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Märchenbasar

Der gierige Kaufmann

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Es war einmal ein gieriger Kaufmann. Der aß und trank nur, schlief viel und arbeitete überhaupt nicht. Dafür aber ließ er Tagelöhner für sich arbeiten und war nur böse, daß die Tage so kurz sind.
Also machte er sich auf die Suche nach einem Weisen, der ihm beibrächte, wie man den Tag verlängern könnte.
Er suchte und suchte und fand schließlich einen weisen, aber armen Mann mit Namen Lopscho- Pedun.
»Was führt dich in mein Haus, reicher Gast?« fragte Pedun.
»Ich bin mit dem Tag unzufrieden«, antwortete der Kaufmann. »Selbst im Sommer ist er kürzer als ein Hasenschwanz. Kaum haben die Arbeiter die Axt in der Hand, schon gehen die Hühner schlafen. Lehre mich, 0 weiser Mann, wie man den hellen Sommertag verlängern kann.« Lopscho-Pedun schaute den Kaufmann listig an und sagte: »Lege siebenundsiebzig warme Kleider an, darüber einen Pelz. Setz dir eine Pelzmütze auf den Kopf und zieh dir Socken und Filzstiefel an! Auf die Schulter nimm einen Sack mit Essen! Dann nimm eine hölzerne Heugabel, klettere auf die höchste Spitze der hohen Birke, stich mit der Heugabel in die Sonne und halte sie fest wie einen goldenen Eierkuchen! So kann die Sonne nicht untergehen und der Tag nicht enden.«
Der Kaufmann gab dem Weisen hundert Rubel als Belohnung und ging nach Hause, um den Tag zu verlängern. Er legte siebenundsiebzig warme Kleider an, wie es der Weise geraten hatte, darüber einen Pelz, setzte sich eine Mütze auf den Kopf, zog Socken und Filzstiefel an, nahm einen Sack mit Essen auf die Schultern, ergriff eine Heugabel, und so kletterte er auf die höchste Spitze der Birke. Er spießte die Sonne auf die Gabel und saß nun da.
»He, liebe Arbeiter«, rief er hinunter, »ohne meinen Befehl hört ihr mit der Arbeit nicht auf!«
So saß der Kaufmann eine Stunde lang. Da wurde es heiß; er saß eine zweite – da war es zum Ersticken; er saß eine dritte Stunde – da rann ihm der Schweiß am Körper herab. Müde wurde der Kaufmann und ganz erschöpft, kaum konnte er die Heugabel noch halten.
»He«, rief er von der Birke hinunter, »liebe Arbeiter, heute habt ihr genug gearbeitet. Geht schlafen !«
Die Arme wurden ihm lahm, die Beine starben ab, und er konnte sich gar nicht mehr rühren. Die Gabel entfiel ihm und blieb in den Zweigen hängen. Er wol1te hinunterklettern und fiel – bums! – zur Erde. Ein Glück, daß ihn der Sack schützte, ein Glück, daß er siebenundsiebzig Kleider und den Schafpelz anhatte! Ein wenig freilich hat er sich weh getan, doch hatte er ja gelernt, wie man den Tag verlängert. Und so war es ihm recht, und den Arbeitern tat es wohl, und Lopscho-Pedun nahm es noch weniger übel.

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