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Märchenbasar

Die beiden Freunde

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Es waren einmal zwei Freunde, die sich ungewöhnlich lieb hatten. Sie hatten beide denselben Beruf und versuchten immer zusammen zu arbeiten. Was der eine tat, das tat auch der andere. Sie kleideten sich in gleicher Weise und gingen gemeinsam spazieren. Es war die festeste und innigste Freundschaft, die man sich nur wünschen konnte. Eines Tages beschlossen sie, sich zu verheiraten. Sie würden die Hochzeiten zusammenlegen, am gleichen Tage, in der gleichen Kirche und zur selben Stunde sich vermählen, und sich dann nach der Hochzeitsfeier trennen, und ein jeder würde in sein Haus gehen. So planten sie es, und so führten sie es aus. Als sie verheiratet waren, fuhren sie in gleicher Weise fort. Sie ahmten sich gegenseitig nach und arbeiteten weiterhin zusammen, gingen gemeinsam spazieren und kleideten sich in gleicher Weise.
Nur in einem Punkte kamen sie nicht überein: Der ältere der Freunde verabreichte seiner Frau jeden Tag eine Tracht Prügel. »Schlägst du die deine nicht?«, fragte er den Jüngeren. »Nein. Sie ist so gut und hat mich so lieb, soll ich sie da wohl verprügeln?!« »Was sind denn das für Geschichten! Frauen und gut sein! Mein Freund, damit Frauen gut sind und einen Mann wirklich lieben, muß man sie züchtigen. Und du mußt die deine schlagen. Schau, ich schlage alle Tage Funken auf dem Rückgrat der meinen.« »Genau das tue ich nicht.« »Ach, lieber Freund! Schau, entweder du verprügelst deine Frau, oder wir brechen unsere Freundschaft.« »Ach, komm, das kann nicht sein. Wo sie mir doch keinen Anlaß gibt, dergleichen zu tun.« »Ach was, einen Grund erfindet man!« Und er begann, seinen Freund zu lehren, wie man einen Vorwand suchte, um seine Frau zu schlagen. »Geh‘ nach Haus und fange an, an allem etwas auszusetzen. Sie wird dir gereizt antworten und klatsch! ziehst du ihr einen über. Bedenke, wenn du sie nicht schlägst, stehen wir schlecht miteinander.« »Abgemacht.«
Am Abend ging der Mann nach Haus und fing wirklich an, an allem herumzunörgeln. Bescheiden und liebevoll gab die Frau nach und versuchte, das Gemüt ihres Mannes aufzuheitern. Dieser hatte nicht den Mut, sie zu schlagen. Kaum erschien er am nächsten Tag bei der Arbeit, fragte ihn sein Freund: »Nun, hast du sie schon verprügelt?« »Nein, mir gebrach es an Mut. Wenn du sie gesehen hättest, so zärtlich, so liebevoll, und wie sie alles ganz ergeben tat! …« »Ach geh, du bist ein Narr. Ich schäme mich sogar, mit einem Mann befreundet zu sein, der nicht einmal den Mut hat, seine Frau zu schlagen. Morgen mußt du sie unbedingt schlagen. Schau, du gehst nach Haus und sagst, daß dir das Abendessen nicht schmeckt, daß du es nicht so zubereitet haben wolltest, und wenn sie es auf andere Weise kocht, sagst du wieder, daß du es nicht so haben wolltest, und so schiltst du immer weiter, bis sie vor Verärgerung zu streiten anfängt, und das ist Grund genug, daß du ihr eine Tracht Prügel gibst. Diesmal zähle ich darauf, daß die Sache nicht fehlschlägt. Meine Frau hat erst gestern eine solche Abreibung bekommen, daß sie zu Gott und der Heiligen Maria schrie.«
Am Abend begab sich der arme Mann von der Arbeit zurück nach Haus und hatte den festen Vorsatz, seine Frau grün und blau zu schlagen. Zum Abendessen gab es Schellfisch, und es erschien auf dem Tisch eine Schüssel mit Schellfisch und Reis. »So zubereitet wollte ich den Schellfisch nicht!«, rief er zornentbrannt. »Ich wollte ihn gekocht, mit Öl und Essig.« »Ärgere dich nicht, lieber Mann,« erwiderte sie sanft, »ich habe ihn auch gekocht, mit Öl und Essig.« Und der Schellfisch kam mit Öl und Essig. »Aber wenn ich dir doch gesagt habe, daß ich ihn gebraten will!« »Nun verlierst du die Geduld. Der Schellfisch war sehr groß, und ich habe eine Portion davon gebraten.«
»Tausend Teufel sollen dich holen! Ich wollte den Schellfisch schmutzig und voller Erde, so daß niemand ihn essen könnte. So ist’s wie ich ihn mag.« »So sollst du ihn bekommen. Die Katze hat mir ein Stück stibitzt und es mit in den Garten genommen. Ich konnte es ihr noch beizeiten wegnehmen, und da liegt es voller Schmutz, denn ich vor, es erst nach dem Abendessen zu waschen und für das Mittagessen zuzubereiten.« Mutlos setzte sich der gute Mann. Es gab keine Möglichkeit, die Frau zu schlagen. Am nächsten Tag ging er ohne sie verprügelt zu haben zur Arbeit und erzählte seinem Freund, was geschehen war. Dieser regte sich sehr auf: »Heute mußt du sie unbedingt schlagen, oder wir sind für immer geschiedene Leute. Geh‘ am Abend ganz verdrießlich heim und sage deiner Frau, daß du im Garten schlafen willst. Sie wird dort nicht schlafen wollen, und da hast du einen guten Vorwand: zwinge sie, indem du ihr eine Tracht Prügel verabreichst.« Der Mann tat, wie ihm geheißen. Am Abend ging er nach Haus und sagte seiner Frau, daß er diese Nacht im Garten schlafen wollte. »Aber ja, ganz wie du willst.« Und ohne weitere Einwände ging sie im Garten ein Lager zu bereiten. Der Mann geriet allmählich in Wut. »Soll ich sie denn gar nicht schlagen?« zürnte er. »Ich mache wirklich eine schlechte Figur in den Augen meines Freundes. Heute Abend muß es unbedingt geschehen.« Als das Bett gemacht war legten sie sich hin, und spät in der Nacht fing der Ehemann an, den Himmel zu betrachten. »Schau mal«, sagte er zu seiner Frau, »was sind das da für Sterne, die einen Weg zu bilden scheinen?« »Das ist die Straße des Heiligen Jakobs.« »Dann bringst du mich also unter einer Straße unter, damit mir die Reisenden auf den Kopf fallen! Warte, dir will ich Bescheid geben!« Und darauf schlug er die arme Frau windelweich. Am nächsten Tag ging er zur Arbeit und erzählte seinen Freund, daß er seine Frau jetzt verprügelt habe, sich deshalb aber nicht wohl fühle. »Bravo, du bist ein Mann! Jetzt ist es nötig, nicht nachzulassen. So mache ich es mit der meinen, die jeden Tag ihr Teil bekommt.«, sagte der andere, wobei er in die Hände klatschte.
Die Frau, die zum erstenmal mißhandelt worden war, wunderte sich, dachte nach und dachte daran, daß all dies das Ergebnis der Rtschläge des Freundes sei. »Laß nur, du wirst es mir büssen.« dachte sie. Sie zog ihr Sonntagskleid an und ging ins Haus der Freundin. Man begrüßte sich herzlich und war voller Freude, bis die Besucherin schließlich fragte: »Nun, wie verträgst du dich mit deinem Mann?« »Ach, liebe Freundin, schlecht, sehr schlecht. Er schlägt mich jeden Tag.« »Ja?« »Es ist, wie ich es dir sage.« »Also meiner schlägt mich nicht. Er hat mich nicht einmal angefaßt, und mehr noch, er kann nicht einmal böse werden.« »Ach, was für ein Heiliger, liebe Freundin. Wenn so nur der meine wäre! Das erste, was er macht, wenn er von der Arbeit kommt, ist mir eine Tracht Prügel zu geben, und manchmal schlägt er mich halb tot.« »Schau, liebe Freundin, diesem Ubel will ich abhelfen. Rufe abends, wenn er dich schlägt, die elf Jungfrauen herbei. Aber achte darauf, daß du die Tür offen läßt. Du wirst sehen, daß dieses Mittel seine Wirkung nicht verfehlt.« Sie entfernte sich und ging bei zehn ihrer Freundinnen vorbei, denen sie von der üblen Behandlung erzählte, die der Freund ihres Mannes seiner Frau angedeihen ließ, und sie vereinbarte mit ihnen, daß sie in dieser Nacht alle mit Knütteln in den Händen in der Nähe jenes Hauses wären, um der unglücklichen Frau beizustehen, wenn ihr Mann sie schlug.
Nachdem sie diese Abmachung getroffen hatten, kleideten sie sich, in weiße Gewänder, und als es Zeit war, daß die Arbeit ruhte, gingen sie in die Nähe des Hauses der Frau, die das Opfer der Brutalitäten ihres Ehemannes war. Als dieser von der Arbeit heimkam, machte er sich daran, seine Frau erbarmungslos zu verprügeln. Diese konnte so viele Schläge nicht ertragen und fing an, zu schreien: »Die Heilige Jungfrau Maria steh‘ mir bei! Zu Hilfe, ihr elf Jungfrauen, zu Hilfe, ihr elf Jungfrauen!« Kaum hatte sie die letzten Worte gesprochen, da traten elf weiß gekleidete, stämmige Frauen ein, die Prügel in der Hand hielten und von schneeweißen Gewändern ganz verhüllt waren. Gnadenlos schlugen sie auf den Ehemann der unglücklichen Frau ein. Er erhielt mehr Schläge als eine Trommel auf dem Rummelplatz, und die Anführerin war dabei die Frau seines Freundes, dem er geraten hatten, seine Gefährtin zu schlagen. Als die Frauen sahen, daß er halb tot war, ließen sie von ihm ab und gingen nach Haus. Kurz darauf wurde der Mann mit den Sakramenten versehen, er machte ein Testament und ließ in größter Eile seinen Freund herbeirufen. Er erzählte ihm, wie alles sich ereignet hatte und sagte ihm zum Schluß: »Ich habe dich rufen lassen, um dich zu bitten, daß du niemals deine Frau mehr schlagen mögest. Ich glaube, sie sind heilig. Ich habe die meine heute wie üblich verprügelt, aber da rief sie, da sie es nicht mehr aushalten konnte, die elf Jungfrauen zu Hilfe, und diese ließen nicht lange auf sich warten. Sie haben mir eine solche Tracht Prügel gegeben, daß sie mich in diesen Zustand versetzten. Und sieh‘, lieber Freund, es war noch ein Glück, daß meine Frau nicht daran dachte, die elf Apostel anzurufen, denn die hätten mich sonst totgeschlagen, immerhin hätten die die Kräfte eines Mannes.« Fest steht jedenfalls, daß er seine Frau nie wieder geschlagen hat und auch seinem Freund nicht mehr riet, dergleichen zu tun.

[Portugal: T. Braga: Contos tradicionaes do povo portuguez]

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