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Märchenbasar

Der goldene Hammer und die harte Nuß

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„Larifari,“ wehrte der Riese, „das Gold gehört Euch, – wenn Ihr nichts erspart, wovon wollt Ihr dann über drei Jahre Eure Heimreise bewerkstelligen, da Eure ganze Barschaft ins Wasser gefallen ist?“ Das war sehr richtig, und Justin weigerte sich nicht länger, am Schlusse jeder Woche ein solches Kügelchen anzunehmen. Bei der rastlosen Thätigkeit verging im die Zeit im Fluge, denn nur faule Leute langweilen sich. Inzwischen waren wieder verschiedene Gehülfen so geschrieben aus der Schmiede entwischt und andere Schiffsbrüchige von dem menschenfreundlichen Schmied eingeführt worden. Zu Justin hatte er ein großes Vertrauen gefaßt und übertrug ihm die schwierigsten Arbeiten. So sehr ihn auch oft die Sehnsucht nach der Heimat und Aline übermannte, so behagte ihn doch das tüchtige Leben. Er fühlte, daß er unter den Entbehrungen und der rastlosen Arbeit erst zu einem thatkräftigen Manne gereift war und daß er erst jetzt der Liebe und des Besitzes der Prinzessin würdig sei. Um keinen Preis wäre er auch nur eine Stunde früher von seinem Wohlthäter geschieden, als es die Pflicht ihm gestattete. Als die drei Jahre ihm wie im Traum dahingeschwunden waren, da wurde ihm ganz traurig zu Mute und er fühlte, wie lieb ihm das alte, fürsorgliche Mütterchen und der rauhe Schmied mit dem treuen Herzen geworden waren. – Eines Tages rief ihn Carlo zu sich und sagte: „Bald schlägt nun eure Erlösungsstunde, ich aber scheide ungern von Euch, denn ich habe Euch lieb gewonnen. Ihr seid ein Mann, wie sich’s gehört: fest und treu. Ich gestattete Euch volle Freiheit, zu leben wie es Euch gefiel. Ihr durftet an Sonn = und Feiertagen den Wald durchstreifen, und es wäre Euch ein leichtes gewesen, und es wäre Euch gewesen, zu entfliehen; aber Ihr gehorchtet der Pflicht und der Ehre.“ „Und der Liebe“, unterbrach ihn Jusin warm, – „riefen mich daheim nicht andere, heilige Pflichten, ich würde Euch und das alte Mütterchen noch lange nicht verlassen.“ „Ich glaub’s, ich glaub’s“, sagte der Riese gerührt und drückte seine Hand, daß sie schmerzte. „Aber was ich noch sagen wollte“, fuhr er fort, „ehe Ihr scheidet, müßt Ihr nach altem Brauch Euer Meisterstück machen. Bisher hat’s keiner vollbracht, alle sind sie zuvor entwischt. Ihr seid der erste, den die Dankbarkeit so lange fesselte. Holt alle Eure verdienten Goldkörnchen und kommt in die Schmiede.“ Der Ritter that, was Carlo verlangte, und als er mit dem Gold in der Schmiede erschien, zeigte ihm der Riese einen kleinen Hammer und sagte: „Diesen Hammer lasse ich Euch als Modell, nun fertigt aus Eurem Golde einen ebensolchen.“ Damit ließ er Justin allein. Dieser stand einige Zeit ratlos; wohl hatte er gelernt, geschickt mit dem Eisen umzugehen, aber Gold hatte er noch niemals verarbeitet. Da kam ihm ein Gedanke, der sich bald als ein guter erwies. Er formte aus Thon einen Teig, dahinein preßte er den Hammer und nahm ihn dann vorsichtig wieder hinaus. Nun hatte er die ganze Form desselben. Dann schmolz er in einem kleinen Tiegel das Gold und goß es in die Form, welche bis in die kleinsten Ecken davon ausgefüllt wurde. Als die Masse erkaltet war, löste Justin den Thon von dem Golde und hielt zu seiner Freude einen wohlgelungenen Hammer in Hand. Nachdem er ihn sauber polierte, eilte er freudig zu seinem Meister. „Das hast Du brav gemacht“, rief dieser, nachdem er das Werk genau betrachtet, „nun steht Deinem Glücke nichts mehr im Wege, denn mit dem Hammer der Geduld knackt man die härtesten Nüsse.“

Als Justin diese Worte hörte, da ging es wie Erleuchtung durch seine Seele. Er war ihm wahren Sinne des Wortes an die rechte Schmiede gekommen und fühlte, daß er die drei Jahre nicht verloren, nicht vergebens gearbeitet habe. Voll froher Zuversicht schaute er in die Zukunft. Mit innigem Dank schied er von seinem Lebensretter und dem alten Mütterchen und wanderte fröhlich in den Wald hinein. Er trug dieselben Kleider, mit denen er Schiffbruch erlitten, und als er in die Rocktasche faßte, fand er auch seinen Geldbeutel darin, – es fehlte kein Groschen an der Summe, welche er damals bei sich führte. Nach mehrstündigem Wandern trat er aus dem Walde ins Freie. Hell und sonnig breitete sich eine schöne Landschaft vor ihm aus, welche ihm merkwürdig bekannt vorkam, und als er nach wenigen Stunden weiter ging, befand er sich zu seinem größten Erstaunen auf eigenem Grund und Boden. Dort oben glänze im Sonnengold die Burg seiner Väter; aber er nahm sich nicht die Zeit, dort Einkehr zu halten. Es zog ihn vor allen Dingen ins Thal nach dem Hause der Geliebten, zu seiner Aline. Er fand alles unverändert und bald ruhte sie weinend vor Freude an seiner Brust. Als sich der erste Freudenrausch gelegt hatte, dann ging es an ein Erzählen ohne Ende, und Justin erfuhr, daß alle Versuche, die Nuß zu sprengen, gescheitert seien. Dann erzählte er Aline alle Erlebnisse, und als sie hörte, was Justin ihretwegen erduldet und gelitten, da war sie tief gerührt und sagte: „Jetzt erkenne ich, daß du mich treu und aufrichtig liebst, und gebe mich Dir für immer zu eigen.“ „Auch ohne Krone?“ fragte Justin. „Auch ohne Krone“, versicherte sie. „Und Dein Vater, wird er den Glanz entbehren und mit uns auf unserer Burg leben wollen?“ „Er wird es“, ließ sich jetzt der alte König vernehmen, „Eure Liebe, Euer Edelmut hat die harte Schale gesprengt, welche stolz und Vorurteil um mein Herz gelegt, und der Kern, Genügsamkeit und Zufriedenheit, tritt wieder zu Tage. Laßt uns von nun an in Liebe und Eintracht miteinander leben.“ „Und mich lasst die Nuß, um die sich so viele vergeblich bemühten, ins tiefe Wasser werfen“, rief Aline freudig. Sie holte sie, um sofort ihren Vorsatz auszuführen, aber Justin trat ihr in den Weg und sagte: „Laß mich die Nuß zuvor einmal sehen.“ Er zog seinen kleinen Geduldshammer, wie er ihn nannte, aus der Tasche und schlug wiederholt leise damit gegen die Nuß. Sie wuchs zusehends und bei dem siebenten Schlage spaltete sie sich und vor den erstaunten Blicken der Umstehenden erglänze die Königskrone in ihrer diamantenen Pracht. Alsbald gab es ein Rauschen und Klingen ringsumher. Hofdamen und besternte Kammerherren, auch die alte Patin erschien und rief: „Ist nun endlich für mein Schätzchen der rechte gekommen? Glaubst Du nun, daß der Justin von Felsingborg Dich liebt und um Deiner selbst willen heiratet?“ „Gewiß glaube ich das und nur zu gern“, versicherte Aline, die wieder in königlicher Pracht strahlte, „denn auch ich habe ihn von ganzem Herzen lieb.“ – Nun war ein großer Jubel im Lande, denn alles war wieder entzaubert und ging seinen gewohnten Gang, der nur durch die glänzende Hochzeit des jungen Paares unterbrochen wurde.

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