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Märchenbasar

Der kleine Hahn hat den Zaun herausgescharrt

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Einstmals ging ein kleiner Hahn unter den Zaun scharren. So lange, so lange scharrte er, bis der Zaun umfiel. Lässt sich eine Elster auf dem umgefallenen Zaun nieder und fragt ihn:

„Aber Zaun, was fehlt dir? Wie schön standest du noch gestern hier!“

„Ach Gevatterin Elster,“ antwortet der Zaun, „der kleine Hahn kam heraus, unter mir zu scharren; ich bin vor Kummer umgefallen.“

„Na, dann rupfe ich mir meinen schönen Schwanz aus,“ entgegnet die Elster, und wirklich rupfte sie sich auch ihren schönen Schwanz aus. Dann liess sie sich auf einem Nussbaum nieder. – Wundert sich der Nussbaum, dass der Schwanz der Elster so zerfledert ist, fragt sie:

„Was fehlt dir, Gevatterin Elster? Noch gestern hattest du einen so schönen Schwanz, und heute ist er ganz zerfledert!“

„Ach, lieber Gevatter,“ antwortet die Elster, „in der Frühe ging der kleine Hahn unter den Zaun scharren, Zaun fiel um vor Kummer, ich rupfte mir meinen schönen Schwanz aus.“

„Dann schneide ich meine schönen Zweige ab,“ entgegnet der Nussbaum, und wirklich schnitt er seine schönen Zweige ab.

Mittags in der grossen Hitze kommt ein Reh hin, unter dem Nussbaum zu ruhen. Es sieht, dass der Nussbaum ganz kahl ist, fragt ihn:

„Was fehlt dir, schöner Nussbaum? Noch gestern hattest du so schöne Zweige, und heute bist du ganz kahl!“

„Ach, mein liebes, kleines Reh,“ antwortet der Nussbaum, „in der Frühe ging der kleine Hahn unter den Zaun scharren, Zaun fiel um vor Kummer, Elster rupfte ihren schönen Schwanz aus, ich schnitt meine Zweige, meine Äste ab.“

„Dann töte ich meine beiden schönen Söhne,“ antwortete das Rehlein und tötete auch alle beide. – Trauerte, trauerte dann Rehlein; einmal wurde es durstig, ging zum Brunnen, Wasser zu trinken. Wundert sich der Brunnen, dass das Rehlein allein kommt, denn sonst brachte es auch seine beiden schönen, kleinen Söhne mit. Er fragt es also:

„Wie geht’s zu, dass du heute nur allein kommst, Gevatter Reh? Wo hast du deine beiden schönen, kleinen Söhne gelassen?“

„Ach Gevatter Brunnen,“ antwortet das Reh, „in der Frühe ging der kleine Hahn unter den Zaun scharren, Zaun fiel um vor Kummer, Elster rupfte ihren schönen Schwanz aus, Baum schnitt seine Äste, seine Zweige ab, ich aber tötete meine beiden kleinen Söhne.“

„So werde ich auch mein klares Wasser in Blut verwandeln!“ antwortet der Brunnen; und so geschah’s auch.

Als Sarah, die Magd, mit einem Schaff zum Brunnen geht, um Wasser zu holen, sieht sie, dass der ganze Brunnen rot ist. Fragt sie den Brunnen:

„Aber mein lieber Brunnen, wie kommt’s, dass heute statt klaren Wassers Blut in dir ist?“

„Ach Muhme Sarah,“ antwortete der Brunnen, „in der Frühe ging der kleine Hahn unter den Zaun scharren, Zaun fiel um vor Kummer, Elster rupfte ihren schönen Schwanz aus, Baum schnitt seine Äste, seine Zweige ab, Reh tötete seine beiden kleinen Söhne, und in mir wandelte sich das Wasser zu Blut.“

„Und ich zerschlage das Schaff auf meinem Kopf.“

Sie zerschlug es auch und ging so, mit angeschwollenem Kopf, zu ihrer Frau. Gleich fragte die Frau:

„Was fehlt dir, Sarah, mein Mädchen?“

„Ach, liebe Frau Muhme,“ antwortete Sarah, „in der Frühe ging der kleine Hahn unter den Zaun scharren, Zaun fiel um vor Kummer, Elster rupfte ihren schönen Schwanz aus, Baum schnitt seine Äste, seine Zweige ab, Reh tötete seine beiden kleinen Söhne, im Brunnen wandelte sich das Wasser all zu Blut, und ich zerschlug das Schaff auf meinem Kopf.“

„Ich aber streiche meinen Sauerteig auf die Wand!“

Sie wollte gerade jetzt den Sauerteig kneten, aber dennoch strich sie ihn auf die Wand. Sieht ihr Mann, wie er abends heimkommt, dass all der Sauerteig auf die Wand gestrichen ist, fragt er seine Frau:

„Bist du denn toll geworden, liebe Frau, dass du den vielen schönen Sauerteig auf die Wand gestrichen hast?“

„Ach mein lieber Herr Gemahl! In der Frühe ging der kleine Hahn unter den Zaun scharren, Zaun fiel um vor Kummer, Elster rupfte ihren schönen Schwanz aus, Baum schnitt seine Äste, seine Zweige ab, Reh tötete seine beiden kleinen Söhne, im Brunnen wandelte sich das Wasser all zu Blut, mein Mädchen Sarah zerbrach das Schaff auf ihrem Kopf, und ich strich all den Sauerteig auf die Wand.“

„So werde ich meinen schönen Bart abrasieren.“

Und wirklich rasierte er ihn ab.

Nicht lange darauf kam auch ihr Sohn heim. Er sieht, dass sein Vater so abgerupft ist wie ein abgebrühtes Huhn. Er fragt ihn:

„Was ist mit Euch geschehen, mein lieber Herr Vater?“

„Mein lieber Sohn, ein grosses Unglück ist geschehen: In der Frühe ging der kleine Hahn unter den Zaun scharren, Zaun fiel um vor Kummer, Elster rupfte ihren schönen Schwanz aus, Baum schnitt seine Äste, seine Zweige ab, Reh tötete seine zwei kleinen Söhne, im Brunnen wandelte sich das Wasser all zu Blut, mein Mädchen Sarah zerschlug das Schaff auf ihrem Kopf, deine liebe Mutter strich den Sauerteig auf die Wand, ich aber rasierte meinen schönen Bart ab.“

„Gut!“ sagt der Bursche, „und ich haue unsern vier Ochsen die Füsse ab.“

Damit ergriff er das Beil, ging hinaus in den Stall und hieb gleich dem einen Ochsen den ersten Fuss ab. Schon wollte er auch den zweiten abhauen, aber da kam gerade ein Soldat daher, der rief ihm zu:

„Bist du von Sinnen, Bursche! Was machst du mit diesem Ochsen?“

„Ach, lieber Herr Soldat! In der Frühe ging der kleine Hahn unter den Zaun scharren, Zaun fiel um vor Kummer, Elster rupfte ihren schönen Schwanz aus, Baum schnitt seine Äste, seine Zweige ab, Reh tötete seine beiden kleinen Söhne, im Brunnen wandelte sich das Wasser all zu Blut, meine Muhme Sarah zerschlug das Schaff auf ihrem Kopf, meine Frau Mutter strich den Sauerteig auf die Wand, mein lieber Vater rasierte seinen schönen Bart ganz ab, ich aber haue unsern vier Ochsen die Füsse ab.“

„Ja, die Dummen werden nie alle!“ schrie der Soldat und schlug den Burschen so mit seinem Säbel, dass er kaum ins Haus gehen konnte. – Der Soldat aber trieb die vier Ochsen zu Markte und verkaufte sie. Da er ausgedient hatte, verheiratete er sich; von dem Erlös hielten sie eine grosse Hochzeit. Wenn sie nicht gestorben sind, leben sie auch jetzt noch.

Quelle:
(Elisabet Sklarek, Ungarische Volksmärchen, Leipzig 1901)

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