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Märchenbasar

Die drei bösen Schnuren

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Es waren einmal drei alte Frauen, die lebten als Nachbarinnen in großer Freundschaft mit einander. Jede von ihnen hatte einen Sohn, und diese drei Söhne waren Kaufleute und Handelsgesellschafter, und darum war auch die Freundschaft zwischen den Müttern so groß. Die drei Alten ruhten aber nicht eher, als bis sie ihre Söhne dazu gebracht hatten, sich zu verheiraten, damit sie, wenn die Mütter stürben, nicht allein wären.
Als nun eines Tages die drei Männer an einem Hause vorüber kamen, da sahen sie auf dem Altane desselben drei Mädchen stehen, die gefielen ihnen so gut, daß sie sogleich um sie anhielten. Nachdem sie das Jawort erhalten, zögerten sie auch nicht lange mit der Hochzeit, und feierten sie alle drei an demselben Tage. Darauf beschlossen sie zur größeren Ersparnis mit einander in einem Hause zu leben und auch ihre drei Mütter darin wohnen zu lassen.
Nachdem sie so eine Zeitlang mit einander gelebt hatten, dachten sie wieder an ihre Geschäfte, und zogen zusammen in die Stadt, um dort zu kaufen und zu verkaufen. Kaum waren sie aber vom Hause fort, so fingen die drei Schnuren mit ihren Schwiegermüttern zu hadern an, und um sie los zu werden, schlugen die beiden ältesten vor, sie umzubringen. Aber die jüngste sagte: »nein, wir wollen sie nicht umbringen, denn das ist zu grausam, aber um sie noch ärger zu strafen, wollen wir sie quälen.« Den andern gefiel dieser Vorschlag, und die älteste Schnur schickte also ihre Schwiegermutter in die Schule, wo sie lesen und schreiben lernen sollte, die zweite schickte die ihrige zu einem Geiger, der sie geigen lehren sollte, und die dritte sperrte die ihrige in den Keller und legte ihr vier Eier unter, die sie ausbrüten sollte, und somit waren sie in der Abwesenheit ihrer Männer der drei Alten ledig geworden und konnten nun tun und lassen, was ihnen beliebte.
Als nun nach geraumer Zeit die drei Männer in ihre Heimat zurückkehrten und zu ihrem Hause gehen wollten, kamen sie an der Schule vorüber, und in dieser war großer Lärm. Sie sahen also zum Fenster hinein und erblickten darin eine alte Frau, welche der Schulmeister buchstabiren ließ, und weil sie schlecht dabei bestand, zankte und schlug er sie, worüber die Schulkinder sich sehr vergnügten. Da sagten zwei von den Kaufleuten zu dem dritten: »höre du, ist das nicht deine Mutter?« und dieser sprach: »ja, ihr habt Recht, das ist meine Mutter!« und nun rief er durchs Fenster: »he! Mutter! was machst du denn da drinnen?« »Ach, mein Söhnchen, siehe her, wie es mir ergeht«, antwortete die Alte. – »Wer hat dich denn in die Schule geschickt?« – »Meine Schnur, deine Frau.« – »Bleibe nur noch ein bischen hier, dann komme ich und hole dich ab.«
Ein paar Häuser weiter wohnte der Geiger, und in dessen Hause hörten sie geigen und denselben Lärm wie in der Schule, und als sie in das Haus hineinsahen, stand da eine alte Frau mit einer Geige in der Hand und sollte geigen, und bestand so schlecht dabei, daß alle, die im Hause waren, darüber lachten und sie verspotteten. Da erkannte der Zweite in der Alten seine Mutter und er rief: »he! Mutter! was machst du da?« Diese antwortete: »ach, Söhnchen, meine Schnur, deine Frau, hat mich hier in die Lehre gegeben, um geigen zu lernen.« – »Bleibe nur noch ein bischen hier, dann komme ich und hole dich ab.«
Nun suchten sie im ganzen Dorfe auch nach der dritten Alten, konnten sie jedoch nicht finden. Als sie aber zu ihrem Hause kamen, da hörten sie eine klagende Stimme, die aus dem Keller kam. Sie gingen also hinein, um zu sehen, was das sei, und da saß die dritte Alte auf einem Korbe, und vor ihr stand eine Schüssel mit Wasser und ein Trog mit Futter. Da rief ihr Sohn: »he! Mutter! was machst du da?« »Ach, mein Söhnchen«, antwortete diese, »ich sitze da über den Eiern, die mir meine Schnur, deine Frau untergelegt hat, damit ich sie ausbrüte.«
Da gingen die drei Männer sehr zornig ins Haus hinein und fanden ihre drei Frauen in schwarzen Trauerkleidern, und als sie sie nach der Ursache fragten, antworteten sie, daß sie um ihre Schwiegermütter trauerten, die gestorben seien. Darauf fragten die Männer: »sind denn alle drei gestorben?« und die Frauen antworteten mit betrübter Miene: »ja, alle drei.« Da taten die Männer, als ob sie über diese Nachricht sehr betrübt wären, und am andern Morgen sagten sie zu ihren Frauen: »putzt euch, wir wollen uns heute einen guten Tag machen und spazieren gehen.« Da freuten sich die Frauen, daß sie ihre Männer so gut angeführt hätten, und putzten sich auf, so schön sie konnten. Von den Männern aber nahm jeder einen Sack mit, und als sie mit ihren Frauen ans Meer gekommen waren, da steckte ein jeder seine Frau in den Sack, den er mitgebracht, und warf sie in das Meer und sprach: »so, nun schickt eure Schwiegermütter wieder in die Leseschule, zum Geiger und zum Hühnerbrüten.« Drauf nahmen sie ihre Mütter zu sich und beschlossen, sich niemals mehr zu verheiraten.

[Griechenland: Johann Georg von Hahn: Griechische und Albanesische Märchen]

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