Wanderin aber fiel abermals am Bett ihres Gatten auf die Knie und sprach wieder, in Tränen fast ertrinkend: „Prinz, Prinz, erbarme dich zweier unschuldiger Seelen, die seit vier Jahren die grausamste Strafe peinigt! Lege deine rechte Hand um meine Mitte, damit der Gürtel springe und dein Kind geboren werde; denn ich kann diese unerträgliche Last nicht mehr tragen.“
Als sie diese Worte ausgesprochen hatte, streckte der Prinz wie im Schlaf seine Hand aus, und kaum hatte er ihre Mitte berührt, so zersprang der Gürtel und sie gebar, ohne die geringsten Geburtswehen zu spüren, das Kind. Danach erzählte sie ihrem Gemahl, was sie alles gelitten hatte, seitdem er verschwunden war.
Der Prinz aber erhob sich mitten in der Nacht, ließ den ganzen Hofstaat aufstehen und befahl, dass die Hexe mit all den durch List der Prinzessin abgenommenen Kleinodien vor ihn gebracht werde. Dann befahl er, eine wilde Stute und einen Sack voller Nüsse herbeizubringen, die Hexe und den Sack mit den Nüssen an den Schweif der Stute zu binden und diese dann davonzujagen. So wurde es auch ausgeführt.
Diese Hexe aber war die Sau mit den Ferkeln im Morast gewesen, auf die, wie wir euch schon erzählt haben, der Greis, der Ziehvater des Prinzen, gestoßen war. Sie hatte damals durch ihre Zauberkünste ihren Herrn, den Prinzen, in jenes verkümmerte, räudige und rotzige Ferkel verwandelt, in der Hoffnung, ihn später dazu zwingen zu können, eine ihrer elf Töchter, die sie hatte und die damals mit ihr zusammen aus der Pfütze geflohen waren, zu heiraten. Man sieht also, wofür sie der Prinz so grausam bestrafte. Der Vertraute aber wurde von dem Prinzen und der Prinzessin mit reichen Geschenken belohnt, und sie behielten ihn als treuen Freund an ihrer Seite bis an sein Lebensende.
Nun erinnert ihr euch wohl, liebe Leute, dass der Prinz seine Hochzeit nicht gefeiert hatte, als er heiratete. Jetzt aber wurden Hochzeit und Taufe gleichzeitig gefeiert, wie sie nie vorher gefeiert worden waren und wohl in alle Zukunft niemals mehr so gefeiert werden. Kaum hatte der Prinz sich dazu entschlossen, als auch schon die kaiserlichen Eltern seiner Gemahlin und seine Zieheltern, das alte Weib und der Greis, die wieder in kaiserlichen Purpur gekleidet waren, herbeigebracht wurden und an der Spitze der Tafel Platz nehmen mussten. Und es versammelten sich Menschen über Menschen bei dieser reichen und großen Hochzeit, und die Fröhlichkeit währte drei Tage und drei Nächte und dauert auch heute noch an, wenn sie nicht zu Ende ist.
Quelle: (Rumänien)