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Märchenbasar

Der verzauberte Brahmanensohn

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In der Stadt Radschagriha lebte ein Brahmane, Namens Devasarman. Dessen Gattin weinte sehr über ihre Kinderlosigkeit, wenn sie die Kinder der Nachbarn sah.

Da sprach einstmals eines Tages der Brahmane: „Liebe! hör‘ auf zu grämen! Sieh, ich habe ein Opfer gebracht, um einen Sohn zu erlangen. Da sprach irgendein unsichtbares Wesen mit deutlichen Worten folgendermaßen: „Brahmane! dieser Sohn wird dir zu Teil werden, an Schönheit und Tugend alle Menschen übertreffend und reich an Glück!“

Nachdem sie dies gehört, wurde das Herz der Brahmanin von der höchsten Seligkeit erfüllt und sie sagte: „Dessen Orakel sind untrüglich.“

Im Verlauf der Zeit wurde sie schwanger und brachte bei ihrer Niederkunft eine Schlange zur Welt. Als man diese erblickte, schrieen alle übrigen: „Werft sie weg!“

Sie kümmerte sich aber nicht darum, sondern nahm sie zu sich, ließ sie baden, legte sie, voll Mutterliebe zu ihrem Sohn, in ein großes Gefäß, fütterte sie mit Milch, frischer Butter und ähnlichen Dingen, sodass sie in etlichen Tagen zu ihrer vollen Größe heranwuchs.

Einstmals, als die Brahmanin das Hochzeitsfest eines Nachbarsohns erblickte, wurden ihre Augen von Tränen getrübt, und sie sprach zu ihrem Gatten: „Du behandelst mich doch ganz und gar verächtlich, da du dir gar keine Mühe gibst, das Hochzeitfest meines lieben Kindes herbeizuführen!“

Als er dies gehört, sagte der Brahmane: „Ehrwürdige! Da müsste ich in den tiefsten Tartarus gehen und den Schlangenkönig Vâsuki ansprechen! Denn wer anders, o Törin! würde seine Tochter einer Schlange zur Frau geben?“

Als er nach diesen Worten die Brahmanin mit ganz außerordentlich betrübtem Gesicht erblickte, so nahm er, um sie zufrieden zu stellen, etwas Reisezehrung und ging aus Liebe zu seiner Frau in fremdes Land. Nachdem er etliche Monate herumgereist war, kam er zu einem Ort, Namens Kukutanagara. Dort wurde er in dem Hause eines mit ihm bekannten Kastengenossen, in welches er gegen Abend einkehren musste, mit Bad, Nahrung und allem Zubehör bedient und brachte daselbst die Nacht zu.

Als er sich in der Frühe von dem Brahmanen verabschiedet hatte und im Begriff war, weiter zu wandern, so fragte ihn dieser: „Aus welchem Grunde bist du hierher gekommen, und wohin wirst du gehen?“

Auf diese Worte entgegnete jener: „Ich bin gekommen, um ein passendes Mädchen zur Frau für meinen Sohn zu suchen.“

Nachdem er dies gehört, sagte der Brahmane: „Wenn dem so ist, so habe ich hier eine überaus passende Tochter und du bist bei mir sehr angesehen; drum nimm diese für deinen Sohn!“

Auf diese Worte nahm der Brahmane das Mädchen samt ihrer Dienerschaft und kehrte nach seinem Wohnort zurück. Als aber die Bewohner dieses Gebiets ihre unvergleichliche, mit den wunderbaren Eigenschaften des höchsten Reizes geschmückte Körperschönheit erblickten, rissen sie vor Liebe die Augen weit auf und sprachen zu ihrem Gefolge: „Wie konntet ihr ein solches Juwel von einem Mädchen einer Schlange überliefern?“

Nachdem sie dies gehört, wurde das Herz ihrer sämtlichen Begleiter erschreckt, und sie sprachen: „Sie muss diesem von dem alten Brahmanen aufgestellten Mörder entrissen werden!“

Darauf sagte die Jungfrau:

„Fern sei solch ein Betrug! Denn sehet!
Könige sprechen nur einmal,
einmal sprechen die Guten nur;
einmal verlobt man nur Mädchen;
diese drei geschehen einmal nur.“

Und ferner:

„Was, verhängt vom Schicksal,
früher dir zugemessen ist,
das lässt sich nimmermehr ändern
von Weisen und von Göttern nicht.“

„Außerdem“, sagte das Mädchen, „soll meinen Vater durch seine Tochter nicht der Vorwurf einer Lüge treffen.“

Darauf hin wurde sie unter Beistimmung ihrer Umgebung mit der Schlange verheiratet. Danach fing sie an, die Schlange, nachdem sie ihr vorher ihre Ergebenheit bezeigt hatte, mit Milch und ähnlichen Dingen zu bedienen.

Einst in der Nacht verließ die Schlange ihren großen Korb, welcher sich im Schlafzimmer befand, und stieg auf ihr Lager. Darauf rief die Frau: „Wer ist dieser wie ein Mann Gestaltete?“

Denkend, es sei ein fremder Mann, sprang sie auf, riss, an allen Gliedern zitternd, die Tür auf und wollte eben wegeilen, als die Schlange sagte: „Liebe! Bleib doch! Ich bin ja dein Gemahl.“

Und um sie davon zu überzeugen, fuhr sie wieder in den Leib, welchen sie im Korb gelassen hatte, und verließ ihn alsdann von neuem. Sie war mit hoch emporragendem Diadem, mit Ringen, Spangen und Armbändern am oberen und unteren Arm geschmückt, und die Frau fiel ihr zu Füssen. Darauf genossen beide die Freude der Liebe.

Das sah der Vater, der Brahmane, welcher früher aufgestanden war als der Sohn, nahm die Schlangenhülle, welche im Korbe geblieben war, und indem er sagte: „Er soll nicht wieder in sie hineinfahren“, verbrannte er sie in Feuer.

In der Frühe alsdann zeigte er voller Freude seiner Familie seinen Sohn, welcher sich einer endlosen Liebe befleißigte und sich wie der trefflichste Sohn benahm.

Indisches Märchen

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