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Es war einmal ein armer Bauernbub, der hatte für eine Gemeinde die Geißen zu hüten und bekam dafür nichts als die Kost. Wenn er mit seinen Tierlein den Berg hinaufzog und genug geschnellt und gejuchzt hatte, schaute er oft lange Zeit seine Hosen und seine Joppe an und fing an, die Löcher zu zählen, die täglich mehr wurden. Er hatte das tiefste Mitleid mit sich selbst, weil ein gar so armes G’wandl an seinem Leib hing, und dachte oft daran, wie er zu einer anständigen Kleidung kommen könnte. Endlich fiel ihm ein, neben dem Geißhüten Körbe zu flechten, um sich so etliche Kreuzer zu verdienen.
Er fing mit allem Ernst sein Handwerk an, und in wenigen Tagen stand das erste Körbchen fertig vor ihm. Er hatte eine große Freude darüber, kehrte es zehnmal um und schaute es von allen Seiten an. Muß doch schauen, ob es auch was Schweres trägt, dachte er sich, nahm einen tüchtigen Stein und legte ihn in das Körbchen. Patsch – da liegt der Stein samt dem Boden des Körbchens vor ihm auf der Erde.
Der Knabe verzog sein Gesicht zum Weinen, und Tränen auf Tränen kugelten über seine Wangen zur Erde hernieder. Er hätte aus der Welt gehen mögen, weil ihm auf einmal alle Freude und Hoffnung genommen war. Während er sich die Tränen aus den Augen wischte und bald die löcherigen Hosen, bald das zerrissene Körblein betrachtete, kam ein Jüngling auf ihn zu, der so schön und freundlich war wie ein Engel vom Himmel.
Er redete den Knaben mit liebreicher Stimme an und fragte ihn, warum er denn gar so bitterlich weine.
Der Knabe fing aufs neue an zu schluchzen, zeigte auf das zerrissene Körbchen und stammelte mit harter Mühe etliche abgebrochene Worte hervor, in denen er sein Elend erzählte. Kaum war er mit der Erzählung zu Ende, begann das Weinen und Schluchzen aufs neue, so daß sich ein Stein hätte erbarmen mögen.
Der Jüngling nahm den Knaben freundlich bei der Hand, tröstete ihn und fragte, ob er nicht mit ihm gehen möchte. Der Knabe gewann ein Zutrauen gegen ihn und sagte: »Gern wollte ich mitgehen, aber die Geißen muß ich zuvor heimtreiben.«
»Laß dir das nicht am Herzen liegen«, erwiderte der Jüngling, »die Geißen werden schon allein nach Hause finden, folge mir nur unbesorgt.«
Der Knabe traute diesen Worten und ging mit. Sie wanderten mitsammen fort und waren freundlich miteinander, als ob sie sich schon lange gekannt hätten.
Ein gutes Stück Weges hatten sie schon hinter sich, da begegnete ihnen ein schönes Weibsbild, das dem Knaben freundlich winkte und ihn vom Jüngling wegzulocken suchte. Dieser aber sprach seinem Begleiter in einem fort zu, er solle sich nur nicht von ihm abwendig machen lassen. Der Knabe gehorchte und entfernte sich nicht von ihm. Als das Weibsbild vorbei war, schaute er noch einmal danach um und sah mit Entsetzen, daß es einen feurigen Schweif hinter sich herzog.
Es begann Abend zu werden, und der Weg wurde immer beschwerlicher. Sie mußten einen Berg hinangehen, der so steil war, daß der Jüngling den Hirtenknaben oft nachschleppen mußte. Als sie nach saurer Mühe auf dem Gipfel des Berges ankamen, fanden sie da eine Herberge, in der sie vortrefflich bewirtet wurden.
Nachdem sie die Mühen des ersten Tages verschlafen hatten, machten sie sich des anderen Morgens wieder auf den Weg. Der Marsch war ebenso mühevoll wie am vorigen Tag. Es ging über Stock und Stein, durch Wald und Gestrüpp und manchmal so stark aufwärts, daß ihnen fast der Atem ausblieb. Zudem mußte der Knabe zwei harte Kämpfe bestehen mit einem großmächtigen Vogel und mit einem abscheulichen Wurm. Nachdem das alles glücklich vorüber war und der Tag sich zu Ende neigte, hatten sie wieder einen hohen Berg vor sich, den sie nur mit der größten Mühe erklimmen konnten. Als sie oben ankamen, fanden sie eine Herberge, in der sie auf das vortrefflichste bewirtet wurden.
Am anderen Tag in aller Frühe traten sie neu gestärkt ihre Wanderung an. Sie waren eine gute Strecke gegangen, da begegnete ihnen der Knochenmann. Er grüßte sie aufs allerfreundlichste und lud den Knaben ein, mit ihm zu gehen. Der Knabe warf einen fragenden Blick auf das Gesicht des Jünglings, und dieser gab ihm die Erlaubnis, der Einladung zu folgen. So ging denn der Knabe mit dem Knochenmann von dannen, und sie wanderten miteinander in die Ewigkeit.
Er fing mit allem Ernst sein Handwerk an, und in wenigen Tagen stand das erste Körbchen fertig vor ihm. Er hatte eine große Freude darüber, kehrte es zehnmal um und schaute es von allen Seiten an. Muß doch schauen, ob es auch was Schweres trägt, dachte er sich, nahm einen tüchtigen Stein und legte ihn in das Körbchen. Patsch – da liegt der Stein samt dem Boden des Körbchens vor ihm auf der Erde.
Der Knabe verzog sein Gesicht zum Weinen, und Tränen auf Tränen kugelten über seine Wangen zur Erde hernieder. Er hätte aus der Welt gehen mögen, weil ihm auf einmal alle Freude und Hoffnung genommen war. Während er sich die Tränen aus den Augen wischte und bald die löcherigen Hosen, bald das zerrissene Körblein betrachtete, kam ein Jüngling auf ihn zu, der so schön und freundlich war wie ein Engel vom Himmel.
Er redete den Knaben mit liebreicher Stimme an und fragte ihn, warum er denn gar so bitterlich weine.
Der Knabe fing aufs neue an zu schluchzen, zeigte auf das zerrissene Körbchen und stammelte mit harter Mühe etliche abgebrochene Worte hervor, in denen er sein Elend erzählte. Kaum war er mit der Erzählung zu Ende, begann das Weinen und Schluchzen aufs neue, so daß sich ein Stein hätte erbarmen mögen.
Der Jüngling nahm den Knaben freundlich bei der Hand, tröstete ihn und fragte, ob er nicht mit ihm gehen möchte. Der Knabe gewann ein Zutrauen gegen ihn und sagte: »Gern wollte ich mitgehen, aber die Geißen muß ich zuvor heimtreiben.«
»Laß dir das nicht am Herzen liegen«, erwiderte der Jüngling, »die Geißen werden schon allein nach Hause finden, folge mir nur unbesorgt.«
Der Knabe traute diesen Worten und ging mit. Sie wanderten mitsammen fort und waren freundlich miteinander, als ob sie sich schon lange gekannt hätten.
Ein gutes Stück Weges hatten sie schon hinter sich, da begegnete ihnen ein schönes Weibsbild, das dem Knaben freundlich winkte und ihn vom Jüngling wegzulocken suchte. Dieser aber sprach seinem Begleiter in einem fort zu, er solle sich nur nicht von ihm abwendig machen lassen. Der Knabe gehorchte und entfernte sich nicht von ihm. Als das Weibsbild vorbei war, schaute er noch einmal danach um und sah mit Entsetzen, daß es einen feurigen Schweif hinter sich herzog.
Es begann Abend zu werden, und der Weg wurde immer beschwerlicher. Sie mußten einen Berg hinangehen, der so steil war, daß der Jüngling den Hirtenknaben oft nachschleppen mußte. Als sie nach saurer Mühe auf dem Gipfel des Berges ankamen, fanden sie da eine Herberge, in der sie vortrefflich bewirtet wurden.
Nachdem sie die Mühen des ersten Tages verschlafen hatten, machten sie sich des anderen Morgens wieder auf den Weg. Der Marsch war ebenso mühevoll wie am vorigen Tag. Es ging über Stock und Stein, durch Wald und Gestrüpp und manchmal so stark aufwärts, daß ihnen fast der Atem ausblieb. Zudem mußte der Knabe zwei harte Kämpfe bestehen mit einem großmächtigen Vogel und mit einem abscheulichen Wurm. Nachdem das alles glücklich vorüber war und der Tag sich zu Ende neigte, hatten sie wieder einen hohen Berg vor sich, den sie nur mit der größten Mühe erklimmen konnten. Als sie oben ankamen, fanden sie eine Herberge, in der sie auf das vortrefflichste bewirtet wurden.
Am anderen Tag in aller Frühe traten sie neu gestärkt ihre Wanderung an. Sie waren eine gute Strecke gegangen, da begegnete ihnen der Knochenmann. Er grüßte sie aufs allerfreundlichste und lud den Knaben ein, mit ihm zu gehen. Der Knabe warf einen fragenden Blick auf das Gesicht des Jünglings, und dieser gab ihm die Erlaubnis, der Einladung zu folgen. So ging denn der Knabe mit dem Knochenmann von dannen, und sie wanderten miteinander in die Ewigkeit.
(mündlich aus dem Raunsertal)
[Österreich: Ignaz und Joseph Zingerle: Kinder und Hausmärchen aus Süddeutschland]