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Märchenbasar

Der Mühlstein der von selbst mahlte

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Du weißt, daß der Erdgott Asaya den Geschöpfen als köstlichste Gabe das Maismehl gegeben hat. Aber das Maiskorn fordert den Fleiß und die Kräfte des Ackermannes, die Tüchtigkeit des Müllers und die geduldige Sorgfalt der Frauen, ehe es Menschen und Tieren zu jenem Segen gereicht, den Asaya im Anfang der Zeiten mit seiner Gabe im Sinn hatte. Bei einer Gelegenheit vergaß der weise Spinnenvater Anansi den Dank, den wir alle dem Erdgott für seine wunderbare Gabe schulden, und das hätte sein Verderb werden können; weil er das segenbringende Korn skrupellos für sich selber auszubeuten versuchte, ergrimmte Asaya, und es fehlte nicht viel, so wäre Anansi zermahlen worden wie das Maiskorn. Anansi hatte bemerkt, daß sein Vetter Donko und dessen Frauen und Kinder immer runder und wohlgenährter aussahen, während er selbst, seine Familie und die übrigen Dorfbewohner aus Mangel an Nahrung immer mehr abmagerten und fast beständig hungerten. Es war nämlich die Jahreszeit, in der die Äcker keine Frucht trugen und alle Tiere wasserreichere Gegenden aufsuchten, so daß nicht genügend Beute im Dschungel zu finden war.

Eines Tages fragte Anansi seinen Vetter, wie es möglich sei, daß er, seine Frauen und seine Kinder täglich mehr Fett ansetzten und in großem Wohlstand lebten, während alle anderen hungerten. Donko wollte darauf zunächst keine Antwort geben; da Anansi ihm aber versicherte, er würde ihm unter allen Umständen auf die Schliche kommen, rückte er schließlich mit der Sprache heraus. „An einem Ort tief im Dschungel“, erzählte er, „Habe ich einen Bach gefunden, in dem Honig statt Wasser fließt, und an dem Bach entdeckte ich einen Mühlstein, der mahlt von selbst soviel Mehl, wie ich haben will, ohne daß ich ein einziges Mehlkorn dazu gebe! Dort hole ich jeden Tag soviel Mehl, wie ich brauche.“….“Mahlt der Mühlstein soviel Mehl, wie du haben willst, so kann er ja für uns alle mahlen, daß keiner mehr zu hungern braucht“, fiel Anansi sofort mit der Tür ins Haus. „Nimm mich morgen zu dem Ort mit, wo der Stein liegt, damit ich dort auch Mehl für meine Familie hole!“ Donko hatte Bedenken. Er gab zwar zu, daß Anansi das weiseste Mitglied der Spinnensippe sei, aber im Grunde war ihm der Vetter allzu weise; auch fürchtete er vielleicht, daß Anansi seinen Honigbach und seinen verzauberten Mühlstein nun selber mit Beschlag belegen würde. Seine Antwort bezeugte jedenfalls nicht das Vertrauen, das zwischen Vettern oder nahen Freunden üblich ist.

„Vielleicht hört der Stein auf zu mahlen, wenn mehrere von seiner wunderbaren Kraft wissen!“ sagte er. „Vielleicht mahlt er nur so viel, wie ich und meine Familie jeden Tag brauchen. Vielleicht will der Stein nicht für dich mahlen. Vielleicht würde Asaya mir zürnen, wenn ich den Stein einem anderen zeigte. Vielleicht….“
„Vielleicht mahlt der Stein beliebig viel!“
widersprach Anansi und machte seinem Vetter nach. „Vielleicht ist nur deine Dummheit daran schuld, daß der Stein nicht dem ganzen Dorf und dem Lande Mehl spendet! Vielleicht mahlt der Stein doppelt soviel, wenn ich hinkomme!
Vielleicht wäre Asaya froh, wenn er alle Hungrigen satt sähe!“…..“Hör auf !“ rief Donko, von Anansis höhnischem Wortschwall peinlich berührt. „Aha, du willst nicht!“ ….“Ich verspreche dir, den Ort zu zeigen. Aber ich verspreche nicht, daß der verzauberte Mühlstein für dich mahlt!“ …“Gut, ich begleite dich morgen!“
„Aber du mußt früh aufstehn. Ich gehe vor Morgengrauen.“…“Wenn die Frauen sich an die Arbeit machen, hole ich dich ab.“

So wurde es verabredet. Anansi ging zeitig schlafen, und in seinem Eifer, nicht zu spät zum Vetter zu kommen, befahl er seinen Frauen, schon mitten in der Nacht aufzustehn und mit dem Kochgeschirr zu klappern, daß es bis zu Donkos Hütte hin zu hören war. Dann ging er selbst und weckte den Vetter. „Donko, wach auf! Die Frauen haben schon mit der Arbeit angefangen!“ Aber Donko sah, daß es noch Nacht war. „Wenn die Frauen anfangen, mit ihren Besen zu kehren, ist es Zeit für uns zu gehen“, sagte er, drehte sich auf die andere Seite und schlief ein. Anansi kehrte nach Hause zurück, und in seinem Eifer befahl er seinen Frauen, sofort zu kehren. Dann ging er zum zweitenmal zur Hütte des Vetters. „Donko“, rief er schon von weitem, „Donko, es ist Zeit! Die Frauen kehren schon lange mit dem Besen!“
Ärgerlich erhob sich der schlaftrunkene Vetter. „Bezähme deine Ungeduld. Der Stein läuft uns nicht davon. Der Stein mahlt erst, wenn ich da bin. Noch ist es lange hin, bis die Sonne aufgeht. Ich werde deinetwegen nicht vor der Zeit aufstehn!“
Damit legte sich Donko wieder hin und schlief weiter. Als Anansi zum zweitenmal heimkam, traf er seine Frauen erbost darüber, daß er sie geweckt hatte, und sie schalten, daß er sie bei Nacht und Nebel an die Arbeit zwang. Sie verspotteten ihn auch, weil es ihm sichtlich nicht geglückt war, Donko aus den Federn zu bekommen. All das machte Anansi wütend, besonders, weil er sich darüber klar war, daß Donko ihn täuschen wollte, um den verzauberten Mühlstein aufzusuchen. „Du glaubst vielleicht, ich lege mich wieder hin und warte darauf, daß du mich holen kommst“, knurrte er, als er zum drittenmal die Hütte verließ, um dem Keifen und Schelten der Frauen zu entkommen. „Ja, liegen und warten werde ich….aber nicht dort, wo du glaubst….Wohlgenährte Füße machen viel Geräusch und hinterlassen gute Spuren.“
Dann begab er sich zu einem Beobachtungsplatz am Rande des Dorfes, wo der Dschungel anfing. In der Dunkelheit störten ihn nur einige Dorfköter, aber sie beruhigten sich, als sie Anansi erkannten. Von seinem Platz aus konnte er bis zu Donkos Hütte sehn. Der Vetter hatte recht gehabt, es war noch lang bis zum Morgengrauen.

Die Zeit schlich nur langsam. Anansi war mehrmals am Eindösen, aber er kämpfte beharrlich gegen seine Schlaflust an. Ein Gedanke kam ihm, setzte sich bei ihm fest, wurde immer bestimmter, während er da saß und wartete. „Finde ich den verzauberten Stein“, dachte er, „werde ich es wahrhaftig nicht machen wie der dumme Donko! Hier hungern alle Menschen – dort ist ein Mühlstein, der aus dem Nichts beliebig viel Mehl machen kann. Läge es da nicht auf der Hand, den Stein hierher zu bringen, damit es Mehl mahlt und das ganze Volk sättigt? Wer bezahlen kann, soll es tun, und wer im Überfluß kaufen kann, soll mit den Ärmsten teilen. Auf diese Weise schlage ich selbst etwas für meine Familie heraus, und niemand im Land braucht zu hungern. Das hätte auch Donko bedenken sollen!“

Endlich erschien flammend das Morgenrot, endlich verkündeten die ersten Sänger des Dschungels den anbrechenden Tag… Das Dorf erwachte, die Frauen gingen an ihre Arbeit. Dort zeichnete sich Donkos Hütte in der grauen Dämmerung ab, dort – sah Anansi wahrhaftig eine dunkle Gestalt die Hütte verlassen. Das mußte Donko sein! Rasch verschwand er hinter den Dorfhütten, tauchte auf, verschwand und wurde nochmals sichtbar. Er bewegte sich auf den Ort zu, an dem sich Anansi versteckt hielt. Also war er nicht bei ihm gewesen, um ihn zu dem verzauberten Stein mitzunehmen! Denn Anansis Hütte lag in entgegengesetzter Richtung. Nun vernahm man schon Schritte. Es schien, als käme Donko gerade auf das Gebüsch zu, in dem sich Anansie versteckte. Ja, er war es wirklich. In dem rasch zunehmenden Licht konnte Anansi die Züge des Vetters erkennen, wie er sich näher schlich und ängstlich nach allen Seiten spähte. Plötzlich entdeckte Anansi einen Pfad, der dicht an dem Gebüsch vorbeiging. Als er ihn selbst im Dunkel der Nacht ging, hatte er ihn nicht bemerkt. Anansi kroch noch tiefer ins Gebüsch – hier konnte Donko ihn nicht finden. Die Schritte klangen nun ganz nah…Jetzt…Jetzt war Donko schon vorbei. Lautlos erhob sich Anansi, mit unendlicher Vorsicht kroch er aus dem Gebüsch, damit man ihn nicht sähe oder hörte. Er konnte Donko nicht mehr erblicken, aber er hörte seine Schritte, ein Stück weit entfernt vom Dschungel. Noch immer behutsam, so unhörbar wie ein Leopard, wenn er sich seiner Beute nähert, folgte Anansi dem Vetter auf seinem Weg. Deutlich zeigte die taufeuchte Erde Donokos Spuren. Lange ging das so fort, Donko hatte keinen großen Vorsprung vor Anansi, aber der Pfad schlängelte sich in Windungen und machte es Anansi leicht, dem Vetter unbemerkt zu folgen. Jetzt sah er eine Lichtung im Dschungel, hörte einen Bach rieseln. Dort vorne stand Donko. Anansi besah sich den Ort. War es hier? Aber wo war der verzauberte Mühlstein, der von selbst mahlte? Und wo war der Bach der Honig gab?

Donko blieb vor einem flachen Stein stehn, der auf der Erde lag. Aber das war ja ein ganz gewöhnlicher grauer Stein! Und der Bach – ja, das war ein Bach wie andere auch mit klarem Quellwasser! Dann hörte Anansi den Vetter etwas sagen.
„Asaya, mahle – mahle für deine Kinder!
Asaya, mahle – mahle für deine Kinder!“ Und sieh da, kaum hatte Donko die eigentümlichen Worte gesprochen, als der flache, graue Stein sich in einen Mühlstein verwandelte – und der Mühlstein begann zu mahlen! Das feinste weiße Mehl quoll unter dem Stein hervor und häufte sich zu Donkos Füßen. Und wahrhaftig! Im Bach floß kein Wasser mehr – es hatte sich in puren gelben Honig verwandelt! Anansi traute kaum seinen Augen. Donko löste ein Tongefäß von einem Band, das ihm um den Hlas hing und füllte es bis zum Rande mit gelbem Honig. Dann nahm er einen großen Stoffbeutel und füllte ihn mit dem guten Maismehl. Als der Beutel voll war, hörte der stein auf zu mahlen – nun lag er wieder wie ein gewöhnlicher flacher grauer Stein da. Jetzt konnte Anansi seine Unternehmungslust nicht länger zügeln. Der Vetter sollte ja auch erfahren, was sein Betrug wert war. Donko ließ vor Schreck fast den Honigtopf fallen, als der weise Spinnenvater in die Lichtung hinaustrat.
„Die Spuren deiner wohlgenährten Füße haben mir den Weg gewiesen!“ begrüßte Anansi den treulosen Vetter. „Deine Pünktlichkeit erfreute mich, aber die Sonne am Himmel ist zuverlässiger als deine Worte. Nun habe ich mich doch mit eigenen Augen überzeugt, daß dein Bericht von dem Stein wahr ist. Ich verstehe auch, daß dies eine unschätzbare Gabe Asayas ist, nicht minder wunderbar als Saat und Ernte der schwarzen Erde. Nur eines verstehe ich nicht: wie du selbst es fertig bringst, dein eigenes Dorf, dein ganzes Volk Tag für Tag hungern zu sehn, während du den wunderbaren Stein ganz allein für dich, deine Kinder und Frauen mahlen läßt. Nein, laß uns nun den Stein gemeinsam ins Dorf tragen, damit er dort für uns alle mahlen kann!“…“Das wird nicht geschehen!“ versetzte Donko sofort.
„Niemals helfe ich dir, den Stein von der Stelle zu rücken. Mit List hast du ein Geheimnis herausgebracht. Aber damit ist noch nicht gesagt, daß Asayas Gabe dir gehört. Niemand von uns weiß, wem er sie zugedacht hat.“ – „Dummheiten!“ rief Anansi. „Hast du dich an der Gabe gütlich getan, dürfen wohl ich und andere dasselbe tun. Und willst du mir nicht helfen, den Stein fortzubringen, so bewältige ich das allein! Aber dann hat er heute auch zum letzten Mal für dich gemahlen!“ – „Anansi! Ich bitte dich – nimm dich in acht! Bringst du den Stein fort, kannst du dir und dem ganzen Land Asyas Groll zuziehen! Bedenke – die Götter geben nicht allen das gleiche, aber für das, was sie uns geben, müssen wir alle dankbar sein!“ – „Du hast recht“, erwiderte Anansi. „Dir haben die Götter nicht viel Verstand gegeben, und ich bin dankbar, daß dem so ist. Ich werde dir auch zeigen, daß ich den Stein ohne deine Hilfe ins Dorf tragen kann.“ – „Gewalt bringt selten Glück!“ Donko setzte die Honigkruke auf den Kopf, nahm seinen Mehlsack und entfernte sich voll Zorn. Aber Anansi ging zum Stein hin, hob ihn auf seinen Kopf und trug ihn dann, seinen eigenen und Donkos Spuren folgend, geradewegs den ganzen langen Weg ins Dorf.

Als er so weit gekommen war, daß er schon den Dschungel gegen das Dorf hin sich lichten sah, hörte Anansi eine Stimme etwas sagen – er hörte seinen eigenen Namen: „Anansi! Anansi!“ Er wandte sich nach allen seiten um, konnte aber kein lebendes Wesen erblicken, darum konnte er nicht begreifen, woher die Stimme kam. Verwirrt wollte er weitergehn, als er wieder die Stimme hörte, und nun erkannte er, daß es der Stein war, der sprach. Traurig klang seine Stimme und leise, fast wie ein Flüstern.
Höre, Anansi,
höre Asayas Gebot!
Zu dir spricht der Erden – und Sonnengott!
Mein Mehl sättigte
viele Dschungeltiere.
Das Wildschwein kam,
die Antilope kam
und der Luft gefiederte Schar.
Dankbar genossen wir
Asayas Gabe.
Du trugst mich fort,
lüstern nach eignem Gewinn!
Laß dich warnen, Anansi –
fürchte Asayas Strafe!

Als Anansi die seltsame Stimme reden hörte, blieb er mit seiner Bürde auf dem Pfad stehen. Er verharrte unschlüssig, hatte Mühe, seine Gedanken wieder zu sammeln. Aber schließlich dachte er an das Dorf, das da vor ihm lag, an die hungernden Bewohner, an Ruhm und Geldverdienst, die auf ihn selber warteten.
„Geschwätz“, murmelte er mürrisch. „Für Wildschweine und Antilopen und Vögel will er mahlen – und auch für den fetten Donko! – aber das ganze Dorf, das ganze Land hat nichts zu essen! Natürlich hat ihm das der eitle Donko eingeredet! Nein, für alle soll er mahlen – für alle!“ Und dann stolzierte Anansi mit seiner kostbaren Bürde ins Dorf hinein. Auf dem Marktplatz mitten im Dorf legte er den verzauberten Mühlstein nieder; ein etwas größerer Stein diente ihm als Unterlage. Dann begann er zu rufen: „Bringt Säcke mit! Hier gibt es Mehl zu kaufen!“ Nach einer Weile waren alle Dorbewohner zur Stelle, aber einige machten verärgert kehrt, als sie den flachen grauen Stein sahen; sie glaubten, Anansi wolle sie zum Narren halten. Nun bat der weise Spinnenvater alle, still zu sein, und dann sagte er feierlich, gegen den Stein gewandt: „Asaya, mahle – mahl für deine Kinder!“ Genau wie im Dschungel verwandelte sich der flache graue Stein alsbald in einen Mühlstein und begann das feinste Maismehl zu mahlen. Die Zuschauer standen zuerst sprachlos vor dem Unfaßlichen, das sich da vor ihren Augen zutrug. Dann sagte einer zum andern: „Der Stein hat nichts und mahlt! Der Stein hat nichts und mahlt!“ Aber Anansi brach den Bann und rief eifrig: „Wer Gold hat, mag den Sack füllen! Wer Gold hat, mag den Sack füllen!“……..Nur wenige hatten Gold mitgebracht, doch einige trugen Armreifen, die zogen sie ab und gaben sie Anansi. Dann ließ er soviel Mehl in die Säcke füllen, wie sie schleppen konnten. Andere liefen heim zu ihren Hütten und holten das Gold hervor, das sie dort in den Truhen versteckt hielten. Schmuck, Goldsand, Goldstücke – alles lieferte Anansi ab, der bald zwei große Stoffbeutel voller Gold hatte. Er freute sich über das viele Gold und verteilte freigiebig Mehl an alle. Schließlich hatte jedermann im Dorf so viel Mehl bekommen, wie er tragen konnte, und da hörte der stein auf zu mahlen. Alle priesen Anansi, daß er dem hungernden Dorf so viel Nahrung gebracht hatte. Nachdem der verzauberte Mühlstein sich wieder in einen flachen grauen stein verwandelt hatte, hob ihn Anansi auf seinen Kopf, nahm seine Goldsäcke und ging, um seine Schätze daheim zu verwahren.

Aber als er, vor seiner Hütte angelangt, den Stein von seinem Kopf herunternehmen wollte, war er dazu nicht imstande – der Stein saß fest! Anansi war nun ganz von Kräften, und während er noch versuchte, sich von dem schweren Stein zu befreien, fiel er um, und der Stein fiel auf ihn. Er fiel jedoch in eine Grube vor der Hütte und wurde darum nicht von dem Stein zerschmettert. Doch nun fing der Stein plötzlich wieder an zu mahlen! Von einer unsichtbaren Kraft wurde er herumgedreht, so daß Anansi Mund und Augen voller Mehl bekam. Und während der Stein sich drehte, bohrte er sich immer tiefer in die Ränder der Grube hinein, kam dem Körper Anansi immer näher. Rund, rund drehte sich der Stein, tiefer und tiefer sank er. Anansi rief verzweifelt um Hilfe, aber von all dem Mehl, das ihm den Mund stopfte, konnte er kaum ein Wort herausbringen.
„Hilfe! Hilfe! Hilfe!“ rief er durch das Mehl, aber es ist ungewiß, ob jemand ihn hörte oder verstand. Nun fühlte er schon, wie der schwere Stein seinen Rücken niederdrückte. Er stemmt sich mit allen Kräften dagegen und fuhr fort zu rufen: „Hilfe! Nehmt den Stein weg! Nehmt den Stein weg! Nehmt all mein Gold, aber nehmt den Stein weg! Nehmt all mein Gold, aber nehmt den Stein weg……“
Da hörte der Mühlstein plötzlich auf, zu mahlen. Anansi war schon fast erstickt und konnte nicht mehr rufen. Nach einer Weile fühlte er, daß der Druck des schweren Steins über ihm nachließ – jemand hob offenbar den Stein aus der Grube. Anansi richtete sich langsam auf, er begriff noch nicht richtig, was geschehen war, er hatte Mund und Augen voll Mehl. Aber als das meiste Mehl abgebürstet hatte, erblickte er einen großen Teil der Dorfbewohner, darunter auch die Medizinmänner, und alle lachten ihn aus, weil er sich so komisch ausnahm in seinem Mehlstaub.

Doch Anansi war heilfroh über seine Rettung. Es zeigte sich, daß seine eigenen Frauen mehrere Säcke und alle anderen Gefäße, die sie zu Hause auftreiben konnten, mit Mehl gefüllt hatten, als der Stein zu mahlen anfing, und als sie kein Gefäß mehr zum Füllen hatten, hörte er Stein auf. Erst da hatte jemand erfaßt, daß Anansi sich unter dem Stein befinden mußte, darum hat man ihn aus der Grube entfernt. In seiner Freude langte Anansi nach einem Goldsack und verteilte Gold an alle, die vor seiner Hütte herumstanden. Den zweiten Sack hatten seine Frauen schon in die Häuser getragen und versteckt. Den verzauberten Stein wagte Anansi nicht anzurühren.

„Das ist Asayas Strafe!“ rief der kluge Spinnenvater. „Dem Mächtigen, der den Geschöpfen die Ernten der Erde geschenkt hat, schulden wir tiefen Dank – aber er allein – er und nicht wir – entscheidet, wie er seine Gaben verteilen will. Asayas Stein muß an seinen Platz im Dschungel zurück!“…“Ja, das ist Asayas Strafe!“ riefen alle. „Asaya, der Mächtige, hat Anspruch darauf, daß wir seine Gaben ehren, indem wir uns seiner Entscheidung beugen!“ Nach einer kurzen Beratung der Medizinmänner wurde beschlossen, den verzauberten Mühlstein an seine alte Stelle im Dschungel zurückzuführen, die Donko den Trägern zeigte. Aber als Donko sich am nächsten Morgen wieder zu dem Platz begab, war der Stein verschwunden, und in dem kleinen Bach floß kein Honig mehr.
„Asayas Strafe!“ murmelte Donko, ….. „Asayas Strafe!“
Seit diesem Tage siehst du oft kleine Spinnen aus dem Dunkel hervorkommen, wenn du große flache graue Steine vom Boden aufhebst!

Quelle: Märchen Goldküste

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