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Märchenbasar

Der wipfellose Baum

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Wo war’s, wo war’s nicht, es war auf der Welt, jenseit der Glasberge, auch noch jenseit des Operenzmeeres, wo das Ferkel mit dem kurzen Schwänzchen wühlt, aber auch noch jenseits davon war ein hoher Baum, dessen Fuss war so dünn wie ein Pfeifenrohr, und drüber wie mein Daumen, und noch weiter oben wie mein Vorderarm, und wo er schon so war wie mein Leib, da konnte man garnicht mehr hinaufsehen. Im Wipfel jenes Baumes hing ein zerrissen-zerschlissener grosser roter Barchentkittel, der hatte siebenundsiebzig Falten, in der siebenundsiebzigsten war ein kleines Buch, auf dessen vierzehntem Blatt habe ich dies kleine Märchen gelesen; wer’s glaubt, der glaubt’s; wer’s nicht glaubt, der setze sich auf den Treuglaubenschwanz.
Es war einmal auf der Welt ein König, der war sehr reich. Aber wie reich er auch war, dennoch konnte er keinen Menschen finden, der den grossen Goldkirschenbaum in seinem Garten hätte erklimmen können. Die Rinde jenes Baumes war so voll Dornen, dass die Dornen jeden totgestochen hatten, der hinaufgeklettert war. Schon viele Tote hatte jener Baum.
Den ganzen Tag tönte unter ihm die Klage, spielten die Zigeuner, die der alte König dorthin bestellt hatte. Es war ihnen befohlen worden, so lange zu spielen, bis jemand diesen Baum erstiegen hatte.
In jener Gegend, wo der König wohnte, lebte ein junger Schweinehirt, den hiessen sie Janos. Der sprach zu seiner Mutter:
»Liebe Mutter, backt mir Brot, macht mir Kleider zurecht, etwa sechs Paar; denn ich gehe fort, weiss nicht, ob ich wiederkommen werde, aber der liebe Gott wird schon helfen.«
Die Mutter füllte seinen Fellranzen mit Brot und Speck, band die vielen Kleider in ein Bündel, und mit einem »Gott segne dich, mein Sohn«, liess sie den Burschen seines Weges ziehen.
Der Bursche geht, wandert, tritt in des Königs Hof ein.
»Erlauchter König, Gnade meinem Haupt, ich bin Schweinehirt, ich möchte gern den Kirschbaum ersteigen, möchte sehen, was er trägt.«
»Recht, mein Sohn, recht! Geh, wenn das dein Ziel ist; aber ich fürchte, du wirst dir deine Zähne dran ausbeissen. Geh in Gottes Namen! Wenn du zum Wipfel gelangst, wirf drei Kirschen herunter; daraus werde ich sehen, dass du am Leben bist, und dass meine Tochter, die im Wipfel des Baumes wohnt, auch lebt«.
Der Schweinehirt versprach, also zu tun.
Dann ging er in den Garten hinaus, zog sich an und machte sich an die Kletterei. Der Schweinehirt stieg; die Dornen zerrissen sein Gewand, wie wenn sie es mit Händen von ihm herunter gezerrt hätten. Als er eine Woche geklettert war, hieb er sein Beil in den Baum, sass drauf nieder und ruhte dort eine Woche aus. Wieder kletterte er, wieder ruhte er eine Woche, bis er bei den Zweigen anlangte. Er sah einen schönen breitästigen Baum mit grünen Zweigen und dazwischen eine Menge Goldkirschen. Da kam ihm in den Sinn, was er dem König versprochen hatte, er pflückte drei Früchte und warf sie hinunter. Wiederum stieg und stieg er; er hörte, wie die Zigeuner dort unten schon die Klagelieder einstellten; auch der König hüpfte vor Freude, dass seine Tochter lebe.
Wie er höher kam, da sah er ein herrliches Schloss. Er klopft an. Da findet er eine Prinzessin (oder was sonst, jedenfalls war sie schön!), der entdeckte er, was ihm am Herzen lag, dass er ein armer Mensch sei, einen Dienst suche usw. Die Prinzessin dingte ihn, zeigte ihm im Stall drei herrliche Pferde, Geräte und alles.
»Deine Arbeit wird’s sein, diesen drei Pferden zu essen und zu trinken zu geben und mir selbst das Mahl zu bereiten.«
Damit verdingte sich der Schweinehirt bei der Prinzessin.
Just Sonntag war’s, und die Königstochter ging in die Kirche.
Janos, nämlich der Schweinehirt, ging in den Stall, dort draussen alles geschwind zu besorgen und auch drinnen das Mahl zu bereiten; siehe, da begann der erste Tatosch (denn alle drei Pferde waren welche) zu ihm zu sprechen:
»Lieber Herr, hier in meinem Ohr ist ein goldenes Gewand, leg das an, und mache dich auf zur Messe; doch geh nicht weiter als bis zur ersten Bank und bei der Wandlung verlasse die ganze Ceremonie dort, komm zurück, denn sonst wird es dir schlimm ergehen.«
So geschah’s auch. Janos legte das Gewand an, ging in die Kirche, blieb bei der ersten Bank stehen. Die Prinzessin war auch dort, schaute Janos an; doch sie erkannte ihn nicht. Sie schaute und schaute, und sie gewann ihn lieb. Doch sie konnte sich nicht denken, wer es sein könnte. Die Wandlung kam, Janos drehte sich auf seinem Hacken, hinaus aus der Kirche, ging schnurstracks heim.
Zu Hause war schon alles in Ordnung, das Haus ganz und gar sauber, das Mittagessen kochte in der Küche. Nach der Messe kam die Prinzessin, ass zu Mittag, sprach zu niemandem etwas. Nur der schöne Bursche im Goldgewand ging ihr im Kopf herum.
Eine Woche verging, der Sonntag war da, die Prinzessin rüstete sich sachte zur Messe.
Wie sie fortgeht, geht der Schweinehirt in den Stall, den Pferden Futter zu geben, da hebt das andere Pferd zu reden an:
»Hör, lieber Herr, hier in meinem Ohr ist ein Demantkleid, das lege an, mache dich auf zur Messe, doch geh nicht weiter als bis zur ersten Bank und bei der Wandlung verlasse die Kirche; aber bleib nicht länger, denn sonst wird es dir schlimm ergehen.«
Janos zog das Kleid an, hörte auf den Rat und befolgte ihn auch und ging in die Kirche. Bei der ersten Bank blieb er stehen. Die Augen der Prinzessin hingen an dem Burschen im Demantkleide; sie konnte sie nicht von ihm wenden, nicht für hundert Gulden. Doch die Herrlichkeit dauerte nicht lange; denn als die Zeit der Wandlung kam, verschwand der schöne Bursche, ging heim.
Das Mittagsmahl war schon fertig, das Haus gefegt; die Königstochter fand alles in Ordnung, als sie von der Messe heimkam. Doch das half ihr alles nichts, ihr Herz war nicht an seinem Ort. Weder an dem Tag noch die ganze Woche ass sie etwas, sehnte sich nur nach dem Burschen.
Kommt auch der dritte Sonntag heran. Janos geht wieder in den Stall, hebt auch der dritte Tatosch zu sprechen an. Und der gab nun ein Silberkleid; aber er gab ihm den Rat, dass er auch diesmal nicht länger als bis zur Wandlung bleiben sollte.
Janos machte sich auf. Die Prinzessin erwartete ihn schon; sie hatte sich auch vorgenommen, komme es, wie es wolle, aber sie müsste wissen, wer jener schöne Mann wäre und woher. Sie hatte sich ausgedacht, sie wollte ihm nachgehen, wenn er von der Kirche fortgeht. Bei der Wandlung geht der Bursche hinaus, geht heim.
Und die Prinzessin hatte es irgendwie versäumt und merkte es nur erst, als der Bursche im Silberkleid nirgends mehr war.
Dann ging sie heim; das Mittagsmahl wartete schon auf sie; doch sie hatte drinnen keine Ruhe. Sie ging hinaus in den Stall, sie wollte mal die Pferde ansehen, ob der Kutscher sie abreibt, sie gut hält. Und wer würde daran denken, was sie fand? Unter dem Verschlag fand sie die drei schönen Kleider, das goldene, das demantene und das silberne. Sie liess den Burschen rufen, fragte ihn, wo er sie hergenommen. Der Bursche erzählte, dass die drei Tatosche sie ihm zum Geschenk gegeben hätten, er wäre darin immer zur Kirche gegangen. Da schaut ihn die Prinzessin an:
»Ich bin dein, du bist mein! Mein schönes Herzlieb! Spaten und Grabscheit nur soll uns scheiden!« Sie umarmte und küsste den Burschen, und der umarmte und küsste sie auch. Nicht lange drauf vermählten sie sich und hielten eine Hochzeit, von der man siebenmal sieben Königreiche weit hörte.
So mochten sie schon ein halbes Jahr beisammen gelebt haben, als seine Frau ihm sagte:
»Hör mal, ich gehe jetzt ein bischen spazieren. Hier ist der Schlüssel zu den zwölf Zimmern des Schlosses; hüte ihn wie deine zwei Augen! Alle elf Zimmer darfst du betrachten; doch in das zwölfte geh nimmermehr hinein, hörst du! Denn dann ist’s mit mir und mit dir, mit uns beiden aus!«
Wie seine Frau fortgegangen war, ging ihm das Verbot immer im Kopf herum. Warum sollte er wohl nicht in das zwölfte Zimmer gehen? Was war dort? Ihm war alles eins, geschehe was da wolle, aber er wird’s schon anschauen und wenn auch der Teufel drin wäre. So machte er’s auch.
Er ging hin zur Tür des zwölften Zimmers, öffnete sie. Was erblickte er? einen grossen Drachen. Ein grässliches Scheusal war das aber wahrhaftig. Mit drei Reifen war er an einen runden Tisch gebunden; auf dem Tisch war eine Flasche Wein und ein Becher.
Der Drache hub an zu sprechen:
»Lieber Freund, gib mir einen Becher Wein, und Gott vergelt’s!«
Der Drache bat so flehentlich, Janos goss ihm einen Becher ein. Der Drache hob ihn zum Munde, trank alles aus. Drauf sprang ein Reif von ihm ab.
»Freund«, sprach der Drache wieder, »gib mir noch einen; ich sterbe schier vor Durst.« Janos goss ihm wiederum ein. Sprang der zweite Reif ab. Der Drache bat auch zum drittenmal, Janos gab ihm auch diesmal, und jetzt sprang auch der dritte Reif von ihm ab.
Da sprach der Drache zu Janos:
»Für deine gute Tat erwarte Gutes; zwei Leben wirst du von mir noch erhalten für diese drei Becher Wein!«
Damit ging er ins Haus, wo die Prinzessin oder jetzt vielmehr Janos‘ Gemahlin war, nahm die Frau auf den Arm und trug sie fort.
Janos wurde so betrübt, so still wurde er, dass man neben ihm hätte Mohn säen können. Er wankte hinaus in den Stall. Da sprach der erste Tatosch zu ihm:
»Weisst du was, mein kleiner Herr, setz dich auf meinen Rücken; wir werden die schöne Frau schon heimholen!«
Janos freute sich schrecklich. Er schwang sich auf des Pferdes Rücken, und sie gingen wie der Wind, langten auch schnell dort an.
Vor einem schönen grossen Schloss hielten sie an. Die schöne Frau schaute gerade zum Fenster hinaus. Janos rief ihr zu:
»Mein schönes Herzlieb, ich bin deinetwegen gekommen; komm, ich führe dich fort!«
»Ich kann ja nicht fort, ich kann ja nicht fort, mein guter Mann! Der Drache wird uns einholen, mich zurücktragen und dich töten!«
»Darum sorg dich nicht, komm nur!«
Die Frau kam vom Schloss herunter, setzte sich neben ihren Mann aufs Pferd, und dann zogen sie schnell von dannen.
Der Drache schlief gerade. Plötzlich hörte er Pferdegestampfe. Im Stall stampfte das schwarzgraue Pferd die Diele. Der Drache ging hinaus.
»He du, Heu und Hafer vor dir, fliessend Wasser neben dir, kannst essen, kannst trinken! Was ist dein Begehr?«
»Ich kann wohl essen, ich kann wohl trinken, doch die schöne Frau ist hin!«
»Auf! Und kann ich auch noch essen?«
»Du kannst auch noch essen, wir holen sie auch dann noch ein!«
Der Drache ging hinein, schlang was herunter. Dann auf des Schwarzgrauen Rücken; sie gingen, sie flogen; nun hatten sie sie eingeholt. Der Drache nahm die schöne Frau fort, und zu Janos sagte er:
»Nun, für den ersten Becher Wein begnadige ich dich!«
Der Drache trug die schöne Frau heim, und Janos schlenderte auf seinem Pferde heim.
Zu Hause ermunterte ihn das zweite Pferd zur Reise; Janos liess es sich gesagt sein. Sie holten die schöne Frau wieder fort, doch der Schwarzgraue merkte es; der Drache nahm sie ihnen wiederum fort. »Nun, jetzt sind alle drei Becher Wein abgetan«, sagte er zu Janos; doch die schöne Frau nahm er mit sich.
Janos glaubte schon, seine Gemahlin sei ihm auf ewig verloren. Was sollte er jetzt machen?
Zu Hause sprach der dritte Tatosch wieder zu ihm:
»Lass uns fortgehen, lieber Herr; du wirst sehen, dass wir deine Gemahlin zurückbringen!«
Was blieb Janos anderes übrig? er hatte weiter keine Hoffnung mehr, so versuchte er es noch mit der dritten Fahrt. Er wusste aber, dass es mit ihm aus war, wenn er jetzt die Frau nicht fortbrachte.
Gut also. Sie machten sich zum drittenmal auf den Weg. Sie langten beim Schloss an, Janos lockte seine Gemahlin aufs Pferd, und sie ritten wie der Wind.
Doch der Schwarzgraue im Stalle schlief auch nicht; er scharrte die Diele, erwachte der Drache. Er ging hinaus in den Stall und sprach zum Pferde: »He du, Heu und Hafer vor dir, fliessend Wasser neben dir, kannst essen, kannst trinken! Was ist dein Begehr?«
»Ich kann wohl essen, ich kann wohl trinken, mein lieber Herr, doch die schöne Frau ist nicht da, sie ist entführt!«
»Und kann ich noch essen?«
»Du kannst auch noch essen!«
Als der Drache gegessen hatte, schwang er sich auf den Schwarzgrauen; kaum waren sie gegangen, da hatten sie Janos eingeholt. Der Drache nahm die Frau auf den Schoss, und Janos zerstückelte er ohne Gnade, ohne Erbarmen. Dann machte er sich auf, heimwärts in sein Schloss.
Und wo Janos‘ Leib zerstückelt worden war, da war eine Gänseweide. Die Gänsehirten wollten just ein Feuer anmachen und suchten nach etwas brennbarem. Sie klaubten allerlei Dornen und Äste zusammen; an einer Stelle fanden sie auch das Herz des Schweinehirten. Sie hoben das auch auf und warfen’s ins Feuer. Das Herz briet aufs beste, es prötzelte nur so; plötzlich sprang ein wunderschöner Mann draus hervor. Janos war’s, aber jetzt war er noch schöner als vordem. Er raffte sich zusammen, machte sich auf, ging und wanderte durch siebenmal sieben Königreiche.
Er traf eine alte Frau, der erzählte er all seine Müh und Not und dann, dass er gerne einen Dienst suchen möchte. Die gab ihm Rat.
»Geh da und da hin; dort wohnt eine Alte, bei der hat das Jahr nur drei Tage. Sie wird dir drei Pferde in Hut geben. Wenn du das Jahr abgedient hast, fordere keinen anderen Lohn als nur das Fohlen, das schon sieben Jahre auf dem Misthaufen die Würmer benagen.«
Gut. Janos machte sich auf. Er ging lange, über Stock und Stein, die Kreuz und Quer, schliesslich langte er dort an, wo die Alte wohnte.
Er pochte an, trat ein. Er erzählte, was ihn hergeführt, und sie nahm ihn auf.
Anderntags in der Frühe ging Janos mit den drei Fohlen auf die Wiese. Als er draussen angelangt war, setzte er sich nieder, sein Brot zu essen. Wie er isst, fliegt ein Spatz daher. »Gib mir ein bischen zu essen; ich sterbe schier vor Hunger.«
Janos schnitt eine Scheibe Brot ab, gab es ihm. Als der Spatz gegessen hatte, gab er Janos eine Pfeife.
»Nun, wenn du in Not bist, blas nur auf dieser Pfeife; ich werde dir dann helfen, wenn ich kann.«
Janos steckte die Pfeife ein, ass sein Brot weiter. Kaum hatte er sein Frühstück beendet, wollte er zu den Pferden gehen; die hauchten Traumwind auf ihn, davon schlief Janos so fest ein wie die Milch.
Als er erwacht, sieht er, dass nirgends ein Stückchen Pferd ist. Alle sind fort. Er erschrickt. Was sollte er jetzt tun? Da kam ihm die Pfeife in den Sinn, die ihm der Spatz gegeben hatte. Er blies hinein. Sogleich erschien der Spatz.
»Was hast du, lieber Herr?«
»Die Pferde sind alle verloren gegangen.«
»Na, wenn’s nur das ist, da hab keine Angst. Dort ist eine Pfütze, darin schwimmen drei Goldenten. Jene drei Goldenten sind nichts anderes als deine Pferde. Schau, hier ist ein Halfter, hier eine Fanggrube; setz dich da hinein! Ich werde zur Pfütze fliegen und die drei Goldenten zu dir treiben; doch du hab Acht; wenn sie nahe zu dir kommen, wirf den Halfter derjenigen über den Kopf, die du zuerst erreichst.«
So geschah es auch. Der Spatz flog der Pfütze zu, Janos stellte sich in die Grube. Der Spatz jagte die drei Enten, Janos hielt den Zaum. Als sie anlangten, warf er ihnen den Halfter über den Kopf. Die drei Goldenten wandelten sich plötzlich zu drei Pferden. Dann schwang er sich auf eins; Abend war’s auch schon; er führte sie heimwärts.
Zu Hause machte die alte Frau grosse Augen, als sie sah, dass Janos die Pferde brachte. Dann gab sie ihm Abendbrot, und sie legten sich schlafen.
Am andern Morgen führte Janos die Fohlen wieder hinaus. Wie er auf die Wiese kommt, setzt er sich wieder hin, sein Brot zu essen. Kommt ein Fuchs daher. »Gib mir ein Stück Brot zu essen; ich sterbe schier vor Hunger!« Janos gab diesem auch. Zum Dank gab ihm auch dieser eine Pfeife.
Als der Fuchs gegangen war und Janos auch fertig gegessen hatte, hauchten die drei Pferde den Traumwind auf ihn, und Janos schlief fest ein.
Wie er erwacht, da sieht er, dass alle Pferde fort sind. Er bläst in die Pfeife, kommt der Fuchs:
»Nun, was ist dein Begehr, lieber Herr?«
»Die drei Pferde sind verloren gegangen, wie kann ich sie auffinden?«
»Wenn’s weiter nichts ist, das ist nicht schlimm. Siehst du jenes Weizenfeld? Drin sind drei Hasen, das sind deine drei Pferde. Schau, hier ist ein Halfter; ich werde sie dir zutreiben, und du verstecke dich; wenn sie zu dir kommen, wirf ihnen den nur über den Kopf; hab keine Angst, sie werden dann deine drei Pferde werden.«
So geschah’s auch. Der Fuchs jagte sie, Janos gab Acht, und die drei Hasen wurden auf der Stelle zu Pferden, als er den Halfter über sie geworfen hatte.
Dann setzte er sich auf eins, führte sie heim. Die Alte war schon giftig, dass sie dem jungen Menschen nicht beikommen konnte. Dennoch gab sie ihm Abendbrot.
Am dritten Morgen war dies wiederum Janos‘ Arbeit. Er führte die Pferde hinaus wie sonst, ass auch diesmal sein Brot. Und nun kam ein Eichhörnchen daher:
»Gib mir etwas zu essen, denn ich sterbe fast!«
Janos gab ihm auch.
»Nun, für deine Tat erwarte Gutes; da nimm diese Pfeife! Wenn du in Not bist, blase nur hinein, dann bin ich gleich da.«
Die drei Pferde hauchten wieder Traumwind auf Janos, und er schlief bis zum Abend. Dann fand er wieder nicht eins von den drei Pferden. Er holte seine alte Helferin hervor, die Pfeife, und blies hinein. Da war das Eichhörnchen.
»Na, was ist los, lieber Herr!«
»Die drei Pferde sind fort, fort; wie kriegen wir sie wieder?«
»Na, wenn’s weiter nichts ist, das ist noch nicht schlimm. Da hast du diesen Halfter. Geh heim! Zu Hause im Schuppen wirst du eine Glucke sehen; das ist die Alte; unter ihr sind drei Eier; das sind die drei Pferde. Reize die Henne mit irgend was, dass sie aufsteht, und wenn dann die Eier unter ihr wegzurollen beginnen, schlag nur die Eier mit dem Halfter entzwei; hab keine Angst, sie werden deine drei Pferde.«
Janos tat also. Er ging heim, schnurstracks in den Schuppen. Er sah, dass dort in einer Ecke eine grosse hässliche Henne sass. Er fuchtelte vor ihr mit dem Halfter, die Henne steht auf, die Eier beginnen unter ihr hervor zu rollen. Wie die Eier rollen, macht er sich dran – sogleich werden sie zu den drei Pferden. Die Henne hatte sich unterdessen in die Alte verwandelt. Als Janos die Pferde aus dem Schuppen führte, erwartete ihn die Alte schon an der Flurtür. Sie war voller Gift; doch sie sagte nichts, und auch das sagte sie langsam.
Als Janos die Pferde angebunden hatte, trat er in den Flur.
»Na, Grossmutter, mein Jahr ist um, nun zahlt mir, wie sich’s gebührt; gebt mir als Lohn jenes Fohlen, das schon seit sieben Jahren die Würmer auf dem Misthaufen benagen.«
Sprach die Alte: »Ich bin zwar mit dir zufrieden, aber du musst noch eins machen! Führ die drei Pferde fort und lass sie beschlagen. Wir werden dann schon einig miteinander werden.«
Ein Hundsfott war die Alte, es war nicht umsonst, dass sie eine Hexe war! Um jeden Preis wollte sie Janos ins Verderben stürzen.
Er schwang sich auch aufs Pferd. Wie er zum Schmied reitet, trifft er die Alte, die ihn an die Hexe gewiesen hatte; sprach die Frau zu ihm:
»Hör zu! Wenn du mit den Pferden zurückkommst, bring sie plötzlich zum Stehen, denn sonst werfen sie dich ab, und dann ist’s aus mit dir.«
Janos versprach das auch. Als er vom Schmied zurückkam, sprangen die Pferde unter ihm ganz ungeberdig; er wäre auch abgeworfen worden, wenn die Alte es nicht gesehen und das Pferd angeschrieen hätte, denn Janos konnte sie nicht schnell zum Stehen bringen. Und so wurde er aus der Not gerettet. Die Pferde führte er heim.
Er trat vor die Frau, die Hexe, er habe nun auch das vollbracht, jetzt sei es Zeit, ihn zu bezahlen.
Die Frau wollte durchaus nicht darauf eingehen, ihm das elende Fohlen zu geben; sie versprach ihm Silber, Gold, alles mögliche, doch Janos liess nicht von dem Fohlen ab; er begehrte nur das. Schweren Herzens willigte die alte Vettel schliesslich doch ein.
Janos nahm das Fohlen auf den Arm, trug es. Es war jedoch recht schwer. Er warf es vom Arm herunter. Doch dann nahm er’s wieder auf. Doch schliesslich wurde er’s satt. Er setzte es ein zweitesmal ab, auch ein drittesmal, doch als er’s zum drittenmal niedersetzte, sprang das elende Fohlen auf, und ein herrlicher goldhaariger Tatosch wurde aus ihm.
»Nun, lieber Herr, jetzt ist’s gut! Nun bin ich gerettet vor meiner Grossmutter. Jetzt werden wir die schöne Frau holen. Denn wisse, jene Frau ist meine Grossmutter, und meine Mutter ist beim Drachen, das schwarzgraue Pferd. – Schau nur rückwärts, mein kleiner Herr! Was siehst du?«
Janos hatte sich indessen schon auf seinen Rücken geschwungen. Er schaute zurück, erblickte die Alte. Der Tatosch schleuderte ihn vom Rücken herunter.
»Was hast du gesehen?«
»Deine Grossmutter!«
Sie zogen fürbass, wieder sprach das kleine Pferd:
»Schau nur rückwärts, mein kleiner Herr! Was siehst du?«
Janos schaute rückwärts.
»Der Himmel ist ganz rot!« sagte Janos.
»Hu, wie meine Grossmutter wütet!«
Und zum andernmale warf er Janos ab.
Nach einer kleinen Weile hub der Tatosch zum drittenmal an.
»Schau nur zurück, mein kleiner Herr! Was siehst du?«
Janos wandte sich, sprach:
»Ich sehe eine blaue Flamme!«
»Nun, jetzt rast meine Grossmutter!« Und er warf Janos um drittenmal ab.
Jetzt wurde Janos aber sehr zornig, wahrlich, er liesse sich nicht immer abwerfen, er würde sich jetzt nicht mehr auf seinen Rücken setzen.
Doch der Tatosch entschuldigte sich, es würde nun nicht mehr vorkommen, er sollte sich nur aufsetzen, er würde ihn dann nicht abwerfen.
Der Tatosch hielt auch Wort, warf ihn nicht mehr ab.
»Na, jetzt können wir zur schönen Frau gehen; fürchte nichts, sie wird schon unser werden,« sagte der goldhaarige Tatosch.
Sie gingen, liefen, flogen, so schnell wie der Gedanke. Sie langten beim Schloss an. Die Frau lauerte gerade am Fenster. Janos erblickte sie:
»Mein schönes Herzlieb, meine schöne Taube! Jetzt komm geschwind; wir führen dich fort! Fürchte dich nicht! Der Schwarzgraue holt uns nicht mehr ein!«
Die Frau sperrte den Mund weit auf, als sie ihren Mann erblickte. Sie starb fast vor Freude. Schnurstracks ging sie zu ihrem Mann, küsste ihn wieder und wieder, setzte sich neben ihn aufs Pferd.
Drauf Janos »Nun, in Jesu Namen, vorwärts!« und sie ritten, was sie konnten.
Der Drache hört Getöse, erschrickt, schaut in den Stall.
»He du, Heu und Hafer vor dir, fliessend Wasser neben dir, kannst essen, kannst trinken, was ist dein Begehr?«
»Ich kann wohl essen und kann auch trinken; die schöne Frau ist fort; sie haben sie entführt!«
»Und kann ich noch essen?«
»Mit nichten iss, mit nichten iss! Setz dich auf meinen Rücken und lass uns eilen; doch wir werden sie auch dann nicht einholen!«
Der Drache stürzte sich auf ihn, schlug ihn mit der Keule, trieb ihn mit zwei Sporen an; das Blut schoss nur so von des Pferdes Flanken; doch wo waren jene auf dem goldhaarigen Tatosch schon!
Der Schwarzgraue wieherte seinem Sohn, dem goldhaarigen Tatosch eins zu: »Steh, mein Sohn!«
Wieherte Janos‘ Pferd zurück: »Ich bleib nicht stehen!«
Fragt Janos das Pferd, was des Drachen Pferd gewiehert habe. Das erzählte es ihm.
Wiehert des Drachen Pferd zum andernmal »Steh, mein Sohn!« Doch der wieherte nur zurück wie vordem.
Der Drache spornt sein Pferd, das läuft auch, doch vergeblich; den goldhaarigen Tatosch konnten sie nicht einholen.
Wiehert der Schwarzgraue zum drittenmale: »Du wartest nicht, mein Sohn!?«
»Ich warte auf dich, Mutter, wenn du den Drachen so hoch hinaufschleuderst, dass er zu Wagenschmiere wird, wenn er niederfällt. Sonst kannst du ihn hinter mir herschleppen, so lange die Welt steht.«
Als des Drachen Pferd das hörte, bäumte es sich, warf den Drachen so hoch empor, dass er zu Wagenschmiere wurde, als er niederfiel. Dorther holen die Slowaken die viele Wagenschmiere!
Der Tatosch erwartete seine Mutter, den Schwarzgrauen. Janos band die beiden Pferde zusammen; er bestieg des Drachen Pferd, seine Gemahlin liess er auf dem Tatosch.
Und so ritten sie, bis sie zu Hause anlangten.
Zu Hause wurden Janos und seine Gemahlin aufs neue getraut; sie hielten Hochzeit, und wenn sie noch nicht gestorben sind, leben sie auch jetzt noch in dem schönen Schloss.

[Ungarn: Elisabet Róna-Sklarek: Ungarische Volksmärchen]

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