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Einstmals wurde ein armer Fischer mit einer Meermaid bekannt, in einer Höhle an der Meeresküste. Bei seinem ersten Erscheinen war sie in ein Angstgeschrei ausgebrochen, doch sowie sie sich etwas beruhigt, erteilte sie ihm den Rat, sich davon zu machen, um ihrem Bruder aus dem Wege zu gehen, am nächsten Tage aber frühzeitig wiederzukehren.
Auf seinem Heimwege fiel der Fischer ins Meer, wurde jedoch an einem Tau, das sich ihm um den Leib gewunden, alsbald wieder ans Ufer geschleudert. Und als er hernach daran riß, zog er eine Kiste voll Schätze ans Gestade, zu deren Heimschaffung er der ganzen Nacht bedurfte. Daher erschien er am nächsten Tage verspätet beim Stelldichein in der Höhle und fand nicht die Meermaid, die nach ihrem Versprechen sich hier mit ihm hätte begegnen sollen.
Doch in der folgenden Nacht ward er plötzlich aus dem Schlaf wachgerüttelt und vor ihm stand die Meermaid, die gekommen war, ihn auszufordern, am nächsten Morgen beizeiten zu erscheinen.
Auf seinem Wege zum Strand vernahm er von einigen Fischern, daß sie während der Nacht vergebens gearbeitet hätten, da eine große und stattliche Meermaid ihr Netz geöffnet habe, um den besten Fisch zu rauben, während sie den Rest entwischen gelassen.
Als er sodann an die Höhle herankam, fand er die Meermaid, die eben ihr Haar kämmte, schon seiner harrend. Sie überraschte ihn mit der Nachricht, daß sie gekommen sei, um zwischen den Bewohnern des Landes zu leben, gleichwohl sie, wie sie erzählte, die Tochter eines Seekönigs war.
Sie war auch nicht mehr völlig nackend, vielmehr gleich einem menschlichen Weibe bekleidet. In der einen Hand hatte sie ein Diadem aus purem Gold und in der anderen eine kostbare Mütze. Ersteres setzte sie sich aufs Haupt, während sie letztere dem Jüngling, Ifan Morgan mit Namen, überreichte, mit dem Wunsche, daß er sie behalten möge.
Darauf erzählte sie ihm, wie er ihr vor langer Zeit schon aufgefallen war, als er noch ein Knabe gewesen und draußen im Meere im weißen Boote seines Vaters fischte. Und wie sie ihn ein Lied singen gehört, durch das er ihr lieb geworden und wie sie es versucht habe, dieses Lied am Hofe ihres Vaters zu wiederholen, wo jeder es gern gehört haben würde.
So manches Mal noch – berichtete sie, – hatte sie gelauscht, ob sie es wohl wieder vernehmen würde; jedoch vergebens. So habe sie denn von ihrer Familie Erlaubnis erhalten, mit all ihren Schätzen zu kommen und zu sehen, ob er es ihr lernen wollte. Aus Liebe zu ihm hätte sie sich auch verwandelt, da sie gedacht, ihre Neigung würde unerwidert bleiben, wenn sie nicht in der Gestalt erschiene, in der sie jetzt wäre.
Nachdem sie ihm noch gesagt, daß sie Nefyn hieße, Tochter des Nefyd Naf Neifion sei und Nichte von Gwyn, des Sohnes von Nud und Gwydions, Sohns von Dôn, beruhigte sie seine Bedenken der niedrigen Hütte wegen, in der er lebte.
Daraufhin erbat er sich Nefyn zu seinem Weibe und diese willigte ein unter der Bedingung, daß er die Mütze, die sie ihm schenkte, stets bewahren und jenes Lied ihr lehren würde.
Sie heirateten und lebten glücklich zusammen und bekamen fünfmal Kinder geboren, einen Sohn und eine Tochter ein jegliches Mal. Sie begaben sich noch häufig nach jener Höhle, doch niemand ahnte, daß sie dort ihre Schätze verborgen hatten.
Einstmals fuhren sie in einem Boote zum Vergnügen aufs Meer hinaus, wie dies dann und wann ihre Gewohnheit war, wobei sechs oder sieben ihrer Kinder sie begleiteten. Als sie ziemlich weit vom Lande entfernt waren, erhob sich plötzlich ein großer Sturm. Außer den üblichen Begleiterscheinungen eines Gewitters zur See wurde wildes, unterirdisches Grollen und Getöse wahrnehmbar, so daß die Kinder sehr erschraken, während deren Mutter voller Unbehagen drein blickte.
Doch plötzlich beugte sie ihr Haupt über den Rand des Bootes und murmelte etwas in die Tiefe hinab, das die Kinder nicht verstehen konnten. Allein zu ihrer Überraschung beruhigte sich fast im Augenblicke das Meer.
So gelangten sie denn unversehrt wieder heim. Doch die älteren Kinder blieben voll Neugier, zu erfahren, was ihrer Mutter solche Macht über die See verschaffen mochte.
Es geschah nicht lange nach diesem Begebnis, daß die Kinder ein bösartiges altes Weib mit ihren Neckereien zornig machten, worauf es ihnen die geheimnisvolle Abkunft ihrer Mutter enthüllte. Der älteste Knabe erinnerte sich sogleich daran, wie seine Mutter auf dem Meere mit irgend jemand in der Nähe des Bootes gesprochen, auch entsann er sich nun, daß es ihm niemals erlaubt worden war, mit den Eltern zur Höhle Ogof Deio zu gehen. Er gedachte auch der Erzählungen seiner Mutter von all den fremden Ländern, die sie gesehen.
Einmal kam nach Ifan Morgans Heim, das nunmehr ein stattliches Herrenhaus war, ein Besucher, den die Kinder nicht sehen durften. Und eines Nachts, als der junge Mond hinter dem westlichen Horizont versunken war, verließen Ifan und seine Frau in aller Stille das Haus, nachdem sie zu einem Knecht erklärt, daß sie vor drei Wochen oder einem Monat nicht wiederkehren würden, was der älteste Sohn vernommen hatte.
Er folgte verstohlen ihnen hinterdrein, bis daß sie an den Strand gelangten, wo er sah, wie seine Mutter eine Art von ledernem Mantel um sich und den Vater warf, worauf beide in die Höhlung einer Woge sich hinabgleiten ließen, die herbeigekommen war, um sie zu entführen.
Der Sohn kehrte heim und das Herz brach ihm vor Schmerz. Er starb am neunten Tage nach seiner Entdeckung, daß seine Mutter eine Meerjungfrau war. Als die Zwillingsschwester ihren Bruder tot auffand, ging sie hin und warf sich in die See. Allein anstatt zu ertrinken, wurde sie von einem hübschen Ritter auf sein Roß gehoben, das sodann über die Wogen davongaloppierte, als wäre es trockenes und ebenes Land gewesen.
Die Diener daheim wußten nicht, was sie beginnen sollten, da Nefyd Morgan tot war und Eilonwy sich in das Meer geworfen hatte. Doch Tegid, der zweite Sohn, der kühnen Herzens und scharfen Verstandes war, trug ihnen auf, den Leichnam Nefyds an den Strand zu bringen, wo sicherlich jemand erscheinen würde, um ihn zur Familie seiner Mutter einzuholen.
Um Mitternacht erschien im Hause ein Ritter, der anordnete, daß das Leichenbegängnis um drei Uhr des nämlichen Morgens stattfinden sollte. Und er sagte ihnen auch, daß der Bruder zu ihnen zurückkehren würde, da Gwydion ab Dôn ihm ein Herz geben werde, das kein Gewicht zerbrechen könnte. Auch erklärte er, daß Eilonwy alsbald mit einem der stattlichsten und kühnsten Ritter, Gwerdonau Llion, sich vermählen würde und daß ihre Eltern mit Gwyn ab Nud im Gwaelodion wären.
Der erhaltenen Weisung gemäß wurde der Leichnam an den Strand gebracht und sowie die Woge ihn berührte, sprang Nefyd aus seinem Sarge hervor. Darauf sah man, wie er Arm in Arm mit Gwydion ab Dôn zu einem Schiffe ging, das ihrer harrte, und die bezauberndste Musik ward dieweil von jenen an der Küste vernommen. Doch alsbald segelte das Schiff hinweg, kaum daß es dabei den Kamm der Wogen berührte.
Nachdem Jahr und Tag verstrichen waren, kehrte Ifan Morgan, der Vater, zurück. Er sah weit besser und vornehmer aus, denn je zuvor es der Fall gewesen. Er erwähnte aber nichts von Nefyn, seiner Frau, bis daß eines Tages Tegid ihn nach dem Verbleib seiner Mutter befragte.
Sie war auf Suche aus – wie er erzählte – nach Eilonwy, die ihrem Gatten Gwerdonau Llion mit Glanfryd ab Gloywfraint entlaufen war. In kurzer Zeit würde sie wiederkehren, so dächte er, und ihnen dann von all den Wundern berichten, die sie dabei gesehen.
Ifan Morgan legte sich in jener Nacht zu Bette und ward am nächsten Morgen tot aufgefunden. Man ahnte sogleich, daß sein Tod von dem Schwarzen Ritter verursacht worden sein mußte, den man gegen Mitternacht durch einige Zeit in der Gegend jagen gesehen und der, wenn er verfolgt wurde, stets in einer Quelle zu verschwinden pflegte, die unfern aus einer finsteren Vertiefung hervorsprudelte.
Am Tage von Ifan Morgans Begräbnis kehrte Nefyn, seine Gattin, zurück und wehklagte in vielen Tränen über seinem Leichnam. Seither ward sie niemals wieder auf dem trockenen Lande erblickt!
Tegid hatte nun die Lasten der Familie über sich und er erwies sich in allen Dingen, wie es sich einem Manne geziemte, und zeigte sich geleitet von hohen Prinzipien und großer Generosität. Er war sehr vermögend; doch empfand er oft einen stillen Kummer bei dem Gedanken an die ungesühnte Ermordung seines Vaters.
Eines Tages, als er und zwei seiner Brüder in einem Fischerkahn in der benachbarten Bucht sich befanden, wurden sie durch den Wind an die wundervollste Stelle getrieben, die sie jemals gesehen. Die See war da so glatt wie Glas und so durchsichtig und klar wie sonnenerhellte Luft, dieweil sie darunter und anscheinend unfern von ihnen ein herrliches Land erblickten, eine Gegend mit fruchtbaren Äckern, mit Tälern, bedeckt von Weidegründen, mit blühenden Hecken, in ihr grünes Laubwerk gekleidet und Wäldern, die anmutig ihre Blätterpracht entfalteten; mit Flüssen, die lässig ihrem eigenen gewundenen Laufe zusahen und mit Herrensitzen, da und dort verstreut, und von der schönsten und genialsten Bauart.
Gleichzeitig gewahrten sie, wie die Bewohner drunten mit allerlei Spielen und Lustbarkeiten sich die Zeit vertrieben. Hier und dort erscholl Musik und wirbelten die Paare in leidenschaftlichen Tänzen. Fürwahr, die sich kräuselnden Wellchen schienen von jener Musik in sich aufgenommen zu haben, so daß deren gelindes Echo, anmutig von den Wogen weitergeleitet, nicht eher innehielt ihr Ohr zu entzücken, als bis sie das Gestade erreicht hatten.
In dieser Nacht hatten die drei Brüder den gleichen Traum: daß nämlich der Schwarze Ritter, der ihren Vater erdrosselt, in der Höhle an der Küste Unterschlupf gesucht habe.
So machten sie sich denn am Morgen nach der Höhle auf, doch der Schwarze Ritter floh vor ihnen und galoppierte über die See davon, als ob er zum Vergnügen über eine Wiese geritten wäre.
An diesem Tage wollten ihre Schwestern, die auf dem Heimweg aus der Schule sich befanden, in einem Boote über einen schmalen Meeresarm setzen, als ein Sturm sich erhob und das Fahrzeug zum Kentern brachte, so daß sie alle ertranken.
Die Brüder schrieben diese neuerliche Freveltat niemand anderem als dem Schwarzen Ritter zu.
Um jene Zeit herrschte große Bestürzung unter dem Fischervolke einer Seeschlange wegen, die sich um einen Felsen in der Nähe der Höhle gewunden hatte. Sie wagten nichts gegen diese zu unternehmen, doch baten sie Tegid und seine Brüder, dahin zu gehen und sie zu töten.
Als die Brüder eines Tages an die Stelle kamen, vernahmen sie eine tiefe Stimme, die also zu ihnen redete:
– – »Tötet nicht eure Schwester!«
Darüber verwunderten sich die Brüder sehr und begaben sich schließlich wieder heim. Aber in der Nacht kehrte Tegid allein zurück und rief seine Schwester bei ihrem Namen. Nach einiger Weile kroch diese in Gestalt einer Seeschlange ihm entgegen und sagte, daß sie einige Zeit in dieser Umwandlung verbleiben müßte, zur Strafe dafür, daß sie mit einem fremden Manne ihrem Gatten davongelaufen. Dann erzählte sie, daß sie ihre Schwestern mit der Mutter beisammen gesehen, und anderes mehr.
Doch plötzlich und unversehens erschien der Schwarze Ritter vor ihnen. Er zückte sein Schwert, das Feuer und Flamme sprühte, und hob an, die Seeschlange in tausend Stücke zu zerhauen, die jedoch immer wieder sich vereinten; und so sehr er auch dreinschlagen mochte, sie ward immer wieder ganz wie zuvor.
Das Ende davon war, daß die riesige Schlange sich in einem Knäuel um den Leib des Schwarzen Ritters wickelte und ihm einen furchtbaren Biß in die Brust versetzte.
In diesem Moment erschien ein Weißer Ritter und durchbohrte den Schwarzen mit seinem Speer, worauf dieser zusammenbrach, während der Weiße Ritter, mit der Seeschlange als Wickel um den Nacken, hastig davoneilte.
Auch Tegid stürzte nun aus Leibeskräften von dannen. Doch geschah dies nicht etwa vor einem fürchterlichen Ungeheuer; vielmehr schien alles, was er jemals Feindliches geschaut, ihn nun auf einmal anfallen zu wollen.
Es beunruhigte ihn in jeglicher Art: bald glaubte er die See auf sich zukommend, doch Tegid vermochte zu schwimmen. Bald vermeinte er einen Eisberg vor sich, doch Tegid vermochte ihn zu erklimmen. Und bald war er wie ein Schmelzofen voll sprühendem Feuer, doch die Glut konnte ihm nichts anhaben. Am häufigsten zeigte sich die Gefahr als Zwitterwesen von grimmem Raubtier und giftigem Reptil.
Mit einem Male erschien ein Jüngling, erfaßte Tegids Arm und ermunterte ihn, worauf die Schreckbilder entflohen, während ein Schwarm von Rittern in glänzenden Rüstungen, auf stolz sich bäumenden Rossen herbeigeritten kam. In ihnen erkannte er seine Brüder und er folgte ihnen nach der Heimat seiner Mutter.
Er wurde daselbst freudig willkommen geheißen und fand dort alle glücklich beisammen, mit Ausnahme seines Vaters, den er von der Oberwelt zu holen beschloß. Er bekam zu diesem Zwecke von seinem Großvater Urlaub zugebilligt. Seine Mutter und seine Brüder gingen mit ihm, um nach dem Körper des Vaters zu sehen, doch jener war als Erdgeborener nicht mehr zu erwecken!
So bat denn Tegid, der seinen Vater ganz außerordentlich geliebt, um die Erlaubnis, an dessen Grabe verweilen zu dürfen, wo er bis zum heutigen Tage geblieben ist.
Seine Mutter pflegt dahin zu kommen, um ihm Trost zuzusprechen und seine Brüder schicken ihm Geschenke. Auch heißt es, daß seine Zwillingsschwester Ceridwen seit langem schon zu ihm gekommen wäre, um in seiner Nähe zu leben, ihm beizustehen und neben ihm in Ehre und Würde ein friedliches, stilles Dasein zu führen.
Auf seinem Heimwege fiel der Fischer ins Meer, wurde jedoch an einem Tau, das sich ihm um den Leib gewunden, alsbald wieder ans Ufer geschleudert. Und als er hernach daran riß, zog er eine Kiste voll Schätze ans Gestade, zu deren Heimschaffung er der ganzen Nacht bedurfte. Daher erschien er am nächsten Tage verspätet beim Stelldichein in der Höhle und fand nicht die Meermaid, die nach ihrem Versprechen sich hier mit ihm hätte begegnen sollen.
Doch in der folgenden Nacht ward er plötzlich aus dem Schlaf wachgerüttelt und vor ihm stand die Meermaid, die gekommen war, ihn auszufordern, am nächsten Morgen beizeiten zu erscheinen.
Auf seinem Wege zum Strand vernahm er von einigen Fischern, daß sie während der Nacht vergebens gearbeitet hätten, da eine große und stattliche Meermaid ihr Netz geöffnet habe, um den besten Fisch zu rauben, während sie den Rest entwischen gelassen.
Als er sodann an die Höhle herankam, fand er die Meermaid, die eben ihr Haar kämmte, schon seiner harrend. Sie überraschte ihn mit der Nachricht, daß sie gekommen sei, um zwischen den Bewohnern des Landes zu leben, gleichwohl sie, wie sie erzählte, die Tochter eines Seekönigs war.
Sie war auch nicht mehr völlig nackend, vielmehr gleich einem menschlichen Weibe bekleidet. In der einen Hand hatte sie ein Diadem aus purem Gold und in der anderen eine kostbare Mütze. Ersteres setzte sie sich aufs Haupt, während sie letztere dem Jüngling, Ifan Morgan mit Namen, überreichte, mit dem Wunsche, daß er sie behalten möge.
Darauf erzählte sie ihm, wie er ihr vor langer Zeit schon aufgefallen war, als er noch ein Knabe gewesen und draußen im Meere im weißen Boote seines Vaters fischte. Und wie sie ihn ein Lied singen gehört, durch das er ihr lieb geworden und wie sie es versucht habe, dieses Lied am Hofe ihres Vaters zu wiederholen, wo jeder es gern gehört haben würde.
So manches Mal noch – berichtete sie, – hatte sie gelauscht, ob sie es wohl wieder vernehmen würde; jedoch vergebens. So habe sie denn von ihrer Familie Erlaubnis erhalten, mit all ihren Schätzen zu kommen und zu sehen, ob er es ihr lernen wollte. Aus Liebe zu ihm hätte sie sich auch verwandelt, da sie gedacht, ihre Neigung würde unerwidert bleiben, wenn sie nicht in der Gestalt erschiene, in der sie jetzt wäre.
Nachdem sie ihm noch gesagt, daß sie Nefyn hieße, Tochter des Nefyd Naf Neifion sei und Nichte von Gwyn, des Sohnes von Nud und Gwydions, Sohns von Dôn, beruhigte sie seine Bedenken der niedrigen Hütte wegen, in der er lebte.
Daraufhin erbat er sich Nefyn zu seinem Weibe und diese willigte ein unter der Bedingung, daß er die Mütze, die sie ihm schenkte, stets bewahren und jenes Lied ihr lehren würde.
Sie heirateten und lebten glücklich zusammen und bekamen fünfmal Kinder geboren, einen Sohn und eine Tochter ein jegliches Mal. Sie begaben sich noch häufig nach jener Höhle, doch niemand ahnte, daß sie dort ihre Schätze verborgen hatten.
Einstmals fuhren sie in einem Boote zum Vergnügen aufs Meer hinaus, wie dies dann und wann ihre Gewohnheit war, wobei sechs oder sieben ihrer Kinder sie begleiteten. Als sie ziemlich weit vom Lande entfernt waren, erhob sich plötzlich ein großer Sturm. Außer den üblichen Begleiterscheinungen eines Gewitters zur See wurde wildes, unterirdisches Grollen und Getöse wahrnehmbar, so daß die Kinder sehr erschraken, während deren Mutter voller Unbehagen drein blickte.
Doch plötzlich beugte sie ihr Haupt über den Rand des Bootes und murmelte etwas in die Tiefe hinab, das die Kinder nicht verstehen konnten. Allein zu ihrer Überraschung beruhigte sich fast im Augenblicke das Meer.
So gelangten sie denn unversehrt wieder heim. Doch die älteren Kinder blieben voll Neugier, zu erfahren, was ihrer Mutter solche Macht über die See verschaffen mochte.
Es geschah nicht lange nach diesem Begebnis, daß die Kinder ein bösartiges altes Weib mit ihren Neckereien zornig machten, worauf es ihnen die geheimnisvolle Abkunft ihrer Mutter enthüllte. Der älteste Knabe erinnerte sich sogleich daran, wie seine Mutter auf dem Meere mit irgend jemand in der Nähe des Bootes gesprochen, auch entsann er sich nun, daß es ihm niemals erlaubt worden war, mit den Eltern zur Höhle Ogof Deio zu gehen. Er gedachte auch der Erzählungen seiner Mutter von all den fremden Ländern, die sie gesehen.
Einmal kam nach Ifan Morgans Heim, das nunmehr ein stattliches Herrenhaus war, ein Besucher, den die Kinder nicht sehen durften. Und eines Nachts, als der junge Mond hinter dem westlichen Horizont versunken war, verließen Ifan und seine Frau in aller Stille das Haus, nachdem sie zu einem Knecht erklärt, daß sie vor drei Wochen oder einem Monat nicht wiederkehren würden, was der älteste Sohn vernommen hatte.
Er folgte verstohlen ihnen hinterdrein, bis daß sie an den Strand gelangten, wo er sah, wie seine Mutter eine Art von ledernem Mantel um sich und den Vater warf, worauf beide in die Höhlung einer Woge sich hinabgleiten ließen, die herbeigekommen war, um sie zu entführen.
Der Sohn kehrte heim und das Herz brach ihm vor Schmerz. Er starb am neunten Tage nach seiner Entdeckung, daß seine Mutter eine Meerjungfrau war. Als die Zwillingsschwester ihren Bruder tot auffand, ging sie hin und warf sich in die See. Allein anstatt zu ertrinken, wurde sie von einem hübschen Ritter auf sein Roß gehoben, das sodann über die Wogen davongaloppierte, als wäre es trockenes und ebenes Land gewesen.
Die Diener daheim wußten nicht, was sie beginnen sollten, da Nefyd Morgan tot war und Eilonwy sich in das Meer geworfen hatte. Doch Tegid, der zweite Sohn, der kühnen Herzens und scharfen Verstandes war, trug ihnen auf, den Leichnam Nefyds an den Strand zu bringen, wo sicherlich jemand erscheinen würde, um ihn zur Familie seiner Mutter einzuholen.
Um Mitternacht erschien im Hause ein Ritter, der anordnete, daß das Leichenbegängnis um drei Uhr des nämlichen Morgens stattfinden sollte. Und er sagte ihnen auch, daß der Bruder zu ihnen zurückkehren würde, da Gwydion ab Dôn ihm ein Herz geben werde, das kein Gewicht zerbrechen könnte. Auch erklärte er, daß Eilonwy alsbald mit einem der stattlichsten und kühnsten Ritter, Gwerdonau Llion, sich vermählen würde und daß ihre Eltern mit Gwyn ab Nud im Gwaelodion wären.
Der erhaltenen Weisung gemäß wurde der Leichnam an den Strand gebracht und sowie die Woge ihn berührte, sprang Nefyd aus seinem Sarge hervor. Darauf sah man, wie er Arm in Arm mit Gwydion ab Dôn zu einem Schiffe ging, das ihrer harrte, und die bezauberndste Musik ward dieweil von jenen an der Küste vernommen. Doch alsbald segelte das Schiff hinweg, kaum daß es dabei den Kamm der Wogen berührte.
Nachdem Jahr und Tag verstrichen waren, kehrte Ifan Morgan, der Vater, zurück. Er sah weit besser und vornehmer aus, denn je zuvor es der Fall gewesen. Er erwähnte aber nichts von Nefyn, seiner Frau, bis daß eines Tages Tegid ihn nach dem Verbleib seiner Mutter befragte.
Sie war auf Suche aus – wie er erzählte – nach Eilonwy, die ihrem Gatten Gwerdonau Llion mit Glanfryd ab Gloywfraint entlaufen war. In kurzer Zeit würde sie wiederkehren, so dächte er, und ihnen dann von all den Wundern berichten, die sie dabei gesehen.
Ifan Morgan legte sich in jener Nacht zu Bette und ward am nächsten Morgen tot aufgefunden. Man ahnte sogleich, daß sein Tod von dem Schwarzen Ritter verursacht worden sein mußte, den man gegen Mitternacht durch einige Zeit in der Gegend jagen gesehen und der, wenn er verfolgt wurde, stets in einer Quelle zu verschwinden pflegte, die unfern aus einer finsteren Vertiefung hervorsprudelte.
Am Tage von Ifan Morgans Begräbnis kehrte Nefyn, seine Gattin, zurück und wehklagte in vielen Tränen über seinem Leichnam. Seither ward sie niemals wieder auf dem trockenen Lande erblickt!
Tegid hatte nun die Lasten der Familie über sich und er erwies sich in allen Dingen, wie es sich einem Manne geziemte, und zeigte sich geleitet von hohen Prinzipien und großer Generosität. Er war sehr vermögend; doch empfand er oft einen stillen Kummer bei dem Gedanken an die ungesühnte Ermordung seines Vaters.
Eines Tages, als er und zwei seiner Brüder in einem Fischerkahn in der benachbarten Bucht sich befanden, wurden sie durch den Wind an die wundervollste Stelle getrieben, die sie jemals gesehen. Die See war da so glatt wie Glas und so durchsichtig und klar wie sonnenerhellte Luft, dieweil sie darunter und anscheinend unfern von ihnen ein herrliches Land erblickten, eine Gegend mit fruchtbaren Äckern, mit Tälern, bedeckt von Weidegründen, mit blühenden Hecken, in ihr grünes Laubwerk gekleidet und Wäldern, die anmutig ihre Blätterpracht entfalteten; mit Flüssen, die lässig ihrem eigenen gewundenen Laufe zusahen und mit Herrensitzen, da und dort verstreut, und von der schönsten und genialsten Bauart.
Gleichzeitig gewahrten sie, wie die Bewohner drunten mit allerlei Spielen und Lustbarkeiten sich die Zeit vertrieben. Hier und dort erscholl Musik und wirbelten die Paare in leidenschaftlichen Tänzen. Fürwahr, die sich kräuselnden Wellchen schienen von jener Musik in sich aufgenommen zu haben, so daß deren gelindes Echo, anmutig von den Wogen weitergeleitet, nicht eher innehielt ihr Ohr zu entzücken, als bis sie das Gestade erreicht hatten.
In dieser Nacht hatten die drei Brüder den gleichen Traum: daß nämlich der Schwarze Ritter, der ihren Vater erdrosselt, in der Höhle an der Küste Unterschlupf gesucht habe.
So machten sie sich denn am Morgen nach der Höhle auf, doch der Schwarze Ritter floh vor ihnen und galoppierte über die See davon, als ob er zum Vergnügen über eine Wiese geritten wäre.
An diesem Tage wollten ihre Schwestern, die auf dem Heimweg aus der Schule sich befanden, in einem Boote über einen schmalen Meeresarm setzen, als ein Sturm sich erhob und das Fahrzeug zum Kentern brachte, so daß sie alle ertranken.
Die Brüder schrieben diese neuerliche Freveltat niemand anderem als dem Schwarzen Ritter zu.
Um jene Zeit herrschte große Bestürzung unter dem Fischervolke einer Seeschlange wegen, die sich um einen Felsen in der Nähe der Höhle gewunden hatte. Sie wagten nichts gegen diese zu unternehmen, doch baten sie Tegid und seine Brüder, dahin zu gehen und sie zu töten.
Als die Brüder eines Tages an die Stelle kamen, vernahmen sie eine tiefe Stimme, die also zu ihnen redete:
– – »Tötet nicht eure Schwester!«
Darüber verwunderten sich die Brüder sehr und begaben sich schließlich wieder heim. Aber in der Nacht kehrte Tegid allein zurück und rief seine Schwester bei ihrem Namen. Nach einiger Weile kroch diese in Gestalt einer Seeschlange ihm entgegen und sagte, daß sie einige Zeit in dieser Umwandlung verbleiben müßte, zur Strafe dafür, daß sie mit einem fremden Manne ihrem Gatten davongelaufen. Dann erzählte sie, daß sie ihre Schwestern mit der Mutter beisammen gesehen, und anderes mehr.
Doch plötzlich und unversehens erschien der Schwarze Ritter vor ihnen. Er zückte sein Schwert, das Feuer und Flamme sprühte, und hob an, die Seeschlange in tausend Stücke zu zerhauen, die jedoch immer wieder sich vereinten; und so sehr er auch dreinschlagen mochte, sie ward immer wieder ganz wie zuvor.
Das Ende davon war, daß die riesige Schlange sich in einem Knäuel um den Leib des Schwarzen Ritters wickelte und ihm einen furchtbaren Biß in die Brust versetzte.
In diesem Moment erschien ein Weißer Ritter und durchbohrte den Schwarzen mit seinem Speer, worauf dieser zusammenbrach, während der Weiße Ritter, mit der Seeschlange als Wickel um den Nacken, hastig davoneilte.
Auch Tegid stürzte nun aus Leibeskräften von dannen. Doch geschah dies nicht etwa vor einem fürchterlichen Ungeheuer; vielmehr schien alles, was er jemals Feindliches geschaut, ihn nun auf einmal anfallen zu wollen.
Es beunruhigte ihn in jeglicher Art: bald glaubte er die See auf sich zukommend, doch Tegid vermochte zu schwimmen. Bald vermeinte er einen Eisberg vor sich, doch Tegid vermochte ihn zu erklimmen. Und bald war er wie ein Schmelzofen voll sprühendem Feuer, doch die Glut konnte ihm nichts anhaben. Am häufigsten zeigte sich die Gefahr als Zwitterwesen von grimmem Raubtier und giftigem Reptil.
Mit einem Male erschien ein Jüngling, erfaßte Tegids Arm und ermunterte ihn, worauf die Schreckbilder entflohen, während ein Schwarm von Rittern in glänzenden Rüstungen, auf stolz sich bäumenden Rossen herbeigeritten kam. In ihnen erkannte er seine Brüder und er folgte ihnen nach der Heimat seiner Mutter.
Er wurde daselbst freudig willkommen geheißen und fand dort alle glücklich beisammen, mit Ausnahme seines Vaters, den er von der Oberwelt zu holen beschloß. Er bekam zu diesem Zwecke von seinem Großvater Urlaub zugebilligt. Seine Mutter und seine Brüder gingen mit ihm, um nach dem Körper des Vaters zu sehen, doch jener war als Erdgeborener nicht mehr zu erwecken!
So bat denn Tegid, der seinen Vater ganz außerordentlich geliebt, um die Erlaubnis, an dessen Grabe verweilen zu dürfen, wo er bis zum heutigen Tage geblieben ist.
Seine Mutter pflegt dahin zu kommen, um ihm Trost zuzusprechen und seine Brüder schicken ihm Geschenke. Auch heißt es, daß seine Zwillingsschwester Ceridwen seit langem schon zu ihm gekommen wäre, um in seiner Nähe zu leben, ihm beizustehen und neben ihm in Ehre und Würde ein friedliches, stilles Dasein zu führen.
[Keltisch: M. Brusot: Keltische Volkserzählungen]