Einige Zeit nach dieser Berathung brach ein schweres Gewitter aus, das lange anhielt. Der Teufel saß wieder mit dem Donnersohn in seinem Schlupfwinkel unter dem Steine. Die Furcht hatte den alten Burschen so betäubt, daß er kein Wort von dem hörte, was sein Gefährte sprach. Am Abend aber erstiegen Beide einen hohen Berg, wo der alte Bursche den Donnersohn auf seine Schultern hob und sich dann selber durch Zauber immer weiter in die Höhe reckte, wobei er sang:
»Recke, Brüderchen, dich aufwärts,
Wachse, Freundchen, in die Höhe!«
bis er zur Wolkengrenze hinaufgewachsen war. Als der Donnersohn über den Wolkenrand hinüber spähte, sah er den Papa Kõu ruhig schlafen, den Kopf auf zusammengeballte Wolken gestützt, aber die rechte Hand lag quer über das Donnergeräth ausgestreckt. Man konnte das Instrument nicht fortnehmen, weil das Berühren der Hand den Schlafenden geweckt haben würde. Der Donnersohn kroch nun von der Schulter des alten Burschen in die Wolken hinein, schlich leise wie eine Katze näher und suchte sich durch List zu helfen. Er holte hinter seinem Ohre eine Laus hervor und setzte sie dem Papa Kõu zum Kitzeln auf die Nase. Der Alte nahm alsbald die Hand, um seine Nase zu kratzen, in demselben Augenblick aber packte der Donnersohn das frei gewordene Donnerwerkzeug und sprang vom Wolkenrand auf den Nacken des Teufels zurück, der mit ihm den Berg hinunter rannte, als hätte er Feuer hinter sich. Der alte Bursche hielt auch nicht eher an, als bis er die Hölle erreicht hatte. Hier verschloß er seinen Raub in eiserner Kammer hinter sieben Schlössern, dankte dem Donnersohn für die treffliche Hülfe und leistete auf dessen Seele völlig Verzicht.
Jetzt aber brach über die Welt und die Menschen ein Unglück herein, welches der Donnersohn nicht hatte vorhersehen können: die Wolken spendeten keinen Tropfen Feuchtigkeit mehr, und Alles welkte in der Dürre hin. – Habe ich leichtsinniger Weise dieses unerwartete Elend über die Leute gebracht, so muß ich suchen, die Sache, soweit möglich, wieder gut zu machen, – dachte der Donnersohn und überlegte, wie der Noth abzuhelfen sei. Er zog gen Norden an die finnische Grenze, wo ein berühmter Zauberer wohnte, entdeckte ihm den Raub und gab auch an, wo das Donnerwerkzeug gegenwärtig versteckt sei. Da sagte der Zauberer: »Zunächst muß dem alten Vater Kõu Kunde werde, wo sein Donnergeräth festgehalten wird, er findet dann selbst wohl Mittel und Wege, wieder zu seinem Eigenthume zu gelangen.« Und er schickte dem alten Wolkenvater Botschaft durch den Adler des Nordens. Gleich am folgenden Morgen kam Kõu zum Zauberer, um ihm dafür zu danken, daß er die Spur des Diebstahls nachgewiesen hatte. Sodann verwandelte sich der Donnerer in einen Knaben, suchte einen Fischer auf und verdingte sich bei demselben als Sommerarbeiter. Er wußte nämlich, daß der Teufel häufig an den See kam, um Fische zu raffen, und hoffte ihn dort einmal zu treffen. Wiewohl nun der Knabe Pikker Tag und Nacht kein Auge von seinen Netzen verwandte, so verging doch eine Weile, ehe er des Feindes ansichtig wurde. Dem Fischer war es längst aufgefallen, daß oftmals die bei Nacht in den See gelassenen Netze am Morgen leer heraufgezogen wurden, aber er konnte die Ursache nicht erklären. Sein Knabe wußte freilich recht gut, wer der Fischdieb sei, aber er wollte nicht früher sprechen, als bis er seinem Herrn den Dieb auch zeigen könnte.
In einer mondhellen Nacht, als er mit seinem Herrn an den See kam, um nach den Netzen zu sehen, traf es sich, daß der Dieb gerade bei der Arbeit war. Als sie über den Rand ihres Kahnes in’s Wasser blickten, sahen sie Beide, wie der alte Bursche aus den Maschen des Netzes Fische heraus holte und in seinen Schultersack stopfte. Am folgenden Tage ging der Fischer einen berühmten Zauberer um Hülfe an und bat ihn, den Dieb durch seine Kunst dermaßen an das Netz zu bannen, daß er ohne Willen des Besitzers sich nicht los machen könne. Das geschah denn auch ganz nach des Fischers Wunsch. Als man am folgenden Tage das Netz aus dem See herauf wand, kam auch der alte Bursche mit an die Oberfläche und wurde an’s Ufer gebracht. Hei! was er da vom Fischer und Fischerknaben durchgegerbt wurde! Da er ohne Willen des Zauberers vom Netze nicht loskommen konnte, so mußte er alle Hiebe ruhig hinnehmen. Die Fischer zerschlugen ihm wohl ein Fuder Prügelstecken auf dem Leibe, ohne hinzusehen auf welchen Körpertheil die Schläge fielen. Des alten Burschen Kopf blutete und war dick aufgeschwollen, die Augäpfel traten aus ihren Höhlen – es war ein gräßlicher Anblick – aber der Fischer und sein Knabe hatten kein Erbarmen mit dem gemarterten Teufel, sondern ruhten nur von Zeit zu Zeit aus, um von neuem darauf los zu dreschen. Als klägliches Bitten nicht half, bot der alte Bursche endlich ein hohes Lösegeld, ja er versprach dem Fischer die Hälfte seiner Habe und noch mehr, wenn der Bann gelöst würde. Der erzürnte Fischer ließ sich aber nicht eher auf den Handel ein, als bis ihm die letzte Kraft ausging, so daß er keinen Stock mehr rühren konnte. Endlich kam, nachdem ein Vertrag geschlossen worden, der alte Bursche mit Hülfe des Zauberers vom Netze los, worauf er den Fischer bat, er möge nebst seinem Knaben mit ihm kommen, um das Lösegeld abzuholen. Wer weiß, ob er nicht hoffte, sie noch durch irgend eine List zu betrügen.
Im Höllenhofe wurde den Gästen ein prächtiges Fest bereitet, das über eine Woche dauerte und bei welchem es an Nichts fehlte. Der alte Wirth zeigte den Gästen seine Schatzkammern und geheimnißvollen Geräthe, und ließ von seinen Spielleuten dem Fischer zur Erheiterung die schönsten Weisen aufspielen. Eines Morgens sprach der Knabe Pikker heimlich zum Fischer: »Wenn du heute wieder bewirthet und geehrt wirst, so bitte dir aus, daß man das Instrument bringe, welches in der Eisenkammer hinter sieben Schlössern liegt.« Bei Tische, als die Männer schon einen halben Rausch hatten, bat der Fischer, man möge ihm das Instrument aus der geheimen Kammer zeigen. Der Teufel zeigte sich willig, holte das Instrument herbei und fing selbst an darauf zu spielen. Allein obgleich er aus Leibeskräften hineinblies und die Finger an der Röhre auf und ab bewegte, so war der Ton, den er herausbrachte, doch nicht besser als das Geschrei einer Katze, die in den Schwanz gekniffen wird, oder das Gequieke eines Ferkels, das man auf die Wolfsjagd nimmt. Lachend sagte der Fischer: »Quälet euch nicht umsonst ab! ich sehe wohl, daß aus euch doch kein Dudelsackbläser mehr wird! Mein Hüterknabe würde es besser machen.« »Oho!« rief der Teufel. – »Ihr meint vielleicht, das Blasen auf dem Dudelsack sei ungefähr wie das Flöten auf einem Weidenrohr, und haltet es für ein Kinderspiel? Komm, Freundchen, versuch‘ es erst, und wenn du oder dein Hüterknabe etwas wie einen Ton auf dem Instrumente hervorbringen könnt, so will ich nicht länger der Höllenwirth heißen.« »Da versuch’s!« rief er und reichte das Instrument dem Knaben hin. Der Knabe Pikker nahm es, als er aber den Mund an die Röhre setzte und hineinblies, da erbebten die Wände der Hölle, der Teufel und sein Gesinde fielen ohnmächtig hin und lagen wie todt da. Plötzlich stand an Stelle des Knaben der alte Vater Donnerer selbst neben dem Fischer, dankte für geleistete Hülfe und sagte: »Künftig, wenn mein Instrument wieder aus den Wolken ertönt, soll deinen Netzen reiche Gabe beschieden sein.« Dann trat er eilig die Heimkehr an.
Unterwegs kam ihm der Donnersohn entgegen, fiel auf die Knie, bereute seine Schuld und bat demüthig um Verzeihung. Der Vater Kõu sagte: »Oft genug vergeht sich des Menschen Leichtsinn gegen die Weisheit des Himmels; danke drum deinem Glücke, Söhnchen, daß ich wieder Macht habe, die Spuren des Elends zu vertilgen, welches deine Thorheit über die Leute gebracht hat.« Mit diesen Worten setzte er sich auf einen Stein und blies das Donnerinstrument, bis die Regenpforten sich aufthaten und die Erde tränkten. Den Donnersohn nahm der alte Kõu als Knecht zu sich, und da muß er noch sein.
[Estland: Friedrich Reinhold Kreutzwald: Ehstnische Märchen]