5
(1)
Es war einmal ein Königssohn und eine Königstochter, die sich einander sehr liebten. Die junge Prinzessin war sanft und schön, und von Allen sehr geliebt, ihr Sinn aber hing mehr an Lust und Spiel, als an Handarbeit und häuslichen Beschäftigungen. Dies schien der alten Königin schlimm zu sein, und sie sagte, daß sie keine Schnur haben wolle, welche nicht eben so flink wäre, wie sie es selbst in ihrer Jugend gewesen. Die Königin widersetzte sich daher auf jede Art und Weise gegen die Heirath des Prinzen.
Da nun die Königin ihr Wort nicht zurücknehmen wollte, ging der Königssohn zu ihr, und sagte, daß man ja doch seine Braut auf die Probe setzen könne, ob sie vielleicht eben so flink in der Arbeit, wie die Königin selbst sei. Dies schien Allen ein kühnes Begehren zu sein; denn die Mutter des Prinzen war eine thätige Frau, die spann und nähte, und webte bei Tag und Nacht, so daß Keine ihr gleich kam.
Gleichwol wurde beschlossen, daß der Wille des Prinzen erfüllt werden solle. Die schöne Prinzessin wurde in das Frauengemach beschieden, und die Königin sandte ihr ein Liespfund1 Flachs zum spinnen. Der Flachs aber mußte gesponnen sein, ehe es tagte, sonst dürfe die Jungfrau nicht mehr daran denken, den Königssohn zum Gemahl zu bekommen.
Als die Prinzessin ich selbst überlassen war, wurde ihr schlimm zu Muthe, denn sie wußte wol, daß sie den Flachs der Königin nicht spinnen könne, und wollte doch nicht den jungen Prinzen verlieren, den sie so lieb hatte. Sie wandelte daher im Zimmer umher, und weinte, weinte unaufhörlich. Während dem öffnete sich die Thüre sehr leise, leise, und es trat ein kleines, kleines altes Weib herein, von seltsamen Aussehen, und mit noch seltsameren Geberden. Das alte Weib hatte ungeheuer große Füße, so daß Jeder, der sie sah, sich darüber wundern mußte. Sie grüßte: »Gottes Frieden!« »Gottes Frieden mit euch!« antwortete die Königstochter. Die Alte fragte: »Warum ist die schöne Jungfrau diesen Abend so traurig?« Die Prinzessin antwortete: »Ich muß wol traurig sein, die Königin hat mir befohlen ein Liespfund Flachs zu spinnen; wenn ich es Morgens nicht gethan habe, ehe es Tag wird, verliere ich den Königssohn, der mich so herzlich lieb hat.« Die Alte entgegnete: »Seid getrost, schöne Jungfrau! wenn es nur das ist, so kann ich euch helfen. Dann aber sollt ihr mir eine Bitte erfüllen, die ich jetzt nennen will.« Bei dieser Rede freute sich die Prinzessin über die Maßen, und fragte nach dem Begehren des alten Weibes. »Nun denn,« sagte die Alte, »ich heiße Storfotamor (die Mutter mit dem großen Fuß), und verlange keinen andern Lohn für meinen Beistand, als bei eurer Hochzeit zu sein. Ich bin auf keiner Hochzeit gewesen, seitdem die Königin, eure Schwiegermutter Braut war.« Die Königstochter willigte gern in dies Begehren, und so schieden sie von einander. Die Alte ging ihres Weges, wie sie gekommen war. Die Prinzessin aber legte sich schlafen, obschon sie kein Auge während der ganzen ewig langen Nacht zuthun konnte.
Früh am Morgen, ehe der Tag graute, öffnete sich die Thür, und die kleine Alte trat wieder herein. Sie ging zur Königstochter hin, und reichte ihr ein Bündel Garn. Das Garn aber war weiß wie Schnee und fein, wie ein Spinnengewebe. Das Weib sagte: »Siehst du, so schönes Garn hier habe ich nicht gesponnen, seit ich für die Königin spann, als sie sich vermählen sollte. Das ist aber nun schon lange her.« So sprechend verschwand das kleine Weib, und die Prinzessin verfiel in einen wohlthuenden Schlummer. Es dauerte aber nicht lange, als sie von der alten Königin geweckt wurde, die vor dem Bette stand, und fragte, ob der Flachs fertig gesponnen sei. Die Königstochter bejahte es, und reichte ihr das Garn. Die Königin mußte so sich diesmal zufrieden geben; die Prinzessin aber konnte wol wahrnehmen, und merken, daß es ihr nicht vom Herzen ging.
Als es nun Tag wurde, sagte die Königin, daß sie die Königstochter auf eine andere Probe setzen wolle. Sie schickte das Garn in das Frauengemach zugleich mit dem Webstuhl und anderen Gerätschaften, und befahl der Prinzessin, es zu weben. Das Gewebe aber mußte fertig sein, ehe die Sonne aufging, sonst dürfe die Jungfrau nicht mehr daran denken, den jungen Königssohn zu bekommen.
Als die Prinzessin allein war, ward ihr wieder schlimm zu Muthe, denn sie wußte, daß sie das Garn der Königin nicht weben könne, und gleichwol wollte sie den Königssohn nicht verlieren, den sie so lieb hielt. Sie wankte daher im Zimmer umher, und weinte bitterlich. Als dies geschah, öffnete sich die Thüre sehr leise, sehr leise, und es trat ein sehr kleines altes Weib herein, von seltsamer Gestalt, und mit noch seltsameren Geberden. Die kleine Alte hatte ein ungeheuer großes Gesäße, so daß Jeder, der sie sah, sich darüber wundern mußte. Sie grüßte: »Gottes Frieden!« »Gottes Frieden mit euch!« antwortete die Königstochter. Die Alte fragte: »Warum ist die schöne Jungfrau so allein und kummervoll?« »Je nun,« sagte die Prinzessin, »ich muß wol traurig sein, die Königin hat mir befohlen, dies Garn zu verweben; wenn ich es aber nicht am Morgen gethan habe, ehe es Tag wird, verliere ich den Königssohn, der mich so herzlich lieb hat.« Das Weib entgegnete: »Seid getrost schöne Jungfrau! wenn es nur das ist, so will ich euch helfen. Dann aber sollt ihr mir eine Bedingung erfüllen, die ich jetzt nennen will.« Ob dieser Rede freute sich die junge Prinzessin über die Maßen, und fragte nach dem Begehren des alten Weibes. »Nun denn,« sagte die Alte, »ich heiße Storgumpa-mor (die Mutter mit dem breiten Gesäße), und will keinen anderen Lohn haben, als bei eurer Hochzeit zu sein. Ich bin auf keiner Hochzeit gewesen, seit eure Schwiegermutter Braut war.« Die Königstochter willigte gern in dies Begehren, und so schieden sie von einander. Die Alte ging ihres Weges, wie sie gekommen war, die Königstochter aber legte sich schlafen, obschon sie kein Auge während der ewig langen Nacht zuthat.
Früh Morgens, ehe der Tag anbrach, öffnete sich die Thüre, und das kleine Weib trat wieder ein. Sie ging jetzt zur Königstochter hin, und reichte ihr ein Gewebe; das Gewebe aber war weiß wie Schnee, und fein wie ein Fell, so daß Keiner desgleichen gesehen hatte. Die Alte sagte: »Siehst du, so wie dieses hier, habe ich nichts gewebt, seit ich für die Königin webte, als sie sich vermählen sollte. Das ist nun aber schon lange her.« Hierauf verschwand das Weib, und die Prinzessin erquickte sich durch einen angenehmen, aber kurzen Schlummer, denn es dauerte nicht lange, als sie von der alten Königin geweckt wurde, die an ihrem Bette stand, und fragte, ob das Gewebe fertig sei. Die Königstochter bejahte es, und reichte ihr das schöne Gewebe. Die Königin mußte so sich das zweite Mal zufrieden geben; die Prinzessin aber konnte wol sehen, und merken, daß sie es nicht gerne that.
Die Königstochter dachte nun, von einer weiteren Probe befreit zu sein; die Königin aber war anderer Meinung, denn nach einer Weile schickte sie das Gewebe in das Frauengemach hinab, mit dem Auftrage, daß die Prinzessin es zu Hemden für ihren Bräutigam nähen solle. Die Hemden müßten aber fertig sein, ehe die Sonne aufging, sonst sollte die Jungfrau nicht hoffen, den Königssohn je zum Gemahl zu bekommen.
Als die Prinzessin wieder allein war, ward ihr schlimm zu Muthe, denn sie wußte, daß sie die Leinwand der Königin nicht nähen könne, und sie wollte doch nicht den jungen Prinzen verlieren, den sie so lieb hatte. Sie wandelte im Zimmer umher, und weinte. Während dem öffnete sich die Thüre sehr leise, sehr leise und ein kleines sehr altes Weib trat ein, von wunderlichem Ansehen, und mit noch wunderlicheren Geberden. Die kleine Alte hatte einen unglaublich großen Daumen, so daß Jeder, der ihn sah, sich darüber wundern mußte. Sie grüßte: »Gottes Frieden!« »Gottes Frieden mit euch!« antwortete die Königstochter. Die Alte fragte: »Warum ist die schöne Jungfrau so allein und traurig?« »Je nun,« sagte die Prinzessin, »ich muß wol traurig sein, die Königin hat mir befohlen, diese Leinwand für den Königssohn zu Hemden zu nähen. Wenn ich es aber nicht bis Morgen gethan habe, ehe die Sonne aufgeht, verliere ich meinen Bräutigam, der mich so herzlich lieb hält.« Da entgegnete das Weib: »Seid getrost, schöne Jungfrau! ist es nichts anderes, so kann ich euch helfen. Dann aber sollt ihr mir eine Bedingung erfüllen, die ich jetzt nennen werde.« Bei dieser Rede freute sich die Prinzessin über die Maßen, und fragte nach dem Verlangen des alten Weibes. »Je nun,« sagte das Weib, »ich heiße Stortumma-mor (die Mutter mit dem großen Daumen), und ich will keinen anderen Lohn haben, als bei eurer Hochzeit zu sein. Ich bin auf keiner Hochzeit gewesen, seit die Königin, eure Schwiegermutter Braut war.« Die Königstochter willigte gerne in ihre Bedingung, und so schieden sie von einander. Die Alte ging ihres Weges, wie sie gekommen war, die Prinzessin aber legte sich schlafen, und schlief so schlecht, daß sie nicht einmal von ihrem Bräutigam träumte.
Früh am Morgen, ehe die Sonne aufging, öffnete sich die Thür, und die kleine Alte trat wieder ein. Sie ging zur Königstochter hin, weckte sie, und gab ihr einige Hemden. Die Hemden aber waren mit so großer Kunst genäht und gestickt, daß man nicht ihres Gleichen fand. Die Alte sagte: »Siehst du, so gut wie diese, habe ich keine genäht, außer denen, die ich für die Königin nähte, als sie Braut war. Es ist aber auch schon sehr lange her.«
Mit diesen Worten verschwand das Weib, denn die Königin stand gerade in der Thür, und fragte, ob die Hemden fertig seien. Die Königstochter bejahte es, und reichte die schön genähten Hemden hin. Da wurde die Königin so erzürnt, daß ihre Augen funkelten, und sagte: »Nun, so nimm ihn denn! Ich konnte nicht glauben, daß du so schnell sein würdest, wie du gewesen.« Hiemit ging sie ihres Weges, und warf die Thür zu, daß das Schloß knarrte.
Der Königssohn und die Königstochter sollten nun einander bekommen, wie die Königin versprochen hatte, und es ward eine Hochzeit veranstaltet. Die Prinzessin aber war nicht besonders fröhlich an ihrem Hochzeitstag, denn sie dachte, ob wol die wunderlichen Gäste kommen werden. Die Zeit kam heran, und die Hochzeit fand nach alter Sitte mit Lust und Freude statt; keine alten Weiber aber erschienen, wie sich die Braut auch nach allen Seiten umsehen mochte. Spät endlich, als die Gäste zu Tische gehen sollten, gewahrte die Königstochter die drei kleinen Weiber, die in einer Ecke des Hochzeitsaales allein bei einem Tische saßen. Da stand der König auf, und fragte, was das für Gäste seien, die er früher nicht gesehen hatte. Das älteste von den drei alten Weibern entgegnete: »Ich heiße Storfota-mor und ich habe deßhalb so große Füße, weil ich in meinem Leben so viel gesponnen habe.« »Ist’s so,« sagte der König, »dann soll meine Schwiegertochter nie mehr spinnen.« Er wandte sich hierauf zu dem zweiten Weibe, und fragte, was der Grund ihres wunderlichen Aussehens sei. Die Alte antwortete: »Ich heiße Storgumpa-mor, und ich habe deßhalb ein so breites Gesäße, weil ich in meinem Leben sehr viel gewebt habe.« »Ist’s so,« sagte der König, »dann soll meine Schwiegertochter auch nie mehr weben.« Er wandte sich hierauf zu dem dritten alten Weibe, und fragte nach ihrem Namen. Da erhob sich Stortumma-mor, und sagte, daß sie einen so großen Daumen bekommen, weil sie in ihrem Leben so viel genäht habe. »Ist dem also,« sagte der König, »dann soll meine Schwiegertochter auch nie mehr nähen.« Und dabei blieb es. Die schöne Königstochter erhielt den Prinzen, und war jetzt sowol vom Spinnen und Weben, als auch vom Nähen für ihr ganzes Leben befreit.
Als die Hochzeit zu Ende war, zogen die Großmütterchen ihres Weges, und Niemand sah, welchen Weg sie nahmen, gleichwie Niemand wußte, woher sie gekommen. Der Prinz aber lebte mit seiner Gemahlin glücklich und vergnügt; nur ging Alles viel stiller und ruhiger, weil die Prinzessin nicht so thätig war, wie die strenge Königin.
Da nun die Königin ihr Wort nicht zurücknehmen wollte, ging der Königssohn zu ihr, und sagte, daß man ja doch seine Braut auf die Probe setzen könne, ob sie vielleicht eben so flink in der Arbeit, wie die Königin selbst sei. Dies schien Allen ein kühnes Begehren zu sein; denn die Mutter des Prinzen war eine thätige Frau, die spann und nähte, und webte bei Tag und Nacht, so daß Keine ihr gleich kam.
Gleichwol wurde beschlossen, daß der Wille des Prinzen erfüllt werden solle. Die schöne Prinzessin wurde in das Frauengemach beschieden, und die Königin sandte ihr ein Liespfund1 Flachs zum spinnen. Der Flachs aber mußte gesponnen sein, ehe es tagte, sonst dürfe die Jungfrau nicht mehr daran denken, den Königssohn zum Gemahl zu bekommen.
Als die Prinzessin ich selbst überlassen war, wurde ihr schlimm zu Muthe, denn sie wußte wol, daß sie den Flachs der Königin nicht spinnen könne, und wollte doch nicht den jungen Prinzen verlieren, den sie so lieb hatte. Sie wandelte daher im Zimmer umher, und weinte, weinte unaufhörlich. Während dem öffnete sich die Thüre sehr leise, leise, und es trat ein kleines, kleines altes Weib herein, von seltsamen Aussehen, und mit noch seltsameren Geberden. Das alte Weib hatte ungeheuer große Füße, so daß Jeder, der sie sah, sich darüber wundern mußte. Sie grüßte: »Gottes Frieden!« »Gottes Frieden mit euch!« antwortete die Königstochter. Die Alte fragte: »Warum ist die schöne Jungfrau diesen Abend so traurig?« Die Prinzessin antwortete: »Ich muß wol traurig sein, die Königin hat mir befohlen ein Liespfund Flachs zu spinnen; wenn ich es Morgens nicht gethan habe, ehe es Tag wird, verliere ich den Königssohn, der mich so herzlich lieb hat.« Die Alte entgegnete: »Seid getrost, schöne Jungfrau! wenn es nur das ist, so kann ich euch helfen. Dann aber sollt ihr mir eine Bitte erfüllen, die ich jetzt nennen will.« Bei dieser Rede freute sich die Prinzessin über die Maßen, und fragte nach dem Begehren des alten Weibes. »Nun denn,« sagte die Alte, »ich heiße Storfotamor (die Mutter mit dem großen Fuß), und verlange keinen andern Lohn für meinen Beistand, als bei eurer Hochzeit zu sein. Ich bin auf keiner Hochzeit gewesen, seitdem die Königin, eure Schwiegermutter Braut war.« Die Königstochter willigte gern in dies Begehren, und so schieden sie von einander. Die Alte ging ihres Weges, wie sie gekommen war. Die Prinzessin aber legte sich schlafen, obschon sie kein Auge während der ganzen ewig langen Nacht zuthun konnte.
Früh am Morgen, ehe der Tag graute, öffnete sich die Thür, und die kleine Alte trat wieder herein. Sie ging zur Königstochter hin, und reichte ihr ein Bündel Garn. Das Garn aber war weiß wie Schnee und fein, wie ein Spinnengewebe. Das Weib sagte: »Siehst du, so schönes Garn hier habe ich nicht gesponnen, seit ich für die Königin spann, als sie sich vermählen sollte. Das ist aber nun schon lange her.« So sprechend verschwand das kleine Weib, und die Prinzessin verfiel in einen wohlthuenden Schlummer. Es dauerte aber nicht lange, als sie von der alten Königin geweckt wurde, die vor dem Bette stand, und fragte, ob der Flachs fertig gesponnen sei. Die Königstochter bejahte es, und reichte ihr das Garn. Die Königin mußte so sich diesmal zufrieden geben; die Prinzessin aber konnte wol wahrnehmen, und merken, daß es ihr nicht vom Herzen ging.
Als es nun Tag wurde, sagte die Königin, daß sie die Königstochter auf eine andere Probe setzen wolle. Sie schickte das Garn in das Frauengemach zugleich mit dem Webstuhl und anderen Gerätschaften, und befahl der Prinzessin, es zu weben. Das Gewebe aber mußte fertig sein, ehe die Sonne aufging, sonst dürfe die Jungfrau nicht mehr daran denken, den jungen Königssohn zu bekommen.
Als die Prinzessin allein war, ward ihr wieder schlimm zu Muthe, denn sie wußte, daß sie das Garn der Königin nicht weben könne, und gleichwol wollte sie den Königssohn nicht verlieren, den sie so lieb hielt. Sie wankte daher im Zimmer umher, und weinte bitterlich. Als dies geschah, öffnete sich die Thüre sehr leise, sehr leise, und es trat ein sehr kleines altes Weib herein, von seltsamer Gestalt, und mit noch seltsameren Geberden. Die kleine Alte hatte ein ungeheuer großes Gesäße, so daß Jeder, der sie sah, sich darüber wundern mußte. Sie grüßte: »Gottes Frieden!« »Gottes Frieden mit euch!« antwortete die Königstochter. Die Alte fragte: »Warum ist die schöne Jungfrau so allein und kummervoll?« »Je nun,« sagte die Prinzessin, »ich muß wol traurig sein, die Königin hat mir befohlen, dies Garn zu verweben; wenn ich es aber nicht am Morgen gethan habe, ehe es Tag wird, verliere ich den Königssohn, der mich so herzlich lieb hat.« Das Weib entgegnete: »Seid getrost schöne Jungfrau! wenn es nur das ist, so will ich euch helfen. Dann aber sollt ihr mir eine Bedingung erfüllen, die ich jetzt nennen will.« Ob dieser Rede freute sich die junge Prinzessin über die Maßen, und fragte nach dem Begehren des alten Weibes. »Nun denn,« sagte die Alte, »ich heiße Storgumpa-mor (die Mutter mit dem breiten Gesäße), und will keinen anderen Lohn haben, als bei eurer Hochzeit zu sein. Ich bin auf keiner Hochzeit gewesen, seit eure Schwiegermutter Braut war.« Die Königstochter willigte gern in dies Begehren, und so schieden sie von einander. Die Alte ging ihres Weges, wie sie gekommen war, die Königstochter aber legte sich schlafen, obschon sie kein Auge während der ewig langen Nacht zuthat.
Früh Morgens, ehe der Tag anbrach, öffnete sich die Thüre, und das kleine Weib trat wieder ein. Sie ging jetzt zur Königstochter hin, und reichte ihr ein Gewebe; das Gewebe aber war weiß wie Schnee, und fein wie ein Fell, so daß Keiner desgleichen gesehen hatte. Die Alte sagte: »Siehst du, so wie dieses hier, habe ich nichts gewebt, seit ich für die Königin webte, als sie sich vermählen sollte. Das ist nun aber schon lange her.« Hierauf verschwand das Weib, und die Prinzessin erquickte sich durch einen angenehmen, aber kurzen Schlummer, denn es dauerte nicht lange, als sie von der alten Königin geweckt wurde, die an ihrem Bette stand, und fragte, ob das Gewebe fertig sei. Die Königstochter bejahte es, und reichte ihr das schöne Gewebe. Die Königin mußte so sich das zweite Mal zufrieden geben; die Prinzessin aber konnte wol sehen, und merken, daß sie es nicht gerne that.
Die Königstochter dachte nun, von einer weiteren Probe befreit zu sein; die Königin aber war anderer Meinung, denn nach einer Weile schickte sie das Gewebe in das Frauengemach hinab, mit dem Auftrage, daß die Prinzessin es zu Hemden für ihren Bräutigam nähen solle. Die Hemden müßten aber fertig sein, ehe die Sonne aufging, sonst sollte die Jungfrau nicht hoffen, den Königssohn je zum Gemahl zu bekommen.
Als die Prinzessin wieder allein war, ward ihr schlimm zu Muthe, denn sie wußte, daß sie die Leinwand der Königin nicht nähen könne, und sie wollte doch nicht den jungen Prinzen verlieren, den sie so lieb hatte. Sie wandelte im Zimmer umher, und weinte. Während dem öffnete sich die Thüre sehr leise, sehr leise und ein kleines sehr altes Weib trat ein, von wunderlichem Ansehen, und mit noch wunderlicheren Geberden. Die kleine Alte hatte einen unglaublich großen Daumen, so daß Jeder, der ihn sah, sich darüber wundern mußte. Sie grüßte: »Gottes Frieden!« »Gottes Frieden mit euch!« antwortete die Königstochter. Die Alte fragte: »Warum ist die schöne Jungfrau so allein und traurig?« »Je nun,« sagte die Prinzessin, »ich muß wol traurig sein, die Königin hat mir befohlen, diese Leinwand für den Königssohn zu Hemden zu nähen. Wenn ich es aber nicht bis Morgen gethan habe, ehe die Sonne aufgeht, verliere ich meinen Bräutigam, der mich so herzlich lieb hält.« Da entgegnete das Weib: »Seid getrost, schöne Jungfrau! ist es nichts anderes, so kann ich euch helfen. Dann aber sollt ihr mir eine Bedingung erfüllen, die ich jetzt nennen werde.« Bei dieser Rede freute sich die Prinzessin über die Maßen, und fragte nach dem Verlangen des alten Weibes. »Je nun,« sagte das Weib, »ich heiße Stortumma-mor (die Mutter mit dem großen Daumen), und ich will keinen anderen Lohn haben, als bei eurer Hochzeit zu sein. Ich bin auf keiner Hochzeit gewesen, seit die Königin, eure Schwiegermutter Braut war.« Die Königstochter willigte gerne in ihre Bedingung, und so schieden sie von einander. Die Alte ging ihres Weges, wie sie gekommen war, die Prinzessin aber legte sich schlafen, und schlief so schlecht, daß sie nicht einmal von ihrem Bräutigam träumte.
Früh am Morgen, ehe die Sonne aufging, öffnete sich die Thür, und die kleine Alte trat wieder ein. Sie ging zur Königstochter hin, weckte sie, und gab ihr einige Hemden. Die Hemden aber waren mit so großer Kunst genäht und gestickt, daß man nicht ihres Gleichen fand. Die Alte sagte: »Siehst du, so gut wie diese, habe ich keine genäht, außer denen, die ich für die Königin nähte, als sie Braut war. Es ist aber auch schon sehr lange her.«
Mit diesen Worten verschwand das Weib, denn die Königin stand gerade in der Thür, und fragte, ob die Hemden fertig seien. Die Königstochter bejahte es, und reichte die schön genähten Hemden hin. Da wurde die Königin so erzürnt, daß ihre Augen funkelten, und sagte: »Nun, so nimm ihn denn! Ich konnte nicht glauben, daß du so schnell sein würdest, wie du gewesen.« Hiemit ging sie ihres Weges, und warf die Thür zu, daß das Schloß knarrte.
Der Königssohn und die Königstochter sollten nun einander bekommen, wie die Königin versprochen hatte, und es ward eine Hochzeit veranstaltet. Die Prinzessin aber war nicht besonders fröhlich an ihrem Hochzeitstag, denn sie dachte, ob wol die wunderlichen Gäste kommen werden. Die Zeit kam heran, und die Hochzeit fand nach alter Sitte mit Lust und Freude statt; keine alten Weiber aber erschienen, wie sich die Braut auch nach allen Seiten umsehen mochte. Spät endlich, als die Gäste zu Tische gehen sollten, gewahrte die Königstochter die drei kleinen Weiber, die in einer Ecke des Hochzeitsaales allein bei einem Tische saßen. Da stand der König auf, und fragte, was das für Gäste seien, die er früher nicht gesehen hatte. Das älteste von den drei alten Weibern entgegnete: »Ich heiße Storfota-mor und ich habe deßhalb so große Füße, weil ich in meinem Leben so viel gesponnen habe.« »Ist’s so,« sagte der König, »dann soll meine Schwiegertochter nie mehr spinnen.« Er wandte sich hierauf zu dem zweiten Weibe, und fragte, was der Grund ihres wunderlichen Aussehens sei. Die Alte antwortete: »Ich heiße Storgumpa-mor, und ich habe deßhalb ein so breites Gesäße, weil ich in meinem Leben sehr viel gewebt habe.« »Ist’s so,« sagte der König, »dann soll meine Schwiegertochter auch nie mehr weben.« Er wandte sich hierauf zu dem dritten alten Weibe, und fragte nach ihrem Namen. Da erhob sich Stortumma-mor, und sagte, daß sie einen so großen Daumen bekommen, weil sie in ihrem Leben so viel genäht habe. »Ist dem also,« sagte der König, »dann soll meine Schwiegertochter auch nie mehr nähen.« Und dabei blieb es. Die schöne Königstochter erhielt den Prinzen, und war jetzt sowol vom Spinnen und Weben, als auch vom Nähen für ihr ganzes Leben befreit.
Als die Hochzeit zu Ende war, zogen die Großmütterchen ihres Weges, und Niemand sah, welchen Weg sie nahmen, gleichwie Niemand wußte, woher sie gekommen. Der Prinz aber lebte mit seiner Gemahlin glücklich und vergnügt; nur ging Alles viel stiller und ruhiger, weil die Prinzessin nicht so thätig war, wie die strenge Königin.
[Gunnar Hyltén-Cavallius/George Stephens: Schwedische Volkssagen und Märchen ]