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Der Kaiserssohn und sein Pate

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Der Kaiser Joseph war schon sehr alt und hatte noch immer keine Kinder. Da sagte er eines Tags in seiner Betrübnis darüber: wenn er einen Buben bekäme, dann solle der ärmste Mann, der ihm begegne, bei dem Kind zum Gevatter stehen, und siehe da, es war noch kein Jahr vergangen, so hatte er schon einen kleinen Buben. Alsbald ging er aus, um einen Paten zu suchen, und als ihm in der Stadt nur vornehme Leute begegneten, da spazierte er vors Tor und kam in den Wald. Da fand er einen armen alten Mann mit weißen Haaren und in einen ärmlichen Kittel gekleidet; den fragte er, ob er sein Gevatter werden wolle und wie er heiße? „Ich heiße Joseph“, sagte der Mann „und will schon Pate des Buben werden.“ Da war der Kaiser froh und nahm den Greis mit sich in sein Schloss, und als die Taufe vorüber war, gab er ihm eine Menge Geld und sagte, wenn das alle sei, solle er nur wiederkommen. Der Greis bedankte sich und nahm Abschied von dem Kaiser, der seitdem nichts mehr von ihm hörte, noch sah.
Als der Kaiserssohn älter ward, gewann er die Jagd sehr lieb. Eines Tags pirschte er im Walde, da begegnete ihm sein Pate (den er gleich an den weißen Haaren und dem Kittel erkannte), der grüßte und fragte ihn, ob er schon ordentlich schießen könne? „Gewiss“, antwortete der Prinz, und da grade ein Rudel Hirsche vorbeilief, legte er an und schoss, aber es fiel nicht einer. „Du kannst noch nicht schießen“, sprach der Pate, „ich will es dich lehren.“ Und er gab ihm ein Buch und sprach, das solle er mitten auf die Brust legen, dann werde er Alles treffen und zugleich solche Stärke haben, dass ihn Keiner überwinden könne. Außerdem schenkte der Pate ihm noch einen Degen, der ihm, obgleich er so schwer war, federleicht in der Hand lag und womit er aus jedem Kampf siegreich hervorgehen sollte; warnte ihn aber, Niemanden zu sagen, woher er seine Stärke habe, denn sonst werde es ihm schlecht ergehen. „Drittens“, sagte der Pate, „schenk ich dir, dass ich immer bei dir bin um dir in der Not zu helfen, wenn du recht fest an mich denkst.“ Der Prinz dankte dem Paten voller Freuden und versuchte gleich darauf sein Glück mit der Jagd. Da schoss er so viel Wild, dass ein großer Wagen es kaum fassen konnte. Als er damit nach Hause kam, wusste der Kaiser vor Verwunderung nicht, was er sagen sollte und fragte ihn, wo er denn so gut schießen gelernt habe und ebenfalls, wer ihm den schönen schweren Degen gegeben, den er mitbringe? „Den Degen fand ich im Walde“, sagte der Prinz, „und das Schießen, nun das habe ich eben gelernt.“ Als am andern Tage Übung im Ringen und Kämpfen war, da warf der Prinz alle nieder, die sich mit ihm versuchten. Der Kaiser war sehr erstaunt darüber und fragte ihn abermals, woher er die Kraft habe? „Das weiß ich nicht“, erwiderte der Prinz, „ich hab sie eben.“ Da sagte der Kaiser: „Weil du denn ein so starker Held bist, so magst du deine Mutter begleiten und mit ihr deinen Großvater besuchen, der weit von hier in der Fremde wohnt.“ „Gut“, sprach der Prinz; da ward der Wagen angespannt und sie reisten ab, nachdem sie von dem Kaiser einen sehr traurigen Abschied genommen hatten. Unterwegs mussten sie durch einen großen Wald und darin verirrten sie sich und kamen an ein Schloss, worin sechs Riesen wohnten. Als diese den Wagen gewahrten, sprangen sie hervor und schlugen den Kutscher tot und wollten auch dem Prinzen ans Leben, aber der machte Fünfen gleich den Garaus und den Sechsten zwang er, die Pferde auszuspannen und zu füttern und ließ ihm das Leben nur, nachdem der Riese ihm gelobt hatte, ihm als ein treuer Knecht zu dienen. Alsdann ging er mit seiner Mutter in das Schloss und ließ sich’s wohl sein und blieb drei Tage da. Unterdessen aber verliebte sich die Kaiserin in den Riesen, weil er so groß und stark war, und der beredete sie, dass der Prinz aus dem Wege geschafft werden müsse. „Wie fangen wir das an?“ fragte die Kaiserin. „Stelle du dich krank“, sprach der Riese, „und wenn er in Sorgen kommt, dann sage, dir habe geträumt, wenn du die Zauberrose aus dem Schloss habest, welches hundert Stunden von hier liegt, und daran röchest, dann würdest du gesund.“ In dem Schloss waren nämlich zwölf Riesen, alle noch viel stärker als die sechse, und der treulose Riese meinte, die würden dem Prinzen die Rückkehr wohl verleiden. Während die Beiden dies verabredeten, war der Prinz auf der Jagd. Als er nun heimkam, fand er seine Mutter zu Bette liegend, als ob sie sterbenskrank wäre. Da war er ganz untröstlich und außer sich vor Jammer und Leid, denn er hatte seine Mutter von Herzen lieb. Als er recht mitten im Weinen war, da fing die Kaiserin von dem Traum und der Rose an, und kaum hatte sie das Wort aus dem Munde, als er auch schon dem Riesen befahl, alsbald ein Pferd zu satteln, damit er die Zauberrose hole. Der lachte in die Faust, dass der Anschlag so gut glückte, führte bald das Pferd fix und fertig vor die Tür, und der Prinz schwang sich auf und sprengte davon. Als er nun hundert Stunden weit geritten war, kam er an das Schloss, und kaum sahen ihn die zwölf Riesen, als sie hervorstürzten, ihn zu töten, aber er schwang sein Schwert so schnell, dass in weniger als zehn Minuten keiner von ihnen seinen Kopf mehr fühlte. Dann ging er in das Schloss und das Erste, was er erblickte, war eine wunderschöne Königstochter, die ihm voller Freuden entgegeneilte und ihn als ihren Erretter pries. Sie erzählte ihm, wie die Riesen sie ihrem Vater geraubt hätten, und je mehr sie erzählte, um so besser gefiel sie dem Prinzen und er gefiel ihr auch so gut, dass sie nicht mehr Eins ohne das Andere leben konnten. Darum sprach er: „Gib mir jetzt nur die Zauberrose aus dem Garten, ich trage sie zu meiner Mutter, und wenn sie gesund ist, hole ich dich ab und führe dich in mein Schloss.“ Da war sie wohl sehr betrübt, aber der Prinz tat es nicht anders, und nachdem er ausgeruht hatte, ritt er mit der Rose fort. Daheim erzählte er seiner Mutter Alles und sie tat, als freue sie sich sehr, aber in ihrem Herzen war sie doch ärgerlich. Als der Prinz nun schlief, sagte sie dem Riesen Alles wieder, und der sann jetzt noch mehr auf Anschläge, den Prinzen zu verderben, weil er seine zwölf Gesellen getötet hatte. Endlich sprach er: „Sage, die Rose habe dich nur halb gesund gemacht und es habe dir geträumt, wenn er dir sage, wo seine Stärke sei, dann würdest du ganz gesund und könntest mit ihm reisen.“ Das tat die gottlose Mutter, und weil der Prinz sie so lieb hatte, sagte er es ihr auf der Stelle, und das Weib klatschte es noch vor Abend dem Riesen, der nicht wusste, was er vor Freuden machen solle. Als der Prinz nun schlief, machte er sich eilig über ihn und riss ihm das Buch von der Brust; dann packte er ihn am Genick und fragte ihn, was er jetzt mit ihm machen solle? Der Prinz sah wohl, dass er ganz in des Riesen Gewalt war, darum antwortete er: „Mach mit mir, was du willst.“ Er hatte nämlich im ersten Schreck vergessen, was ihm sein Pate zum Dritten geschenkt; hätte er daran gedacht, dann wäre er gerettet gewesen. Da griff ihm der treulose Riese in die Augen und riss sie ihm aus, hackte ihm die Hände ab und stieß ihn so in den Wald, und das garstige Weib hatte gar noch seine Freude dran, so dass es den armen Prinzen verhöhnte und verspottete.
So irrte der Prinz in dem weiten Walde umher und rannte überall an und zerstieß und verwundete sich so, dass in wenigen Tagen an seinem ganzen Körper kein heiles Fleckchen war. Wohl zwanzig Tage hatte er so im Walde zugebracht, und sich nur von Wurzeln und Kräutern genährt, als er eines Morgens in der Ferne Hunde bellen hörte. Er kroch nach der Gegend hin und kam an das Schloss, worin die schöne Königstochter wohnte und mit Schmerzen auf ihn wartete. Als er Stimmen hörte, bat er ein paar Leute, die vorübergingen, dass sie ihn unter Dach und zu mitleidigen Menschen bringen möchten, da er gar schwach sei und so großen Hunger habe. Da führten sie ihn ins Schloss, wo alsbald Alle zusammenliefen, den armen Verstümmelten zu sehen, doch kannte ihn Niemand. Als die Königstochter aber dazu kam, erkannte sie ihn auf den ersten Blick und stürzte ihm laut weinend um den Hals; dann wusch sie ihn und pflegte sein mit großer Treue. Da war er wohl auch erfreut, doch nicht so recht aus ganzem Herzen, denn er gedachte seiner verlornen Augen und Hände und wie er nun keine wackern Taten mehr verrichten könne. Darüber seufzte er oft tief und schwer, und besonders des Nachts, und wenn er an den Paten gedachte. „Ach lieber Pate, was hab ich getan!“ rief er da einstens aus. Alsbald stand der Pate neben ihm und sprach: „Nun, was hab ich dir gesagt? Aber weil du nur aus Liebe so unglücklich bist, will ich dir helfen.“ So sprach er, erzählte ihm Alles von seiner Mutter, dann führte er ihn an den Bach, der am Schloss vorüberfloss und wusch ihn mit dem Wasser. Davon wuchsen ihm die Augen wieder, dass er die hellen Sterne sah, und die Hände kamen ihm wie angeflogen. Das war eine Freude im Schloss! Am folgenden Tag wurde die Hochzeit mit Lust und Jubel gefeiert, dann fuhr das junge Ehepaar zu dem Vater der Königstochter und mit ihm zum Kaiser Joseph. Der fragte den Prinzen, wo er denn seine Mutter gelassen habe? Da musste der Prinz wohl erzählen und der Kaiser erschrak so sehr darüber, dass er vor Schrecken und Trauer tot niederstürzte. Das erzürnte den Prinzen über die Maßen, er setzte sich mit seinem Schwiegervater gleich in einen Wagen und fuhr nach dem Riesenschloss, wo das Weib wohnte. Als die ihren Sohn ankommen sah, fiel sie in Ohnmacht. Der Riese wollte sich zwar zur Wehr setzen, aber es half ihm nichts, denn er hatte keine Stärke durch das Buch erlangt, und der Prinz war jetzt doppelt so stark, wie vorher. Mit einem Schlag traf er den Riesen, dass er zusammensank; dann band er das Weib mit den Füßen hinten an den Wagen und hieß den Kutscher zufahren. Als sie ein paar Stunden weiter waren, schnitt er den Strick durch und ließ sie im Walde liegen. Er bestieg jetzt den Thron und herrschte lang und glücklich, und seine Frau blieb bis in ihr hohes Alter die schönste Frau von der Welt.

Quelle: Johann Wilhelm Wolf

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