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Der Schatz

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In jener fernen Zeit, als Jesus noch mit seinen Jüngern durch die Welt wanderte, kamen sie in einer wilden Gegend an einem Baum vorbei, und unter dem Baum sahen sie eine Kiste stehen. Die Jünger sahen die Kiste von weitem und fragten: «Herr, was steht dort in der Wildnis für eine Truhe?»

Er antwortete: «Seht nach!»

Da gingen die Jünger hin, öffneten die Truhe und sahen, daß sie bis oben voll Goldmünzen war. Auch Jesus sah im Vorbeigehen die geöffnete Truhe, aus der das Gold funkelte, aber er hielt sich nicht auf, sondern schritt ruhig seines Weges. Da wunderten sich die Jünger, liefen dem Meister nach und sprachen: «Herr, hast du nicht das viele Gold gesehen?»

«Ja, was soll’s?»

«Herr, dort liegt genug für uns alle, um nie mehr Not zu leiden. Erlaube, daß wir uns davon die Taschen füllen!»

«Nein», sagte Jesus, «jetzt noch nicht. Wartet!»

Da folgten ihm die Jünger murrend und verstanden nicht, warum sie nicht vom Golde nehmen sollten. Jesus aber sprach: «Warum lauft ihr den Dingen nach, welche die Menschen am meisten verwirren? Habt Geduld, und ihr werdet sehen, was es mit dem Geld auf sich hat.»

Als Jesus mit seinen Jüngern schon weit von diesem Ort weg war, kamen dort zwei Freunde vorbei, die miteinander eine Reise machten. Als sie die Truhe sahen, gingen sie hin, öffneten sie und fanden das viele Gold. Da sagte der eine zum andern: «Liebster Freund, jetzt haben wir ausgesorgt. Wir werden brüderlich teilen und ein schönes Leben führen.»

«Ja», sagte der andere, «das werden wir. Aber wie können wir den schweren Schatz wegschaffen?»

Da sprach der erste: «Höre, Bruder: Nimm einige Münzen und geh in die nächste Stadt! Dort kaufst du ein Lasttier und kommst damit zurück. Dann wollen wir dem Tier den Schatz aufladen und heimkehren.»

Der andere war damit zufrieden, und er nahm einiges Geld, während der erste beim Schatz blieb, um ihn zu bewachen.

Als sich die beiden aber getrennt hatten, kam ihnen der gleiche böse Gedanke: ‹Wie mache ich es, daß der Schatz mir allein gehört?› Und jeder machte auf seine Weise einen Plan, um den anderen umzubringen.

Als derjenige, der um das Lasttier gegangen war, in die Stadt kam, ging er erst zu einem Bäcker und kaufte einige Brote. Dann ging er in eine Apotheke und sagte: «Ich brauche ein starkes Gift, um Ratten und andere schädliche Tiere zu töten.» Und der Apotheker verkaufte ihm das stärkste Gift, das er besaß. Das tat der Böse nun in die Brote. Dann ging er auf den Markt und kaufte einen Maulesel. Und mit dem kehrte er in die Wildnis zu seinem Freunde zurück.

Als er bei seinem Freunde ankam, band er den Maulesel an den Baum, unter dem die Truhe stand, und sagte zu seinem Gefährten: «Ich habe gleich in der Stadt gegessen; aber sieh: ich habe auch an dich, teurer Freund, gedacht und dir diese Brote mitgebracht.»

Da antwortete sein Freund, der den Schatz bewacht hatte: «Bester, ich danke dir, aber jetzt habe ich keinen Hunger. Ich werde die Brote unterwegs essen. So versäumen wir keine Zeit und kommen noch in die Stadt, ehe es dunkel wird.»

Und sie nahmen die schwere Truhe, um sie dem Maulesel aufzuladen. Und als der, der den Maulesel gekauft hatte, sich bückte, um den Gurt unter dem Bauch des Maulesels durchzuziehen, erstach ihn sein Freund von hinten mit einem spitzen Dolch, den er bei sich führte.

«Nun gehört der Schatz mir, und ich habe keine Eile», sagte der Verräter. Dann nahm er eines der Brote, setzte sich nieder und begann zu essen. Bevor er jedoch das Brot aufgegessen hatte, fiel er tot um. Und wie es so kam: nun lag er neben seinem Feind, der einst sein Freund gewesen war.

Am nächsten Tag aber führte Jesus seine Jünger wieder in jene wilde Gegend, und die Jünger sahen mit Schaudern die beiden Toten. Da erzählte ihnen Jesus, was sich zugetragen hatte. Dann ließ er eine Grube machen und das Gold hineinschütten. Den Maulesel aber führten sie mit sich fort.

Märchen aus Italien

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