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Märchenbasar

Das Wunderpferdchen

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Vorzeiten lebte einmal ein junger Bursche, der war so arm, daß er viele Jahre bei einem reichen Gutshern als Knecht dienen mußte. Der Herr besaß einen Stall voll schöner Pferde, und der Bursche mußte von früh bis spät die Tiere pflegen, füttern, putzen und auf die Weide treiben. Als der Bursche nach sieben Jahren des Dienstes überdrüssig geworden war, kündigte er den Dienst auf, denn er wollte in die weite Welt hinaus, um da sein Glück zu versuchen. Sein Herr aber sprach: „Da du mir so viele Jahre treu gedient hast, will ich dir zum Lohn ein Pferd aus meinem Stall geben. Such dir das aus, das dir am besten gefällt!“ Der Bursche, der sehr bescheiden war, nahm keines der stolzen Rosse, sondern das kleinste, ein mausgraues Pferdchen, das er besonders liebte. Er sattelte das Pferdchen, nahm Abschied vom Dienstherrn und ritt davon. Er ritt und ritt und trabte über Berg und Tal und Heide, bis er am Abend in einen dichten wilden Wald geriet. Und in diesem Wald erblickte er am Boden eine wunderschöne, über alle Maßen prächtige Vogelfeder, die glänzte und funkelte wie ein Edelstein und strahlte heller als die Sonne, so daß der ganze Wald erleuchtet wurde. Der Bursche stieg verwundert vom Pferde, um die wunderbare Feder aus der Nähe zu betrachten. Als er sie aber aufheben wollte, schüttelte das Pferdchen den Kopf und warnte mit menschlicher Stimme: „Laß um Gottes Willen die Feder da liegen! Sie würde dir nur Leid und Unheil bringen!“ Der Bursche jedoch schlug die Warnung in den Wind, weil ihm die prächtige Feder gar so gut gefiel. Er hob sie auf und steckte sie an seine Pudelmütze. Dann ritt und ritt und trabte er weiter über Berg und Tal und Heide, bis er am dritten Tage eine große Stadt erreichte, in deren Mitte sich das allerprächtigste Königsschloß erhob. Am Königshof wimmelte es von Soldaten, Wächtern und anderem Hofgesinde. Der Bursche fand Gefallen an diesem Getümmel, und er wäre für sein Leben gern hier geblieben. Doch als er den königlichen Haushofmeister fragte, ob man noch einen Wächter oder Diener benötige, winkte dieser nur ab: „Wächter und Dienstmannen haben wir mehr als genug. Aber wenn du Pferde zu warten verstehst, könntest du hier bleiben!“ Der Bursche war einverstanden, und so wurde er wieder Pferdeknecht, aber nun immerhin ein königlicher Pferdewärter. Was war das doch für ein vornehmes Stallgebäude! Was waren das doch für wunderbare Rosse, eins schöner als das andere! Pferde aller Gattungen und Farben! Da gab es Schimmel und Rappen, Goldfüchse und Schecken, Braune und Falben, dazu noch Rot-und Blauschimmel und einen wunderschönen Apfelschimmel! Und diese Rosse standen in einem prächtigen Stall, der eigentlich ein Palast war mit marmornen Krippen und Bogenpfeilern und einem glitzernden Leuchter mit zwölf Kerzen, die den Raum von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang taghell erleuchteten.

Der Bursche hatte seine Wunderfeder an einen Pfeiler gesteckt, und die funkelte und leuchtete heller als die liebe Sonne zur Mittagszeit, so daß neben ihr die Kerzen nur noch wie Irrlichter flimmerten und zu erlöschen begannen. So ein Wunder konnte natürlich nicht verborgen bleiben. Man hinterbrachte also die Kunde von der leuchtenden Wunderfeder dem König. Der König aber war ein habgieriger Bösewicht, der alles Schöne und Gute allein besitzen wollte. Es war also nicht verwunderlich, daß er sofort seine Wächter in den Stall schickte mit einem strengen Befehl, ihm die leuchtende Feder zu bringen. Der Bursche hätte diese aber gern behalten und bat deswegen sein mausgraues Pferdchen um Rat. Das Pferdchen konnte ihm aber auch nicht helfen und sprach: „Diese Unglücksfeder wirst du wohl oder übel dem König geben müssen. Er wird dich sonst nicht in Ruhe lassen! Hatte ich Dir nicht gleich gesagt, du solltest die Feder im Wald liegen lassen, weil sie dir nur Leid und Unheil bringen würde?“ Also mußte sich der Bursche schweren Herzens von der Feder trennen und sie den königlichen Boten übergeben. Der König fand großen Gefallen an der Wunderfeder, die nun seinen Thronsaal erleuchtete. Bald darauf begann sich auch seine Habsucht wieder zu regen, und es gelüstete ihm, den Vogel zu besitzen, aus dessen Gefieder die prächtige Feder stammte. Er ließ deswegen den Pferdepfleger zu sich kommen und befahl ihm: „Höre, was ich dir befehle! Beschaffe mir den Feuervogel, der die leuchtende Feder verloren hat! Bringst du ihn mir, ich will dich reich belohnen und zu meinem Oberstallmeister ernennen! Bringst du ihn mir aber nicht, so lasse ich dich auspeitschen und in den Kerker werfen.“ Der arme Pferdeknecht erschrak zu Tode. Wo sollte er den seltenen Vogel suchen und wie ihn fangen? Als er aber dem mausgrauen Pferdchen sein Leid klagte, begann es ihn zu trösten: „Hatte ich dir nicht abgeraten, die Feder aufzuheben? Nun ist Leid über dich gekommen. Aber sei getrost! Ich weiß, wo der Feuervogel zu finden ist und wie wir ihn fangen können. Dazu brauchen wir aber goldene und silberne Schlingen. Die muß der König dir geben!“ Also ging der Bursche zum König, um sich von ihm die Schlingen zu erbitten. Darauf ritt er in den Wald, wo der Wundervogel sein sollte. Als der Bursche das Versteck des Vogels entdeckt hatte, begann er dort auf Geheiß des Pferdchens Hirsekörner auszustreuen und darüber die goldenen und silbernen Schlingen auszulegen. Er brauchte nicht lange zu warten, da kam auch schon der Feuervogel herangeflogen, begann die Hirsekörner aufzulesen, eines nach dem anderen, und war -schnapp!-auch schon in der Schlinge gefangen. Das war also der Wundervogel! Rotgolden war sein Gefieder. Es glänzte und funkelte, schimmerte, loderte und leuchtete heller als die liebe Sonne, so daß man gar nicht darauf schauen konnte. Der prächtige Vogel war nun also gefangen und wurde zum König gebracht. Der setzte ihn in einen goldenen Käfig, den er im Thronsaal aufhängen ließ. Der Pferdeknecht erwartete den versprochenen Lohn, aber der habgierige König dachte nicht daran, sein Versprechen zu halten. „Du scheinst ein tüchtiger und fähiger Bursche zu sein“, sagte er zum Pferdeknecht. „Deshalb sollst du mir auch ein Rätsel lösen! Sage mir, warum die Sonne bald hoch und bald tief am Himmel steht! Falls du das Rätsel lösen kannst, erwartet dich reiche Belohnung. Kannst du es aber nicht, lasse ich dich auspeitschen und ins Gefängnis werfen.“ Der Bursche erbat Bedenkzeit und ging wieder zu seinem Pferdchen, um es um Rat zu fragen. Und das Pferdchen sprach zu ihm: „Hättest du die Feder im Wald liegen gelassen, so hättest du dir viel Leid erspart. Aber ich will dir helfen! Des Königs Rätsel ist bald gelöst! Mitten im blauen Meere wohnt auf einer Insel die Meerjungfrau Wunderschön, welche die Sonne bald hoch bald tief am Himmel stehen läßt, um nicht zu erfrieren oder vor Hitze zu verbrennen.! Der Bursche verkündete dem König des Rätsels Lösung.

Der König war über diese Kunde höchst verwundert, und da er ein so habgieriger Herrscher war, befahl er dem Pferdeknecht, die kluge und wunderschöne Meerjungfrau an seinen Hof zu bringen. „Kannst du diese Aufgabe erfüllen“, sagte er, „so will ich dich reich mit Gold und Silber belohnen und dich danach zu meinem Statthalter ernennen! Gelingt es dir aber nicht, lasse ich dir den Kopf abschlagen.“ Der Bursche entsetzte sich über eine solche Drohung und erzählte weinend dem guten Pferdchen, was der böse Herrscher von ihm verlangt hatte. Das Pferdchen aber antwortete: „Hatte ich dir nicht geraten, die Feder liegen zu lassen? Nun müssen wir uns bemühen, der Jungfrau habhaft zu werden! Wir müssen aber List walten lassen! Laß dir vom König ein rotgoldenes Zelt geben, dazu eine goldene Liegestatt mit Seidenkissen, ein goldenes Tischlein und Silberbecher mit allerbestem Wein! Die Meerjungfrau Wunderschön wird neugierig ans Ufer kommen und vom süßen Weine trinken. Wenn sie dann im Schlaf versinkt, kannst du sie leicht ergreifen und zum König bringen.“ Der Bursche befolgte den Rat des Pferdchens, erhielt vom König die gewünschten Sachen, die er ans Meeresufer schaffen ließ. Dort schlug er das Zelt auf, statte es mit der goldenen Liegestatt und dem Tischlein aus und goß süßen Wein in die Silberbecher. Dann verbarg er sich mit seinem Pferdchen hinter dem Zelt. Die Meerjungfrau Wunderschön erblickte von ihrer Insel das prächtige Zelt, und weil sie neugierig war, stieg sie in ihr Schifflein und fuhr zum Strande, um das rotgoldene Zelt aus der Nähe zu betrachten. Sie betrat das Zelt, setzte sich auf die Seidenkissen, nippte vom süßen Weine, und da er ihr so gut mundete, konnte sie nicht aufhören, von ihm zu trinken. Der Wein war gut und süß und feurig! Kein Wunder, daß die Jungfrau bald schlaftrunken auf die Kissen sank und einschlief. Die Meerjungfrau war anmutig, liebreizend und wunderschön, so daß der König und alle, die sie sahen, kein Auge von ihr abwenden konnten.

Ob ihrer Entführung aber war sie über alle Maßen zornig geworden und rief: „Da ihr mich nun hierher gebracht habt, so schafft mir auch meine Stuten herbei, die auf der Insel geblieben sind!“ „Das soll mein Pferdeknecht tun!“ befahl der König und drohte dem Burschen wieder mit dem Henkerbeil, falls er den Befehl nicht ausführe! „Hättest du nur auf meinen Rat gehört und hättest die Feder nicht aufgehoben“, sagte das Pferdchen. „Aber ich will dir auch diesmal helfen, obwohl es nicht leicht sein wird, die wilden und unbändigen Meeresstuten herbeizuschaffen. Irgendwie werden wir sie schon bekommen. Reiten wir zum Meeresufer! Du wirst pfeifen, und ich werde wiehern. So werden wir die Stuten an das Land locken und dann zum Königshof führen.“ Gesagt, getan! Der Bursche ritt zum Meeresufer und begann zu pfeifen, und sein Pferdchen wieherte aus vollem Halse. Da kamen die wilden Stuten herbeigeschwommen, so daß das Meer hohe Wellen warf. Die Stuten sprangen ans Ufer, bäumten sich auf und schlugen wild mit den Hufen. Aber schließlich gelangte es dem Burschen, sie zu beruhigen, und zum Königshofe zu bringen. Die Meerjungfrau Wunderschön freute sich, ihre Stuten wiederzusehen, befahl aber sofort: „Nun müssen die Tiere gemolken werden, denn ich bin es gewohnt, täglich in der Stutenmich ein Bad zu nehmen, um jung und schön zu bleiben!“ Der König, wie konnte es anders sein, befahl sofort seinem Pferdeknecht: „Du weißt, wie man mit Pferden umgeht. Mach dich also daran, die Stuten zu melken!“ Traurig und niedergeschlagen ging der Bursche wieder zu seinem Pferdchen, um es um Hilfe zu bitten, denn ihm war angst und bange vor den unbändigen Stuten. Das Pferdchen tröstete ihn und versprach zu helfen: „Hättest du aber meine Warnung befolgt und die Feder nicht genommen, wäre dir auch dieses Leid erspart geblieben! Aber hab keine Bange! Die wilden Stuten kann man bändigen! Ich werde nach Kräften wiehern und sie so einschüchtern, daß sie zahm und folgsam stillhalten werden und du sie melken kannst.“ Der Bursche ritt auf der Weide, wo die Stuten sich tummelten. Das mausgraue Pferdchen aber begann zornig zu wiehern und mit den Hufen zu stampfen, so daß die Erde unter seinen Hufen zu beben begann. Da wurden die Stuten zahm und friedlich und ließen sich melken.

Die Meerjungfrau Wunderschön badete nun täglich in der wunderwirkenden Stutenmilch und wurde von Tag zu Tag schöner und anmutiger. Was Wunder, wenn der König an ihr Gefallen fand und sie schließlich zur Gemahlin begehrte! Der König aber war ein häßlicher Greis, und deshalb verspürte die wunderschöne Meerjungfrau gar kein Verlangen nach einer solchen ungleichen Heirat. „Ich kann deine Gemahlin nicht werden“, sagte sie zum König, „solange du alt und häßlich bleibst! Du sollst ein Bad in der wunderwirkenden Stutenmilch nehmen, die dich in einen schönen Jüngling verwandeln kann. Der König wäre gern ein schöner Jüngling geworden, doch scheute er ein Bad in kochender Milch, weil er fürchtete, sich darin zu verbrühen. Und er beschloß: „ Mag erst der Pferdeknecht probieren.“ Er ließ also den Burschen zu sich kommen und sprach zu ihm: „Morgen sollst du den Lohn für deine guten Dienste bekommen und wirst zu meinem Statthalter ernannt. Vorher mußt du aber ein Bad in siedendheißer Stutenmilch nehmen, die dich in einen Edelmann verwandeln wird!“ Der Bursche war starr vor Schrecken und bat das mausgraue Pferdchen flehentlich, ihm nochmals zu helfen. „Hatte ich dir nicht geraten, die Feder liegen zu lassen?“ sagte das Pferdchen. „Diesmal ist es aber das letzte Leid, das dir droht. Ich werde in die kochende Milch meine Tränen fließen lassen, bis sie kalt wird. Dann darfst du getrost hineinspringen!“ Am anderen Morgen ließ der König in einem Kessel Stutenmilch kochen. Viel Volk war herbeigeeilt, um zu sehen, ob das Bad in der kochenden Milch auch wirklich in einen stattlichen Edelmann verwandeln würde. Das gute Pferdchen aber trat zum Kessel und ließ seine Tränen in Strömen in die Milch fließen. Dann sprang der Bursche in den Kessel und stieg wieder heraus als stattlicher Edelmann. Als dies der König sah, ließ er schnell in einem zweiten Kessel Stutenmilch kochen, und als diese sprudelte, sprang er flugs hinein – und verbrühte sich so jämmerlich, daß er auf der Stelle tot war. Seine Untertanen aber waren gar nicht traurig, denn der König war ein grausamer und ungerechter Herrscher gewesen. Sie wählten den Pferdeknecht zum neuen König, der sich dann mit der wunderschönen Meerjungfrau vermählte. Beide aber regierten gerecht und weise, und wenn sie dann und wann nicht aus noch ein wußten, baten sie das mausgraue Pferdchen um Rat und Beistand, und dieses half ihnen immer aus aller Not und Bedrängnis.

Ein sorbisches Märchen

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