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Märchenbasar

Die Burg Rozafat

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Stolz erhebt sich über dem breiten Fluß Buna und über Stadt Shkodra die Burg Rozafat. Wann mag wohl der erste Stein dieser Burg gemauert worden sein? Man weiß es nicht. Ihre Geschichte verliert sich im Dunkel der illyrischen Vorfahren.
Über den Bau der Burg Rozafat berichtet die Sage folgendes. Über der Buna lag drei Tage lang dichter Nebel, der den Fluß ganz und gar einhüllte. Nach drei Tagen und drei Nächten wehte ein starker Wind, der den Nebel verteilte, so daß der Berg Valdanuz wieder zu sehen war. Auf dem Berg arbeiteten drei Brüder, sie wollten eine Burg errichten. Aber die Mauer, die sie am Tag aufrichteten, fiel in der Nacht immer wieder zusammen, so daß sie die Burg nicht vollenden konnten.
Eines Tages kam ein Greis vorbei, der die drei Brüder begrüßte: „Möge eure Arbeit gelingen!“ – „Auch deine Arbeit soll gelingen, guter Alter! Aber wo siehst du bei uns ein Gelingen? Tagsüber arbeiten wir, nachts stürzt alles ein. Weißt du nicht, was wir machen können, damit die Mauern stehenbleiben?“ – „Ich weiß es“, erwiderte der Alte, „aber ich würde eine Sünde begehen, wenn ich es euch sagte.“ – „Diese Sünde lade auf unser Haupt, denn wir wollen diese Burg errichten.“ Der Alte dachte sorgfältig nach und fragte schließlich: „Seid ihr verheiratet? Hat jeder von euch eine Frau?“ – „Wir sind verheiratet“, antworteten sie, „und jeder von uns hat eine Frau. Sage uns endlich, was wir machen müssen, um die Burg zu bauen.“ – „Wenn ihr die Burg wirklich zu Ende bauen wollt, müßt ihr schwören, eueren Frauen nichts zu erzählen von dem, was ich euch jetzt sagen werde. Diejenige von den drei Frauen, die euch morgen das Essen bringt, mauert lebendig in die Burg ein. Dann werdet ihr sehen, daß die Mauern stehenbleiben und bis in alle Ewigkeit halten werden.
Das sagte der Alte und ging davon. Aber, o weh! Der älteste Bruder brach sein Wort, er erzählte zu Hause seiner Frau alles und trug ihr auf, morgen nicht zur Baustelle zu kommen. Auch der mittlere Bruder brach das gegebene Wort und erzählte alles seiner Frau. Nur der Jüngste hielt sich an das Versprechen, er sprach zu Hause nicht davon, sagte nichts seiner Frau. Am nächsten Morgen erhoben sich die drei Brüder zeitig und gingen zur Arbeit. Die Äxte krachten, die Steine wurden zerschlagen, die Mauern wuchsen die Herzen schlugen wild…
Zu Hause wußte die Mutter der Brüder auch nichts von dieser Abmachung. Sie sagte zur Frau des ältesten Sohnes: „Liebe Schwiegertochter, die Meister brauchen Brot und Wein.“ Die aber erwiderte. „Wirklich, liebe Mutter, ich kann heute nicht gehen, denn ich bin krank.“ Die Mutter wandte sich an die zweite mit der gleichen Bitte. Die zweite Schwiegertochter antwortete: „Meiner Treu, liebe Mutter, heute kann ich nicht gehen, denn ich will meine Eltern besuchen.“ Die Mutter der drei Brüder wandte sich schließlich an die Jüngste. “ Liebe Schwiegertochter, die Meister brauchen Brot und Wein.“ Diese sprang sofort auf und sagte: „Tatsächlich, Mutter, ich würde gehen, aber ich habe einen kleinen Jungen. Ich fürchte, er will trinken und weint dann.“ – „Geh nur“, sprachen da die beiden Schwägerinnen, „nach dem Jungen sehen wir, er wird nicht weinen.“ Da erhob sich die Jüngste, die Beste von ihnen, nahm Brot und Wein, küßte ihren Sohn und brach auf.
Sie stieg den Berg Valdanuz hinauf und näherte sich der Stelle, wo die drei Meister arbeiteten. „Erfolg bei der Arbeit, liebe Meister!“ Aber was war los? Die Äxte hörten auf zu klingen, die Herzen schlugen schneller, die Gesichter wurden blaß. Als der Jüngste seine Frau sah, warf er seine Axt hin und verfluchte den Bau. Seine Frau fragte: „Was hast du, lieber Mann, warum verfluchst du die Mauern?“ Die älteren Schwager lächelten bitter, und der älteste antwortete: „Du bist unter einem unglücklichen Stern geboren, liebe Schwägerin. Denn wir haben geschworen, dich lebendig in die Burg einzumauern.“ – „Möget ihr gesund bleiben, liebe Schwäger“ erwiderte die junge Frau, „aber ich habe eine große Bitte. Wenn ihr mich einmauert, dann laßt mein rechtes Auge draußen, laßt meine rechte Hand und meinen rechten Fuß draußen und laßt meine rechte Brust draußen. Ich habe doch einen kleinen Sohn. Wenn er zu weinen beginnt, werde ich ihn mit dem einen Auge liebkosen, mit der einen Hand streicheln, der eine Fuß wird die Wiege schaukeln, und mit einer Brust werde ich ihm zu trinken geben. Zu Stein soll werden meine Brust, die Burg gedeihen zu eurer Lust; mein Sohn soll werden ein großer Held, der beste König auf der Welt!“
Darauf nahmen sie die junge Frau und mauerten sie in die Grundfeste der Burg ein. Da endlich erhoben sich die Mauern, wurden immer höher und stürzten nicht mehr ein. Am Fuße der Burg sind die Steine auch heute noch feucht und modrig, weil die Tränen der Mutter um ihren Sohn immer noch fließen.

Quelle:
(Die Schöne der Erde – Albanische Märchen und Sagen)

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