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Märchenbasar

Der weiße Bär namens König Valemon

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Es war einmal ein König. Er hatte zwei Töchter, die häßlich und ungezogen waren, doch die dritte war so rein und lieb wie der klare Tag, und der König und alle hatten sie lieb. Eines Nachts träumte sie von einem goldenen Kranz, der so herrlich war, daß sie nciht leben konnte, ohne ihn zu haben. Doch als sie ihn nicht bekommen konnte, wurde sie betrübt und konnte vor Trauer nicht sprechen, und als man dem König sagte, daß sie um den Kranz trauerte, schickte er einen ausgeschnittenen Kranz, der genau so aussah wie der, von dem die Königstochter geträumt hatte, zu den Goldschmieden aller Länder, ob sie nicht so einen machen könnten. Diese arbeiteten tag und Nacht; doch einige der Kränze warf sie weg, und an dere wollte sie nciht einmal ansehen. Doch so geschah es einmal, daß sie draußen im Wald war, als sie einen weißen Bären sah, der den Kranz, von dem sie geträumt hatte, zwischen den Tatzen hatte und damit spielte. Da wollte sie ihn kaufen.
Nein, er war nicht feil für Geld, nur wenn er sie selber dafür bekäme. Ja, ohne diesen Kranz sei es nicht zu leben wert, sagte sie; es war gleich, wo sie hinkäme und wen sie bekäme, wenn sie nur den Kranz bekäme, und so wurden sie einig daß er sie in drei Tagen holen sollte, und das war am Donnerstag.
Als sie mit dem Kranz nach Hause kam, wurden alle froh, weil sie wieder froh war, und der König meinte, es könnte nicht so gefährlich sein, einen weißen Bären zu töten. Am dritten Tag mußte das gesamte Heer hinaus um das Schloß, um ihn zu empfangen. Doch als der weiße Bär kam, gab es keinen, der es mit ihm aufnehmen konnte, er schlug sie nieder, so daß sie zu Haufen an den Seiten lagen. Da fand der König, daß dies zu großen Schaden anrichtete, und er schickte nach der ältesten Tochter, und sie nahm der Bär auf den Rücken und fort war er. Als sie weit und weiter als weit gereist waren, fragte der weiße Bär:
„Hast du je weicher gesessen und je klarer gesehen?“ sagte er.
„Ja, auf dem Schoß meiner Mutter habe ich weicher gesessen und auf dem Hof meines Vaters sah ich klarer,“ sagte sie.
„Ja, da bist du nicht die richtige, “ sagte der weiße Bär und jagte sie wieder nach Hause.
Am nächsten Donnerstag kam er wieder, und da geschah es genau so. Das Heer war zur Stelle und sollte den weißen Bären empfangen; doch weder Stahl noch Eisen konnte ihm etwas antun, und er schlug sie nieder wie Gras, so daß der König ihn bitten mußte, einzuhalten, und er schickte nach seiner zweitältesten Tochter, und der weiße Bär nahm sie auf seinen Rücken und weg war er mit ihr. Als sie weit und weiter als weit gereist waren, fragte der weiße Bär:
„Hast du je weicher gesessen und je klarer gesehen?“ sagte er.
„Ja, auf dem Schoß meiner Mutter habe ich weicher gesessen und auf dem Hof meines Vaters sah ich klarer,“ sagte sie.
„Ja, da bist du nicht die richtige, “ sagte der weiße Bär und jagte sie wieder nach Hause.
Am dritten Donnerstag kam er wieder. Da kämpfte er noch stärker als die anderen Male; bis der König meinte, er könnte ihn nicht sein ganzes Heer niederschlagen lassen, und so gab er ihm in Gottes Namen die dritte Tochter. Da nahm der weiße Bär sie auf seinen Rücken und reiste weit und weiter als weit mit ihr, und als sie in den Wald gekommen waren, fragte er sie, ob sie je weicher gesessen und klarer gesehen hätte.
„Nein, nie!“ sagte sie.
„Ja, du bist die richtige,“ sagte er.
Da kamen sie zu einem Schloß, das so gülden war, daß das Schloß ihres Vaters dagegen die geringste Hütte war. Hier sollte sie bleiben und gut leben, und sie sollte nichts anderes zu tun haben als aufzupassen, daß die Wärme nie ausging. Tagsüber war der Bär draußen, doch nachts war er bei ihr, und da war er ein Mensch. Dies ging drei Jahre lang gut. Doch jedes Jahr bekam sie ein Kind, und dies nahm er von ihr und trug es fort, sobald es zur Welt gekommen war. Da wurde sie mehr und mehr betrübt und bat, um sie heimreisen und ihre Eltern sehen dürfe. Ja, dem stand nichts im Wege; doch vorher mußte sie versprechen, daß sie auf das hören würde, was ihr Vater sage, und nicht auf das, was ihre Mutter wolle, das sie tun solle. So kam sie nach Hause, und als sie allein mit ihr waren, und sie ihnen erzählt hatte, wie es ihr ging, wollte die Mutter ihr eine Kerze mitgeben, damit sie sehen könne, wie er aussah. Doch der Vater sagte: Nein, dies solle sie nicht tun; „das ist nur zum Schaden und nicht zum Segen“.
Doch wie es war oder nicht, so bekam sie den Kerzenstumpf mit, als sie wieder abreiste. Das erste, was sie tat, nachdem er eingeschlafen war, war die Kerze anzuzünden und ihn anzuleuchten; und er war so schön, daß sie meinte, sie könne ihn nicht genug ansehen. Doch als sie ihn so anleuchtete, tropfte ein Wachstropfen auf seine Stirn und er erwachte.
„Was hast du getan?“ sagte er. „Nun hast du uns beide unglücklich gemacht; es war nicht mehr als ein Monat übrig, hättest du nur den ausgehalten, so wäre ich befreit gewesen; denn es war ein Trollweib, das mich verzaubert hat, daß ich am Tage der weiße Bär bin. Doch nun ist es mit uns aus, nun muß ich dorthin und sie nehmen.“
Sie weinte und gebar sich, doch er mußte reisen und er werde reisen. Da fragte sie ihn, ob sie nicht mitkommen könne. Das würde nichts nützen, sagte er, doch als er im Bärenkleid davonraste, bekam sie seinen Pelz zu fassen, warf sich auf seinen Rücken und hielt sich fest. So ging es von dannen über Berg und Tal und über Stock und Stein, bis ihre Kleider zerfetzt waren und von ihr gerissen wurden und sie so totmüde war, daß sie losließ und bewußtlos herunterfiel. Als sie erwachte, war sie in einem großen Wald, und so wanderte sie weiter, doch sie wußte nicht, wo sie war und wohin sie ging. Nachdem sie weit, weit gegangen war, kam sie zu einer kleinen Hütte; da waren ein altes Weib und ein kleines, hübsches Mädchen.
Die Königstochter fragte, ob sie den weißen Bär König Valemon gesehen hätten.
„Ja, er kam heute früh hier vorbei, doch so schnell, daß du ihn bestimmt nie einholen wirst,“ sagten sie.
Das Mädchen schnitt und spielte mit einer goldenen Schere, die so beschaffen war, daß die Seiden- und Stoffstücke nur so um sie flogen, obwohl sie nur in die Luft schnitt. Wo diese Schere war, mangelte es nie an Kleidern.
„Doch diese Frau, die so weit und über so schwere Wege wandern muß, sie muß sich schlimm anstrengen,“ sagte das kleine Mädchen; “ sie braucht diese Schere mehr als ich, um sich Kleider zu schneidern,“ sagte sie, und bat darum, ihr die Schere geben zu dürfen. Ja, das dürfe sie wohl.
Dann reiste die Königstochter weiter durch den Wald, der überhaupt kein Ende nehmen wollte, den ganzen Tag und die ganze Nacht hindurch, und am anderen Morgen kam sie wieder zu einer Hütte. Auch hier waren ein altes Weib und ein kleines Mädchen.
„Guten Tag,“ sagte die Königstochter. „Habt ihr den weißen Bär König Valemon gesehen?“ fragte sie.
„Warst vielleicht du das, die ihn bekommen sollte?“ sagte das alte Weib. Ja, so war es. „Ja, er raste gestern hier vorbei; aber so schnell, daß du ihn nie einholen wirst,“ sagte sie.
Das kleine Mädchen saß auf dem Fußboden und spielte mit einer Flasche, die so beschaffen war, daß sie alles einschenkte, was sie haben wollten, und wo diese Flasche war, da mangelte es nie an Trank.
„Aber diese arme Frau, die so weit und über so schwere Wege wandern muß, denke ich, kann durstig werden und andere schlimme Dinge durchleiden müssen,“ sagte das kleine Mädchen; “ sie kann diese Flasche viel mehr brauchen als ich,“ sagte sie und bat darum, ihr die Flasche geben zu dürfen. Doch, das dürfe sie wohl.
So bekam die Königstochter die Flasche, dankte und reiste weiter durch den gleichen Wald, den ganzen Tag und die ganze Nacht hindurch. Am dritten Morgen kam sie wieder zu einer Hütte, und auch hier waren ein altes Weib und ein kleines Mädchen.
„Guten Tag,“ sagte die Königstochter.
„Guten Tag, du auch,“ sagte das alte Weib.
„Habt ihr den weißen Bär König Valemon gesehen?“ fragte sie.
„Warst vielleicht du das, die ihn bekommen sollte?“ sagte das alte Weib. Ja, so war es. „Ja, er raste gestern hier vorbei; aber so schnell, daß du ihn nie einholen wirst,“ sagte sie.
Das kleine Mädchen saß auf dem Fußboden und spielte mit einem Tischtuch, das derart beschaffen war, daß es, wenn man zu ihm sagte: „Tischtuch, breite dich aus und deck dich mit allen guten Speisen!“ da tat es dies, und wo das Tischtuch war, da mangelte es nie an guten Speisen.
„Aber diese arme Frau, die so weit und über so schwere Wege wandern muß,“ sagte das kleine Mädchen, „sie kann hungrig werden und andere schlimme Dinge durchleiden müssen, und sie kann dieses Tischtuch viel besser gebrauchen als ich,“ sagte es und bat um Erlaubnis, ihr das Tischtuch geben zu dürfen. Die bekam es.
Da nahm die Königstochter das Tischtuch, bedankte sich und reiste weiter, weit und weiter als weit durch den gleichen dunklen Wald, den ganzen Tag und die ganze Nacht hindurch, und am Morgen kam sie zu einem Berg, der ihr quer den Weg abschnitt, der war so steil wie eine Wand und so hoch und so breit, daß kein Ende zu sehen war. Hier war auch eine Hütte, und als sie eintrat, fragte sie als erstes:
„Guten Tag. Habt ihr gesehen, ob der weiße Bär König Valemon hier vorbeigekommen ist?“
„Guten Tag, du auch,“ sagte das Weib. „Warst vielleicht du das, die ihn bekommen sollte?“ Ja, so war es. „Ja, er raste vor drei Tagen hier vorbei und den Berg hinauf; doch da gelangt keiner hinauf, der nicht fliegen kann,“ sagte sie.
In dieser Hütte war alles voller kleiner Kinder, und alle hingen der Mutter am Rockschoß und schrien nach Essen. Das Weib setzte einen Kessel mit kleinen Steinen auf das Feuer. Die Königstochter fragte, wofür das gut sein solle. Sie waren so arm, sagte das Weib, daß sie weder Speisen noch Kleidung hatten, und es tat so weh, die Kinder nach einem Bissen zu Essen schreien zu hören; doch wenn sie den Kessel aufs Feuer setzte und sagte „Nun sind die Äpfel bald fertig gekocht“, so war das, als würde das den Hunger etwas dämpfen und sie waren eine Weile still. Es dauerte nicht lange, bis die Königstochter die Flasche und das Tischtuch hervorgeholt hatte, kann man wohl wissen, und als die Kinder satt und glücklich waren, schnitt sie Kleider für sie mit der Goldschere.
„Ja,“ sagte das Weib in der Hütte, “ weil du so herzlich gut zu mir und meinen Kindern warst, wäre es eine Schande, wenn ich nicht alles täte, das wir können, um zu versuchen, dich über den Berg zu bekommen. Mein Mann ist ein richtiger Meisterschmied. Ruh dich aus, bis er kommt, und so soll er dir Klauen für die Hände und Füße schmieden, so daß du versuchen kannst, hinaufzuklettern.“
Als der Schmied nach Hause kam, begann er sofort mit den Klauen, und am nächsten Morgen waren sie fertig. Sie bedankte sich und kletterte mit den Stahlklauen den ganzen Tag und die ganze Nacht, und als sie so müde war, daß sie beinahe die Hände nicht mehr heben konnte und am liebsten wieder hinuntergesunken wäre, da war sie oben. Oben war eine Ebene, mit Äckern und Wiesen, die so groß und weit waren, wie sich sich groß und weit nie vorgestellt hätte, und in der Nähe lag ein Schloß, wo es von Arbeitern aller Art wimmelte wie Ameisen in einem Haufen.
„Was geht hier vor?“ fragte die Königstochter.
Ja, hier wohnte sie, das Trollweib, welches den Prinz in den weißen Bär König Valemon verzaubert hatte, und in drei Tagen sollte sie Hochzeit mit ihm halten. Die Königstochter fragte, ob es möglich sei, daß sie mit ihr sprechen könne. Doch nein, dies war schier unmöglich. Also setzte sich sie vor das Fenster und begann mit der goldenen Schere zu schneiden, daß die Samt- und Seidenkleider durch die Luft flogen wie ein Schneesturm. Als das Trollweib dies sah, wollte sie die Schere kaufen; „denn wie auch die Schneider schaffen, so reicht es nicht,“ sagte sie; „es sind zu viele, die eingekleidet werden müssen.“
Für Geld sei die Schere nicht feil, sagte die Königstochter, doch sie solle sie bekommen, wenn sie heute Nacht bei ihrem Liebsten schlafen dürfe. Ja, das dürfe sie gern, sagte das Trollweib; doch sie wolle ihn selbst zu Bett bringen und ihn selbst aufwecken. Als er sich gelegt hatte, gab sie ihm einen Schlaftrunk, so daß er nicht erwachen konnte, wie auch die Königstochter rief und weinte.
Am nächsten Tag setzte sich die Königstochter wieder draußen vor das Fenster und schenkte mit der Flasche aus; und da sprudelte es wie ein Bach mit Bier und Wein, und sie wurde nie leer. Als das Trollweib dies sah, wollte sie die Flasche kaufen, denn „wie sie auch brauen und brennen, so reicht es doch nicht; es sind allzu viele, die trinken müssen“, sagte sie. Für Geld sei die Flasche nicht feil, doch wenn sie heut Nacht bei ihrem Liebsten schlafen dürfe, so solle sie sie bekommen. Ja, das dürfe sie, doch sie wolle ihn selbst zu Bett bringen und ihn selbst aufwecken. Als er sich gelegt hatte, gab sie ihm wieder einen Schlaftrunk, und wie auch die Königstochter rief und weinte, er erwachte nicht. Doch in dieser Nacht arbeitete einer der Handwerker im Zimmer nebenan. Er hörte das Weinen dort drinnen und begriff, wie alles zusammenhing, und am nächsten Tag sagte er zu dem Prinz, daß die Königstochter, die ihn erlösen solle, gekommen sei.
An diesem Tag geschah es genau so mit dem Tischtuch, wie zuvor mit der goldenen Schere und der Flasche; als es Mittagszeit war, ging die Königstochter vor das Schloß, zog das Tischtuch hervor, breitete es aus und sagte: „Tischtuch, breite dich aus und deck dich mit allen guten Speisen,“ und da gab es genug zu Essen für hundert Mann, doch die Königstochter setzte sich allein zu Tisch. Als das Trollweib das Tischtuch sah, wollte sie es kaufen, „denn soviel sie auch kochen und braten, so reicht es nicht; es sind allzu viele Münder zu stopfen,“ sagte sie. Für Geld sei es nicht feil, sagte die Königstochter, doch dürfe sie heut Nacht bei ihrem Liebsten schlafen, so solle sie es bekommen. Das dürfe sie gern, sagte das Trollweib; doch sie wolle ihn selbst zu Bett bringen und ihn selbst aufwecken. Als er sich gelegt hatte, kam sie mit dem Schlaftrunk; doch diesmal achtete er sich davor und überlistete sie. Das Trollweib traute ihm ebenfalls nicht mehr als er ihr, denn sie nahm eine Stopfnadel und stach sie ihm quer durch den Arm, um zu testen, ob er tief genug schlafe; doch so weh es auch tat, er rührte sich nicht, und da durfte die Königstochter hereinkommen.
Da wurde alles gut, und wenn sie nur das Trollweib loswerden würden, so wäre er erlöst. Er überredete die Zimmerleute, ein Schwinggelenk in die Brücke einzubauen, über die der Brautzug gehen sollte, denn es war Brauch, daß die Braut an der Spitze des Zuges ritt. Als sie auf die Brücke kamen, schwangen die Bretter mit der Braut und all den Trollweibern, die ihre Brautjungfern waren, um, und sie stürzten in die Tiefe. Doch König Valemon und die Königstochter und alle Hochzeitsgäste reisten zurück zum Schloß und nahmen von dem Geld und Gold des Trollweibes soviel sie nur bewegen konnten, und reisten zurück in sein Land und hielten die richtige Hochzeit. Doch auf dem Weg zurück ging König Valemon hinein und nahm die drei kleinen Mädchen mit sich, und nun verstand die Königstochter, warum er die drei Kinder von ihr genommen und weggeschafft hatte; es war, um ihr zu helfen, zu ihm zu finden. So hielten sie zünftig Hochzeit.

(frei übersetzt nach Asbjørnsen & Moe von Julia Jacob)

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