Am Morgen, als er nachschaute, fand er die Schüsseln leer; nicht ein Bröselchen fand er darin. Da sagte der König: „Mein halbes Königreich gebe ich dem, der mir den Schrank bewachen kann, dass das Essen daraus nicht verschwindet.”
Der König hatte drei Söhne. Da dachte der Älteste bei sich: „Gott! Was, das halbe Königreich einem Fremden geben? Es wäre besser, ich halte Wache. Ich will es auf mich nehmen nach Gottes Willen!”
Er ging zu seinem Vater: „Vater, ich grüße dich! Was, das Königreich einem Fremden geben? Es wäre besser, ich halte Wache!”
Und sein Vater sagte zu ihm: „Wie Gott will, nur erschrecke dich nicht vor dem, was du sehen magst!”
Und der Sohn sagte: „Ich will es auf mich nehmen nach Gottes Willen.
Und er ging und legte sich nieder in dem Palast. Und er legte seinen Kopf auf das Kissen und blieb mit dem Kopf auf dem Kissen bis zur Morgendämmerung. Und ein warmer, schläfriger Wind kam und schläferte ihn ein. Und seine kleine Schwester erwachte. Sie schlug einen Salto und ihre Nägel wurden wie Äxte und ihre Zähne wie Schaufeln. Und sie machte den Schrank auf und aß alles, was darin war. Dann verwandelte sie sich wieder in ein Kind und kehrte zurück in ihre Wiege, denn sie war noch ein Säugling. Der Jüngling erwachte und sagte seinem Vater, dass er nichts gesehen hatte. Der Vater schaute in den Schrank, fand die Schüsseln leer. Kein Essen, nichts. Sein Vater sagte: „Das braucht einen besseren Mann als dich, und auch der möchte nichts ausrichten.”
Sein mittlerer Sohn sagte auch: „Vater, ich grüße dich! Ich werde heute Nacht wachen!”
„Geh nur, bloß sei ein Mann!”
„Mir soll geschehen nach Gottes Willen!”
Und er ging in den Palast und legte seinen Kopf auf ein Kissen. Und um zehn Uhr kam ein warmer Wind und Schlaf überkam ihn. Da erhob sich seine Schwester und wand sich aus ihren Windeln und schlug einen Salto. Und ihre Zähne wurden wie Schaufeln und ihre Nägel wie Äxte. Und sie ging zu dem Schrank und öffnete ihn und aß von den Schüsseln, was sie fand. Sie aß alles auf und schlug wieder einen Salto und kehrte zurück in die Wiege. Der Tag brach an und der Bursche erhob sich, und sein Vater fragte ihn und sagte: „Das braucht einen besseren Mann als dich, und auch der möchte nichts ausrichten.”
Der jüngste Sohn kam: „Vater, ich grüße dich! Erlaube auch mir, den Schrank bei Nacht zu bewachen!”
„Geh nur, mein Lieber, bloß fürchte dich nicht vor dem, was du sehen wirst!”
„Mir geschehe nach Gottes Willen!” sagte der Bursche.
Und er ging und nahm vier Nadeln und legte sich mit dem Kopf auf das Kissen und steckte die vier Nadeln an vier Stellen in das Kissen. Als ihn der Schlaf überkam, stieß er mit dem Kopf gegen eine Nadel und so blieb er wach bis es zehn Uhr schlug. Und seine Schwester erhob sich aus der Wiege, und er sah. Und sie schlug einen Salto, und er sah. Und ihre Zähne wurden wie Schaufeln und ihre Nägel wie Äxte. Und sie ging zum Schrank und aß alles auf. Sie ließ die Schüsseln leer zurück. Und sie schlug einen Salto und wurde wieder klein, legte sich in die Wiege. Der Bursche, als er das sah, da zitterte er vor Angst. Und es schien ihm zehn Jahre zu dauern bis zur Morgendämmerung. Und er erhob sich und ging zu seinem Vater: „Vater, ich grüße dich!”
Dann fragte sein Vater ihn: „Hast was gesehen, Peterkin?”
„Hab ich was gesehen? Was hab ich nicht gesehen! Gib mir Geld und ein Pferd, Vater, ein Pferd, das das Geld tragen kann, denn ich will fort, um zu heiraten.”
Sein Vater gab ihm ein paar Säcke Dukaten und er lud sie auf sein Pferd. Der Bursche ritt an den Rand der Stadt und grub ein Loch. Er machte einen Kasten aus Stein und tat all das Geld da hinein und vergrub es. Er machte darüber ein Kreuz aus Steinen als Zeichen und ritt davon. Und er reiste acht Jahre und kam zur Königin aller Vögel, die da fliegen.
Und die Königin der Vögel fragte ihn: „Wohin des Wegs, Peterkin?”
„Dorthin, wo es nicht Alter noch Tod gibt. Dort will ich mich verheiraten.”
Die Königin sagte zu ihm: „Hier gibt es nicht Alter noch Tod!”
Da sagte Peterkin zu ihr: „Wie kommt es, dass es hier nicht Alter noch Tod gibt?”
Da sagte sie zu ihm: „Wenn ich all das Holz in diesem Wald weggepickt habe, dann erst werden Alter und Tod kommen und mich holen.”
Da sagte Peterkin: „Also werden eines Tages und eines Morgens der Tod kommen und das Alter und werden mich holen!”
Und er ritt weiter und reiste acht Jahre und kam an ein Schloss, das war aus Kupfer. Und eine Jungfrau kam aus dem Schloss und nahm ihn und küsste ihn. Sie sagte: „Ich habe lange auf dich gewartet!”
Sie nahm das Pferd und führte es in den Stall, und der Bursche verbrachte die Nacht bei ihr. Er erhob sich am Morgen und sattelte sein Pferd.
Da begann das Mädchen zu weinen und fragte: „Wohin des Weges, Peterkin?”
„Dorthin, wo nicht Alter noch Tod ist!”
Da sagte das Mädchen zu ihm: „Hier gibt es nicht Alter noch Tod!”
Da fragte er: „Wie kommt es, dass es hier nicht Alter noch Tod gibt?”
„Erst wenn diese Berge hier abgetragen sind und diese Wälder hier umgehauen, erst dann wird der Tod kommen”
„Das ist nicht der Ort für mich!” sagte der Bursche zu ihr, und er ritt fort.
Und was sagte sein Pferd zu ihm? „Herr, schlage mich viermal mit der Peitsche, und zweimal dich selbst, denn du bist in das Tal der Reue gekommen. Und Reue wird dich fassen, dich niederwerfen mitsamt deinem Pferd. So sporne dein Pferd und verweile nicht!”
Er kam an eine Hütte. In der Hütte sieht er einen Jungen, der war wie zehn Jahre alt. Der fragt ihn: „Was suchst du, Peterkin, hier?”
„Ich suche den Ort wo nicht Alter noch Tod ist.”
„Hier gibt es nicht Alter noch Tod. Ich bin der Wind.”
Da sagte Peterkin: „Nimmer, nimmer geh ich for von hier!” Und er wohnte da hundert Jahre und wurde nicht älter.
Da wohnte der Junge und ritt aus zum Jagen in die Goldenen Berge und die Silbernen Berge, aber nicht auf den Berg des Leids oder ins Tal der Reue. Und er konnte kaum das Wild heimschleppen.
Was sagte da der Wind zu ihm? „Peterkin, reite in die Goldenen Berge und die Silbernen Berge, aber nicht auf den Berg des Leids oder ins Tal der Reue!”
Aber er gab nicht acht und ritt auf den Berg des Leids und ins Tal der Reue. Und Leid warf ihn nieder. Er weinte, bis seine Augen leer waren.
Und er ging zum Wind: „Ich reise heim zu meinem Vater, ich bleibe nicht länger.”
„Geh nicht, denn dein Vater ist tot, und Brüder hast du keine mehr. Eine Million Jahre sind seither gekommen und gegangen. Den Ort, wo deines Vaters Schloss stand, weiß keiner mehr. Sie haben Melonen darauf gepflanzt. Erst vor einer Stunde bin ich dort vorbeigekommen.”
Doch der Bursche ritt davon und kam zu dem Mädchen, der das Schloss aus Kupfer gehörte. Nur ein Stecken war übrig geblieben, und sie schnitt ihn ab und wurde alt. Als er ans Tor klopfte, fiel der Stecken um und sie starb. Er begrub sie und ritt weiter. Und er kam zur Königin der Vögel in dem großen Wald. Nur ein Zeig war übrig, und der war fast durchgepickt.
Als sie Peterkin sah, sagte sie: „Peterkin, du bist recht jung!”
Da sagte er zu ihr: „Weißt du noch, wie du mir gesagt hast, ich sollte hier verweilen?”
Und sie zerbrach das letzte Zweiglein und fiel um und starb.
Er kam zu dem Ort wo seines Vaters Schloss gestanden war und schaute sich um. Da war kein Schloss, gar nichts. Und er staunte: „Gott, Du bist groß!” Er erkannte nur seines Vaters Brunnen und er ging da hin. Seine Schwester, die Hexe, sagte zu ihm, als sie ihn sah: „Ich habe lange auf dich gewartet, Hund!” Sie stürzte sich auf ihn um ihn zu verschlingen, aber er machte das Zeichen des Kreuzes und sie ging zugrunde.
Und er ritt davon und kam zu einem alten Mann, dem der Bart bis zum Gürtel ging. „Väterchen, wo ist das Schloss des Roten Königs? Ich bin sein Sohn.”
„Was ist das?” sagte der alte Mann, „Du sagst mir, dass du sein Sohn bist? Meines Vaters Vater hat mir vom Roten König erzählt. Seine Stadt steht nicht mehr. Siehst du nicht, dass sie verschwunden ist? Und du willst mir sagen, dass du der Sohn des Roten Königs bist?”
„Es sind keine zwanzig Jahre, alter Mann, dass ich meinen Vater verlassen habe, und du willst mir sagen, dass du meinen Vater nicht kennst?” Es war aber eine Million Jahre vergangen, seit er seine Heimat verlassen hatte. „Komm mit mir, wenn du mir nicht glaubst!”
Und er ging zu dem Steinkreuz. Nur eine Handbreit noch ragte aus der Erde. Und er brauchte zwei Tage, um zu der Geldkiste zu gelangen. Als er die Kiste heraushob und sie öffnete, saß der Tod darin in der einen Ecke und ächzte, und das Alter saß ächzend in der anderen Ecke.
Und was sagte das Alter: „Fass ihn, Tod!”
„Fass du ihn selber!”
Und das Alter packte ihn vorne und der Tod packte ihn hinten.
Der alte Mann begrub ihn und stellte das Kreuz neben ihm auf. Und der alte Mann nahm das Geld und das Pferd auch und ging davon.
Aus der Sammlung „Gypsy Folktales“ von Francis Hindes Groome