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Märchenbasar

Der furchtsame Geisterbeschwörer

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Es war einmal ein Geisterbeschwörer, den dessen Frau, als sie gerade gemeinsam beim Mahl saßen, im Scherz fragte: „Du hast doch keine Angst vor Geistern ?“ – „Ich und mich vor Geistern fürchten“, erwiderte er, „es ist doch mein Beruf, Totengeister und Dämonen zu verjagen, warum sollte ich mich vor ihnen fürchten!“ Eines Abends nun, als der Geisterbeschwörer von einer Beerdigung nach Hause zurückkehrte, versteckte sich seine Frau hinter dem Gebüsch zu seiten des Weges, wobei sie ein Stück glühende Kohle in der Hand hielt. Als ihr Mann, nichts Böses ahnend, mit einem Beutel pral1 gefüllt mit einem Schweinskopf, gekochtem Klebreis, Klebreiskuchen und Bananen in der Hand an dem Gebüsch vorüberging, hob seine Frau die glühende Kohle langsam hoch. Der Geisterbeschwörer, obwohl er sich fürchtete, war von der Macht seiner Beschwörungskünste so sehr überzeugt, daß er seinen Beutel absetzte und, indem er magisch wirksame Gesten ausführte, eine Zauberformel rezitierte: „Ich beschwöre dich, o Geist, weiche tausend Meilen zurück, weiche zehntausend Meilen zurück!“ Als seine Frau dies hörte, vermochte sie kaum das Lachen zurückzuhalten; sie bewegte die Kohle auf und nieder, bald nah, bald fern, wie die feurigen Augen eines bösen Geistes. Von panischem Schrecken ergriffen, war er wie von Sinnen, ließ den Beutel stehen, der Turban fiel zu Boden, und er stürzte Hals über Kopf davon, wobei er den Geist anflehte: „Ich beschwöre dich, weiche doch tausend Meilen zurück, weiche doch zehntausend Meilen zurück!“ Die Frau kam gemächlich aus ihrem Versteck hervor, ergriff den Beutel und ging nach Haus, ohne daß ihr Mann dessen gewahr wurde. Am nächsten Morgen, als sie sich an den Frühstückstisch setzten, legte die Frau all die leckeren Sachen, die in den Beutel gepackt waren, vor ihn hin. Der Geisterbeschwörer betrachtete sie verwundert von allen Seiten: „Schweinskopf, gekochter Klebreis, Klebreiskuchen, Bananen“, murmelte er vor sich hin, „genau das gleiche, was ich in meinem Beutel hatte!“ Da lachte seine Frau laut auf und sagte: “ Wenn es nicht dieselben Sachen sind, was sollte es dann sein? Oder ist es etwa der böse Geist von gestern nacht?“ Nun begriff er, daß sie ihm einen Streich gespielt hatte, und senkte beschämt den Kopf.
Danach gingen folgende Spottverse über den furchtsamen Geisterbeschwörer von Mund zu Mund:
„Glühwürmchen hält der Meister für Geister!
Hals über Kopf stürzt er davon,
läßt Turban und Beutel fallen,
auch der Klebreis bleibt zurück!
Der Meister klagt und fleht,
doch der Geist zieht ihn mit sich!
Jetzt und in dieser Stund
laß ihn frei, o Geist!“

Quelle:
(Märchen aus Vietnam)

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