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Märchenbasar

Der Teufelsstein

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Es war einmal ein kleiner Teufel namens Syberius, der glaubte der Größte zu sein. Sein Imperium, zu dessen Herrscher er sich natürlich selbst ernannt hatte, war überschaubar, aber nicht klein. Hohe Berge ragten zum Himmel empor. Ewig schon hauste der kleine Teufel in einer Höhle oberhalb des Tales und schaute täglich wohlwollend bis zum Ende des Horizontes über seinen Besitz, welcher aus uralten Wäldern und wunderschönen Lichtungen bestand, in denen unzählige Tiere lebten. Syberius zeigte allen Lebewesen wie mächtig er war, indem er gewaltige Wasserfälle in die Tiefe donnern ließ und sich große Flüsse den Weg durch das Tal bahnten. Niemand durfte sich in seine Nähe wagen, wollte er Syberius nicht erzürnen.

Eines schönen Tages kamen zwei Wanderer über die Berge und rasteten im Tal. Der Frau gefiel es hier so sehr, dass sie den Mann bat, für immer an diesem schönen Fleckchen Erde zu bleiben. Auch er fand Gefallen an dieser Vorstellung und erbaute eine behagliche Hütte. Verärgert beobachtete Syberius das Treiben der beiden und stellte erschrocken fest, dass sie von seinem Land Besitz ergriffen. Er duldete aber keine Eindringlinge und versuchte, die Menschen zu vertreiben, indem er grelle Blitze und furchteinflößende Donnerschläge zu ihnen sandte. Doch so leicht waren die Menschen nicht einzuschüchtern. Mann und Frau rückten eng zusammen, um sich gegenseitig zu beschützen und zu trösten.

Kaum ein Jahr verging, bis die Frau ein Kind zur Welt brachte, dessen erster Schrei dem kleinen Teufel durch Mark und Bein fuhr und ihn nur noch mehr erboste. In der Nacht schlich er zur Hütte und setzte sie in Brand. Doch die Menschen retteten sich rechtzeitig ins Freie, übernachteten unter den dichten und langen Zweigen einer alten Trauerweide und schon nach kurzer Zeit stand an einer anderen Stelle eine neue Bleibe.

Jahr für Jahr musste Syberius mit ansehen, wie immer mehr Menschen sich in sein Reich verirrten, einfach blieben, Hütten bauten, sich vermehrten und freundschaftlich miteinander umgingen.
Erzürnt fauchte der kleine Teufel in seiner Höhle: „Wie können es die Menschen nur wagen, mein Land zu besiedeln! Ich werde ihnen zeigen, wer hier das Sagen hat! Schon bald werden sie bereuen, jemals meinen Boden betreten zu haben!“
Wieder zogen am Himmel Gewitterwolken auf. Blitze zuckten um die Wette. Donner krachte ringsumher. Regen und Hagel prasselten auf die Erde nieder. Tagelang brauste der Sturm auf und wollte kein Ende nehmen. Schließlich versetzten Murenabgänge mit Schlamm und Geröll die Menschen im Tal in Angst und Schrecken, während der kleine Teufel Freudentänze vollführte. Er war sich gewiss, dass nun endlich wieder Ruhe in sein Land einkehren und die Menschen angsterfüllt davonrennen würden. „Sollen sie sich doch alle zum Teufel scheren, aber zu einem anderen!“, dachte Syberius und rieb sich vergnügt die Hände. Doch seine Freude war nicht von langer Dauer, denn er hätte nie geglaubt, dass die Menschen in so großer Not Zusammenhalt zeigen und die Hoffnung niemals aufgeben würden. Hasserfüllt blickte er auf seine lästigen Mitbewohner hinab, die sich eines Tages sogar erlaubten, direkt unter seiner Höhle vorbeizuwandern, um den hochgelegenen Gipfel zu erklimmen.
„Nein, nicht auch noch der Gipfel, der gehört mir, mir ganz allein!“, schnaubte Syberius rasend vor Wut.
Doch die Menschen kümmerten sich nicht darum, wussten sie ja nicht einmal um die Existenz des kleinen Teufels. Sie begannen den Boden zu ebnen und Wege anzulegen. Einer führte direkt unter der Teufelshöhle vorbei.
Da reichte es Syberius endgültig. Er wollte die Menschen bestrafen, indem er riesige Steine vom Berg zu Tale donnern ließ. Nach dem ersten Schrecken machten sich die Männer fleißig ans Aufräumen. Sie stiegen den Berg empor und beseitigten die größten Steine, damit diese nicht eines Tages auch noch hinunterpoltern konnten. Währenddessen versteckte sich der kleine Teufel in seiner Höhle und beobachtete sie voller Missachtung.
Schließlich bemerkte einer der Männer einen riesigen runden Stein genau neben der Teufelshöhle und meinte: „Oh, wo kommt denn dieser Brocken her? Was machen wir mit dem?“
Gleich darauf rief ein anderer: „Seht mal, was ich entdeckt habe! Da ist eine Höhle. Lasst uns den Riesenstein davorrollen. Womöglich kommen unsere Kinder zum Spielen hier hoch und verirren sich darin. Wer weiß, welche Gefahren da drinnen lauern?“
Da sich alle Männer einig waren, packten sie an und rollten den großen Stein vor die Teufelshöhle.

Nun war es um den kleinen Teufel geschehen. Jetzt war er nicht mehr der Größte. Nein, jetzt war er nur noch ein ganz armer Teufel. Und weil man noch heute in der Nähe dieses Teufelssteins merkwürdige Geräusche hört, so als kämen sie von einem Kratzen hinter dem Stein, haben sich die Menschen im Laufe der Jahrhunderte diese Geschichte zusammengereimt und weitererzählt.
Und wenn der kleine Teufel nicht gestorben ist, so versucht er noch heute erbittert den Teufelsstein mit seinen Krallen zu bearbeiten, um ihn eines Tages doch noch beiseiteschieben zu können.

Quelle: Carmen Kofler

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