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Märchenbasar

Das stumme Mädchen

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Es war einmal ein Mann, der hatte zwei Töchter. Die Jüngere war sehr hübsch und die Ältere sehr häßlich, und darum mochte sie ihre Schwester nicht und konnte sie nicht ausstehen. Beim Vater schmiedete die Häßliche Ränke gegen sie, und der Vater glaubte alles, was sie ihm sagte. Eines Tages entsann sie einen verräterischen Plan gegen ihre Schwester, um sie ins Verderben zu stürzen. In jener Gegend lebte ein großer Taugenichts, der alle Mädchen verführte, und die häßliche Schwester sagte der Jüngeren, sie solle zu jenem Hause gehen, denn dort würde eine Familie in Schande und großer Armut leben, der sie helfen könnte, denn sie hatte ein gutes Herz. Sobald ihre Schwester ausging, jener Familie zu helfen, benachrichtigte die Ältere den Vater. Dieser ging ihr entgegen und argwöhnte, was nicht geschehen war. Voller Verzweiflung über seine Schande beschloß der Vater, seine Tochter zu töten, und er erteilte einem Diener den Befehl, sie in einen Wald zu führen, um das arme Mädchen dort umzubringen. Der Diener hatte jedoch Mitleid mit ihr und ließ sie inmitten des Waldes nur in Begleitung einer Hündin zurück, die sie sehr mochte, und welche sie nie verließ. Das Mädchen lebte einige Zeit in einer Grotte und ernährte sich von Kräutern. Als der König eines Tages auf der Jagd war, erblickte er eine Hündin, und er befahl, ihr Brot zu geben. Die Hündin schnappte das Brot und entfloh, um es ihrer Herrin zu bringen. Nach einiger Zeit erschien die Hündin dem König an anderer Stelle, man gab ihr wiederum Brot, und sie entfloh erneut. Der König befahl, der Hündin nachzusetzen, um herauszubekommen, wohin sie lief, und wie groß war nicht das Erstaunen, als man ein so schönes Mädchen fand, das so unglücklich zu sein schien. Nun wurde noch vergessen zu erzählen, daß das Mädchen gelobt hatte, sieben Jahre lang nicht zu sprechen, wenn sie mit dem Leben davonkäme und aus jenen Leiden erlöst würde. Als der König sie fand und ihr Fragen stellte, gedachte sie ihres Gelöbnisses und sprach nicht ein Wort. Der König nahm sie mit in sein Schloß, denn er hatte grossen Gefallen an ihr gefunden, und er verliebte sich so sehr, daß er das Mädchen um alles in der Welt heiraten wollte. Die Mutter des Königs riet ihm jedoch, sie erst dann zu heiraten, wenn sie ihre Sprache wiedergefunden hätte. Nach langer Zeit, kurz bevor die sieben Jahre um waren, hielt der König, der die Hoffnung verloren hatte, um eine Prinzessin an, und er ging mit dem ganzen Hofe, um sie abzuholen. Da ließ das Mädchen sich ein Kleid mit einem ganz weiten Ärmel anfertigen, und am Tage, als der König zurückkehrte, empfing sie die Brautleute auf der Treppe. Sobald die Prinzessin sie erblickte, brach sie in Gelächter aus und sagte:

Seht doch das stumme Mädchen,
sie trägt einen Kochtopf im Ärmel!

Sogleich antwortete das Mädchen:

Seht doch die vorlaute Prinzessin,
die, kaum daß sie eintritt, übel spricht.
Und in den sieben Jahren, die ich hier bin,
sind dies die ersten Worte, die ich spreche.

Der Prinz war über das, was er sah, erstaunt. Er löste sogleich seine Vermählung mit der Prinzessin und heiratete das Mädchen, wie er es sich so sehr gewünscht hatte.

[Portugal: T. Braga: Contos tradicionaes do povo portuguez]

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