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(1)
Es war einmal ein König, der hatte zwölf Söhne. Also sprach der älteste:
»Lieber Vater, ich möchte schon heiraten, denn die Zeit ist gekommen.«
Sprach sein Vater, der König:
»Warte so lange, mein Sohn, bis auch dein jüngster Bruder heiratet, damit ihr alle zwölf auf einmal heiratet.«
Da grämte sich der älteste Sohn, wann das wohl sein würde, wenn auch der Zwölfte schon jenes Alter erreicht haben würde. Bis dahin würde er alt sein. Doch da war nichts dagegen zu machen, er musste gehorchen.
Er wartete so lange, bis sein jüngster Bruder sechzehn bis siebzehn Jahre oder so was alt war, dann fragte er ihn:
»Brüderchen, kleines Brüderchen, hättest du nicht Lust zum Heiraten?«
»Gewiss, mein Bruder«, sagte er, »ich wundere mich, warum du noch nicht geheiratet hast, denn wahrlich, du bist schon der Vater und Spott der Burschen.«
»Ach, mein kleines Brüderchen, seit langem warte ich auf dich!«
Dann geht der Älteste hinein zu seinem Vater.
»Nun, erlauchter Vater, jetzt werde ich heiraten, denn all meine elf Brüder haben Lust dazu.«
Da liess ihr Vater sie alle elf Stück für Stück mit ihm zusammen hereinrufen. Er fragte, ob sie Lust zum Heiraten hätten, und da hatten sie’s alle. Nun, und da entgegnete ihnen der König:
»Nun, meine lieben Söhne, wir haben zwölf Gestüte, ihr seid zu zwölfen; jeder wähle sich ein Pferd aus je einem Gestüt, so wie ihr es mögt, denn ihr habt ja die Wahl.«
»Wir sind bereit, lieber Vater.«
Dann sattelte der König selbst alle zwölf für seine zwölf Söhne, gab jedem Gold, wie das Herz ihn trieb, jedem, was er wollte. Dann sprach er:
»Meine Söhne, Gott gebe euch Glück zu eurer Heirat; doch nicht eher mögt ihr eine Gemahlin finden, bis ihr nicht zwölf Schwestern trefft, so wie ihr seid.«
Dann entliess er sie aus dem Schloss, die zwölf.
Zogen sie nun selbzwölft zu Pferde aus, Gemahlinnen zu suchen. Sie gelangten in eine Einöde. Siehe, da wurde es Abend, Nacht, so dass es an der Zeit war zu beraten, wohin sie sich wenden sollten. Sprach der Jüngste:
»Bis zum Morgengrauen werden wir doch nichts beginnen, wir bleiben hier, wenn’s euch recht ist, Brüder!«
Sie wollten es alle. Nun also, da blieben sie bis zum Morgen, bis zum Morgengrauen in der Einöde. Morgens sagte der jüngste Bruder:
»Nun, meine lieben Brüder, wir ziehen umsonst alle zwölf eines Weges, denn wir werden doch nicht zwölf solche Geschwister finden, wie wir sind. Lieber soll ein jeder allein reiten, wohin es sei.«
Seine Brüder alle elf stimmten ihm zu. Dann griff er in seine Tasche und zog ein zwölfschneidiges Taschenmesser hervor.
»Nun, Brüder«, sagte er, »das Messer mit den zwölf Klingen ist ebenso, wie wir zwölf Geschwister sind. Die grösste Klinge zählt für meinen ältesten Bruder, die zweite für den zweiten, und so der Reihe nach wie wir Geschwister sind. Die kleinste Klinge zählt für mich, ich bin der zwölfte. Also seht ihr das?« Dann wies er es ihnen.
»Ja,« sagten alle.
»Jetzt stosse ich dieses Taschenmesser auf diesem Fleck ein. Wer von uns Brüdern zurückkehrt, der ziehe dieses Taschenmesser heraus. Wessen Klinge blank sein wird so wie jetzt, wenn sie herausgezogen wird, so wisst, dass der von uns Brüdern, für den diese Klinge zählt, lebt. Doch wessen rostig sein wird, der ist gestorben, den erwartet nicht. Und wenn einer früher zurückkehrt, so wollen wir hier einander alle erwarten.«
»Wohlan, Brüderchen, recht so,« antworteten alle elf, seine Brüder.
Dann reichten sie sich die Hände, nahmen Abschied von einander und machten sich auf den Weg, wie es gerade kam.
Lassen wir die elf Brüder, sie ritten, wohin Gott sie führte; wenden wir uns zum Jüngsten.
Er zog über Berg und Tal, Wiesen und Wälder, Wüste und Wasser, wo es nur anging. Tag und Nacht. Einstmals gelangte er auf eine kleine, flache Wiese. Sprach sein Pferd, hub an zu sprechen:
»Ei lieber Herr,« sagte es, »wandere nicht weiter und hör auf mein Wort. Ich werde dich schon weisen, was mit dir werden soll. Deine elf Brüder sind im siebenten Königreich von hier bei einem König als Kutscher. Jener König hat zwölf Töchter, wie ihr zwölf Brüder gewesen seid. Deine elf Brüder sind der elf Mädchen Kutscher; doch das jüngste Mädchen ist solcher Art, dass sie bisher neunundneunzig Kutscher hat pfählen lassen. Nimm dich in Acht; du wirst ihr hundertster Kutscher werden; doch hör auf mich, ich werde dich weisen, niemand wird dir etwas zu Leide tun. Jetzt aber, wie soll ich dich tragen? Oben oder unten oder durch die Luft? Soll ich dich wie der Wind tragen oder wie der Gedanke?«
»Trag mich nicht wie der Gedanke, nur so wie der Wind trag mich, mein Pferd!«
»Mir ist’s gleich; nur schliesse die Augen und öffne sie auch kein bischen!«
Damit schwang sich sein Pferd in die Luft und trug ihn so, wie der Wind zu eilen pflegt. Aber einmal öffnete er dennoch die Augen, als er hoch oben getragen wurde. Als er hinabsah, erblickte er ein goldenes Haar auf der Erde.
»Steh still, mein Pferd, denn ich sehe ein goldenes Haar!«
»Ich sagte, du solltest die Augen nicht öffnen, denn das wird dir nicht zum Heil sein. Doch wenn du es erblickt hast, so steig ab und heb es auf; wir können es nicht hier lassen!«
Er stieg ab und hob es auf.
»Nun sitz auf, doch öffne die Augen fürderhin nicht, bis ich’s dir sage.«
Er schliesst die Augen, schliesst sie; dennoch kann er nicht an sich halten, er öffnet sie wieder, erblickt ein goldenes Hufeisen auf der Erde.
»Steh still, mein Pferd, denn schau, ein goldenes Hufeisen!«
»Ich sagte dir, du solltest die Augen nicht öffnen. Nun so steig ab und heb das auch auf!«
Er steigt ab, hebt es auf, verwahrt es gut.
»Nun, jetzt sitz auf, aber schliess die Augen, öffne sie nicht wieder!«
Noch einmal öffnete er sie, er konnte sich nicht mehr gedulden.
»Steh still, mein Pferd, denn schau, ein goldenes Tuch liegt auf der Erde!«
»Ich sagte, öffne die Augen nicht. Doch steig ab und heb es auf; wir können es hier nicht lassen. Doch schliesse die Augen und öffne sie nicht wieder, bis wir bei des Königs Tor anlangen.«
Er öffnete sie auch nicht, nur als sein Pferd sprach:
»Nun, jetzt steig ab, denn hier sind wir. Nun also jetzt steig ab! Aus mir wird ein kleines struppiges Fohlen werden. Du geh zum König hinein, denn der König hat keine Frau, die ist tot, er hat nur zwölf Töchter.«
»Braucht der erlauchte König nicht vielleicht einen Kutscher?« »Ja wirklich,« wird der König sagen, »denn gerade gestern haben wir meiner jüngsten Tochter Kutscher begraben; ich werde dich also aufnehmen.« Doch du entgegne: »Erlauchter König, ich habe ein kleines Fohlen, für das müsste auch im Stall zwischen den andern Pferden Platz sein.« Der König wird das nicht gern wollen, aber er wird doch schnell drauf eingehen. Drauf sprich: »Erlauchter König, ich bedinge mir aus, dass eine Woche lang niemand in meinen Stall kommen darf, noch auch hineinschauen. Wenn’s beliebt, so dingt mich, doch wenn nicht, dann nicht.«
Nun gut, der König wollte es nicht sehr gern, aber er willigte auch darein.
»Na also, Bursche,« sagte der König, »geh, bring dein kleines Fohlen herein!«
Na, da hat er es im Stall angebunden. Jetzt kam die Kunde zu seinen Brüdern, dass ihr kleiner Bruder auch hergekommen sei. Sie freuten sich, dass sie in guter Gesundheit an einem Ort beisammen waren.
Nun gingen sie alle zwölf früh morgens zum König. Jeder von ihnen hatte vier Pferde unter seiner Hut.
Jene vier Pferde erhielten in der Frühe vier Portionen Heu und einen Scheffel Hafer, mittags ebenso viel, abends auch soviel. Nun, frühmorgens holten sie die vier Portionen Heu und den Scheffel Hafer. Doch jeder war in einem besonderen Stall, nicht alle an einem Ort.
Nun ging er in seinen eigenen Stall, da sagt ihm sein Fohlen, er solle die Stalltür zumachen. Er macht sie auch zu. Es fragt, kann man von irgendwo aus dem Stall heraussehen? Man sieht von nirgends, nur durchs Schlüsselloch. Da gibt das Fohlen ihm einen Nagel, den solle er dort einschlagen, damit niemand von draussen hineinsehen kann. Nun, jetzt sagt das Fohlen:
»Hole jenes Goldhaar hervor, das wir auf dem Weg fanden, und stecke es in den Lichthalter!«
Er steckte es anstatt einer Kerze auf; es leuchtete, wie wenn der Blitz flammt. Jetzt deckte das Fohlen ihm ein Tischchen. Trinken, Essen drauf, nach dem Essen Pfeife und Tabak, und dort schmaucht er nur so seine Pfeife. Nun fragt er das Fohlen:
»Und soll ich jetzt diesen vier Pferden ihr Futter geben?«
»Nein,« sagte das Fohlen. »Schau hier diesen Hartriegelstock. Von Kopf zu Fuss schlage sie damit, bis das Fohlen spricht.«
Nun, er schlug die vier Pferde, bis die Haut ihnen fast von den Rücken fiel. Da sagte es: »Jetzt ist’s genug, schlag nicht mehr.«
Nun setzt er sich am Tisch nieder und raucht. Da kommt schon Mittag heran. Seine Brüder riefen, er sollte essen kommen. Er erwiderte kein Wort, nichts. Sie riefen, er sollte nach dem Heu kommen, doch er ging nicht, fragte nur das Fohlen, ob er den Pferden ihr Futter geben sollte. Das Fohlen sagte, er sollte sie auch jetzt mit dem Hartriegelstock schlagen, bis es ihm sagen würde. So schlug er sie jetzt auch, just wie in der Frühe. Zu fressen gab er ihnen nicht, obgleich Heu und auch Hafer da waren. Zum essen ging er auch nicht, denn er hatte alles da.
Kam der Abend heran; wieder riefen seine Brüder, er sollte essen kommen; er kam nicht. Sie riefen ihn zum Heu, er ging nicht, zum Hafer, er ging nicht, schlug nur statt des Fressens die Pferde tüchtig, wie in der Früh und mittags. Sie riefen ihn wegen der Kerze, die er zur Nacht haben sollte, doch er ging nicht, denn ihm leuchtete das Goldhaar an Kerzen statt.
Kommt morgen früh heran; da war’s ebenso; denn von Tag zu Tag, eine Woche lang, etwa acht Morgen, jeden Tag schlug er dreimal die Pferde in gleicher Weise wie am ersten Tag. Er hatte immer noch die vier Portionen Heu und den Scheffel Hafer.
Der König konnte kaum erwarten, dass der achte Tag käme, damit er erführe, was er gemacht und was er den Pferden gegeben. Am siebenten Abend sprach der König zum ältesten Bruder:
»Wer erspähen kann, wobei er dort sitzt, was ihm leuchtet, bekommt ein grosses Geschenk!«
Fasst sich der älteste Bruder ein Herz, schlägt jenen Nagel aus dem Schlüsselloch, der eingeschlagen worden war, schaut durch die Tür hinein, und da sieht er, dass ein Goldhaar an Kerzen statt leuchtet, und da sieht er, dass er einen gedeckten Tisch hat, Essen, Trinken, Tabak. Und da sieht er, dass die vier Portionen Heu noch da sind, die am ersten Morgen ausgegeben worden waren, und der Scheffel Hafer auch. Und da sieht er, wie die vier Pferde dort im Stall liegen, ganz zerschlagen, kein Stückchen Haut auf ihnen. Er geht hinein und sagt zum König:
»Erlauchter König, deine vier Pferde sind wie vier Hunde, ganz zerschlagen. Die vier Portionen Heu sind noch da und die vier Portionen Hafer. Ein Goldhaar leuchtet an Kerzen statt. Er hat auf einem Tisch Essen und Trinken, raucht Tabak.«
Nun, jetzt konnte der König kaum den achten Morgen erwarten, dass die Woche um wäre, was daraus werden sollte. Es graute noch nicht richtig, da schickte er schon die jüngste Tochter, sie sollte rufen, dass er einspanne. Doch er antwortete zurück, nicht ehe der Morgen dämmere.
Nun sagte sein Fohlen, er sollte den vieren eine Portion Heu geben; während sie das frassen, vierteilte er den Scheffel Hafer. Er gab die vier Portionen Heu in vier Teilen und den Hafer auch viermal. Dann sagte es, er solle das Goldtuch vorholen, das sie auf dem Wege gefunden; mit jenem Tuch solle er die Pferde abklopfen. Er klopft sie schön ab, und da wurden vier goldhaarige Pferde aus den vieren. Gleich legte er ihnen das Geschirr auf, dann ging er aus dem Stall, öffnete die Tür und zog die Kutsche unter dem Schuppen hervor.
Als die Königstochter, die zwölfte, zum andern Male rief, er solle einspannen, da rief er den Pferden nur ein Wort zu, und alle vier stellten sich neben die Kutsche. Er spannte sie auch ein, die Königstochter setzte sich auch voller Wut in die Kutsche, liess sich dorthin fahren, wo die Häupter der neunundneunzig Kutscher auf den Eisenpfählen steckten. Sie hätte ihn auch gepfählt, aber die Pferde waren schon verwandelt. Da kehrte sie um und jagte nach Hause in den Königshof.
Nun fragt der König:
»Was ist, meine liebe Tochter?«
Da sagt sie, es sei nicht möglich, denn die Pferde seien nicht dieselben. Denn bisher waren die vier Pferde vier Teufel gewesen, doch jetzt hatte das Fohlen sie verwandelt.
Gerät der König jetzt in Wut, lässt ihn vor sich rufen, spricht zum Kutscher:
»Auf der Stelle bring mir jenes goldhaarige Mädchen zur Gemahlin, die dir eine Woche lang in meinem Stall an Kerzen statt geleuchtet hat!«
»Woher sollte ich sie holen, erlauchter König? Als ich mit meinem Fohlen kam, fand ich es auf dem Wege.«
»Wenn du sie nicht herbeischaffst, lasse ich dir morgen früh den Kopf vom Henker abschlagen.«
Da härmte er sich, ging traurig in den Stall. Fragt sein Fohlen:
»Warum grämst du dich, mein Herr?«
»Wie sollte ich mich nicht grämen, vernimm, was der König gebot.«
»Gräm dich nicht,« sagte es, »sag nur dem König: ‚Gebt mir fünf saubere, neue Eisenhalfter!‘ denn ich kenne«, so sagte es, »in der und der Einöde eine Eisenhexe, die hat eine schöne, goldhaarige Tochter. Wir werden sie als Gemahlin herholen, er soll sie nur meistern.«
Das sagte das Fohlen seinem Herrn.
Der Jüngling geht hinein und sagt dem König, dass er fünf Eisenhalfter brauche. Der König gab sie ihm auch sogleich. Er führte das Fohlen hinaus, und aus ihm wurde sein Ross wie vordem. Das Fohlen machte sich auf in die Einöde, wo die Eisenhexe war. Nur von weitem zeigte es dem Jüngling die Wohnung der Eisenhexe. Es sprach:
»Jetzt werde ich zu einem kleinen Eselchen, struppig, langhaarig, garstig. Du wirst zu einem sehr, sehr hässlichen Zigeuner, einem alten Mann, mit bis zum Gürtel reichendem Bart. Diese fünf Eisenhalfter hänge jetzt über deinen Arm, und dies ruppige, elende, haarige Eselchen führe just vor der Eisenhexe Tür. Dort bei der Tür bleib stehen und öffne die Tür. Sag ihr: ‚Guten Morgen, Grossmutter!‘ Aber sprich also, denn sonst schlägt sie dir den Kopf ab. Sag: ‚Zehn Jahre sind’s, seit ich hier herumirre mit diesem Esel in dieser Einöde, und all meine Vorräte habe ich verzehrt, und hier habe ich fünf Eisenhalfter, die würde ich jemandem verkaufen, wenn er mir dafür ein Stückchen Brot gäbe.‘ – Denn sie hat kein Brot, doch die fünf Eisenhalfter braucht sie, sie muss sie kaufen, und wenn’s ans Leben ginge. Sie wird sagen: ‚Na, mein Sohn, warte ein bischen, denn ich habe keins, aber ich hole es gleich, wenn du wartest.‘ Dann wird sie das Spulrad vorholen, davor eine Eisenhechel, zur Tür hinausgehen, sich auf die Radnabe setzen und sich auf den Weg in die Stadt machen, Brot zu holen. Jetzt, wenn sie fortgegangen ist, wird sich eine Stubentür öffnen, du tritt durch jene Stubentür, und in der Ecke bei der Tür wird ein goldhaariges Mädchen auf einem Lager ruhen. Doch wenn sie dich erblickt, dass du ein Fremder bist, wird sie sogleich sich überspringen, und aus ihr wird eine grosse Kröte. Doch du fürchte dich nicht, packe die Kröte beim Bein, stecke sie in dein Hemd, dann zur Tür hinaus und eile nur, bis du bei mir aufsitzen kannst.«
So machte es auch der alte Zigeuner. Als er auf dem elenden, haarigen Esel sass, da war auch schon die Frau mit dem Spulrad dort. Sie bringt das Brot, merkt, dass die Tür offen steht. Sie schaut hinein, da ist kein goldhaariges Mädchen. Da merkte sie, dass jener der Dieb gewesen war. Sie riss die Eisenhechel vom Spulrad, warf sie ihnen nach, doch sie erreichte sie nicht mehr mit der Hechel, denn sie waren schon weit voran.
»Wird nochmals dein Weg hierher sein oder nur einmal im Leben?«
So rief der Jüngling vom Pferde zurück:
»Ja, noch einmal, alte Vettel!«
Na, lassen wir schon die Alte da zu Hause.
Als sie bei des Königs Tor anlangten, wurde aus dem Reitpferd wieder nur ein Fohlen, wie es vordem gewesen war. Und der Jüngling führte das Fohlen hinein durch des Königs Tür. Oben auf der Galerie stand der König; er rief:
»Wo ist das goldhaarige Mädchen, Kutscher?«
Da griff er in sein Hemd, zog jene grosse Kröte aus seinem Busen. Der König schaut von der Galerie, die Kröte aber springt herab von des Kutschers Hand auf die Erde, vor des Königs Augen, und aus ihr wird eine schöne, weisse Taube. Dann flog die Taube auf das Dach der Galerie, wo der König stand. Da sprach der König:
»Fliege herab, mein schönes Herzlieb!«
Da hüpfte die Taube auch hinab, und siehe, aus ihr wurde ein schönes, goldhaariges Mädchen; sie zeigte, dass sie jenes goldhaarige Mädchen sei. Als der König sie erblickte, da barst schier sein Herz; doch jetzt wurde das goldhaarige Mädchen wieder zur Taube und flatterte auf das Dach der Galerie. Da sprach der König nochmals:
»Fliege herab, mein schönes Herzlieb!«
»Nein, so lange nicht …« sagte die Taube.
Sprach der König:
»Wie lange?«
»Wo ich ruhte, über meinem Haupt in einem Käfig sind Psalmenvögel, sie singen wie die Orgel, bis du sie hast herbringen lassen.«
Und da sprach der König:
»Wer brächte sie her?«
»Der mich gebracht, der bringt auch sie her, wenn er auf sein Pferd hört.«
Nun, da befahl er wieder seinem Kutscher, fortzugehen und jene Vögel zu holen, von dort, wo das Mädchen geruht hatte, über ihrem Haupt. Weinte der Kutscher, wie sollte er da hingehen? Hatte ihn ihre Mutter doch schon jetzt fast totgeschlagen mit der Hechel! Doch er musste, denn der König sagte, wenn nicht, lässt er ihm den Kopf abschlagen.
Geht der Kutscher, erzählt es sehr traurig dem Fohlen.
»Gräme dich nicht, Herr«, sagt das. »Sag dem König, er soll jetzt nur fünf neue Kissenbezüge geben, die solle er nur geben.«
Na, der König gab auch fünf neue Kissenbezüge. Und er führte das Fohlen hinaus und sass auf, und das Ross trug ihn hin; denn es war draussen ein edles Ross aus ihm geworden.
Als sie wieder in der Einöde angelangt waren, sprach das Fohlen:
»Nun hab wohl Acht auf meine Rede! Aus mir wird jetzt ein elendes kleines Pferdchen, langhaarig, mit Knoten wie ein Brot an der Seite und am Bein. Aus dir wird ein sehr, sehr alter, weissbärtiger Müller. Kaum dass du noch reden kannst, so alt wirst du sein. Führe mich dort vor, und hänge die fünf neuen Kissenbezüge über den Arm. Du kennst jetzt die Tür, öffne sie wieder, sprich: ‚Guten Morgen, Grossmutter.‘ Wird die Alte sagen: ‚Schönen Dank, mein Sohn! Doch dein Glück, dass du Grossmutter gesagt hast. Was führt dich hierher, wohin von euch selbst der Vogel nicht kommen darf?‘ Du sprich: ‚Seit zehn Jahren mahle ich hier am Waldessaum mit diesem elenden, krummen Pferd. Alles ist mir ausgegangen, ich habe nichts mehr, nur diese fünf neuen Kissenbezüge. Die würde ich verkaufen, und sei’s auch, dass mir jemand dafür nur etwas Maismehl gäbe, denn ich bin so verhungert, dass ich kaum stehen kann.‘ – ‚Na gut‘, sagt sie, ‚ich habe kein Mehl, aber ich hole es gleich aus der Stadt.‘ Doch du weisst jetzt schon, wie’s gemacht werden muss. Wenn sie fort ist, geh wieder durch die Tür, dort, wo das Mädchen geruht hat, ist der Käfig mit den Vögeln. Nimm ihn herunter und komm heraus, kümmere dich um weiter nichts.«
Als er den Käfig heruntergenommen hatte und schon hinausgekommen war, sich aufs Pferd gesetzt hatte, siehe, da war auch schon die Eisenhexe mit dem Mehl heimgekehrt und hatte gemerkt, dass auch die Vögel gestohlen waren. Wieder schleuderte sie die Eisenhechel nach. Sie traf des Pferdes Seite ein wenig, aber nicht stark. Sie schrie:
»Wird nochmals im Leben dein Weg hierher sein, vielleicht gar in Katzengestalt?«
Der alte Müller schrie zurück:
»Nimmermehr, alte Vettel!«
Damit waren sie schon bei des Königs Tor angelangt. Als sie sie hineintrugen, sangen die Vögel wie die Orgel in des Königs Hof.
Nun, jetzt sprach der König zur Taube auf der Galerie:
»Fliege herab, mein schönes Herzlieb, denn auch das ist geschehen.«
Spricht die Taube:
»Nein, so lange nicht …!«
»Wie lange?« erwiderte der König.
»Am roten Meer habe ich ein Gestüt; bis du das hast herbringen lassen.«
»Wer brächte das?« erwiderte der König.
»Wer mich gebracht, der bringt auch das, wenn er auf sein Pferd hört.«
Nun, da liess also der König den Kutscher wieder rufen und befahl ihm, am roten Meere wäre ein Gestüt, das sollte er bringen, wenn nicht, lasse er ihm den Kopf abschlagen. Er sagte, nie habe er Kunde vom roten Meere vernommen. Wieder ging er traurig in den Stall. Fragt sein Fohlen:
»Warum grämst du dich, mein Herr?«
»Hör, was der König gebot.«
»Gräm dich nicht,« sagt das Fohlen. »Sag, er solle neunundneunzig Büffelstiere töten lassen und deren Häute alle uns geben.«
Also das tat der König auch und übergab ihnen die Häute der neunundneunzig Büffelstiere. Drauf zogen sie aus; das Fohlen trug ihn von dannen; es wusste, wo jenes Gestüt war.
Doch als sie beim roten Meer angelangt waren, packte der Kutscher all jene Häute auf sein Fohlen, wie wenn sie alle drauf geschlagen gewesen wären, schön der Reihe nach. Nun, dann sagte das Fohlen seinem Herrn, er solle ein Weilchen am Strand bleiben.
Das Fohlen schreitet vor, wiehert eins am Gestade, hört der Hengst vom Gestüt, jener wilde Hengst, ein fremdes Schnauben. Drauf umkreist er das Gestüt in tobender Wut. Er läuft zum Gestade, sieht das fremde Pferd dort stehen, schlägt dreimal mit den Füssen darauf los, dieser wilde Hengst. Schon dreissig Büffelhäute hat er heruntergerissen mit den drei Schlägen. Drauf geht er zurück und umkreist das ganze Gestüt. Und noch einmal schlägt er dreimal aus und reisst noch dreissig Häute herunter. Und kehrt wieder zurück und umkreist das Gestüt. Drauf macht sich das ganze Gestüt auf. Als es angelangt ist, schlägt er noch dreimal aus, und wieder sind dreissig heruntergerissen.
Drauf machte sich das Fohlen auf den Weg und sagt seinem Herrn, er solle aufsitzen. Er sitzt auch auf, doch schon läuft das ganze Gestüt ihnen nach. Einmal schaut der Knabe zurück vom Rücken des Pferdes und spricht:
»Wehe, mein Pferd, sie holen uns gleich ein. Was sollen wir machen?«
»Wirf das Goldhaar herab, das wir gefunden haben,« sprach das Fohlen, »daraus wird hinter uns ein grosser, verkrüppelter, buschiger Wald werden. Bis sie sich da herausgeschlagen haben, sind wir schon weit vorbei.«
So geschah’s auch. Bis sie sich da heraus gearbeitet hatten, waren sie schon ein gutes Stück vorwärts gekommen. Einmal schaut er wieder zurück:
»Wehe, mein Pferd, sie holen uns gleich ein!«
»Gräm dich nicht! Wirf jenes goldene Hufeisen herab, das wir gefunden haben, draus wird hinter uns ein grosser Felsen werden. Bis sie den niedergerissen, sind wir weiter gezogen.«
Nun hatten sie den auch schon niedergerissen, und plötzlich holten sie sie wieder fast ein. Er schaut zurück und sagt:
»Wehe, mein Pferd, fast holen sie uns wieder ein.«
»Gräm dich nicht! Wirf das Goldtuch herab, draus wird ein grosser Eichwald werden. Bis sie den niederreissen, erreichen wir just des Königs Tor.«
Nun, und jetzt sagt es:
»Ich gehe in den Stall, du bleibst dort bei dem Torpfosten. Wenn das ganze Gestüt hinter mir hereingekommen ist, mach die kleine Tür zu und tritt vor die Galerie.«
So geschah’s auch. Als das ganze Gestüt drinnen war, da sprach der König zur Taube auf dem Dach der Galerie:
»Fliege herab, mein schönes Herzlieb; denn auch das ist geschehen.«
»Nein, so lange nicht …«, sprach die Taube.
»Wie lange?« entgegnete der König.
»Bis du nicht dieses Gestüt in einen Bottich hast melken lassen.«
»Wer sollte das melken?« entgegnete der König.
Sprach die Taube:
»Wer mich herbrachte, der vollbringt auch das, wenn er auf sein Pferd hört.«
Gebot jetzt der König dem Kutscher, jenes Gestüt in einen Bottich zu melken auf des Königs Hof. Der Kutscher erschrak, denn jenes waren alles wilde Tiere. Sehr traurig geht er in den Stall, fragt ihn wieder sein Fohlen:
»Was betrübst du dich?«
»Wie sollte ich mich nicht betrüben! Hör, was der König gebot, ich soll dieses Gestüt in einen Bottich melken.«
»Das ist nicht schlimm«, sagt das Fohlen, »sag ihm nur, er solle den Bottich inmitten des Zaunes aufstellen lassen.«
Der König liess auch den Bottich hinausstellen. Da steckte das Fohlen den Kopf zur Stalltür hinaus, wieherte eins, da kam das ganze Gestüt, Stück für Stück zum Bottich. Der Kutscher melkte auch jedes einzelne. Die Milch kochte in dem Bottich wie das Wasser im Kessel.
Als das vollbracht war, sprach der König zur Taube oben auf dem Dach der Galerie:
»Fliege herab, mein schönes Herzlieb, denn auch das ist geschehen.«
Sie sprach:
»So lange nicht …«
»Wie lange?« entgegnete der König.
»Bis, wer sie melkte, auch in dieser Milch badet.«
Wohlan, jetzt befiehlt der König dem Kutscher, das müsse er nun auch tun. Ach, wie weint der Kutscher, dass er darin baden soll. Doch er muss, sagt der König, es geht auf Leben und Tod, denn wenn nicht, lässt er ihm den Kopf abschlagen.
Er geht wieder bekümmert in den Stall. Fragt das Fohlen:
»Warum betrübst du dich?«
»Wie sollte ich mich nicht betrüben! Hör, was der König gebot.«
»Gräm dich nicht um den König! Sag nur dem König: gestattet, dass auch mein Fohlen draussen sei und meinen Tod schaue!«
Nun, während der Kutscher die Kleider ablegte, schaute das Fohlen hinein in die Milch, in den Bottich, und brach abertausend Eisstücke hinein in den Bottich, dass die Milch sich gelinde abkühlte. Als er dann gebadet hatte, da war er ein noch siebenmal schönerer Bursche, als er vordem gewesen war.
Nun sprach der König wieder zur Taube auf der Galerie:
»Fliege herab, mein schönes Herzlieb! denn auch das ist geschehen.«
Sie sprach:
»So lange nicht …«
»Wie lange?«
»Bis du auch in dieser Milch badest.«
Da sagte der König dem Kutscher, er solle sein Fohlen herauslassen, dass es ihm auch zuschaue. Er dachte, er würde auch solch schöner Bursche werden wie der es herbeigeschafft. Doch während der König sich entkleidete, sein Gewand ablegte, schaute das Fohlen in den Bottich, brach soviel Feuer hinein, tausendmal so viel als Milch drinnen war. Wie der König den Fuss hineinsetzte, verbrannte er mit Haut und Haaren, wandelte sich zu Milch.
Da hüpfte die Taube herab vom Dach der Galerie, als auch das geschehen war. Sie wandelte sich zu einem goldhaarigen Mädchen, wie sie vordem gewesen war. Nun umarmte sie den Burschen, der sie geholt, den Kutscher:
»Ich bin dein, du bist mein«, sprach sie, »der Tod und die Glocke nur soll uns scheiden.«
Dann wurden seine elf Brüder Kutscher bei ihm, und er blieb dort mit dem goldhaarigen Mädchen im königlichen Schloss, und die zwölf Mädchen, des Königs Töchter, wurden Mägde bei ihm alle zwölf. Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie auch jetzt dort. Seine Brüder heirateten niemals.
»Lieber Vater, ich möchte schon heiraten, denn die Zeit ist gekommen.«
Sprach sein Vater, der König:
»Warte so lange, mein Sohn, bis auch dein jüngster Bruder heiratet, damit ihr alle zwölf auf einmal heiratet.«
Da grämte sich der älteste Sohn, wann das wohl sein würde, wenn auch der Zwölfte schon jenes Alter erreicht haben würde. Bis dahin würde er alt sein. Doch da war nichts dagegen zu machen, er musste gehorchen.
Er wartete so lange, bis sein jüngster Bruder sechzehn bis siebzehn Jahre oder so was alt war, dann fragte er ihn:
»Brüderchen, kleines Brüderchen, hättest du nicht Lust zum Heiraten?«
»Gewiss, mein Bruder«, sagte er, »ich wundere mich, warum du noch nicht geheiratet hast, denn wahrlich, du bist schon der Vater und Spott der Burschen.«
»Ach, mein kleines Brüderchen, seit langem warte ich auf dich!«
Dann geht der Älteste hinein zu seinem Vater.
»Nun, erlauchter Vater, jetzt werde ich heiraten, denn all meine elf Brüder haben Lust dazu.«
Da liess ihr Vater sie alle elf Stück für Stück mit ihm zusammen hereinrufen. Er fragte, ob sie Lust zum Heiraten hätten, und da hatten sie’s alle. Nun, und da entgegnete ihnen der König:
»Nun, meine lieben Söhne, wir haben zwölf Gestüte, ihr seid zu zwölfen; jeder wähle sich ein Pferd aus je einem Gestüt, so wie ihr es mögt, denn ihr habt ja die Wahl.«
»Wir sind bereit, lieber Vater.«
Dann sattelte der König selbst alle zwölf für seine zwölf Söhne, gab jedem Gold, wie das Herz ihn trieb, jedem, was er wollte. Dann sprach er:
»Meine Söhne, Gott gebe euch Glück zu eurer Heirat; doch nicht eher mögt ihr eine Gemahlin finden, bis ihr nicht zwölf Schwestern trefft, so wie ihr seid.«
Dann entliess er sie aus dem Schloss, die zwölf.
Zogen sie nun selbzwölft zu Pferde aus, Gemahlinnen zu suchen. Sie gelangten in eine Einöde. Siehe, da wurde es Abend, Nacht, so dass es an der Zeit war zu beraten, wohin sie sich wenden sollten. Sprach der Jüngste:
»Bis zum Morgengrauen werden wir doch nichts beginnen, wir bleiben hier, wenn’s euch recht ist, Brüder!«
Sie wollten es alle. Nun also, da blieben sie bis zum Morgen, bis zum Morgengrauen in der Einöde. Morgens sagte der jüngste Bruder:
»Nun, meine lieben Brüder, wir ziehen umsonst alle zwölf eines Weges, denn wir werden doch nicht zwölf solche Geschwister finden, wie wir sind. Lieber soll ein jeder allein reiten, wohin es sei.«
Seine Brüder alle elf stimmten ihm zu. Dann griff er in seine Tasche und zog ein zwölfschneidiges Taschenmesser hervor.
»Nun, Brüder«, sagte er, »das Messer mit den zwölf Klingen ist ebenso, wie wir zwölf Geschwister sind. Die grösste Klinge zählt für meinen ältesten Bruder, die zweite für den zweiten, und so der Reihe nach wie wir Geschwister sind. Die kleinste Klinge zählt für mich, ich bin der zwölfte. Also seht ihr das?« Dann wies er es ihnen.
»Ja,« sagten alle.
»Jetzt stosse ich dieses Taschenmesser auf diesem Fleck ein. Wer von uns Brüdern zurückkehrt, der ziehe dieses Taschenmesser heraus. Wessen Klinge blank sein wird so wie jetzt, wenn sie herausgezogen wird, so wisst, dass der von uns Brüdern, für den diese Klinge zählt, lebt. Doch wessen rostig sein wird, der ist gestorben, den erwartet nicht. Und wenn einer früher zurückkehrt, so wollen wir hier einander alle erwarten.«
»Wohlan, Brüderchen, recht so,« antworteten alle elf, seine Brüder.
Dann reichten sie sich die Hände, nahmen Abschied von einander und machten sich auf den Weg, wie es gerade kam.
Lassen wir die elf Brüder, sie ritten, wohin Gott sie führte; wenden wir uns zum Jüngsten.
Er zog über Berg und Tal, Wiesen und Wälder, Wüste und Wasser, wo es nur anging. Tag und Nacht. Einstmals gelangte er auf eine kleine, flache Wiese. Sprach sein Pferd, hub an zu sprechen:
»Ei lieber Herr,« sagte es, »wandere nicht weiter und hör auf mein Wort. Ich werde dich schon weisen, was mit dir werden soll. Deine elf Brüder sind im siebenten Königreich von hier bei einem König als Kutscher. Jener König hat zwölf Töchter, wie ihr zwölf Brüder gewesen seid. Deine elf Brüder sind der elf Mädchen Kutscher; doch das jüngste Mädchen ist solcher Art, dass sie bisher neunundneunzig Kutscher hat pfählen lassen. Nimm dich in Acht; du wirst ihr hundertster Kutscher werden; doch hör auf mich, ich werde dich weisen, niemand wird dir etwas zu Leide tun. Jetzt aber, wie soll ich dich tragen? Oben oder unten oder durch die Luft? Soll ich dich wie der Wind tragen oder wie der Gedanke?«
»Trag mich nicht wie der Gedanke, nur so wie der Wind trag mich, mein Pferd!«
»Mir ist’s gleich; nur schliesse die Augen und öffne sie auch kein bischen!«
Damit schwang sich sein Pferd in die Luft und trug ihn so, wie der Wind zu eilen pflegt. Aber einmal öffnete er dennoch die Augen, als er hoch oben getragen wurde. Als er hinabsah, erblickte er ein goldenes Haar auf der Erde.
»Steh still, mein Pferd, denn ich sehe ein goldenes Haar!«
»Ich sagte, du solltest die Augen nicht öffnen, denn das wird dir nicht zum Heil sein. Doch wenn du es erblickt hast, so steig ab und heb es auf; wir können es nicht hier lassen!«
Er stieg ab und hob es auf.
»Nun sitz auf, doch öffne die Augen fürderhin nicht, bis ich’s dir sage.«
Er schliesst die Augen, schliesst sie; dennoch kann er nicht an sich halten, er öffnet sie wieder, erblickt ein goldenes Hufeisen auf der Erde.
»Steh still, mein Pferd, denn schau, ein goldenes Hufeisen!«
»Ich sagte dir, du solltest die Augen nicht öffnen. Nun so steig ab und heb das auch auf!«
Er steigt ab, hebt es auf, verwahrt es gut.
»Nun, jetzt sitz auf, aber schliess die Augen, öffne sie nicht wieder!«
Noch einmal öffnete er sie, er konnte sich nicht mehr gedulden.
»Steh still, mein Pferd, denn schau, ein goldenes Tuch liegt auf der Erde!«
»Ich sagte, öffne die Augen nicht. Doch steig ab und heb es auf; wir können es hier nicht lassen. Doch schliesse die Augen und öffne sie nicht wieder, bis wir bei des Königs Tor anlangen.«
Er öffnete sie auch nicht, nur als sein Pferd sprach:
»Nun, jetzt steig ab, denn hier sind wir. Nun also jetzt steig ab! Aus mir wird ein kleines struppiges Fohlen werden. Du geh zum König hinein, denn der König hat keine Frau, die ist tot, er hat nur zwölf Töchter.«
»Braucht der erlauchte König nicht vielleicht einen Kutscher?« »Ja wirklich,« wird der König sagen, »denn gerade gestern haben wir meiner jüngsten Tochter Kutscher begraben; ich werde dich also aufnehmen.« Doch du entgegne: »Erlauchter König, ich habe ein kleines Fohlen, für das müsste auch im Stall zwischen den andern Pferden Platz sein.« Der König wird das nicht gern wollen, aber er wird doch schnell drauf eingehen. Drauf sprich: »Erlauchter König, ich bedinge mir aus, dass eine Woche lang niemand in meinen Stall kommen darf, noch auch hineinschauen. Wenn’s beliebt, so dingt mich, doch wenn nicht, dann nicht.«
Nun gut, der König wollte es nicht sehr gern, aber er willigte auch darein.
»Na also, Bursche,« sagte der König, »geh, bring dein kleines Fohlen herein!«
Na, da hat er es im Stall angebunden. Jetzt kam die Kunde zu seinen Brüdern, dass ihr kleiner Bruder auch hergekommen sei. Sie freuten sich, dass sie in guter Gesundheit an einem Ort beisammen waren.
Nun gingen sie alle zwölf früh morgens zum König. Jeder von ihnen hatte vier Pferde unter seiner Hut.
Jene vier Pferde erhielten in der Frühe vier Portionen Heu und einen Scheffel Hafer, mittags ebenso viel, abends auch soviel. Nun, frühmorgens holten sie die vier Portionen Heu und den Scheffel Hafer. Doch jeder war in einem besonderen Stall, nicht alle an einem Ort.
Nun ging er in seinen eigenen Stall, da sagt ihm sein Fohlen, er solle die Stalltür zumachen. Er macht sie auch zu. Es fragt, kann man von irgendwo aus dem Stall heraussehen? Man sieht von nirgends, nur durchs Schlüsselloch. Da gibt das Fohlen ihm einen Nagel, den solle er dort einschlagen, damit niemand von draussen hineinsehen kann. Nun, jetzt sagt das Fohlen:
»Hole jenes Goldhaar hervor, das wir auf dem Weg fanden, und stecke es in den Lichthalter!«
Er steckte es anstatt einer Kerze auf; es leuchtete, wie wenn der Blitz flammt. Jetzt deckte das Fohlen ihm ein Tischchen. Trinken, Essen drauf, nach dem Essen Pfeife und Tabak, und dort schmaucht er nur so seine Pfeife. Nun fragt er das Fohlen:
»Und soll ich jetzt diesen vier Pferden ihr Futter geben?«
»Nein,« sagte das Fohlen. »Schau hier diesen Hartriegelstock. Von Kopf zu Fuss schlage sie damit, bis das Fohlen spricht.«
Nun, er schlug die vier Pferde, bis die Haut ihnen fast von den Rücken fiel. Da sagte es: »Jetzt ist’s genug, schlag nicht mehr.«
Nun setzt er sich am Tisch nieder und raucht. Da kommt schon Mittag heran. Seine Brüder riefen, er sollte essen kommen. Er erwiderte kein Wort, nichts. Sie riefen, er sollte nach dem Heu kommen, doch er ging nicht, fragte nur das Fohlen, ob er den Pferden ihr Futter geben sollte. Das Fohlen sagte, er sollte sie auch jetzt mit dem Hartriegelstock schlagen, bis es ihm sagen würde. So schlug er sie jetzt auch, just wie in der Frühe. Zu fressen gab er ihnen nicht, obgleich Heu und auch Hafer da waren. Zum essen ging er auch nicht, denn er hatte alles da.
Kam der Abend heran; wieder riefen seine Brüder, er sollte essen kommen; er kam nicht. Sie riefen ihn zum Heu, er ging nicht, zum Hafer, er ging nicht, schlug nur statt des Fressens die Pferde tüchtig, wie in der Früh und mittags. Sie riefen ihn wegen der Kerze, die er zur Nacht haben sollte, doch er ging nicht, denn ihm leuchtete das Goldhaar an Kerzen statt.
Kommt morgen früh heran; da war’s ebenso; denn von Tag zu Tag, eine Woche lang, etwa acht Morgen, jeden Tag schlug er dreimal die Pferde in gleicher Weise wie am ersten Tag. Er hatte immer noch die vier Portionen Heu und den Scheffel Hafer.
Der König konnte kaum erwarten, dass der achte Tag käme, damit er erführe, was er gemacht und was er den Pferden gegeben. Am siebenten Abend sprach der König zum ältesten Bruder:
»Wer erspähen kann, wobei er dort sitzt, was ihm leuchtet, bekommt ein grosses Geschenk!«
Fasst sich der älteste Bruder ein Herz, schlägt jenen Nagel aus dem Schlüsselloch, der eingeschlagen worden war, schaut durch die Tür hinein, und da sieht er, dass ein Goldhaar an Kerzen statt leuchtet, und da sieht er, dass er einen gedeckten Tisch hat, Essen, Trinken, Tabak. Und da sieht er, dass die vier Portionen Heu noch da sind, die am ersten Morgen ausgegeben worden waren, und der Scheffel Hafer auch. Und da sieht er, wie die vier Pferde dort im Stall liegen, ganz zerschlagen, kein Stückchen Haut auf ihnen. Er geht hinein und sagt zum König:
»Erlauchter König, deine vier Pferde sind wie vier Hunde, ganz zerschlagen. Die vier Portionen Heu sind noch da und die vier Portionen Hafer. Ein Goldhaar leuchtet an Kerzen statt. Er hat auf einem Tisch Essen und Trinken, raucht Tabak.«
Nun, jetzt konnte der König kaum den achten Morgen erwarten, dass die Woche um wäre, was daraus werden sollte. Es graute noch nicht richtig, da schickte er schon die jüngste Tochter, sie sollte rufen, dass er einspanne. Doch er antwortete zurück, nicht ehe der Morgen dämmere.
Nun sagte sein Fohlen, er sollte den vieren eine Portion Heu geben; während sie das frassen, vierteilte er den Scheffel Hafer. Er gab die vier Portionen Heu in vier Teilen und den Hafer auch viermal. Dann sagte es, er solle das Goldtuch vorholen, das sie auf dem Wege gefunden; mit jenem Tuch solle er die Pferde abklopfen. Er klopft sie schön ab, und da wurden vier goldhaarige Pferde aus den vieren. Gleich legte er ihnen das Geschirr auf, dann ging er aus dem Stall, öffnete die Tür und zog die Kutsche unter dem Schuppen hervor.
Als die Königstochter, die zwölfte, zum andern Male rief, er solle einspannen, da rief er den Pferden nur ein Wort zu, und alle vier stellten sich neben die Kutsche. Er spannte sie auch ein, die Königstochter setzte sich auch voller Wut in die Kutsche, liess sich dorthin fahren, wo die Häupter der neunundneunzig Kutscher auf den Eisenpfählen steckten. Sie hätte ihn auch gepfählt, aber die Pferde waren schon verwandelt. Da kehrte sie um und jagte nach Hause in den Königshof.
Nun fragt der König:
»Was ist, meine liebe Tochter?«
Da sagt sie, es sei nicht möglich, denn die Pferde seien nicht dieselben. Denn bisher waren die vier Pferde vier Teufel gewesen, doch jetzt hatte das Fohlen sie verwandelt.
Gerät der König jetzt in Wut, lässt ihn vor sich rufen, spricht zum Kutscher:
»Auf der Stelle bring mir jenes goldhaarige Mädchen zur Gemahlin, die dir eine Woche lang in meinem Stall an Kerzen statt geleuchtet hat!«
»Woher sollte ich sie holen, erlauchter König? Als ich mit meinem Fohlen kam, fand ich es auf dem Wege.«
»Wenn du sie nicht herbeischaffst, lasse ich dir morgen früh den Kopf vom Henker abschlagen.«
Da härmte er sich, ging traurig in den Stall. Fragt sein Fohlen:
»Warum grämst du dich, mein Herr?«
»Wie sollte ich mich nicht grämen, vernimm, was der König gebot.«
»Gräm dich nicht,« sagte es, »sag nur dem König: ‚Gebt mir fünf saubere, neue Eisenhalfter!‘ denn ich kenne«, so sagte es, »in der und der Einöde eine Eisenhexe, die hat eine schöne, goldhaarige Tochter. Wir werden sie als Gemahlin herholen, er soll sie nur meistern.«
Das sagte das Fohlen seinem Herrn.
Der Jüngling geht hinein und sagt dem König, dass er fünf Eisenhalfter brauche. Der König gab sie ihm auch sogleich. Er führte das Fohlen hinaus, und aus ihm wurde sein Ross wie vordem. Das Fohlen machte sich auf in die Einöde, wo die Eisenhexe war. Nur von weitem zeigte es dem Jüngling die Wohnung der Eisenhexe. Es sprach:
»Jetzt werde ich zu einem kleinen Eselchen, struppig, langhaarig, garstig. Du wirst zu einem sehr, sehr hässlichen Zigeuner, einem alten Mann, mit bis zum Gürtel reichendem Bart. Diese fünf Eisenhalfter hänge jetzt über deinen Arm, und dies ruppige, elende, haarige Eselchen führe just vor der Eisenhexe Tür. Dort bei der Tür bleib stehen und öffne die Tür. Sag ihr: ‚Guten Morgen, Grossmutter!‘ Aber sprich also, denn sonst schlägt sie dir den Kopf ab. Sag: ‚Zehn Jahre sind’s, seit ich hier herumirre mit diesem Esel in dieser Einöde, und all meine Vorräte habe ich verzehrt, und hier habe ich fünf Eisenhalfter, die würde ich jemandem verkaufen, wenn er mir dafür ein Stückchen Brot gäbe.‘ – Denn sie hat kein Brot, doch die fünf Eisenhalfter braucht sie, sie muss sie kaufen, und wenn’s ans Leben ginge. Sie wird sagen: ‚Na, mein Sohn, warte ein bischen, denn ich habe keins, aber ich hole es gleich, wenn du wartest.‘ Dann wird sie das Spulrad vorholen, davor eine Eisenhechel, zur Tür hinausgehen, sich auf die Radnabe setzen und sich auf den Weg in die Stadt machen, Brot zu holen. Jetzt, wenn sie fortgegangen ist, wird sich eine Stubentür öffnen, du tritt durch jene Stubentür, und in der Ecke bei der Tür wird ein goldhaariges Mädchen auf einem Lager ruhen. Doch wenn sie dich erblickt, dass du ein Fremder bist, wird sie sogleich sich überspringen, und aus ihr wird eine grosse Kröte. Doch du fürchte dich nicht, packe die Kröte beim Bein, stecke sie in dein Hemd, dann zur Tür hinaus und eile nur, bis du bei mir aufsitzen kannst.«
So machte es auch der alte Zigeuner. Als er auf dem elenden, haarigen Esel sass, da war auch schon die Frau mit dem Spulrad dort. Sie bringt das Brot, merkt, dass die Tür offen steht. Sie schaut hinein, da ist kein goldhaariges Mädchen. Da merkte sie, dass jener der Dieb gewesen war. Sie riss die Eisenhechel vom Spulrad, warf sie ihnen nach, doch sie erreichte sie nicht mehr mit der Hechel, denn sie waren schon weit voran.
»Wird nochmals dein Weg hierher sein oder nur einmal im Leben?«
So rief der Jüngling vom Pferde zurück:
»Ja, noch einmal, alte Vettel!«
Na, lassen wir schon die Alte da zu Hause.
Als sie bei des Königs Tor anlangten, wurde aus dem Reitpferd wieder nur ein Fohlen, wie es vordem gewesen war. Und der Jüngling führte das Fohlen hinein durch des Königs Tür. Oben auf der Galerie stand der König; er rief:
»Wo ist das goldhaarige Mädchen, Kutscher?«
Da griff er in sein Hemd, zog jene grosse Kröte aus seinem Busen. Der König schaut von der Galerie, die Kröte aber springt herab von des Kutschers Hand auf die Erde, vor des Königs Augen, und aus ihr wird eine schöne, weisse Taube. Dann flog die Taube auf das Dach der Galerie, wo der König stand. Da sprach der König:
»Fliege herab, mein schönes Herzlieb!«
Da hüpfte die Taube auch hinab, und siehe, aus ihr wurde ein schönes, goldhaariges Mädchen; sie zeigte, dass sie jenes goldhaarige Mädchen sei. Als der König sie erblickte, da barst schier sein Herz; doch jetzt wurde das goldhaarige Mädchen wieder zur Taube und flatterte auf das Dach der Galerie. Da sprach der König nochmals:
»Fliege herab, mein schönes Herzlieb!«
»Nein, so lange nicht …« sagte die Taube.
Sprach der König:
»Wie lange?«
»Wo ich ruhte, über meinem Haupt in einem Käfig sind Psalmenvögel, sie singen wie die Orgel, bis du sie hast herbringen lassen.«
Und da sprach der König:
»Wer brächte sie her?«
»Der mich gebracht, der bringt auch sie her, wenn er auf sein Pferd hört.«
Nun, da befahl er wieder seinem Kutscher, fortzugehen und jene Vögel zu holen, von dort, wo das Mädchen geruht hatte, über ihrem Haupt. Weinte der Kutscher, wie sollte er da hingehen? Hatte ihn ihre Mutter doch schon jetzt fast totgeschlagen mit der Hechel! Doch er musste, denn der König sagte, wenn nicht, lässt er ihm den Kopf abschlagen.
Geht der Kutscher, erzählt es sehr traurig dem Fohlen.
»Gräme dich nicht, Herr«, sagt das. »Sag dem König, er soll jetzt nur fünf neue Kissenbezüge geben, die solle er nur geben.«
Na, der König gab auch fünf neue Kissenbezüge. Und er führte das Fohlen hinaus und sass auf, und das Ross trug ihn hin; denn es war draussen ein edles Ross aus ihm geworden.
Als sie wieder in der Einöde angelangt waren, sprach das Fohlen:
»Nun hab wohl Acht auf meine Rede! Aus mir wird jetzt ein elendes kleines Pferdchen, langhaarig, mit Knoten wie ein Brot an der Seite und am Bein. Aus dir wird ein sehr, sehr alter, weissbärtiger Müller. Kaum dass du noch reden kannst, so alt wirst du sein. Führe mich dort vor, und hänge die fünf neuen Kissenbezüge über den Arm. Du kennst jetzt die Tür, öffne sie wieder, sprich: ‚Guten Morgen, Grossmutter.‘ Wird die Alte sagen: ‚Schönen Dank, mein Sohn! Doch dein Glück, dass du Grossmutter gesagt hast. Was führt dich hierher, wohin von euch selbst der Vogel nicht kommen darf?‘ Du sprich: ‚Seit zehn Jahren mahle ich hier am Waldessaum mit diesem elenden, krummen Pferd. Alles ist mir ausgegangen, ich habe nichts mehr, nur diese fünf neuen Kissenbezüge. Die würde ich verkaufen, und sei’s auch, dass mir jemand dafür nur etwas Maismehl gäbe, denn ich bin so verhungert, dass ich kaum stehen kann.‘ – ‚Na gut‘, sagt sie, ‚ich habe kein Mehl, aber ich hole es gleich aus der Stadt.‘ Doch du weisst jetzt schon, wie’s gemacht werden muss. Wenn sie fort ist, geh wieder durch die Tür, dort, wo das Mädchen geruht hat, ist der Käfig mit den Vögeln. Nimm ihn herunter und komm heraus, kümmere dich um weiter nichts.«
Als er den Käfig heruntergenommen hatte und schon hinausgekommen war, sich aufs Pferd gesetzt hatte, siehe, da war auch schon die Eisenhexe mit dem Mehl heimgekehrt und hatte gemerkt, dass auch die Vögel gestohlen waren. Wieder schleuderte sie die Eisenhechel nach. Sie traf des Pferdes Seite ein wenig, aber nicht stark. Sie schrie:
»Wird nochmals im Leben dein Weg hierher sein, vielleicht gar in Katzengestalt?«
Der alte Müller schrie zurück:
»Nimmermehr, alte Vettel!«
Damit waren sie schon bei des Königs Tor angelangt. Als sie sie hineintrugen, sangen die Vögel wie die Orgel in des Königs Hof.
Nun, jetzt sprach der König zur Taube auf der Galerie:
»Fliege herab, mein schönes Herzlieb, denn auch das ist geschehen.«
Spricht die Taube:
»Nein, so lange nicht …!«
»Wie lange?« erwiderte der König.
»Am roten Meer habe ich ein Gestüt; bis du das hast herbringen lassen.«
»Wer brächte das?« erwiderte der König.
»Wer mich gebracht, der bringt auch das, wenn er auf sein Pferd hört.«
Nun, da liess also der König den Kutscher wieder rufen und befahl ihm, am roten Meere wäre ein Gestüt, das sollte er bringen, wenn nicht, lasse er ihm den Kopf abschlagen. Er sagte, nie habe er Kunde vom roten Meere vernommen. Wieder ging er traurig in den Stall. Fragt sein Fohlen:
»Warum grämst du dich, mein Herr?«
»Hör, was der König gebot.«
»Gräm dich nicht,« sagt das Fohlen. »Sag, er solle neunundneunzig Büffelstiere töten lassen und deren Häute alle uns geben.«
Also das tat der König auch und übergab ihnen die Häute der neunundneunzig Büffelstiere. Drauf zogen sie aus; das Fohlen trug ihn von dannen; es wusste, wo jenes Gestüt war.
Doch als sie beim roten Meer angelangt waren, packte der Kutscher all jene Häute auf sein Fohlen, wie wenn sie alle drauf geschlagen gewesen wären, schön der Reihe nach. Nun, dann sagte das Fohlen seinem Herrn, er solle ein Weilchen am Strand bleiben.
Das Fohlen schreitet vor, wiehert eins am Gestade, hört der Hengst vom Gestüt, jener wilde Hengst, ein fremdes Schnauben. Drauf umkreist er das Gestüt in tobender Wut. Er läuft zum Gestade, sieht das fremde Pferd dort stehen, schlägt dreimal mit den Füssen darauf los, dieser wilde Hengst. Schon dreissig Büffelhäute hat er heruntergerissen mit den drei Schlägen. Drauf geht er zurück und umkreist das ganze Gestüt. Und noch einmal schlägt er dreimal aus und reisst noch dreissig Häute herunter. Und kehrt wieder zurück und umkreist das Gestüt. Drauf macht sich das ganze Gestüt auf. Als es angelangt ist, schlägt er noch dreimal aus, und wieder sind dreissig heruntergerissen.
Drauf machte sich das Fohlen auf den Weg und sagt seinem Herrn, er solle aufsitzen. Er sitzt auch auf, doch schon läuft das ganze Gestüt ihnen nach. Einmal schaut der Knabe zurück vom Rücken des Pferdes und spricht:
»Wehe, mein Pferd, sie holen uns gleich ein. Was sollen wir machen?«
»Wirf das Goldhaar herab, das wir gefunden haben,« sprach das Fohlen, »daraus wird hinter uns ein grosser, verkrüppelter, buschiger Wald werden. Bis sie sich da herausgeschlagen haben, sind wir schon weit vorbei.«
So geschah’s auch. Bis sie sich da heraus gearbeitet hatten, waren sie schon ein gutes Stück vorwärts gekommen. Einmal schaut er wieder zurück:
»Wehe, mein Pferd, sie holen uns gleich ein!«
»Gräm dich nicht! Wirf jenes goldene Hufeisen herab, das wir gefunden haben, draus wird hinter uns ein grosser Felsen werden. Bis sie den niedergerissen, sind wir weiter gezogen.«
Nun hatten sie den auch schon niedergerissen, und plötzlich holten sie sie wieder fast ein. Er schaut zurück und sagt:
»Wehe, mein Pferd, fast holen sie uns wieder ein.«
»Gräm dich nicht! Wirf das Goldtuch herab, draus wird ein grosser Eichwald werden. Bis sie den niederreissen, erreichen wir just des Königs Tor.«
Nun, und jetzt sagt es:
»Ich gehe in den Stall, du bleibst dort bei dem Torpfosten. Wenn das ganze Gestüt hinter mir hereingekommen ist, mach die kleine Tür zu und tritt vor die Galerie.«
So geschah’s auch. Als das ganze Gestüt drinnen war, da sprach der König zur Taube auf dem Dach der Galerie:
»Fliege herab, mein schönes Herzlieb; denn auch das ist geschehen.«
»Nein, so lange nicht …«, sprach die Taube.
»Wie lange?« entgegnete der König.
»Bis du nicht dieses Gestüt in einen Bottich hast melken lassen.«
»Wer sollte das melken?« entgegnete der König.
Sprach die Taube:
»Wer mich herbrachte, der vollbringt auch das, wenn er auf sein Pferd hört.«
Gebot jetzt der König dem Kutscher, jenes Gestüt in einen Bottich zu melken auf des Königs Hof. Der Kutscher erschrak, denn jenes waren alles wilde Tiere. Sehr traurig geht er in den Stall, fragt ihn wieder sein Fohlen:
»Was betrübst du dich?«
»Wie sollte ich mich nicht betrüben! Hör, was der König gebot, ich soll dieses Gestüt in einen Bottich melken.«
»Das ist nicht schlimm«, sagt das Fohlen, »sag ihm nur, er solle den Bottich inmitten des Zaunes aufstellen lassen.«
Der König liess auch den Bottich hinausstellen. Da steckte das Fohlen den Kopf zur Stalltür hinaus, wieherte eins, da kam das ganze Gestüt, Stück für Stück zum Bottich. Der Kutscher melkte auch jedes einzelne. Die Milch kochte in dem Bottich wie das Wasser im Kessel.
Als das vollbracht war, sprach der König zur Taube oben auf dem Dach der Galerie:
»Fliege herab, mein schönes Herzlieb, denn auch das ist geschehen.«
Sie sprach:
»So lange nicht …«
»Wie lange?« entgegnete der König.
»Bis, wer sie melkte, auch in dieser Milch badet.«
Wohlan, jetzt befiehlt der König dem Kutscher, das müsse er nun auch tun. Ach, wie weint der Kutscher, dass er darin baden soll. Doch er muss, sagt der König, es geht auf Leben und Tod, denn wenn nicht, lässt er ihm den Kopf abschlagen.
Er geht wieder bekümmert in den Stall. Fragt das Fohlen:
»Warum betrübst du dich?«
»Wie sollte ich mich nicht betrüben! Hör, was der König gebot.«
»Gräm dich nicht um den König! Sag nur dem König: gestattet, dass auch mein Fohlen draussen sei und meinen Tod schaue!«
Nun, während der Kutscher die Kleider ablegte, schaute das Fohlen hinein in die Milch, in den Bottich, und brach abertausend Eisstücke hinein in den Bottich, dass die Milch sich gelinde abkühlte. Als er dann gebadet hatte, da war er ein noch siebenmal schönerer Bursche, als er vordem gewesen war.
Nun sprach der König wieder zur Taube auf der Galerie:
»Fliege herab, mein schönes Herzlieb! denn auch das ist geschehen.«
Sie sprach:
»So lange nicht …«
»Wie lange?«
»Bis du auch in dieser Milch badest.«
Da sagte der König dem Kutscher, er solle sein Fohlen herauslassen, dass es ihm auch zuschaue. Er dachte, er würde auch solch schöner Bursche werden wie der es herbeigeschafft. Doch während der König sich entkleidete, sein Gewand ablegte, schaute das Fohlen in den Bottich, brach soviel Feuer hinein, tausendmal so viel als Milch drinnen war. Wie der König den Fuss hineinsetzte, verbrannte er mit Haut und Haaren, wandelte sich zu Milch.
Da hüpfte die Taube herab vom Dach der Galerie, als auch das geschehen war. Sie wandelte sich zu einem goldhaarigen Mädchen, wie sie vordem gewesen war. Nun umarmte sie den Burschen, der sie geholt, den Kutscher:
»Ich bin dein, du bist mein«, sprach sie, »der Tod und die Glocke nur soll uns scheiden.«
Dann wurden seine elf Brüder Kutscher bei ihm, und er blieb dort mit dem goldhaarigen Mädchen im königlichen Schloss, und die zwölf Mädchen, des Königs Töchter, wurden Mägde bei ihm alle zwölf. Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie auch jetzt dort. Seine Brüder heirateten niemals.
[Ungarn: Elisabet Róna-Sklarek: Ungarische Volksmärchen]