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Die drei Märchen des Papagaien

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Des Papagaien erstes Märchen

Es war einmal ein König, der hatte eine einzige Tochter, und diese Tochter liebte es, mit Puppen zu spielen. Eine von diesen Puppen hatte sie vor allen andern lieb, sie zog sie an und aus, legte sie zu Bett und sorgte für sie wie für ein Kind. Eines Tages geht der König hinaus aufs Land, die Tochter geht mit, nimmt aber ihre Puppe mit sich, und nachdem sie gespielt, legt sie sie aus der Hand. Da es Essenszeit war, ging man zu Tische, und bald darauf fuhr der König und die Prinzessin wieder nach dem Schlosse zurück: die Puppe hatte sie vergessen. Erst in dem Schlosse erinnert sie sich ihrer, da kehrt sie schleunigst um, die geliebte Puppe zu suchen. Wie sie nun vor das Thor kam, wußte sie keine Straße und verirrte sich. Ohne zu denken lief sie über Berg und Thal und ward ganz und gar verwirrt. Endlich kam sie zu einem königlichen Palast. Sie fragte den Pförtner, welcher König hier wohne, und der antwortete: »Der König von Spanien.« Da bittet sie um Herberge und tritt vor den König. Der gab ihr denn Wohnung und alles, und weil er selbst keine Kinder hatte, hielt er sie wie seine Tochter und gab ihr Erlaubniß, zu thun und zu lassen, was sie nur wolle. So waltete sie bald im Schlosse wie eine Herrin; der König gab ihr auch zwölf Edelfrauen zu ihrem Dienste. In den Herzen der Edelfrauen entstand gar bald Neid und Misgunst, und unter sich sprachen sie: »Wissen wir denn eigentlich, wer diese Fremde ist? Die soll unsere Herrin sein? Das dürfen wir nicht gestatten.« Am andern Morgen traten sie zu dem Königstöchterlein und sagten: »Wollt Ihr nicht ein wenig mit uns kommen?« – »Ich darf nicht«, sagte jene, »der König erlaubt es nicht, doch werde ich gehen, ihn zu fragen.« – »Geht nur, und wißt Ihr, was Ihr zu sagen habt, damit er es Euch nicht abschlage? Sagt: ‚Bei der Seele deiner Tochter‘, hört er das, so willfahrt er Euch.«
So ging die Prinzessin zum Könige. Kaum hatte dieser die Worte gehört, erzürnte er heftig und rief: »Du böses Kind! Auf! Werft sie mir in den Abgrund!«
Sie lag im Finstern, tastete sich aber weiter, kam nach und nach durch drei Thürvorhänge, fand Stahl und Zunder und zündete eine Kerze an, die dabeistand. Siehe, da lag ein schönes Mädchen, das hatte ein Schloß vor dem Munde und konnte dergestalt nicht sprechen. Durch Zeichen nur deutete es, wo der Schlüssel zu dem Schlosse liege. Die Prinzessin fand ihn und öffnete das Schloß. Da fing das Mädchen alsbald an zu sprechen und erzählte, wie sie die Tochter eines Königs sei, die ein Zauberer entführt habe, wie der Zauberer ihr alle Tage das Essen bringe, den Mund öffne und wieder schließe, um ihn erst andern Tages wieder zu öffnen. Da fragte die andere: »Sage mir, Schwesterchen, gibt es denn gar kein Mittel, dich zu befreien?« – »Ich weiß keins, es bleibt weiter nichts übrig, als den Zauberer, wenn er mir wieder den Mund geöffnet hat, darum zu fragen. Du lauschest inzwischen unter dem Bette, hörst es und mußt dann sehen, was du thun kannst.« So blieben sie, das Königstöchterlein verschloß der andern vorläufig wieder den Mund und wartete, unter dem Bett versteckt, der Dinge, die da kommen sollten.
Horch, um Mitternacht entstand ein großes Brausen: die Erde thut sich auf, und unter Blitz und Donner erscheint der Zauberer, in einen schwarzen Mantel gehüllt. Hinter ihm ein Riese mit Speisen und zwei Diener mit Fackeln, das Zimmer zu erleuchten. Er schickt die Leute fort, schließt hinter ihnen zu und öffnet der Gefangenen nun den Mund. Sie aßen, und während des Essens fragt das Mädchen wie zufällig: »Schon lange plagt mich die Neugierde, was es wol brauche, mich von hier zu befreien.« Der Zauberer antwortete: »Das ist ein bischen viel verlangt, liebe Tochter!« Die Königstochter: »Wenn du nicht willst, laß es bleiben, mich verlangt nicht weiter, es zu wissen.« – »Dennoch will ich es dir sagen. Höre! Man muß eine Mine rings um den Palast graben. Genau um Mitternacht, in dem Augenblicke, wo ich hereinwill, muß man sie anzünden. Du fliegst deinem Vater in den Schos, ich in die Luft. Nun weißt du’s.« – »Es ist, als ob es niemand wüßte«, antwortete das Mädchen. Gleich darauf ging der Zauberer fort, und die erste Königstochter kroch unter dem Bett hervor, tröstete voller Freude das Schwesterchen, nahm Abschied und ging fort.
Immer weiter dringt sie in der Schlucht vor, wie sie oben hell sieht, ruft sie um Hülfe. Der König hört es, läßt ein Seil hinabwerfen und das Mädchen heraufziehen. Wie sie wieder vor dem Könige steht, erzählt sie ihm alles. Der war wol erstaunt, läßt aber die Mine graben und sie mit Pulver, mit Kugeln und Blei füllen, und das Mädchen, mit einer Uhr in der Hand, steigt wieder hinab und denkt bei sich: »Entweder beide todt, oder beide lebendig.« Da tritt sie vor das Mädchen, nimmt ihr das Schloß ab, erzählt ihr, was geschehen, und huscht wieder unters Bett.
Wie die Mitternacht näher kam, zählte der König voller Sorge die Minuten. Punkt Mitternacht wird Feuer an die Mine gelegt: ein furchtbarer Krach macht das Schloß erbeben. Der Zauberer fliegt in die Luft, und die Mädchen fallen sich in die Arme und sind frei. Der König empfing sie voller Freude und rief: »O, meine Töchter! Dein Unglück ward ihr Glück. So nimm du, die du fremd ins Land kamst, meine Krone!« Aber das Mädchen sagte: »Behaltet Euere Krone, Herr König, denn da ich eine Königstochter bin, besitze ich schon eine!«
Diese Geschichte wurde bald in aller Welt bekannt und alle priesen den Muth und die Herzensgüte der Prinzessin. So lebten sie glücklich und zufrieden bis ans Ende ihrer Tage. –
Hier endete das Märchen und der Papagai fragte die junge Frau: »Nun, meine Schöne, wie hat es Euch gefallen?« Und sie antwortete voller Freude: »Sehr schön!«
So gingen wieder acht Tage herum, da stand auch schon wieder die Alte mit den Fruchtkörben vor der Thür und begehrte die Enkelin zu sprechen. Der Papagai wurde unruhig und rief: »Hütet Euch, Schönste, die Alte kommt, Euch zu betrügen.« Richtig hub die Alte an: »Heute, meine Tochter, gehst du doch sicher mit zur Messe?« Und diesmal brauchte sie nicht lange zu bitten, die Frau war bald bereit, sich anzukleiden. Als der Papagai dies sah, wurde er ganz wild, flatterte, riß sich die Federn aus und schrie: »Bleib, meine Schöne, bleib! Gehe nicht in die Messe, die Alte will dich ins Verderben stürzen. Wenn du bleibst, will ich dir auch ein schönes Märchen erzählen!« Da sagte die Frau zur Alten: »Packt Euch nur fort, wegen der Messe da kann ich meinen Papagaien unmöglich sterben lassen.« Die Alte ging, rief aber noch im Weggehen: »Maledeite, wegen eines Thieres soll deine Seele verdammt werden!« Die Frau setzte sich darauf zu dem Vogel, und er erzählte ihr das versprochene Märchen.

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