Nicht lange, so geschah es daß eines Morgens der junge Königssohn auf dem Hofe Ball spielte. Da trat der eiserne Mann ans Gitter und spielte mit einem Balle, der sprang, wenn man ihn auf die Erde warf, weit höher als der des Königssohnes und war auch weit schöner anzusehen; denn er war ganz golden. Da bat der Kleine gar freundlich um den Ball, und der eiserne Mann winkte ihm ans Gitter und sprach heimlich »Schließ die Thür auf, so schenk ich dir den Ball.« Und der Knabe schlich leise zur Thür und machte sie auf. Da sprang der eiserne Mann heraus, gab ihm den goldnen Ball und lief quer über das Feld in den Wald.
Wie der König erfuhr daß der eiserne Mann entsprungen war, that er einen großen Schwur, wer das Gitter aufgemacht habe, der solle sterben. Da kam sein liebes Söhnlein und bekannte demüthiglich daß es den eisernen Mann herausgelassen habe, und der König erschrak daß er seinem Sohne den Tod geschworen hatte, doch sein Wort mußte er halten. Er sandte zwei Jäger mit dem Sohne in den Wald, und die sollten ihm das Leben nehmen. Die Jäger aber erbarmte der schöne Knabe: sie ließen ihn frei im Walde und hießen ihn in Gottes Namen laufen so weit der Himmel blau sei; und sie schossen ein wildes Schwein, schnitten ihm beide Augen und das Herz aus und brachten sie dem Könige und sagten, dies seien die Augen und das Herz seines Sohnes.
Der Knabe irrte den ganzen Tag in dem weiten Walde umher; und als der Abend kam, setzte er sich weinend auf einen Baumstumpf und klagte daß ihn nun, wenn er in der Nacht schliefe, die wilden Thiere auffressen würden. Da stand plötzlich der eiserne Mann vor ihm, strich ihm das Haar freundlich mit seiner eisernen Hand und sprach »Sei getrost, mein Bub; du hast mir geholfen, so will ich dir auch helfen. Den Thieren in meinem Walde will ich befehlen daß sie dir kein Leid thun; morgen früh aber will ich dich aus dem Walde vor das Schloß eines mächtigen Königs führen, und vor dem Fenster der Königstochter sollst du mit dem goldnen Balle spielen und sollst noch einst ein größerer König werden als dein Vater ist.« Da legte sich der Knabe getrost aufs grüne Moos und schlief sanft ein; und die goldnen Sternlein gingen leise über den Himmel um ihn nicht aufzuwecken: als aber die liebe Sonne kam und ihn anlachte, sprang er auf, und der eiserne Mann war auch schon da, und sie gingen durch den Wald; und als sie ins Freie kamen, stand ein prachtvolles Schloß vor ihnen, und der eiserne Mann zeigte dem Knaben das Fenster der Königstochter und sprach zu ihm »Wenn die Königstochter den goldnen Ball sieht, wird sie ihn haben wollen; du darfst ihn aber nicht ihr schenken, wenn sie dir nicht erlaubt daß du eine Nacht in ihrem Zimmer schläfst, und wenn du das gethan hast, komm morgen früh wieder zu mir.« Und wie es der eiserne Mann vorhergesagt hatte, so geschah es. Kaum hatte der Knabe einige Zeit mit seinem Ball vor dem Fenster gespielt, so kam die Königstochter heraus; und sie war ein gar niedliches kleines Mädchen und sagte »Ach was hast du für einen schönen Ball! schenk ihn mir, so kannst du dir eine Gnade von mir ausbitten«. – »So bitt ich mir aus« sprach der Knabe »daß ich heut Nacht in deiner Kammer schlafe.« – »Ich will den Vater fragen ob ichs erlauben darf« sagte das Königstöchterlein und sprang ins Schloß; und bald kam sie wieder und sprach »Der Vater meint, wenn du hübsch artig bist, kann ich dirs wohl erlauben.« Nun spielten sie den ganzen Tag mit dem Balle, und am Abend gingen sie ins Schlafkämmerlein des Fräuleins, und sie legte sich in ihr seidnes Bett; der Knabe aber legte sich auf die Erde, und weil die Diele so hart war, sprach das Mädchen »Wart, ich will dir ein Bettlein geben, daß du dich nicht so drückst.« Und sie gab ihm ein Bett und behielt eins für sich, und sie sagten sich gut Nacht und schliefen still bis an den Morgen.
Am Morgen nahm der Knabe Abschied und ging wieder in den Wald und erzählte dem eisernen Mann Alles, wie es gekommen war. Und er blieb ein ganzes Jahr bei ihm und wurde täglich größer und schöner. Als aber das Jahr um war, gab ihm der eiserne Mann einen Ball von ganz durchsichtigem Krystall; der sah aus, wenn man ihn in die Höhe warf, wie klares Wasser, wenn die Sonne hindurch scheint: und er hieß ihn wieder zum Schlosse gehen und vor dem Fenster der Königstochter damit spielen. Und wie er so spielte, kam die Königstochter ans Fenster, und sie hätte ihn kaum wieder erkannt, so groß war er geworden. Sie schämte sich zu ihm zu gehen und um den Ball zu bitten; darum bat sie ihren Vater, er möchte doch zu dem schönen Jünglinge schicken und fragen lassen ob er ihr den Ball nicht schenken wolle. Der Vater aber dachte »Was will der verlaufene Bube immer vor meinem Schlosse?« und er ließ ihn fangen, gab den Ball seiner Tochter, und den Prinzen schickte er in die Küche, wo er als Küchenjunge viele Wochen schwere Dienste thun mußte, bis er eine Stunde abpaßte und heimlich entsprang.
Er lief nun wieder in den Wald und klagte dem eisernen Mann wie traurig es ihm ergangen war. Doch der tröstete ihn und sprach »Gräme dich nicht; es wird noch Alles gut werden. Ein großes Heer zieht gegen den König heran: ich will dir ein Pferd und eine Rüstung geben, damit ziehe hin und stelle dich in des Königs Heer.« Und er führte ihn zu einem hohlen Berge, in dem standen viele tausend Pferde, und es lagen viele tausend Rüstungen dort: er waffnete ihn selbst mit seiner eisernen Hand, gab ihm noch manchen guten Rath, und der Königssohn zog in den Krieg. Er kam in eine große Schlacht und zeigte sich als den tapfersten Ritter darin, und durch ihn wurde die Schlacht gewonnen, und er rettete auch dem Könige das Leben. Auch er aber wurde verwundet; und der König verband ihm die Wunde mit seiner eignen Schärpe und gebot seinen Dienern ihn wohl zu pflegen. Doch ehe sie sichs versahen, war er verschwunden. Er war aber zum eisernen Mann in den Wald geritten; und der freute sich, daß Alles so wohl gelungen war, und gab ihm einen Ball, der war noch weit schöner als die beiden ersten und war von rothem Karfunkelstein. Damit ging der Königssohn wieder in seiner gewöhnlichen Tracht vor das Fenster der Königstochter und spielte. Und als sie den Ball sah, war sie ganz untröstlich, daß sie ihn nicht haben sollte. Unterdeß war auch der König mit seinem Heere heimgekehrt; und die Prinzessin sprang ihm entgegen, küßte ihn vielmal und sprach »Da du die große Schlacht gewonnen hast und ich dich so herzlich lieb habe, will ich dich um Etwas bitten, und das darfst du mir nicht abschlagen.« Und der König versprach zu thun was sie wollte. »Der schöne fremde Jüngling ist wieder hier« sagte sie: »er hat einen Ball von rothem Karfunkelstein, und den soll er mir geben, was er auch dafür fordert. Du darfst ihm aber Nichts zu Leide thun.« Doch der Jüngling wollte nicht Gold noch Kostbarkeiten für seinen Ball nehmen, sondern er verlangte die folgende Nacht noch einmal mit der Prinzessin in einer Kammer zu schlafen. Das mußte der König denn gewähren; doch als sie schliefen, schlich er zu ihnen und wollte den Prinzen ermorden. Aber wie verwundert war er, als er sah daß seine eigne Schärpe um den einen Arm des Prinzen gewunden war. Da erkannte er seinen Erretter, weckte die beiden auf und fragte ob sie Mann und Frau werden wollten. Das waren sie gern zufrieden und hielten schon am folgenden Morgen Hochzeit; und am Abend gingen sie in den Wald zum eisernen Manne, erzählten ihm ihr Glück und baten ihn mit auf ihr Schloß zu ziehen. Doch der eiserne Mann sagte, er müsse in seinem Walde bleiben und seine Thiere bewachen, und er bat sie nur ihn manchmal zu besuchen, was sie auch treulich thaten.
Emil Friedrich Julius Sommer (1819–1846)
[Sagen Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen. Deutsche Märchen und Sagen]