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Das Steckenpferd

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War einmal ein König, der hatte drei Söhne, und seine Frau starb, er nahm sich halt eine zweite Frau. Und die zweite Frau hatte eine Tochter, und die war wunderschön; und alle drei Söhne wollten sie zur Frau haben. Wem sollte der König sie geben? Er sagte: „Jetzt geht in die Welt, jeder kriegt zweihundert Gulden, und wer das beste Kunststück nach Hause bringt, der heiratet meine Stieftochter.“ Die Söhne gingen und kamen zu einem Kreuzweg. Dort war ein schöner Baum, in den steckten sie ihre Messer hinein; sie machten aus, daß sie bei diesem Baum wieder zusammenkommen werden.
Dann ging der eine nach rechts, der andre links und der dritte geradeaus. Der Jüngste kam in eine Stadt, und dort ritt einer auf einem Stecken und rief: „Das Pferdchen kostet zweihundert Gulden! Und wer sich darauf setzt: wo er sich hindenkt, ist er auch schon dort!“ Der Jüngste dachte: das wäre gut für ihn, das nimmt er sich! Und er kaufte sich das Steckenpferd. Der andre kam auch in eine Stadt, und dort lief ein Mann auf der Gasse und hatte einen schönen roten Apfel in der Hand und rief: „Der kostet zweihundert Gulden! Und wer von dem Apfel ein Stückchen ißt: wenn er noch so krank ist oder im Sterben liegt, er wird gesund! Der zweite Sohn dachte sich: Das wird gut sein für mich! Und kaufte um sein Geld den Apfel. Der dritte kam in eine Stadt, und da lief auch einer mit einem Rohrstock in der Hand und rief: „Dieses Rohr kostet zweihundert Gulden! Und wer da durchschaut: das, was er zu sehen wünscht, sieht er! Das kann gut sein für mich, dachte sich der Älteste, und er kaufte sich den Rohrstock. So hatte jeder seine zweihundert Gulden angebracht und hatte seine Sache.

Sie kamen alle auf einmal beim Baum zusammen und zogen ihre Messer heraus. Dann erzählte einer dem anderen, was er habe und was das seinige wert sei. Jetzt sagte der Älteste: „Wißt ihr was? Schauen wir, was unsere Schwester macht!“ Sie guckten dann durch den Rohrstock und sahen: Der Doktor steht an ihrem Bett und schüttelt den Kopf, die Mutter weint und der Vater ist bekümmert: Die Schwester ist gefährlich krank! Da sagte der Mittlere: „Ach, wenn wir jetzt zu Hause wären! Ich habe einen Apfel, wenn sie davon ißt, wird sie gesund!“ Sagte der Jüngste: „Brüder! Setzt euch auf mein Steckenpferd, und wie sie sich’s dachten, waren sie auch schon zu Hause! Sie gaben der Schwester ein Stückchen vom Apfel in den Mund, und auf einmal machte sie die Augen auf, tat einen so tiefen Atemzug, wurde andres, wurde gesund! Jetzt sagte der König: „Ja, meine lieben Kinder, wem von euch soll ich sie geben? Jeder hat etwas Gutes gebracht; denn hätte der den Apfel nicht gehabt, wäre sie nicht gesund geworden; hätte der andre das Fernrohr nicht gehabt, hättet ihr nichts gesehen; und hätte der Jüngste das Steckenpferd nicht gehabt, wärest ihr nicht da! Wißt ihr was? Jetzt müßt ihr mir noch etwas machen. Geht und schießt jeder mit dem Bogen (Fitjififei) einen Pfeil (Stepperl), und wer am weitesten schießen kann, der soll sie haben!“ Jetzt gingen sie halt hinaus, alle drei, und der Vater auch mit, und schossen. Der Älteste schoß weit, der Mittlere nicht so weit, und der Jüngste schoß so weit, daß sie den Pfeil gar nicht mehr fanden. Da sagte der Jüngste: „Vater, soll mein ältester Bruder die Schwester heiraten! Ich gehe jetzt mein Stepperl suchen und komme nicht eher nach Hause, als bis ich es gefunden habe,“ Er ging und ging weit bis in einen Wald, und da stand er auf einmal vor einem schönen verwunschenen Schloß. Und in dem Tor steckte sein Pfeil. Er dachte sich: Wem kann es gehören, das schöne Schloß? Er nahm seinen Pfeil zu sich und ging hinein. Das Tor war offen. Er kam in einen wunderschönen Garten. Die Sonne schien so hell! Er schaute: Da waren Blumen und Früchte, wie er solche noch nie gesehen! Er wurde von ihrem Duft schläfrig; er legte sich unter ein auf den Rasen und schlief ein.

Als er erwachte, stand eine wunderschöne Feenkönigin vor ihm. Sie sagte: „Johann, du hast mit deinem Pfeil mein Schlosstor getroffen, du bist mein Erlöser. Du musst jetzt hier bleiben, du mußt mein Gemahl und König werden!“ Sie führte ihn ins Schloß hinein und zeigte ihm die Zimmer. „Aber eins muß ich dir sagen: Ich habe einen garstigen Bruder. Du mußt stark sein, du darfst nicht erschrecken, denn wer vor ihm erschrickt, der stirbt.“ Na, jetzt kam er richtig, der Bruder, zu seiner Schwester. Er hatte einen großen Kopf, wie ein Wasserschaf so groß, und feurige Augen und verzottelte Haare, und dick war er, und klein war er, und hatte eine kleine Peitsche in der Hand, mit der fuchtelte er herum. Viele waren schon vor Schreck gestorben, wie er sie mit seinen feurigen Augen angeschaut hatte. Dem Johann wurde völlig nicht gut davon, aber er hielt sich tapfer und erschrak nicht. Jetzt war halt das vorüber. Der Johann heiratete die Feenkönigin, und die Hochzeit dauerte drei Tage. Nach der Hochzeit schrieb er seinem Vater, er komme nicht mehr nach Hause, er sei jetzt König im Feenland, wo sein Pfeil hingeflogen sei, „…und hier sind ganz andere Blumen und Früchte als zu Hause; zu Hause ist halt nicht, was da ist“, schrieb , „und meine Frau hat einen garstigen Bruder, und wer vor ihm erschrickt, muß sterben.“ So schrieb er halt und der Vater schrieb zurück, er solle ihm seinen Schwager schicken, er möchte ihn sehen! Wie alle Könige, hatte auch sein Vater ein großes Gefallen an Wundertieren, Narren, Riesen und hässliche Zwerge. „Lieber Vater“, schrieb der Sohn, „bedenkt es gut, du kannst vor dem Anblick auch sterben!“ Er soll ihn nur schicken, schrieb der Vater. Sie gaben halt dem Zwerg für den Vater einen großen Korb mit Obst, das nur bei ihnen wuchs, mit, gaben ihm den Weg an, und der ging halt. Er kam zeitlich in der Früh an, und der König schlief noch. Die Leute liefen alle davon, auf dem Platz vor dem Königsschloß blieb kein Mensch und kein Getier. Das Militär und die Wache ließen sie ihn nicht ein. Sie jagten ihn fort, und er fuchtelte mit seiner Peitsche und schimpfte: „Ich will zum alten König hinein!“ Der König hörte den Lärm, ging zum Fenster und wie er so einen jähen Blick hinaus tat, sah er den Buben dort stehen, erschrak und war tot. Der Bub draußen wartete noch ein wenig, und als er sah, daß sich niemand mehr um ihn kümmerte, stellte er den Korb aufs Pflaster hin und ging fort. So hatte der König seine Neugierde mit dem Leben büßen müssen. Niemand hatte mehr das Verlangen, den Buben anzuschauen. Er war garstig.
Und der Johann war halt dort im Feenland und war glücklich.

Märchen aus dem Banater Bergland

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