Da geleitet man sie zum Haus des Kampfbundes vom Roten Zweig auf Conors Befehl. „Besser, ihr würdet wenigstens jetzt meinen Rat bedenken“, sprach Deidre, „denn nun wird uns gewiß Böses widerfahren.“ „Ach was“, sprach Illan Finn, der Sohn des Fergus, „Feigheit haben die Söhne meines Vaters nie gekannt. Ich und Buini Borb werden mit euch gehen zum Haus des Roten Zweigs.“ Als sie nun dort eintrafen, brachte ihnen der Diener reichlich Fleisch und süßen Wein, bis sie alle zufrieden waren und lustig, nur Deidre und die Söhne von Usnach blieben vorsichtig und genosssen nur wenig von den Speisen und dem Wein, aus Furcht um ihr Leben. Dann sagte Naisi: „Bringt das Schachbrett her!“ „Und er spielte mit Deidre Schach auf dem polierten Brett. Da nun Conor Deidre im Haus des Roten Zweigs wußte, hielt er es nicht mehr ruhig auf dem Fest aus. Zu seinen Gästen sagte er: „Wer geht für mich hinüber zum Haus des Roten Zweigs, um zu schauen ob Deidre immer noch von so großer Schönheit ist. Wenn ihr Gesicht und ihr Körper sich nicht verändert haben, gibt es keine schönere Frau auf der Welt als sie.“ Da sprach Lewara, die Amme: „Das will ich für dich tun, König“, denn sie liebte Naisi und Deidre, die sie zusammengebracht hatte. sehr, und dies war die einzige Möglichkeit, mit ihnen zu sprechen. Als sie nun in das Haus des Roten Zweigs kam, traf sie Naisi und Deidre am Schachbrett an, und sie küßte und umarmte beide und sprach: „Meine lieben Kinder, wie könnt ihr eure Zeit mit Spielen und Vergnügen vertun, während Conor auf Verrat sinnt. Ach weh mir, dies wird eine böse Nacht für den Clan, wenn ihr nicht eure Türen und Fenster verrammelt und tapfer zu kämpfen wisst. Dir aber, Sohn des Fergus, rate ich, tu deine Pflicht, bis dein Vater selbst zur Stelle ist.“ Dann vergoß sie bittere Tränen und kehrte ins Haus Emania zurück. Conor fragte sie, was sie zu berichten habe. „Gute und böse Nachricht bringe ich, meine gute Nachricht ist, daß die Söhne von Usnach immer noch die drei tapfersten Kämpfer sind, die ihr in Erin finden werdet. Die schlechte Nachricht aber besteht darin, daß die, welche die herrlichste unter den Weibern von Erin war, als sie von hier floh, nun nicht länger lieblich anzusehen ist.“ Da stieg in Conor Zorn und Eifersucht auf. Er trank weiter auf seinem Fest, doch nach einer Weile konnte er nicht mehr an sich halten und sprach: „Wer ist hier, der bereit wäre, mir wahre Nachricht aus dem Haus des Roten Zweigs zu bringen?“ Niemand von den Edlen gab Antwort, denn alle fürchteten, der König könne sein Versprechen brechen, das er Fergus gegeben hatte. Da sprach Conor zu einem von seinen Leuten: „Erinnerst du dich, Trendorn, wer deinen Vater erschlagen hat?“ „Naisi Mac Usnach hat meinen Vater erschlagen und meine drei Brüder auch.“ „Dann geh und erkunde du für mich, wie Deidre in Wahrheit aussieht. Ich mag es einfach nicht glauben, daß ihre Schönheit vergangen ist wie der Schnee im Frühling.“ Da lief Trendorn hinüber zum Haus des Roten Zweigs, und er fand, daß ein Fenster offenstand, und sah Naisi und Deidre drinnen vor dem Schachbrett sitzen und spielen. Deidre sagte zu Naisi: „Ich sehe. Da ist jemand am Fenster, der beobachtet uns.“ Da warf Naisi die Schachfigur nach Trendorn und er verlor ein Auge. Darauf rannte er klagend zu Conor, und dieser hatte nun einen Vorwand zum Kampf gefunden. Laut tat er seine Entrüstung kund: „Dieser Mann Naisi war einst mein Vasall. Jetzt will er selbst König sein.“ Leise aber fragte er nach Deidre. „Sie ist noch immer so schön“, antwortete Trendorn, „daß kein Weib auf der Welt sich mit ihr an Schönheit messen könnte.“ Als Conor das hörte, lohten die Flammen des Zornes und der Eifersucht in ihm. So hell brannte dieses Feuer, daß es jeder in der Halle sah. Er sprang auf den Tisch und schrie den Männern, die am Fest teilnahmen, zu: „Auf denn, lauft hinüber, und bringt mir die Übeltäter her, damit ich sie bestrafe.“ Die Krieger von Ulster umstellten also das Haus, stießen ein furchtbares Gebrüll aus und legten Feuer an Fenster und Türen. Als die Söhne von Usnach die Rufe hörten, fragten sie, wer da draußen lärme. Und die Antwort kam: „Conor und Ulster!“ „Verräter“, rief Illan Finn, „wollt ihr das Wort brechen, das der König meinem Vater gegeben hat?“ „Räudige Hunde und Schurken“, brüllte Conor zurück, „wollt ihr den Verführer meines Weibes schützen?“ „Weh mir“, klagte Deidre, „wir sind betrogen worden, und Fergus war ein Verräter.“ „Wenn Fergus euch betrogen haben sollte“, sprach Buini Borb, „so will ich doch zu euch halten“, und er stieß die Tore auf und machte einen Ausfall mit seinen Männern. Er erschlug fünfzig gute Krieger unter den Ulster Männern und richtete eine große Verwirrung unter den Truppen des Conor an. Als der König davon hörte, verlangte er zu hören, wer seine besten Männer erschlagen habe.“ „Das war der rote Buini Borb, Sohn des Fergus.“ „Halt ein“, rief Conor zu dem Fergus Sohn hinüber“, ich will dir das Land in Slive Fuadh geben.“ „Und was noch?“ „Ich will dich zu meinem Kanzler machen“, versprach Conor. Da ließ Buini Borb ab und ging seines Weges. Aber das Land, das ihm der König versprochen hatte, verwandelte sich über Nacht in eine Wüste; es wird seither Dalwhiuny genannt und ist ein düsteres Moor im Gebirge Fuadh. Als Deidre sah, daß sie auch Buini Borb im Stich gelassen worden waren, rief sie aus: „Verräter der Vater, Verräter der Sohn, hab ich nicht gesagt, daß Fergus ein Verräter sei.“ „Wenn Fergus ein Verräter ist“, sprach Illan Finn, „so werde ich euch doch nie verraten. Solange dieses kleine gerade Schwert in meiner Hand ist.“ Dann stürmte Illan Finn mit seinen Männern vor. Er lieferte den Belagerern drei heftige Gefechte und erschlug dreimal hundert Männer. Darauf kam er ins Haus, wo Naisi und sein Bruder Ainli Schach spielten, denn die Söhne von Usnach wollten nicht zeigen, daß ihre Herzen von dem Lärm erschreckt worden seien. Mit Fackeln, die er seinen Männern in die Hand gab, machte Illan Finn abermals einen Ausfall und vertrieb jene Feinde, die Feuer an das Haus des Roten Zweigs gelegt hatten.
Da war es Connor, der rief: „Wo ist mein Sohn Fiara Finn?“ „Hier bin ich, mein König!“ „So wahr es ist, daß Illan Finn und du in derselben Nacht das Licht der Welt erblickt haben, geh hin und kämpfe mit ihm. Und da er die Farben seines Vaters zeigt, trage du meine Farben und meine Rüstung. Nimm Ozean, Flucht und Sieg, meinen Schild, meinen Speer und mein Doppelschwert, und kämpfe gut für deinen Vater mit dem Sohn Fergus.“ Da zog Fiara die gute Rüstung seines Vaters an und ging in das Haus des Roten Zweigs, um mit Illan Finn zu kämpfen. Sie lieferten sich einen fairen Kampf, männlich, bitter, blutig, bis Illan Finn Fiara zu Boden schlug und ihn zwang, unter seinem Schild Schutz zu suchen. Da begannen die Wellen am blauen Rand des Ozeans zu grollen, denn es war eine Besonderheit des Schilds, daß in ihm das Geräusch der sturmgepeitschten See widerklang, wenn der, welches es trug, in Gefahr war. Und die drei Meere um Erin brüllten mit ihren Wellen zum Gesang des Ozeans. Die Wellen von Tuath und die Wellen von Cliona, die Wellen von Inver-Roy, sie alle donnerten laut und kündeten Fiara Bedrängnis. Colonel Carnach saß auf dem Felsen von Sanseverich und hörten den Lärm von Loch Rory und von der See. Da griff er nach seinen Waffen, rief seine Männer zusammen und führte sie gen Emania, da er wußte, daß sein König in Gefahr war. Dort auf dem offenen Feld vor dem festen Haus des Roten Zweigs fanden sie Fiara Finn arg bedroht von seinem Widersacher. Sie stürmten gegen Illan Finn von hinten an und schleuderten ihre Speere auf ihn, die ihn ins Herz trafen, ihn, der nicht wußte wie ihm geschah, da er die Männer nicht hatte kommen sehen. „Wer hat mich von hinten durchbohrt?“, schrie er, „warum haben diese Schurken nicht den Kampf Auge in Auge gesucht?“ „Sag lieber, wer du bist?“ rief Conel. „Ich bin Illan, der Sohn des Fergus!“ „Und ich bin Colnel Carnach!“ „Weh dir. Bös ist die Tat, zu der du dich hergegeben hast, Conel. Gemein und hündisch ist es von dir, mich von hinten zu durchbohren, da ich den Clan von Usnach verteidige, der zurückgekehrt ist aus Alba und dem man freies Gesuch zugesichert hat.“ „Bei meiner linken Hand“, rief Conel, „diese Beleidigung soll nicht ungerächt bleiben“, und mit einem gewaltigen Schlag trennte er Fiaras Haupt vom Leib und ging dann davon in großem Zorn und tiefer Sorge. Die Schwachheit des Todes überkam Illan, und er warf seine Waffen in das feste Haus und forderte Naisi auf, nun namentlich zu kämpfen.
Und wieder rannten die Mannen gegen das Haus des Roten Zweigs an und versuchten, es in Brand zu stecken. Hervor kamen Ardar und seine Männer, um das Feuer auszutreten. Naisi selbst griff in den Kampf ein und im letzten Drittel der Nacht, und beim Morgengrauen hatte er alle Truppen aus der Umgebung des Hauses vertrieben. Doch Conor warf neue Krieger ins Gefecht, und der Kampf tobte in der Ebene mit unerhörter Verbissenheit, bis es heller Tag war. Und das Schlachtenunglück wandte sich gegen die Männer von Ulster, und bis die Sandkörner am Meer, die Blätter im Wald, die Tautropfen auf den Wiesen und die Sterne am Himmel nicht gezählt worden sind, wird man nicht auf die große Zahl kommen, von Naisis Hand und durch die Hände seiner Brüder, die auf der Ebene lagen. Dann kam Naisi noch einmal in das Haus des Roten Zweigs zurück, machte Deidre Mut und sprach: „Wir werden entkommen, kämpfe tapfer und fürchte dich nicht.“ Da bildeten die Söhne von Usnach eine Schutzmauer mit ihren Schilden, stürzten sich wie drei Adler auf die Streitmacht Conors, und viele guten Männer ließen wiederum ihr Leben. Als nun Cachbad sah, daß die Söhne von Usnach selbst den König bedrohten, nahm er Zuflucht zur Magie und verzauberte sie, so daß ihre Waffen ihnen aus der Hand fielen und sie von den Männern von Ulster ergriffen werden konnten, denn ihre Glieder waren gelähmt von dem Zauber. Es war aber kein Mann in der Streitmacht von Ulster zu finden, der den Söhnen von Usnach den Tod geben wollte, so beliebt waren sie beim Volk und bei den Edlen. Doch war da im Haus der Edlen ein Mann, der hieß Maini, die rauhe Hand, Sohn des Königs von Lochlin, und Naisi hatte seinen Vater und seine Brüder erschlagen. Dieser Mann gab ihnen den Tod. So waren die Söhne von Usnach erschlagen, und als die Männer von Ulster vom Tod der Recken hörten, stießen sie drei laute Schreie des Kummers und der Klage aus. Deidre warf sich über die Leichen und küßte ihre toten Leiber. Dann beutelte sie ihr eigenes Haar und zerriß die Kleider. Das Grab wurde geschaufelt, und Deidre stand da mit ihrem aufgelösten Haar, vergoß viele Tränen und sang ihr Trauerlied:
Die Löwen von den Hügeln sind dahin.
Ich bin allein, ich bin allein.
Grabt tief das Grab und breit.
Denn ich bin krank und sehne mich nach Schlaf.
Die Falken aus den Wäldern sind dahin.
Ich bin allein, ich bin allein.
Grabt tief das Grab und breit,
Und lasst mich ruhn an ihrer Seite.
Die Drachen von den Felsen schlafen nun.
Und Schlaf ist’s, den kein Klagelied mehr weckt.
Schaufelt das Grab, macht es bereit.
Und lasst mich ruh’n an meines Liebsten Seite.
Märchen aus Irland