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Das Patenkind Gottes

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Es waren einmal zwei Leute so arm, daß ihnen nicht einmal die Kappe auf dem Kopfe saß. Und als sie so arm waren, daß sie keine Hütte im Dorf hatten, nahmen sie sich an der Hand und gingen in den Wald. Er ging auf die Jagd, sie sammelte im Wald. Jetzt kam die Zeit, daß sie einen Knaben bekommen hatten. »Du Frau, wer soll uns das Kind taufen?« fragte der Mann. »Gott wird es wissen«, entgegnete die Frau. »Du Frau, ich nehme das Kind und gehe, vielleicht treffe ich einen Pfarrer.« Am Morgen nahm er den Knaben in den Arm und machte sich auf den Weg. Aber Gott sah ihn aus dem Himmel, rief den heiligen Petrus, zeigte ihn ihm und sagte: »Du Petrus, siehst du dort unten auf der Welt etwas?« – »Ich seh‘ es, Herr, mir scheint, es geht dort ein armer Mann durch den Wald.« – »Du hast recht, es ist ein armer Mann mit einem ungetauften Kind, komm wir gehen und taufen es.« Sie machten sich beide auf den Weg zur Welt und kamen vor den Mann. »He, du Mensch, wohin gehst du mit dem Kinde?« – »Ich geh‘, um es von jemandem taufen zu lassen.« – »Gib es her, wir taufen es dir.« Gott trat mit dem Fuß auf die Erde, und auf einmal kam heraus ein Kesselchen mit Wasser und allem, was man zur Taufe braucht. Sie tauften ihn Ioan, und als sie ihn getauft, gab ihm sein Pate ein Kalb. Der Mann nahm es am Seil, im Arm hatte er das Kind, und kehrte um und kam durch den Wald zu seiner Frau. Unterwegs begann das Kind zu weinen, das Kalb erschrak, riß sich frei und lief zurück. Als er in den Wald zu seiner Frau kam, erzählte er ihr, wie es ihm gegangen, und den Knaben hätten sie Ioan getauft.
Es waren einige Jahre vergangen. Ioan war groß gewachsen, auch im Walde und in der Armut. Sein Vater ging jagen, er blieb bei seiner Mutter. Nur einmal fiel ihm sein Pate ein, und er fragte seine Mutter, was habe er ihm geschenkt. Als sie ihm erzählt, er habe ihm ein Kalb geschenkt, das habe sich vor seinem Weinen erschreckt und sei fortgelaufen, sagte er: »Mutter, ich geh es suchen.« – »Aber mein Kind, wo willst du es suchen nach so vielen Jahren, wer weiß, wo es umgekommen.« – »Oh, ich gehe.« Er nahm sich die gluga (Kapuze) und den Tornister und ging immer vorwärts, weit, weit, bis er an einen Kreuzweg kam, daß er nicht wußte, welchen er einschlagen sollte. Rechts oder links oder vorwärts. Nur einmal kam gradaus ein Mann aus Eisen und fragte ihn, wohin er gehe. Der Knabe sagte ihm, er suche ein Kalb. »Du Knabe, aus deinem Kalb ist eine ganze Herde entstanden, wenn du mir den Stier versprichst, sage ich dir, wo du sie findest.« – »Ich gebe ihn dir«, sagte der Knabe. »Geh nur auf diesem Wege hinauf, dann findest du sie, ich warte hier auf dich.« Der Knabe ging höher hinauf, bis er die Kuhherde traf. Der Stier kam zu ihm und fing an zu reden: »Du Knabe, wir sind alle dein, und du sollst unser Herr sein, aber eines hat mir nicht gefallen, daß du mich dem Teufel versprochen, der Mann aus Eisen war grade der Teufel, aber es wird kommen, wie Gott es bestimmt. Geh jetzt mit der Herde hinunter, ich krieche in diese Wasserlache, wenn dich der Teufel fragt auf mich, sage, ich wäre in einen Sumpf gefallen und würde wahrscheinlich ertrunken sein.« Der Ioan trieb die Kühe hinunter bis zu dem Weg, wo der Teufel wartete. Als der ihn sah und den Stier nicht, fragte er, wo er ihn gelassen. »Er ist in einen Sumpf gefallen und wird ertrunken sein, ich hatte nicht die Kraft, ihn herauszuziehen.« Als der Teufel diese Worte gehört, ging er schnell hinauf, den Stier herauszuziehen, und wie er sich ihm näherte, erhob sich der Stier und leckte den Teufel so, daß er gleich umfiel und hin war. Dann lief er hinter den Kühen und hatte sie schnell erreicht und sagte zum Ioan: »Du Ioane, treib diese Kühe auf den Jahrmarkt und verkauf sie für ein Viertel Dukaten. Wenn du sie verkauft hast, wirst du einen Popen sehen mit einem Stier, sieh, wie mich, es ist mein Bruder, den sollst du kaufen. Der Pope wird dir ein Viertel Dukaten verlangen, gib es ihm, er ist es wert. Dann sollst du wieder zu mir kommen.«
Der Knabe tat, wie ihn der Stier gelehrt hatte. Er ging auf den Jahrmarkt und verkaufte eine Herde Kühe, erhielt ein Viertel Dukaten für sie, dann sah er den Popen mit dem Stier und sagte: »Domnu parinte, verkauft Ihr den Stier?« – »Ich möchte ihn verkaufen, aber du wirst mir ihn nicht bezahlen.« – »Jetzt, ich weiß ja, wieviel ein Stier wert ist, ich gebe Euch ein Viertel Dukaten.« Der Pope lachte und sagte: »Nimm den Stier und gib mir das Geld, ich seh‘, du weißt, was er wert ist.« Ioan nahm den Stier und ging zu seinem. Als er jetzt beide Brüder hatte, sagte der ältere: »Unser Herr, geh zum König und verlang seine Tochter zur Frau.« – »Wie soll ich es wagen, zum König zu gehen?« – »Geh nur, es wird so sein, wie Gott will.« Ioan ging, und als er gegangen war, sagte der König: »Dann will ich dir meine Tochter geben, wenn du mein Land an einem Tage mit zwei Ochsen pflügst, bis jetzt haben es hundert Ochsen an einem Tag gepflügt.« Gut. Als er es dem Stier sagte, sprach dieser, er solle zum Schmied gehen und einen Pflug bestellen von einem Zentner und einem Pfund Eisen. Als der Pflug fertig war, spannte er beide Stiere daran und fuhr zum König, der zeigte ihm das Land, und dieser fing an zu pflügen und pflügte bis zum Mittag mehr als die Hälfte. Die Königstochter brachte das Mittagessen. »Unser Herr, du sollst die Suppe nicht essen, sie ist vergiftet, du stirbst gleich, den Wein kannst du trinken, sag dem Mädchen, sie solle es nur beiseite stellen, du würdest essen, wenn du fertig mit dem Pflügen wärest.« Er gehorchte. Als aber der König mit der Jause kam, wollte er nicht hören und aß davon und fiel gleich um und war tot, und die Stiere legten sich neben ihn vor Kummer und blieben alle drei liegen, bis die Sonne untergehen sollte. Da sagte der eine zum andern Stier: »Du Bruder, was hast du gelernt von den Eltern, als du noch bei ihnen lebtest?« – »Ich habe gelernt, wenn ich mit dem Fuß auf die Erde stampfe, stehen alle Toten auf.« – »Dann warum machst du nicht, daß unser Herr aufsteht?« Er gab der Erde eins mit dem Fuß, und gleich erhob sich Ioan. Als er zu sich gekommen, sagte der andere Stier: »Du Bruder, was hast du gelernt von den Eltern, als du noch bei ihnen lebtest?« – »Ich habe gelernt, die Sonne mit meinen Hörnern vom Untergang zu nehmen und zum Aufgang zurückzutragen.« – »Dann tu, was du gelernt hast, daß wir mit dem Pflügen fertig werden.« Der Stier nahm auf einmal die Sonne auf die Hörner und trug sie um sechs Stunden zurück. Das war ein langer Tag. Als der König kam mit den Leuten, um den Toten wegzuschaffen, fand er ihn fröhlich hinter dem Pflug, er war grade fertig.
»Dann werde ich dir meine Tochter zur Frau geben, wenn du meine ganze Habe auf einen Wagen lädst und sie mit zwei Ochsen fortführst, oben drauf meine Tochter, und fährst durch einen bodenlosen See und über die weglosen Schneegebirge.« Der Stier sagte zum Ioan: »Geh zum Wagner und bestelle einen Wagen aus einem Zentner und einem Pfund Eisen, dann sollst du uns davor spannen, dann werde ich mit dem Ohr winken, wenn genug ist, aber du kannst die ganze Habe aufladen.« Am andern Tage kam Ioan mit dem Wagen und zwei Ochsen in den Hof des Königs und fing an aufzuladen und lud alle Sachen auf, und da er nichts mehr fand, fing er an, das Dach abzudecken. Da rief der König, es sei genug, er solle nicht mehr Schaden machen, er könne den Wagen doch nicht bewegen. Er hob die Königstochter noch hinauf und fing dann an zu treiben. Die zogen, als ob sie lauter Federn auf dem Wagen hätten, und als sie an den See kamen, schlug der Ochse mit dem Fuß, und es wurde eine Straße über das Wasser, und sie fuhren über diese Straße, bis sie zu den Schneegebirgen kamen. Dort schlug der andere den Fuß in den Boden, daß eine Straße über die Gebirge entstand. Seitdem ist der Paß in die Walachei. Als der König und die Königin sahen, daß der Jüngling auch dieses vollbracht, ärgerten sie sich so, daß sie starben. Dann blieb der Ioan König, und die ganze Habe blieb ihm.
Als er dies erreicht hatte, kamen beide Stiere zu ihm und sagten, jetzt müßten sie sterben, der eine heute, der andere morgen, dann solle er jeden unter eine Säule des Tores begraben. Aus ihren Hörnern würden Weinstöcke wachsen und Trauben bringen, deren Saft sich von selbst auspresse, er brauche nur ein Glas darunter zu stellen, damit der Wein hineinfließe und jeder trinken könne, wer da vorbeigehe, und er könne mit jedem wetten, aus was die Reben gewachsen, er würde die Wette immer gewinnen. Wie die Stiere gesagt, so geschah es, der eine starb heute, der andere morgen, und er begrub sie, wie sie es gewünscht. Nur einmal wuchsen einige Weinreben so schön, und der Wein floß in das Glas. Es kamen Könige und Kaiser aus allen Ländern und wetteten, aus was die Reben gewachsen, und niemand konnte es erraten. Alle verloren die Wette. Eines Tages ging er auf die Jagd, da kam ein Armenier zur Königin und sagte: »Ach, Königin, was für eine schöne junge Frau bist du. Wenn du mein wärest, würde ich dich halten wie eine Blume und dir Schuhe kaufen von Igeln und Milch bringen von Vögeln. Frage deinen Mann, aus was wären diese Weinreben gewachsen?«
Die Worte, welche der Armenier redete, gefielen der dummen jungen Frau. Sie stellte sich krank, als ihr Mann heimkam. »Na, was ist mit dir, du Frauchen?« – »Ich bin so krank, sag mir, aus was sind die Reben am Tore gewachsen?« – »Aus was sollen sie gewachsen sein, aus den Säulen des Tores.« Sie stand gleich auf und war gesund und fröhlich und sagte es dem Armenier. Der aber sprach, er habe nicht die Wahrheit gesagt, aus Säulen könne nichts wachsen. Als der Mann am nächsten Tage wieder auf die Jagd ging, putzte sie die Säulen mit Gold und Silber heraus. Wie er heimkehrte, fragte er, warum sie die Säulen aufgeputzt? Sie sagte, weil sie ihnen ein so großes Glück mit den Reben gebracht. »Du Einfältige, die Reben sind ja aus den Hörnern von unsern schönen Ochsen gewachsen.« Als sie dies gehört, ging sie gleich zum Armenier und sagte es ihm. Am andern Tage ging der König Ioan wieder auf die Jagd, aber der Armenier war hinter ihm gegangen und kam vor ihn, als ob er ihm begegne und sagte, er möchte mit ihm wetten, er wisse, aus was die Reben gewachsen. Ioan wettete mit ihm und sagte, wenn er es errate, sollen das ganze Königreich und sein Vermögen und seine Frau ihm gehören. »Deine Weinreben sind aus den Hörnern von deinen Ochsen gewachsen«, sagte der Armenier. Auf diese Worte wandte sich der König Ioan um in den Wald und sprach, der Armenier solle an seiner Stelle nach Hause gehen. Er blieb immer im Walde und wurde ein Wilder und floh die Menschen.
Gott im Himmel sah es und rief den heiligen Petrus und sprach: »Komm, Petrus und sieh, wie unser Patenkind als Wilder im Walde herumstreicht, komm, daß wir ihn wieder auf unsern Weg führen.« »Ich möchte kommen, aber er hütet sich vor den Menschen, er wird auch vor uns fliehen.« – »Komm nur, vor uns fürchtet er sich nicht.« Sie nahmen sich jeder einen Tornister und einen Stock und kamen herunter auf die Erde und gingen in den Wald zu ihrem Patenkind. Als sie ihn erreicht, fragten sie ihn, was er da mache; obgleich Gott wußte, was er tat, fragte er ihn doch. Ioan erzählte, wie es ihm ergangen. Dann sagte Gott: »Du, Ioane, geh auf deinen Hof und sage zum Armenier, er solle mit dir wetten, wenn die Sonne morgen früh dort aufgehe, wo sie untergegangen, sollte das Königreich und das Vermögen und die Frau dein sein. Dann darfst du aber nie mehr mit jemanden wetten, was eine Frau weiß, das weiß die ganze Welt.«
Ioan ging und wettete mit dem Armenier. Dieser dachte, er wäre ein Dummkopf, denn wie konnte die Sonne im Untergang aufgehen? Aber Gott ist groß. Morgens ging die Sonne am Untergang auf, und der Armenier ging, von wo er gekommen. Aber König Ioan wettete mit niemandem mehr, und wenn er noch nicht gestorben ist, lebt er noch heute als König.

[Rumänien: Pauline Schullerus: Rumänische Volksmärchen aus dem mittleren Harbachtal]

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