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Auf dem Harzgebirge giebt es einen hohen, hohen Berg, der über alle Berge, wohl funfzig Meilen in der Runde, weit hinwegsieht. Er heißt: der Brocken. Wenn man aber von den Zaubereien und Hexenthaten, die auf und an ihm vorgehen und vorgegangen sind, spricht, so heißt er auch wohl der Blocksberg. Auf dem Scheitel dieses kahlen, unfruchtbaren Berges – der mit hunderttausend Millionen Felsstücken übersäet ist – hat der Teufel jährlich, in der Nacht vom letzten April auf den ersten Mai, der so genannten Walpurgisnacht, mit seinen Bundesgenossen, den Hexen und Zauberern der ganzen Erde, eine glänzende Zusammenkunft. So wie die Mitternachtsstunde vorüber ist, kommen von allen Seiten diese Wesen auf Ofengabeln, Besen, Mistforken, gehörnten Ziegenböcken und sonstigen Unthieren, durch die Luft herbeigeritten, und der Teufel holt mehrere selbst dazu ab. Ist alles beisammen, so wird um ein hoch loderndes Feuer getanzt, gejauchzt, mit Feuerbränden die Luft durchschwenkt und bis zur Ermattung herum geras’t. Von Begeisterung ergriffen, tritt alsdann der Teufel auf die »Teufelskanzel«, lästert auf Gott, seine Lehre und die lieben Engelein, und zum Beschluß giebt er, als Wirth, ein Mahl, wo nichts als Würste gegessen werden, die man auf dem »Hexenaltar« zubereitet. Die Hexe, die zuletzt ankommt, muß, wegen Vernachlässigung der herkömmlichen Etiquette, eines grausamen Todes sterben. Sie wird nämlich, nach der letzten glühenden Umarmung des Regenten der Unterwelt, in Stücken zerrissen, und ihr auf dem Hexenaltar zerhacktes Fleisch, den andern zum warnenden Beispiel, als eine der Hauptschüsseln des Schmauses vorgesetzt. Mit anbrechender Morgenröthe zerstäubt die ganze saubere Sippschaft nach allen Windgegenden hin.
Damit diese Unholde auf ihrer Hin- und Zurückreise weder Menschen noch Vieh Schaden zufügen können, so machen die Bewohner der Oerter um den Brocken vor der einbrechenden Walpurgisnacht an die Thüren der Häuser und Ställe drei Kreuze, und sind dann des festen Glaubens, daß sie und das Ihrige nun von den durchziehenden Geistern und bösen Wesen nicht behext werden können.
Caspar Friedrich Gottschalck (1772 – nach 1836)
Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen.