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Der verzauberte Wald

4.5
(2)

Im tiefen Sequoienwald lebte in der Felsenhöhe eine alte Hexe.Manche Hexen verderben sich mit dem Atem
das Wasser der Waldquellen und machen es ungenießbar.andere kämmen sich Nebelschaden aus den Haaren
und werfen sie den Wanderern in den Weg,damit sie sich verirren.Die Hexe aus der Felsenhöhle hängte hölzerne
Käfige an die Bäume.Sie verwandelte Mädchen in Vögel und sperrte sie in Käfige.Die Holzfäller,die um Mittag auf
der Waldschneise ausruhten und dem Gesang der Vögel lauschten,ahnten nicht,daß es dem Stimmen der Mädchen
waren.Eines Tages ging die schöne Melinda mit Jonathan,ihrem Bräutigam,am Waldrand spaziern.
„In den Wald wollen wir aber nicht lieber gehen“,sagte Jonathan.Man hört allerlei von einer Hexe,die dort leben soll.
„Ach,ein paar Schritte nur,die schöne gelbe Blume unter der Sequoie dort will ich pflücken“,sagte Melinda,und sie
lief in den Wald.Jonathan zögerte ein wenig,aber dann ging er seiner Braut doch nach.
„Ach,die blaue Blume noch!“rief Melinda,und sie lief weiter in den Wald hinein.Nachdem sie die blaue Blume gepflückt
hatte,entdeckte sie eine rote und eine weiße.Melinda lief weiter und weiter,immer tiefer und tiefer in den Wald hinein,
und ihr Bräutigam folgte ihr.Die alte Hexe wußte sehr wohl,wie man die jungen Mädchen am besten anlockte.sie pflanzte
im Wald jeden Morgen die schönsten Blumen.Und in den Käfigen sangen lieblich die Vögel.Melinda ging wie im Traum
den Blumen und dem Gesang nach.“Laßt uns umkehren“,sagte Jonathan zu Melinda,als sie vor einem hohen Felsen
angelangt war.“Nur noch das blaue Blümchen vor der Höhle dort will ich pflücken“,sagte Melinda.Kaum aber hatte das
Mädchen die Blume berührt,kam aus der Höhle die alte Hexe,faßte es bei der Hand und verwandelte es in einen Vogel.
Die Hexe öffnete einen leeren Käfig,setzte den Vogel hinein und hängte den Käfig an eine Sequoie.

Sieben Tage verbrachte Jonathan,ohne daß er ein Auge zutat,unter dem Baum.Dann machte er sich auf und zog in die
weite Welt hinaus.Er ging und ging und dachte auf Schritt und Tritt nur an Melinda,die von der Hexe in einen Vogel
verwandelt war.Auf seinem weg fragte er jeden,der ihm begegnete,ob er ein Mittel wüßte,mit dem er seiner Braut
helfen könne,denn sobald er dem Baum an dem der Vogelkäfig hänge,berührt habe,sei er nicht einmal mehr imstande
gewesen,einen Finger zu rühren.Aber niemand wußte ihm zu raten.“Einer Hexe ist nicht beizukommen“,sagten die
Farmer und die Holzfäller und schüttelten die Köpfe und meinten:“So eine Hexe,ist gerissener als wir alle zusammen,mit der wird man nicht fertig.“
Einmal übernachtete Jonathan bei seinem alten Müller.Und dieser sah seinem Gast schnell an,daß er einen großen
Kummer mit sich herumtrug.“Hör mal“,sagte er zu Jonathan,“mir scheint,daß dir etwas Schlimmes zugestoßen ist.Willst du es mir nicht erzählen?“ „Ach,ihr könnt mir doch nicht helfen“,sagte Jonathan seufzend.“aber wenn ihr es unbedingt wiessen wollt:In einem Sequoienwald gibt es eine Hexe und die hat meine Braut in einen Vogel verwandelt
und in einen Käfig gesperrt.“ „Wenn es weiter nichts ist“,sagte darauf der Müller, „so weiß ich dir wohl zu raten.Gehe
und suche die Blume mit dem blauen Tautropfen.Hast du sie gefunden,mußt du sie sehr vorsichtig in den Seqquoienwald tragen,damit der blaue Tautropfen nicht auf die Erde fällt.wenn der Vogel im Käfig den Tau trinkt,wird er sich wieder in deine Braut zurückverwandeln.“

Sieben Jahre zog Jonathan durch die Welt und suchte die Blume mit dem blauen Tautropfen.An einem Teich fand er einige mit grünen Tautropfen.Da hatten in der Nacht die die kleinen Wassernixen so ausgelassen gespielt und getollt.
daß ihnen der grüne Tau aus den Haaren getropft war.Immer wieder fand er Blumen farbige Tautropfen,gelbe,rote,violette,nur die Blume mit dem blauen Tautropfen war und war nicht zu finden.Einmal übernachtete Jonathan unter einem Sequoienbaum. „Wach auf,wach auf“,winkte ihm im Schlaf Melinda zu,“Ich bin hier,bei dir!“ Jonathan sprang auf und tastete im Dunkeln um sich.Aber bald ließ er die Hände sinken.Er war allein,
nur die Blätter des Baumes rauschten leise im Wind.So legte er sich noch einmal schlafen.Doch als er am Morgen
erwachte,sah er zu seinen Füßen eine weiße Blume,und in ihrem Kelch glitzerte ein blauer Tautropfen.Freudig bückte er sich,pflückte vorsichtig die Blume und barg sie in der hohlen Hand,damit der blaue Tautropfen ja nicht auf die Erde fiel.

Ein Jahr verging und Jonathan hatte alle Zeit auch aufpassen müssen,daß die Sonne ihm nicht den blauen Tautropfen nahm.Darum schlief er bei Tag und wanderte bei Nacht.Eines Tages war er nun wieder am Rand des Sequoienwaldes angelangt.Aber er wartete die Nacht ab,in der alle Vögel in ihren Käfigen schliefen.Als die Sterne am
Himmel standen,lief Jonathan zu der Höhle,in der die alte Hexe hauste.Vor der Höhle stand die silbrige Sequoie,und
und in ihren Zweigen hing noch immer der Käfig.Die ganze Nacht wartete Jonathan geduldig.Er wartete auf den Morgen.Als es zu dämmern begann und sich im Osten der Himmel rot färbte,trat er an den Käfig heran.Der Vogel erwachte,und im selben Augenblick ging am Horizont die Sonne auf,und der blaue Tautropfen in der Blume schillerte wie eine Perle.Da streckte der Vogel seinen Kopf aus dem Käfig heraus und trank den Tautropfen.Und die Tür des Käfigs sprang auf,und vor Jonathan stand die schöne Melinda.Zugleich erhob sich ein eiskalter Wind,der Felsen
barst donnernd entwei,und aus der Höhle kroch eine schwarze Kreuzotter heraus.

Nunwar alle Macht der Hexe gebrochen.Die Käfige fielen einer nach dem anderen ins Moos,öffneten sich,und die
Vögel flogen heraus und verwandelten sich in lauter junge Mädchen.Sie geleiteten Melinda und Jonathan ins Dorf,
und allen,denen sie begegneten,mußten sie erzählen,wie es angefangen hatte,und wie es weiter gegangen war.

Quelle:
Märchen aus Nordamerika

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