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Märchenbasar

Der Zahnschleifer Anansi und die Termiten

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Anansis Familie wurde mit der Zeit immer größer, und der kluge Spinnenvater hatte immer mehr Mäuler zu stopfen. Oft mußte er zu diesem Zweck all seinen Erfindungsgeist aufbieten. Eines Tages entdeckte er im Dschungel eine vor kurzem getötete Antilope. Wer sie getötet hatte und wem sie gehörte, konnte Anansi nicht feststellen, denn der Dschungel ist groß und seine Bewohner zahlreich. Nach den Vorschriften des Dschungelgesetzes beschloß er deshalb, den Fund selbst zu verwalten, ohne ihn gegen irgend jemand zu erwähnen. Er nahm sich vor, das Antilopenfleisch für seine Familie nach Hause zu schaffen. Wenn dieser Entschluß auch kein gutes Beispiel ist für die Fürsorge und Unternehmungslust des klugen Spinnenvaters, so war Anansi doch damit nicht am Ziel. Der Weg zu seinem Dorf war lang und die Bürde schwer. Außerdem mußte er damit rechnen, daß alle denen er begegnete, ihn um die Antilope beneideten und eine Kostprobe verlangen würden. In dem Falle würde er höchsten die Antilopenhörner übrig haben, wenn er heim in seine Hütte kehrte.

Aber Anansi fand natürlich einen Ausweg. Unterwegs hatte er sich in einem Dorf mit Dodoka, dem guten Bambuswein, einen Teppich eingetauscht, den wickelte er nun um die Antilope. Dann schnitt er rasch einige feine Ranken ab und verschnürte mit ihnen die eingewickelte Antilope, die er hernach auf seinem Kopf trug. Das war keine leichte Sache, denn an manchen Stellen war der Dschungelpfad so schmal und von niedrigen Zweigen überdacht, daß er auf Schritt und Tritt mit seiner Bürde anstieß. Viele Dörfer hatte Anansi auf seinem Heimweg zu passieren, und wenn die Einwohner neugierig fragten, was er da für eine schwere Last auf dem Kopf trage, antwortete er jedesmal: „Ach, das ist mein armer toter Großvater, den ich geholt habe, um ihn in meinem Dorf zu begraben.“ – Dabei sah Anansi so traurig aus, daß die Zuhörer vor Mitleid Tränen in die Augen bekamen und dem verwaisten Spinnenenkel anboten, ihre Mahlzeit mit ihnen zu teilen. Alles schien soweit gut zu gehen, bis Anansi bloß nach einem knappen Tagesmarsch von dem Dorf San entfernt war, wo er wohnte. Da stieß er auf Sebba, den Leoparden, und Bodom, den Schakal, die – wie unglaubhaft das auch scheinen mag – gemeinschaftlich miteinander jagten.

„Was hast du in dem Paket?“ fragte Sebba sofort, und wieder erzählte Anansi die rührende Geschichte vom toten Großvater.
„Deine Verwandtenliebe ist schechthin ergreifend“, höhnte Sebba. „Wird man deine Geschichte vom alten Großvater am Lagerfeuer erzählen, werden sogar die Krokodile Tränen vergießen, und du wirst berühmter als je zuvor. Bruder Schakal und ich werden dich ausposaunen. Gehab dich wohl… alter Großvater!“ Damit verschwanden Sebba und der Schakal im Dschungel. Von allen Einwohnern dieses Landstriches ist Sebba einer der talentiertsten. Der Schakal hat einen schlechteren Ruf als der Leopard, aber seine Klugheit ist auch nicht zu unterschätzen. „Höre“, sagte Sebba, sobald sie weit genug von Anansi entfernt waren. „Anansis alten Großvater sollte man sich etwas näher ansehen. Es sollte mich wirklich wundern, wenn der Schlauberger herumturnt und einen toten Spinnengreis durch das halbe Dschungel schleppt, um ihn zu begraben. Merkst du was?“ ….O ja, Badom verstand nur zu gut. Er kannte Anansis Unternehmungslust, und er vertraute Sebbas Spürsinn. Weitere Erläuterungen bedurfte es nicht, Eilig machten sich die beiden Kumpanen in einem weiten Bogen durch den Dschungel davon und hielten erst an, als sie nach langem Lauf den Pfad wieder erreichten, auf dem Anansi mit seiner kostbaren Last kommen mußte. Sebba wählte einen hohen Baum aus mit nicht allzu grobem Stamm, umwachsen von dichten Buschgestrüpp, ein kleines Stück vom Weg. Hier verbarg sich der Leopard mit seinem Kameraden und wartete auf Anansi, dem sie einen ordentlichen Streich spielen wollten. Sie hatten reichlich Zeit, ihre Rollen einzuüben, bis der Erwartete schließlich kam; er keuchte unter seiner schweren Last.

Gerade als er den Baum passierte, ducrchschnitt ein eisiges Geheul die Stille.
Huuiiiiiiiiiioooooooo –o – o – o – h – h – h –
Gleichzeitig schwankte der Baum, als hätte er Fieber und Schüttelfrost. Kaum war das Heulen verstummt, als es noch gellender von neuem losbrach……..Es war ein gedehnter, schneidend geller Ton, der zu beinah unfaßlicher Kraft anschwoll – und Anansi begann zu laufen, er warf sein schweres Paket fort und lief, als gälte es das Leben. Hier treiben die bösen Waldgeister ihr Spiel; Anansi hatte ihr Heulen schon füher gehört, es hatte immer seine Gründe. In diesem Augenblick fühlte er selbst, daß zwischen ihm und den Waldgeistern nicht alles zum besten stand. Sie wollten sich rächen, die Bosnickel, es war natürlich das gute Antilopenfleisch, um das man ihn beneidete…Der Gedanke war in gewisser Weise richtig – die Urheber des gräßlichen Heulens wünschten nichts mehr, als sich des Paketes von Anansi zu bemächtigen – und seinen Inhalt zu prüfen. Kaum war er außer Sichtweite, als Leopard und Schakal lachend herankamen und die Rankenschnüre des Paketes lösten. „Eigentümliche Formen hat der Spinnengroßvater!“ lachte der Leopard. „Welch seltsame Hörner! Und er riecht nach Antilope!“ Das Wasser lief ihm im Maul zusammen, denn es war lange her seit seiner letzten Antilopenmahlzeit. In aller Eile ward nun ein gewaltiger Festschmaus auf dem Dschungelpfade abgehalten; was die beiden Kumpane nicht auffressen konnten, teilten sie in zwei Hälften und trugen diese heim. Sie trugen richtig schwer daran. Nur die Hörner ließen sie auf Anansis Teppich zurück.

Anansi war kein Dummkopf. Sobald er sich von seinem Schrecken erholt hatte, begann er nachzudenken; rasch begriff er, daß man ihm einen Streich gespielt hatte. „Das ist natürlich Sebba! Als ich seine Witzeleien hörte, hätte ich ja merken müssen, daß er mir nicht glaubte“, dachte er bitter. Das Schakalgeheul war auch unverkennbar! Waldgeister – ja, das sind mir saubere Waldgeister. Jetzt fressen sie sich voll und toll da drüben!“ Erbittert, etwas beschämt und das Schlimmste befürchtend ging Anansi zu dem Platz zurück, wo er das Paket fortgeworfen hatte. Die letzte Strecke schritt er vorsichtig am Rande des Pfades entlang, um nicht gesehen zu werden. Aber das war überflüssige Vorsicht. Leopard und Schakal waren schon verschwunden, und von der Antilope waren nur noch die Hörner übrig.
„Gerade wie ich vermutete“,murmelnde Anansi. „Ein Wunder, daß sie nicht auch den Teppich auffraßen. Aber was ein Teppich ist, wissen die Burschen wohl gar nicht! Etwas so Feines haben sie wohl noch nie gesehen!“ Damit rollte Anansi den Teppich zusammen, trug ihn zu einer kleinen Wasserlache in der Nähe und wusch ihn rein. Die ganze Zeit sprach er wütend vor sich hin: „Den Antilopenbraten sollt ihr teuer bezahlen…Das soll ein sehr, sehr teurer Spaß werden, Herr Leopard und Herr Schakal…verlasst euch drauf“ So teuer, das der ganze Dschungel lachen wird; daß sogar die Waldgeister lachen werden damit ihr daran denkt, solange ihr lebt!“ Nun war der Teppich sauber. Anansi richtete sich grübelnd auf. „Tja, was soll ich nun anstellen? Die Lümmel…!“ Während er seine Werkzeuge zusammensuchte, kam ihm eine Idee. Er wollte ein wenig vorfühlen, ehe er sich nun mit den beiden Sündern einließ.

Als er zum Hause des Mungo kam, des kleinen auf die Bäume kletternden Schlangentöters, blieb er stehen und schaute hinein. „Heute Zähneschleifen? Unter Garantie gute Arbeit! Zähne scharf wie Messer – und du kaust die Brillenschlangen wie Pilze!“ – „Na, du kannst es ja versuchen“, meinte der freundliche Mungo. „Es ist lange her, seit ich mir die Zähne schleifen ließ. Aber was kostet es?“
„Oh, da werden wir uns schon einig. Du kannst mir einen kleinen Dienst erweisen, dann schleife ich deine Zähne umsonst.“ Anansi begann zu schleifen, und die Zähne des Mungo wurden wirklich scharf wie Messer. Dabei erklärte der kluge Spinnerich dem Mungo, welchen Gegendienst er ihm leisten solle. „Du sollst nur zu Sebba und Badms Hütte gehen und Feuer borgen“, sagte er.
„Wenn du dann Feuer erhalten und die Hütte verlassen hast, kehre wieder um, sage, daß dein Feuer ausgegangen ist, und laß dir nochmals Feuer geben. Das kannst du drei – viermal wiederholen. Dadurch gewinnst du Zeit, dich in der Hütte umzusehen, etwa, ob sie einen großen Speisevorrat haben – das Gerücht vermutet dort den besten Antilopenbraten des ganzen Dschungels. Aber wenn sie dich etwas Besonderes fragen, sollst du nicht antworten, sondern nur lachen und deine neugeschliffenen Zähne zeigen.“

Der Mungo befolgte Anansis Vorschriften. Leopard und Schakal liehen ihm bereitwillig Feuer, fanden es aber eigentümlich, daß er wieder und wieder zurückkam und nur lachte und sich verbeugte. Dann entdeckte der Schakal die messerscharfen, blendend weißen Zähne, und nun vergaß er alles übrige. „Du bist bestimmt ein richtiger Snob geworden auf deine alte Tage, Mungo!“ rief er. „Hast du dir neue Zähne besorgt?“ – „Nein,nur neugeschliffenen! Aber mit ihnen kaue ich jede Brillenschlange wie einen Pilz!“ Nun wurde auch der Leopard neugierig. Er sah etwas schlecht bei Tageslicht und mußte nah an den Mungo herangehen, um deutlich zu sehen. „ Wirklich großartig!“ gab er zu. „Das wäre vielleicht auch etwas für uns, Badom.“
„Ganz meiner Meinung“, antwortete der Schakal. „Mit solchen Zähnen würde ich sogar Jaetta, den Löwen, zur Strecke bringen.“….“Sachte, sachte! Wer hat deine Zähne geschliffen, Mungo?“……“Der Spinnenzahnschleifer er wont im Dorf
San.“…“Im Dorf San? Dort wohnt ja auch die M;ärchenspinne Anansi. Na ja, die Sippe ist zahlreich, und es kann ja auch tüchtige Leute in der Familie geben.“ ….“Sprich bloß nicht schlecht vom Großvater! An ihm haben wir mehrere Tage genug“, unterbrach der Schakal und zeigte lachend auf die Antilopenstücke, die unter dem Dach der Hütte hingen. „Diesmal haben wir wirklich einen guten Fang gemacht! Hahahaha…“ Der Mungo hatte seinen Auftrag ausgeführt.

Eine kleine Weile später konnte er Anansi davon berichten, der daheim in seiner Hütte wartete. Auch die prächtigen Antilopenstücke fanden Erwähnung. „Du bekommst wohl bald Besuch in deinem Dorf, denn Sebba und Badom wollen absolut ihre Zähne geschliffen haben und eben so fein wie ich“, sagte der Mungo und lächelte mit weißen neupolierten Zähnen, daß es nur so spiegelte.“ Jetzt hatte Anansi Eile. Bisher ging alle wie am Schnürchen. Er mußte aber rechtzeitig nach Hause kommen, um den Empfang von Leopold und Schakal vorzubereiten. In den Dörfern, durch die er kam, schliff er hier und dort Gebisse – das ging rasch und wurde gut bezahlt. Einige Jamknollen hier, ein Dschungelhuhn oder ein Sack Pythonschlange dort – da kann man sich schon satt essen. Bald verlautete, daß Sebba und Badom schon unterwegs zum Dorf waren. Das Gerücht fliegt solchen Größen immer voraus. Als Anansi das hörte, staffierte er sich rasch mit einem üppigen wallenden Bart aus, und als er die Ankömmlinge empfing, stützte er sich auf eine Krücke.

„Bist du der Spinnenzahnschleifer?“ fragte Sebba barsch. „Denn in dem Fall sollst du unsere Zähne schleifen verstanden?“ – „Ja gewiß! Mit dem größten Vergnügen! Wollen die Herren so freundlich sein und Platz nehmen…..“ Leopard und Schakal setzten sich auf eine Bank vor Anansis Hütte. „Und nun bitte das Maul aufsperren“, sagte Anansi. Beide rissen die Mäuler auf, daß die Backenknochen knackten. Anansi besah sich die Zähne, versuchte an beiden zu ziehen.
O…o, das ist schlimm“, murmelte er. „Wie lange dauert es?“ brachte Sebba heraus. „Wie lange? Tja, das kommt darauf an, die Herren haben ungewöhnlich harte Zähne, sehe ich…Wir müssen schon ein bißchen Aufhängen in Betracht ziehen…Den Herren fehlt es zu Hause wahrlich nicht an Fleisch – das kann man diesen Zähnen ansehen! Aber einseitige Kost macht die Zähne spröd und brüchig, sie können leicht ausfallen…es war wirklich höchste Zeit, daß die Herren zu mir kamen!“ – „Was sagt er?“ unterbrach Sebba, noch immer mit aufgerissenem Maul. „Einseitige Kost? Aufhängen? Fehlt kein Fleisch – nein, Gott behüte.“ – „Ja in der Tat, ich muß sie eine Weile aufhängen, unterdes die Zähne weich werden – dass muß ich mit allen wohlhabenden Patienten machen, die sich auch an Wochentagen reichliche Fleischmahlzeiten leisten können. Noblesse oblige, meine Herren! Für seine Schönheit muß man leiden! Biite machen Sie das Maul zu!“ – „Na dann häng uns auf. Aber weiter im Text, steh nicht da und schwatze“, entschied Sebba. „Warum so eilig?“ fragte Anansi. „Wir haben ja noch nicht mal den Preis abgemacht.“
„Was verlangst du also?“ – „Nicht viel – aber dürfte ich mein Fangnetz in euren Jagdbezirken auslegen, um meiner Familie etwas Nahrung zu beschaffen, so wäre ich dankbar. Ich meine, daß ich die Beute behalten möchte.“ – „Einverstanden, das versprechen wir“, riefen Leopard und Schakal eifrig. „Wenn unsere Zähne geschliffen sind, können wir ja selber doppelt soviel wie früher fangen!“ – „Abgemacht! Und nun ans Werk!“ sagte Anansi.

Das Aufhängen war sorgfältig vorbereitet. Über die zwei kräftigsten Äste eines hohen Baumes hatte Anansi zwei Seile gezogen, deren beiden Enden die Erde berührten. Ungefähr in der Mitte eines jeden Seiles hatte er einen schweren Stein befestigt, der in den Baum hinaufgezogen war, so daß nun jeder auf seinem Ast ruhte. An einem Ende von jedem Seil befanden sich fünf Schlingen. Vier dieser Schlingen zog Anansi nun dem Leoparden über die Tatzen und die fünfte über den Kopf; ebenso machte er es dann mit dem Schakal. Er zig die Schlingen so an, daß sie fest saßen, ohne weh zu tun. Mit einem einzigen Ruck an den beiden anderen Seilenden erreichte er es dann, daß die schweren Steine von ihren Ästen zu Boden plumpsten, wobei der Leopard und der Schakal in die Luft flogen und ein Stück unterhalb der Äste liegenblieben, die sie nicht zu erreichen vermochten, auch wenn sie sich hätten bewegen können. Sicherheitshalber band Anansi die Seile am Baumstamm über dem Boden fest. Das Ganze war fast leichter gegangen, als er berechnet hatte. Sein Triumph erschien ihm vollkommen. Nun konnten die zwei da oben gern erfahren, mit wem sie einen Scherz erlaubt hatten.

„Herr Leopard! Herr Schakal! Bitte lassen Sie mich wissen, wenn die Zähne weich geworden sind!“ rief Anansi und riß sich gleichzeitig den Bart ab. Ein Knurren grenzenloser Erbitterung war die einzige Antwort seiner hoch oben baumelnden Gefangenen. Anansi ganze Familie kam nun gelaufen und lachte mächtig über den Schabernack, den ihr erfinderisches Oberhaupt ausgeheckt hatte. Die Nachbarn strömten herbei, auch sie verhöhnten die armen Schlucker im Baum. Niemand hatte Mitleid mit ihnen. „Ruhig, meine Kinder, ruhig“, mahnte Anansi schließlich, da er fand, dies ginge langsam zu weit. „Rüstet nun alles zu dem großen Antilopenfest, das ich geben will.“ Gemeinsam mit den schnellsten Läufern des Dorfes begab er sich zu Sebbas und Badoms Hütte und holte die köstlichen Antilopenstücke. Als sie ins Dorf zurückkamen, waren alle Vorbereitungen getroffen, und am Abend gab es ein Fest, von dem am dort noch heute spricht.

Manchmal raste und brüllte Sebba oben im Baum, drohte und forderte, daß Anansi ihn und Badom herunterlassen solle, aber weder der kluge Spinnenvater noch seiner Nachbarn bezeigte Lust dazu. „Verböte sich nicht die einseitige Kost für euch, hätte ich euch auch gern zum Fest eingeladen“, rief Anansi zurück.
„Doch nun müßt ihr warten, bis die Zähne weich sind.“ Als die Feuer im Dorf dem Erlöschen nahe waren und die Festteilnehmer schliefen, kam der Termitenvater mit all seinen Kindern, Kindeskindern, Urenkeln und der ganzen übrigen Sippschaft des Weges daher. Sie wollten entfernte Verwandte besuchen und zogen gerade unter dem Baum vorbei, indem Anansis Gefangene hingen.
„Hilf uns herunter“, rief Sebba, als er die Termiten sah. „Hilf uns herunter“, rief auch Badom. Der Termitenvater gab ein Zeichen, und der ganze Zug hielt an. „Was bekomme ich dafür?“, rief er. „Was du willst.“ – „Du knausert nicht. Aber das geht über meine Kräfte. Mach ein Angebot!“ – „Ich gebe ein Fest.“ – „Für mich allein?“ – „Nein, bring die ganze Familie mit.“ Ausgezeichnet. Wir sind gerade auf einer Vergnügungsreise. Wann sollen wir kommen?“ – „In drei Tagen….ich muß erst für das Festessen sorgen…!“ – „Das klingt vielversprechend. Abgemacht. Wir kommen!“ Dann wandte sich der Termitenvater zu seinem Gefolge: „Packt hier zu. Sägt!“ Sofort machten sich sich die Termitenfrauen, Kinder, Enkel, Urenkel über die beiden Seile her und begannen zu nagen. Das ging mit rasender Schnelligkeit voran. – Plauz – da fiel der Leopard zur Erde – und plauz – folgte ihm der Schakal. Rasch nagten die Termiten noch die Schlingen von ihren Beinen und Köpfen ab – bald waren sie frei. Sie waren natürlich beide etwas steif und konnten nicht richtig Balance halten, aber schließlich standen sie auf, dankten dem Termitenvater und hinkten fort.

Anansi schlief noch nicht, als der Termitenzug durch sein Dorf kam; so erfuhr er, daß Sebba und der Schakal frei waren. Erst wollte er das ganze Dorf wecken und die Termitensippe fortjagen, aber als er von der Einladung zum Fest hörte, kam er auf andere Gedanken. „Ja, ich danke schön“, murmelte er in seinem Winkel und spitzte die Ohren. „Ja, ich danke schön…das soll hübsch werden! Das soll wirklich hübsch werden! Hohohoho…“ Er gluckste vor Lachen über seinen neuesten Einfall. Drei Tage später verkleidete sich Anansi als Termitenvater, und mit ihm verkleideten sich alle Kinder und Verwandten und das ganze Dorf als Termiten. Alle hatten sofort Anansis Vorschlag gebilligt, der darauf ausging, den klugen Spinnenvater und das ganze Dorf statt der Termiten bei Sebba und Badom die Sahne abschöpfen zu lassen. Das war ein langer Zug, der sich mit Anansi an der Spitze in Bewegung setzte. Gleichzeitig entsandte man zwei Boten zu dem richtigen Termitenlager im Dschungel, um ihnen die vielen Entschuldigungen der Gastgeber mitzuteilen, daß das Fest infolge noch nicht abgeschlossener Vorbereitungen um einen Tag verschoben werden müsse.

Als der Zug sich Sebba und Baddoms Hütte näherte, gab Anansi ein Zeichen und dann stimmten alle das Wanderlied der Termiten an, das diese gesungen haben, seit die ersten Termiten sich im Lande niederließen. Beide Gastgeber eilten entgegen und begrüßten den falschen Termitenvater sehr höflich. „Seid uns willkommen“, rief Sebba. „Daß du, Termitenvater und deine Sippe uns aus der Gewalt des verschlagenen Spinnenschurken rettetest, werden wir euch niemals vergessen!“
Anansi hielt seine Antwort aus dem Stegreif.
„Wenn wir, Mitglieder der zahlichen Sippe der Termiten, heute in euer Haus eingeladen sind, sehen wir darin eine Einleitung zu beständiger Freundschaft zwischen uns und den berühmten Familien der Leoparden und Schakale. Nichts soll fortan diese Freundschaft stören, nichts soll die Freundschaftsbande auflösen können, die wir heute knüpfen wollen!“ sagte der weise Spinnenvater und Sebba schien sichtlich gerührt über die freundlichen Worte. Dann widmete sich die Gesellschaft hingebungsvoll den Festgerichten, welche die Wirte in großem Übermaß auftischten. Alle aßen und tranken so viel sie konnten, und zwischen den Gängen sangen sie Termitenlieder oder tanzten Termitentänze, die sie zu Haus im Dorf eingeübt hatten. Als spät abends die Gäste abzogen und zum zehntenmal das uralte Wanderlied der Termiten sangen, waren alle Töpfe leer und alle Vorräte von Leopard und Schakal erschöpft. Das war wirklich ein gelungenes Fest gewesen!

Am nächsten Tag kam an der Spitze all seiner Kinder, Kindeskinder, Urenkel und der ganzen übrigen Sippe der richtige Termitenvater. Alle waren froh und ausgelassen in Gedanken an das große Fest, das ihrer wartete. Aber der Empfang entsprach dem wirklich nicht. Sebba war erstaunt, als sie von dem nahenden Termitenzug hörte, dann misstrauisch. „Das ist Anansi!“ knurrte er, …“Ein neuer Streich des dreisten Spinnenvaters.“…“Ja, nun komme ich mit der ganzen Familie“, rief der Termitenvater fröhlich, als er Sebba erblickte.
„Oh ich kenne dich schon“, murrte Sebba wütend,…“dich und deinen ganzen Anhang kenne ich!“…“Was ist…was soll das hießen… du hast uns doch zum Fest eingeladen“ stammelte der Termitenvater. „Fest! Ja, du sollst ein Fest erleben, alter Spinnenschurke!“
Damit stürzte Sebba nach einem Topf mit kochendem Wasser und schüttete ihn übet den Termitenzug aus. Hinter ihm kam Badom mit noch einem Topf, den er gleichfalls über die nichts Böse ahnenden Termiten schüttete. Sie versuchten zu fliehen, aber sie stolperten und strauchelten übereinader. Alle außer dem Termitenvater wurden so schwer verbrannt, daß sie auf dem Fleck starben.

Außer sich über die Undankbarkeit von Leopard und Schakal eilte der Termitenvater in sein Dorf zurück. „Nie wieder werde ich jemandem helfen, nie wieder wird mein Volk sich verleiten lassen, diesen Undankbaren Beistand zu leisten“, murmelte er auf dem ganzen Weg. Seit dem Tage sind die Termiten einen Plage für ihre Nachbarn und alle lebenden Wesen.

Quelle: Märchen Goldküste

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